LENZBURG-SEETAL 39 AARGAUER ZEITUNG DONNERSTAG, 30. APRIL 2015 Podium ist für Furer ein «Affront» Lebensraum SVP-Grossrat ärgert sich über Zusammensetzung und Termin eines Forums ✒ Schlossgeist Gotthelf und die schönen Skylines ✒ Ueli oder Uli VON FRITZ THUT Der Gemeindeverband «Lebensraum Lenzburg Seetal» wird immer aktiver – und eckt nun ein erstes Mal an. Am 26. August findet in Lenzburg erstmals das Forum «Wirtschaft trifft Politik» statt. Zusammensetzung und Termin sind dem Staufner Grossund Gemeinderat Pascal Furer in den falschen Hals geraten. Furer, der zudem als Sekretär der SVPKantonalpartei amtet, stört sich, dass man zu den beiden einheimischen Wirtschaftsvertretern (Marianne Wildi, CEO Hypothekarbank Lenzburg, und Rolf Schmid, CEO Mammut Sports Group) zwei auswärtige Politiker für Referat und Podiumsdiskussion verpflichtete: Ständerätin Pascale Bruderer (SP, Nussbaumen) und Regierungsrat Stephan Attiger (FDP, Baden). «Ich empfinde diese Veranstaltung als einen absoluten Affront gegenüber allen Grossrätinnen und Grossräten und insbe- sondere Ständerats- und Nationalratskandidatinnen und -kandidaten des ‹Lebensraums›», liess Furer diese Woche eine lange Liste von Adressaten in einem Mail wissen. Im Gespräch findet er «den Zeitpunkt, mitten in der heissen Phase des nationalen Wahlkampfs», noch schlimmer als die Besetzung. Zugkräftige Leute hatten Vorrang Obwohl man ein gewisses Verständnis für Furers Haltung aufbringt, versteht man bei den Verantwortlichen des «Lebensraums» die Aufregung nicht wirklich. Der Gesamtvorstand, in dem alle angeschlossenen 23 Gemeinden vertreten sind, habe an der Sitzung vom 25. März von Konzept und Details des Anlasses erfahren und «zustimmend Kenntnis genommen», wie Geschäftsführer Jörg Kyburz in der Antwort auf Furers Mail schreibt. Der Lenzburger Stadtammann Daniel Mosimann als «Lebensraum»-Präsident «Beim Forum ‹Wirtschaft trifft Politik› geht es darum, regionale Bedürfnisse anzubringen. Ruedi Würgler Arbeitsgruppe «Wirtschaftsforum» hätte es gerne gesehen, wenn Furer «die Kritik zuerst intern» angebracht hätte. In der Sache hätten bei der Besetzung des Podiums «zugkräftige Leute Vorrang gehabt». Für den Dintiker Gemeindeammann Ruedi Würgler, der in der Arbeitsgruppe «Wirtschaftsforum» die «Lebensraum»Kerngruppen Wirtschaft und Politik vertrat, ist der Anlass explizit «keine Wahlveranstaltung für lokale Politiker»: «Beim Forum ‹Wirtschaft trifft Politik› geht es darum, regionale Bedürfnisse anzubringen. Dafür bieten wir eine Plattform mit Leuten mit Kantons- und Bundessicht.» Furer mögen diese Begründungen nicht umstimmen: «Es ist und bleibt ein Affront.» Würgler kontert: «Am Forum kann jeder teilnehmen.» 5000 Einladungen an Betriebe wurden versandt. «Wir wollen eine Brücke bauen zwischen der ‹classe politique› und dem einfachen Volk.» Gemäss Veranstaltungs-Flyer muss man sich sputen: Heute Donnerstag ist Anmeldeschluss. Welche Ausdrucksweise ist nun richtig? Heisst Gotthelfs Knecht Ueli oder Uli? Nach dem Bericht über das Projekt «Ueli de Chnächt 2016» des Theatervereins Staufberg meldete sich ein Leser per Telefon auf der Redaktion und fragte etwas ungehalten: «Könnt ihr Journalisten überhaupt kein Berndeutsch mehr?» Uli mit einem «e» zu schreiben sei definitiv falsch, meinte er in Sorge um den fahrlässigen Umgang mit Gotthelfs Erbe. Ganz abgesehen davon, dass in dieser Zeitung normalerweise in Schriftsprache geschrieben wird und nicht in berndeutschem Dialekt, hat der Schlossgeist die Theatermacher mit dem Vorwurf konfrontiert. Dazu lässt Präsident Markus Moser verlauten: Man weiche auf dem Staufberg von Gotthelfs Original ab und spiele eine erweiterte Version. Deshalb habe sich das OK auf den Titel «Ueli de Chnächt 2016» geeinigt. Hoffentlich besucht der Leser die Aufführung trotzdem. ✒ Bank als Galerie … Dass eine Bank mehr sein kann als nüchterne Räume für Geldgeschäfte, beweist die Lenzburger Filiale der Kantonalbank. Sie verwandelt sich regelmässig in eine Galerie, denn bereits zum vierten Mal sind die Wände von Schalterhalle, Büro- und Besprechungsräumen mit Bildern eines regionalen Künstlers behängt. Niederlassungsleitung Georg Metger kümmert sich persönlich um die Auswahl und kennt auch Fernando Indraccolo aus Suhr. Der gebürtige Apulier hält seit einigen Jahren Stadtansichten in Öl fest, weshalb die Bankausstellung unter dem Titel «Skyline» segelt. Äusserst passend zur aktuellen Diskussion über die bauliche Zukunft von Lenzburg. «Orkan Lothar hat unser Schützenhaus fortgeblasen» Dintikon Die Feldschützen haben sich nicht beirren lassen, als ihr Vereinshaus 1999 vom Sturm dem Boden gleichgemacht wurde – jetzt feiern sie ihr 150-jähriges Bestehen. VON RUTH STEINER ✒ … und Durchlauferhitzer Der 26. Dezember 1999 ist ein Tag, welchen die Dintiker Feldschützen wohl nicht mehr so schnell vergessen werden, auch Präsident André Meier nicht. Es ist kurz vor Mittag, als Orkan Lothar auf seinem Verwüstungszug durch die Schweiz die Region erreicht und Bäume am Herrliberg gleich reihenweise wie Zündhölzer einknicken lässt. In seiner unbändigen Zerstörungswut «hat Lothar unser Schützenhaus einfach fortgeblasen». In wenigen Sekunden. André Meiers Erinnerungen an den Moment sind heute noch so lebendig, als wäre es gestern gewesen. Hausteile und Mobiliar seien über den Rebhügel hinweg verstreut gewesen, entsinnt er sich. Wenn die Dintiker Feldschützen beim 150-jährigen Bestehen der Schützengesellschaft zurückblicken, so hat dieser Vorfall den Verein besonders geprägt. Doch liessen sich die Mitglieder der Schützengesellschaft durch diesen herben Schlag nicht beirren. Mit vereinten Kräften machten sie sich an einen Ersatzbau für das verwüstete Gebäude. «Was hätten wir auch für Alternativen gehabt?» Meiers Frage ist eher rhetorischer Natur. «Sich nach Totalzerstörung unseres Schützenhauses einem andern Verein in der Region anzuschliessen, war dannzumal kein Thema», erklärt er. Die Hypi, Platzhirsch auf dem Bankenplatz Lenzburg, hat anderweitig für Furore gesorgt. Professorin Simone Westerfeld gab hier «ein ultrakurzes Gastspiel im Verwaltungsrat», so «finews». Mittlerweile steht fest: Westerfeld übernimmt bei der Basler Kantonalbank den Geschäftsbereich «Finanzen und Risiko». Seengen Eine neue Fahne zum 125. Geburtstag Ein Tiefschlag in der Geschichte der Dintiker Feldschützen: Am Stephanstag 1999 hatte Orkan Lothar das Dintiker Schützenhaus in unzählige Teile zerlegt und über den Rebhügel hinweg verstreut. ZVG Zu Beginn im Freien geschossen 8700 Stunden Fronarbeit leisteten Vereinsmitglieder und Freunde, ein Sponsoringschiessen brachte zusätzliche Mittel für den Wiederaufbau. Dank grosszügiger finanzieller Unterstützung von verschiedenen Seiten konnte 2002 das neue Schützenhaus mit einem Standeinweihungsschiessen gefeiert werden. «Wir sind innerhalb kurzer Zeit recht an die Säcke gegangen», schaut Präsident Meier zufrieden zurück. Und weil alles so gut funktioniert habe, habe man nur ein Jahr später in Dintikon noch ein Schützenfest zu Ehren des 200jährigen Bestehens des Kantons Aargau auf die Beine gestellt, hält der Präsident schmunzelnd fest. Seit 37 Jahren zieht André Meier den Karren der Feldschützen. Was hält ihn so lange auf dem Posten? Meier lacht, das Präsidentenamt sei nicht so heiss begehrt. Zudem sei er über all die Jahre hinweg von einem sehr guten Team kollegial unterstützt worden, das habe ihm seine Arbeit sehr erleichtert. «Die Medien schreiben von Schützen und meinen den Täter. Solche Meldungen haben einen negativen Einfluss auf die Jungen.» André Meier Präsident Feldschützen Dintikon 1865 bei ihrer Gründung schoss die damalige Feldschützengesellschaft auf «Brüggem» noch im Freien. Erst später wurde eine Schützenhütte gebaut. 1921 beschloss der Verein kurzerhand eine Verlegung der Schiessanlage an den Herrliberg. Auch diese Anlage wurde regelmässig ausgebaut. Die steigende Zahl an Obligatorischschützen erforderte 1949 eine Erweiterung des Scheibenstandes von 6 auf 10 Scheiben. 1965 stutzte der Verein seinen Namen auf Feldschützen Dintikon. In den Siebzigerjahren ersetzte man das alte Holzhäuschen durch eine unterkellerte Schiessanlage mit Pultdach. Sie wurde 1989 mit einer elektronischen Trefferanzeige ausgerüstet. Straftaten mit Waffen schaden Wie viele andere Vereine plagen auch die Schützen Nachwuchssorgen. Der Verein zählt derzeit 24 Mitglieder. André Meier vermutet, dass die Straftaten, bei welchen Waffen im Spiel sind, dem Schiesssport abträglich sind. «Die Medien schreiben von Schützen und meinen den Täter. Solche Meldungen haben einen negativen Einfluss auf die Jungen», ist Vereinspräsident Meier überzeugt. Dass derzeit zwei Dintiker den Jungschützenkurs besuchen und rund ein Dutzend 10- bis 16-jährige Schüler das Luftgewehrschiessen auf 10 Meter Distanz lernen, ist Balsam auf die Schützenseele des Präsidenten. Vielleicht tritt einer von ihnen dereinst in Meiers Fussstapfen. Auch er war Jungschütze, als die Dintiker Schützen ihr 100-Jähriges feierten, beim 125-Jahr-Jubiläum wie jetzt beim 150-Jährigen steht er dem Verein als Präsident vor. Der 67-jährige Meier lacht und verspricht. «Beim 200Jährigen bin ich es dann nicht mehr.» Die Feldschützen Dintikon feiern ihr 150-jähriges Bestehen mit einem Jubiläumsschiessen. Dazu laden sie alle Schützen ein. In der Schützenstube wird an den Schiesstagen gebackener Fisch und Grilladen serviert – auch Nicht-Schützen dürfen sich an den Tisch setzen. Jubiläumsschiessen 1. bis 3. Mai und 8./9. Mai im Schützenhaus Dintikon, mit Fischessen in der Schützenstube. Ein Konzert der in Fachkreisen hoch angesehenen Wiener Formation Mnozil Brass morgen Freitag und ein Festakt mit Fahnenweihe am Samstag. So feiert die Musikgesellschaft Seengen am Wochenende ihren 125. Geburtstag. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, wie dem Festführer entnommen werden kann. Am Ende des 19. Jahrhunderts, beflügelt durch erfolgreiche Auftritte im örtlichen Kurhaus Brestenberg, beschlossen sechs junge Burschen die Gründung der Musikgesellschaft Seengen. 1990, zum 100-jährigen Bestehen, gab es eine grosse Jubiläumsfeier, samt der Organisation eines kantonalen Musiktages. Im fünften Vierteljahrhundert des Vereins hatte die Seenger «Musig» mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie andere Korps auch. Das breite Freizeitangebot, die gestiegenen Ansprüche im Beruf, gepaart mit der sinkenden Bereitschaft, sich in einem Verein zu engagieren, machen die Suche nach neuen Mitgliedern nicht einfacher. Dank dem langjährigen Dirigenten und Musiklehrer Albin Stöckli hat der jubilierende Verein von einer starken Nachwuchsförderung profitieren können. Die Musikgesellschaft Seengen existiert – und dies können beileibe nicht alle Dorfmusiken von sich behaupten: «Von den 28 Vereinen, welche 1990 am Musiktag in Seengen teilgenommen haben, sind deren sieben heute nicht mehr aktiv oder haben mit einem andern Verein fusioniert», steht im Festführer. (TF)
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