10.05., Ansprache zur Konfirmation, Pfr. Sigloch

Predigt im Tauf- und Konfirmations-Gottesdienst
am 10.05.2015
in der evang. Kreuzkirche in Reutlingen
Predigttext Psalm 91,1+2
Pfarrer Stephan Sigloch, Pfarramt Kreuzkirche III, Reutlingen
„Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem
Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn:
Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich
hoffe“ (Psalm 91,1+2).
„Kistenstapeln“
Vor zwei Wochen waren wir noch beim Konfi-Wochenende auf
dem Georgenhof, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden.
Viele von Euch haben sich dort in der großen Scheune beim
„Kistenstapeln“ versucht. Und wer beim „Kistenstapeln“ mitgemacht hat, hat im Grund alles „erfahren“, was Leben und
Glauben ausmacht und eben auch, worauf es bei unserem
christlichen Glauben ankommt.
Vielleicht wissen ja nicht alle, was „Kistenstapeln“ ist: Beim
„Kistenstapeln“ baut man aus leeren Getränkekisten einen
Turm – und man kann ihn nur dadurch hoch bauen, wenn man
gleichzeitig mit dem wachsenden Turm immer weiter hinauf
steigt. Die Kisten werden hinauf gezogen: Wer oben auf dem
Turm steht, muss die Kiste nehmen, sie oben drauf setzen und
weiter hinauf steigen, damit er oder sie die nächste Kiste wie1
der oben drauf stapeln kann. Wenn ich es richtig verfolgt habe,
waren 25 Kisten der Rekord … also ungefähr 8 Meter. Höher
ging es nicht, dann kamen die Balken der Dachkonstruktion.
Wie gesagt: Wer beim „Kistenstapeln“ mitgemacht hat, hat alles erfahren, was das Leben und den Glauben ausmacht.
Zunächst: Anfangs stehen schon drei Kisten – und auch mit der
Konfirmation beginnt ihr heute ja nicht bei „Null“.
Wer auf dem Turm steht merkt: Ich muss meine eigene Art
und Weise finden, den Turm zu bauen – eine, die mir entspricht: Meiner Größe, meiner Beweglichkeit, meiner Kraft.
Und merkt auch schnell: Bis zu einer bestimmten Höhe würde
ich es ungesichert probieren. Aber schnell sind wir so weit
oben, dass wir uns nur sicher fühlen, wenn wir an einem Seil
verlässlich gesichert sind.
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Die Kisten, die die anderen uns geben, können wir mit unseren
Lebenserfahrungen vergleichen, die wir ja auch in den Beziehungen zu und mit anderen machen. Das Seil, das sichert,
ist der Glaube, der Halt verspricht – und Halt gibt, wenn wir
ihn brauchen.
Manchmal ist das Seil, das uns sichert, beim Stapeln gefühlt im
Weg. Trotzdem ist es wichtig, weiter so zu bauen, dass das Seil
nicht eingeklemmt wird – es muss direkt auf Zug sein zu dem
Punkt oben, an dem es eingehängt ist. Und wie im Leben
kommt es beim Bauen darauf an, dass wir beim Weiterbauen
das nicht zum Einsturz bringen, was wir schon gebaut haben.
Dazu müssen wir die Kisten auf die richtige Art und Weise auf
einander bauen – und nicht einfach kreuz und quer.
Manchmal wackelt der Turm. Wenn das Seil dann ganz locker
ist, gibt es uns keinen Halt. Aber wenn es einigermaßen „auf
Zug“ ist, dann gibt es so viel Stabilität, dass wir uns halten können, weil wir gehalten sind … und wenn das Wackeln nachlässt, können wir weiter bauen.
So ist das Leben. So ist der Glaube. – Was ihr darüber wissen
müsst, habt ihr beim „Kistenstapeln“ erlebt und erfahren.
Mehr kann euch ein Konfi-Kurs als Erfahrung nicht vermitteln.
„Unter dem Schirm des Höchsten …“
Das Seil beim „Kistenstapeln“, ich habe es gesagt, ist ein Bild.
Ihr seid vorhin an einem anderen Bild vorbei in die Kirche eingezogen, das euch dasselbe sagt:
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Draußen im Foyer steht ein bunter Schirm. An seiner Konstruktion hängen Eure Bilder - auf deren Rückseite steht: „Wer unter
dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht
und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe“ (Psalm 91,1+2).
Damit haben Eure Eltern anschaulich gestaltet, was sie sich für
Euch und Euer Leben wünschen und was der Glaube uns verspricht: Dass Ihr beschützt und eng verbunden mit Gott und
anderen Menschen durchs Leben gehen könnt. Dass Ihr zuversichtlich und hoffnungsvoll Euer Leben gestaltet und Euch
auch durch unseren Glauben beschirmt und geschützt fühlt,
wie es die Menschen früher in einer Burg gewesen sind.
Wir merken es: Es sind gleich mehrere Bilder – weil für diese
Zusage und dieses Bekenntnis unsere Sprache an Grenzen
kommt.
Und ich will auch dazu sagen, was das Bild nicht meint: Es
meint nicht, dass „unter dem Schirm des Höchsten […] und
unter dem Schatten des Allmächtigen“ immer Friede, Freude,
Eierkuchen ist. Wenn im Psalm Gott sagt: „… ich bin bei ihm in
der Not …“ (V12), dann begegnet uns darin die wohltuende
Ehrlichkeit der biblischen Texte, die uns nichts vormachen: wie
beim „Kistenstapeln“ geschieht es immer wieder, dass unser
Leben erschüttert wird – und dann braucht es Zuversicht, die
unter einem Schirm oder in einer Burg möglich ist und einen
Gott, auf den wir hoffen können.
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Die Hände frei haben
„Unter dem Schirm des Höchsten …“ – das heißt auch: Wir
müssen den Schirm nicht selber halten – müssen ihn nicht
selber fest- oder hochhalten.
Wer im Regen mit einem Regenschirm unterwegs ist und etwas in seiner Tasche sucht, telefonieren oder etwas anders tun
will, wofür er beide Hände braucht, der weiß, wie gut es ist,
wenn jemand anderer den Schirm hält. Das finde ich auch in
diesem Bild: Gott hält den Schirm und wir haben die Hände
frei. Aber es ist eben so: Dass Gott den Schirm wirklich hält,
merken wir erst, wenn wir ihn selber loslassen. Dass das Seil
beim „Kistenstapeln“ hält, spüren wir erst, wenn wir wirklich
drin hängen.
Gottes Hände, Gottes Füße in der Welt
Warum ist es wichtig, dass wir „unter dem Schirm des Höchsten“ die Hände frei haben? Damit wir füreinander das sein
können, was wir nach Gottes Willen sein sollen: „Gottes Hände
und Gottes Füße“ – Gottes Füße, die zu den anderen hingehen,
Gottes Hände, die ihnen helfen.
Ihr habt in den Texten vorher „Verantwortung“ dazu gesagt:
„Gott ist es nicht egal, was für eine Welt wir aus seiner Schöpfung machen“ – und er gibt uns dafür Verantwortung! Und
erst, wenn wir diese Verantwortung praktisch wahrnehmen
und unser Miteinander als Füreinander gestalten, spüren wir
konkret, dass Gott in unserer Welt gegenwärtig ist: Er handelt
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in aller Regel durch andere Menschen an uns – und durch uns
in seiner Welt.
Miteinander sind Dinge möglich, die sonst nicht vorstellbar
sind! Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass es beim Wiener SC einen blinden Stadionsprecher gibt1. Er „sieht“ mit den
Augen von Leuten, die ihm die nötigen Informationen geben.
Das ist eine lustige Geschichte, aber das gilt natürlich erst
recht für die Herausforderungen, vor denen wir gesellschaftlich stehen: Wir werden sie nur gemeinsam annehmen und angehen und ihnen einigermaßen gerecht werden können –
wenn wir alle - auch ihr als nächste Generation! – uns miteinander dafür verantwortlich fühlen. Und das eben auch aus unserer Verantwortung Gott gegenüber.
Schluss
Ich will das mit einer Geschichte deutlicher machen: „Ein
Mann geht in Rente und kauft sich einen Garten, ein verwahrlostes Stück Land. Weil er aber mit Liebe und Sachverstand ans
Werk geht, ist sein Garten bald ein Schmuckstück. Ein neuer
Pfarrer kommt ins Dorf – und eines Tages steht er am Garten
des Rentners. Er ist begeistert von der Blütenpracht: ‚Ist das
nicht herrlich, was unser lieber Herrgott hier Wunderbares gedeihen lässt?‘ „Ja, schon“, meint der Gärtner, ‚Sie hätten den
Garten aber mal sehen sollen, als unser lieber Herrgott sich
noch allein drum gekümmert hat!‘“
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Martin Luther King war überzeugt: „Kein Problem wird gelöst,
wenn wir träge darauf warten, dass Gott allein sich darum
kümmert“.
Und möglicherweise klären sich weitere Fragen, indem wir
ernst nehmen, was der amerikanische Verleger Cyrus Curtis
gesagt hat: „Wenn du an Gott glaubst, wird er die Hälfte deines
Werkes tun. Die zweite Hälfte“2.
Und wie sollen oder können wir „die erste Hälfte“ angehen?
Fragen wir uns: „Was würde Jesus tun?“ – und folgen ihm auf
seinem Weg. Amen.
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http://www.11freunde.de/artikel/wiens-blinder-stadionsprecher
Cyrus H. K. Curtis (1850-1933)
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