Griechenland-Info März 2015 - Internationale sozialistische Linke

V.i.S.d.P.: Angela Klein, c/o Sozialistische Zeitung, Regentenstr. 57–59, 51063 Köln
internationale sozialistische linke (isl)
http://www.islinke.de/
In dieser Situation sind natürlich wir in der BRD, dem Herzen der
Bestie, besonders gefragt. Hierzulande haben die Aktivitäten der
Griechenland Solidaritätsgruppen im Vergleich zum letzten Herbst
sicherlich stark zugenommen. Das ändert nichts daran, dass sie
immer noch viel zu schwach sind im Verhältnis zu dem, was erforderlich wäre. Aber es gibt einige Ansatzpunkte zur Ausweitung
unserer Aktivitäten. Die SYRIZA Regierung hat einiges getan, was
ihr auch bei den Menschen in Deutschland Sympathien eingebracht hat: Der Umstand, dass sie ihren Worten auch Taten hat
folgen lassen, hat SYRIZA auch bei den Menschen in der BRD an
Ansehen gewinnen lassen. gewonnen. Dass die neue griechische
Regierung die Luxuskarossen abschafft hat und sich mit Mittelklassewagen zufrieden gibt, findet ebenso Beachtung wie das
erfreulich unkonventionelle und couragierte Auftreten von Tsipras
oder Vourafakis. So etwas was ist man von „unseren“ Politikern
nicht gewöhnt. Auch das grundlegende Anliegen, etwas für die
Schwachen zu tun, kommt gut an.
In der Situation, wo weite Teile der europäischen Machteliten die
Schlinge um den Hals der griechischen Regierung immer enger zu
ziehen versuchen, brauchen die griechischen GenossInnen unsere
Solidarität wie die Luft zum Atmen. Es ist an der Zeit, dass wir
dem Internationalismus des Kapitals einen Internationalismus
der unteren Klassen entgegen setzen. Nötig ist die Organisierung
eines Netzes der Solidarität mit der griechischen radikalen Linken
ab sofort, überall auf dem Kontinent. Momentan sind lediglich in
Spanien die Proteste gegen die Erdrosselungspolitik der EuroMachthaber wirklich bedeutsam sind, so gibt es Anzeichen, dass
auch in Irland, Italien, Portugal etwas in Bewegung kommt.
erwarten musste. Selbst auf bescheidene Verbesserungen der Lebensbedingungen in Griechenland reagieren sie extrem aggressiv
und drohen mit dem Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden
ökonomischen Druckmittel. Dabei wäre sicherlich rein „finanztechnisch“ weder die von der neuen griechischen Regierung
vorgeschlagene Übergangslösung noch eine spürbare Schuldenreduzierung kein Problem. Das Problem ist, dass politischen
Statthalter des Kapitals das nicht wollen. Sie wollen es nicht
zulassen, dass ausgerechnet die BürgerInnen jenes Landes, das
von der Troika als Testlabor für die Durchsetzung extremer ultraneo-liberaler Politik ausersehen war, jetzt sagen: „Es reicht!“ Die
Nieten in Nadelstreifen wollen es nicht dulden, dass die Menschen
in Griechenland aus dem von der Troika gezimmerten Käfig aus
Elend, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit ausbrechen und sich
auf den Weg machen, in eine soziale, gerechte und nachhaltig
demokratische Gesellschaft, in der nicht mehr die Renditeerwartungen einer kleinen reichen Investorengemeinde als Kompass
politischen Handelns dienen, sondern die Bedürfnisse und Nöte
der Bevölkerungsmehrheit.
Fragen wir griechische GenossInnen, wie wir in der BRD sie bei
ihren Kämpfen am besten unterstützen können, so bekommen
wir oft die Antwort zu hören: Indem ihr gegen das neoliberale
Regiment in eurem eigenen Land kämpft. Tatsächlich ist es so,
dass das obrigkeitsstaatlich-autoritäre und extrem ungerechte
Regime in Griechenland nur eine radikalisierte Form der deutschen Agenda 2010 ist und dass die Designer der systematischen
Verarmungspolitik in Berlin zu finden sind. Es sind genau dieselben Personenkreise, die hierzulande auf der Beibehaltung, ja
sogar Verschärfung der Agenda 2010 beharren. Wenn wir uns auch
in diesem Lande für eine Wende hin zu sozialer Gerechtigkeit
und wirklicher Demokratie in der Gesellschaft, für einen Bruch
mit den herrschenden Verhältnissen engagieren, haben wir den
gleichen Gegner wir wie jetzt die Menschen in Griechenland. In
der BRD haben wir vor kurzem das 10-jährige Jubiläum von Hartz
IV begangen. Bisher gab es viele richtige Argumente, aber wenig
praktische Kämpfe gegen die Agenda 2010 und die zahlreichen
weiteren Umverteilungsmaßnahmen der rot-grünen Regierung. Es
ist an der Zeit, dass wir das ändern. Eine Umverteilung von oben
nach unten ist auch in diesem Lande längst überfällig. Machen
wir 2015 auch in der BRD zu einem Jahr, in dem Menschen mehr
zählen als Profite! Das ist die beste Form der Solidarität, die wir
für die griechischen KollegInnen und GenossInnen in die Waagschale werfen können.
Gleicher Gegner – gleicher Kampf
Weil aber die Informationslage zu Griechenland immer noch eher
bescheiden ist, greifen Sprüche wie „Verträge muss man halten“
immer noch. Insofern gibt es immer noch großen Aufklärungsbedarf. Dies gilt umso mehr als parallel zur Eskalation durch die
Eliten in Berlin und Brüssel auch das publizistische Trommelfeuer
gegen die neue Regierung in Griechenland verschärft wird. Wir
haben aktuell die Aufgabe, eine effektive Kampagne für eine
Schuldenstreichung in die Gänge zu bringen. Den Protesttag
gegen die offizielle Eröffnung des neuen EZB-Palastes in Frankfurt
am 18. März sollten wir nutzen, um die Rolle der EZB gegenüber
Griechenland zu thematisieren. Und schließlich sollten wir recht
passable Erklärung führender Gewerkschafter („Für Kurswechsel
in Griechenland und Europa“) zur Arbeit in den Gewerkschaften
nutzen. Wir sollten versuchen, auf den gewerkschaftlichen Kundgebungen und Demonstrationen zum 1.Mai durch Transparente,
Redebeiträge, Infotische und Flugblätter Griechenland zu einem
wichtigen Thema zu machen. Auf keinem Warnstreik sollte der
Hinweis fehlen, dass die neue griechische Regierung die Gewerkschaftsrechte wiederherstellt, die die alte Regierung auf Anweisung der Troika abgeschafft hatte…
Die zweite Reihe der Politik in Deutschland begann nun vor Wut
zu schäumen. EU-Kommissar Günter Oettinger ereiferte sich: »Die
Brüskierung der EU-Institutionen« sei »ein bisher einmaliger
Vorgang in der Geschichte«; er bezeichnete den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras als »frech und unverschämt«. CDU
Fraktionschef Kauder, durchaus ein Mann fürs Grobe, inszenierte
sich als Sensibelchen. »Der Ton aus Athen gefällt mir auch nicht. So
geht man in Europa nicht miteinander um.“
Die Euro-Zone lässt Tsipras auflaufen
Als zentraler Konfliktpunkt erweist sich – wie nicht anders zu
erwarten – die Frage eines Schuldenschnitts für Griechenland. Die
Aufkündigung der Zusammenarbeit mit der Troika seitens des griechischen Finanzministers Varoufakis wurde von Bürokraten in Brüssel und bei Politikern mit Feldwebelallüren in Berlin und Brüssel zu
Recht als Absage an die neoliberale Politik verstanden. Es scheint,
als ob die machtversessenen Herren in Berlin und Brüssel es als ausgemachte Frechheit empfinden, wenn Repräsentanten eines Landes,
die bisher immer schön unterwürfig den „Ratschlägen“ aus Berlin
folgten, nun plötzlich nicht mehr parieren.
In dem Glauben, dass SYRIZA, angekommen in der Realität des
Regierens, die kämpferische Rhetorik des Wahlkampfes ablegen und
von nun an handzahm werden würde, gab man sich in Brüssel und
in Berlin zunächst demonstrativ gelassen – wobei man gleichzeitig
mantramäßig wiederholte, dass man natürlich keine Zugeständnisse zu machen gedenke. Die Stimmung drehte sich aber, als man
erkennen musste, dass SYRIZA sich anschickte, die Ankündigungen
des Wahlkampfs umzusetzen. Bereits zwei Tage nach dem Wahltag kündigte die neue Regierung an, die Privatisierungen wie die
der Elektrizitätsfirma DEI und des Hafens von Piräus zu stoppen,
Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst wie die der Schulwächter,
der Putzfrauen im Finanzministerium rückgängig zu machen und
den von Samaras geschlossenen öffentlichen Sender ERT wieder
zu öffnen. Arme Familien sollen bei den Strom- und Wohnkosten
finanziell unterstützt und der Mindestlohn angehoben werden. Auch
das Tarifrecht, das von der Samaras-Regierung ausgehebelt worden
war, wurde wieder in Kraft gesetzt.
Die Gelassenheit des Pokerspielers
liches NEIN zu der von der Troika verordneten und von der ihren
griechischen Statthaltern durchgeführten Politik der gnadenlosen
Sozialkürzungen und Privatisierungen zum Ausdruck gebracht.
Die Menschen in Griechenland haben mit ihem Votum ein deut-
Ob Schäuble und Dijsselbloem auf ihrem scharfen Eskalationskurs
gestoppt werden können, hängt jetzt immer mehr davon ab, ob
sich auch in anderen EU-Ländern spürbarer Widerstand gegen
ihre Erpressungspolitik regt. Deshalb ist es so wichtig, dass von
Frankfurt/M am 18.März ein klares europaweites Signal dazu ausgeht. Der Euro ist das soziale Massaker, das er anrichtet, nicht wert!
Kurz nach dem Gespräch von Draghi mit Varoufakis zog die EZB
gegenüber der griechischen Regierung die Daumenschrauben weiter
an. Sie kappte eine Sonderregelung für griechische Staatsanleihen
und nahm den Banken des Landes damit eine wichtige Geldquelle
der Refinanzierung. In der Woche vor den entscheidenden Verhandlungen zwischen Eurogruppe und griechischer Regierung verschärfte
insbesondere Schäuble die Rhetorik. Sein Spruch „Sie haben noch
Zeit bis Freitag. Dann war‘ s das“ war unmissverständlich: Falls die
SYRIZA Regierung sich nicht unterwirft, wird der Geldhahn zugedreht
– mit der Folge, dass es innerhalb weniger Tage in Griechenland
zum Staatsbankrott käme. Die „Financial Times“ zitierte zu diesem
Verhandlungsgebaren „einen Banker in leitender Funktion“: „Sie
quetschten, wo es nur geht. Das ist Teil eines Systems, ihnen die
Luft abzuschnüren und ihnen klar zu machen, dass es an der Zeit ist,
auf die Knie zu fallen.“In dieser Situation kapitulierte die SYRIZA
Regierung zwar nicht vollständig; Sie machte den Herren des großen
Geldes aber weitreichende Zugeständnisse, die den eigenen Handlungsspielraum beträchtlich einengen. Damit gerät der Ansatz von
Tsipras und Varoufakis, auf dem Weg einvernehmlicher Verhandlungen mit der EU die Austeritätspolitik zu beenden, in eine Sackgasse.
Unterwerfen oder Dagegenhalten
Während die zweite Reihe tobt, geben sich Schäuble und Merkel,
aber auch Juncker und Draghi betont gelassen und halten sich mit
aggressiven öffentlichen Äußerungen zurück. In den Medien gibt es
aber Hinweise, dass Merkel und Schäuble hinter den Kulissen extrem
geschäftig sind. In der „Stuttgarter Zeitung“ vom 5.2.2015 findet sich
die lapidare Bemerkung, dass im Vorfeld der Europatour von Tsipras
und Varoufakis es zahllose Telefonate zwischen Juncker, Merkel, EZBChef Draghi und den anderen Entscheidungsträgern gab, in denen das
Verhalten abgestimmt wurde. Ob in Brüssel, Rom oder Paris – der Empfang für Varoufakis und Tsipras war zwar stets freundlich, es wurde mit
den Gästen aus Athen gescherzt, ab und zu gab es eine freundlichen
Klaps. In der Sache aber gab es keinerlei positive Zusagen für das
Anliegen der Griechen. Nachdem auch das Treffen mit EZB Chef Draghi
ohne greifbares Ergebnis geblieben war, hatte das „Handelsblatt“ allen
Grund, zufrieden zu sein: „Eurozone lässt Athen auflaufen.“
Sie wollen, dass SYRIZA vor ihnen zu Kreuze kriecht
Solidarität mit der SYRIZA Regierung in Griechenland!
Die dominierenden Machteliten verhalten sich so, wie man es
Merkel Schäuble Juncker Draghi:
Die Sympathie auf die Straße bringen!
INFO - März 2015 ... GRIECHENLAND - INFO - März 2015 ... GRIECHENLAND - INFO - März 2015 ... GRIECH
INFO - März 2015 ... GRIECHENLAND - INFO - März 2015 ... GRIECHENLAND - INFO - März 2015 ... GRIEC
ATTAC Österreich kommt zum Schluss, dass sich mindestens
77 Prozent der Kredite direkt oder indirekt dem Finanzsektor
zuordnen lassen. Selbst von den knapp 47 Mrd. Euro, die überhaupt im Staatsbudget aufgetaucht sind, musste (oder wollte)
die Athener Regierung 35 Mrd. als Zinszahlungen an die Besitzer
von Staatsanleihen weiterreichen. Dazu kommen noch gut zehn
Milliarden für die „Landesverteidigung“, denn „Merkozy“ machten
im Interesse der deutschen und französischen Rüstungsindustrie
mächtig Druck, zu verhindern, dass Athen Rüstungsaufträge stornierte. In Griechenland stehen mehr Panzer deutscher Fabrikation
als hierzulande selbst! Die Griechen müssen also ihre Panzer und
U-Boote bezahlen, auch wenn sie dabei vor Hunger krepieren – so
sieht die Moral „christlicher“ PolitikerInnen aus. Die Programme
der Bankenrettung waren und sind also im Wesentlichen Rettungsprogramme für die Reichen und Superreichen, die seit 2007
Tatsächlich umfassten die sogenannten Griechenland Rettungspakete ca. bisher 240 Mrd. Euro. Dankenswerterweise hat ATTAC
Österreich sich die Mühe gemacht und einfach mal nachgerechnet, wohin die vielen Milliarden geflossen sind, denen man das
Etikett „Rettungspläne“ oder „Hilfszahlungen“ angeklebt hat. Von
den 207 Milliarden an „Hilfen“, die seit Mai 2010 in den vier „Memoranden“ vereinbart worden sind (inzwischen sind es 240 Mrd.),
wurden 55 Mrd. für die Rückzahlung fällig gewordener Staatsanleihen und elf Mrd. für den Rückkauf alter Schulden verwendet.
Mit 58 Mrd. wurde das Eigenkapital griechischer Banken aufgestockt – nachdem es durch Kapitalflucht der Reichen ins Ausland
kräftig ausgezehrt worden war. Mit 35 Mrd. wurde den Banken
und „Investmentfonds“ der Welt der Schuldenschnitt des Jahres
2012 schmackhaft gemacht – nachdem sie vorher angesichts von
Zinsen bis 35% einen kräftigen Reibach gemacht hatten. Die
Gesamtzahlungen Griechenlands für Zinsen und Tilgung dürften
sich für die vergangenen 20 Jahre ohnehin auf über eine Billion
Dollar belaufen – das Land wurde von den Gläubigern also kräftig
ausgenommen. Seit 1991 soll das Land allein 640 Mrd. Euro an
Zinsen bezahlt haben, wovon etwa 75% an ausländische Kreditgeber gingen.
Märchen Nr.2: „Wir haben den Griechen doch schon genug
geholfen“
Das „Lieblingsargument“, das Tsipras und Varoufakis bei ihrer
Tour durch die europäischen Hauptstädte um die Ohren gehaut
wurde. Richtig daran ist, dass die Sparpolitik in Griechenland in
den Jahren 2010 bis 2013 in Verträgen festgeschrieben wurde.
Allerdings vergessen Schäuble und Merkel stets zu erwähnen, dass
diese keine Verträge zwischen gleichberechtigten Partnern waren.
Das ökonomisch am Boden liegende Griechenland wurde vor die
Wahl gestellt: Entweder Du unterschreibst oder Du gehst pleite!
Vor dem zweiten Memorandum wurde sogar noch die Regierung
Papandreu von Merkel und Szarkozy zum Rücktritt gezwungen,
weil sie es gewagt hatte, eine Volksabstimmung über die Verträge
vorzuschlagen. Bei den Verträgen, auf deren Einhaltung Schäuble so energisch pocht, handelt es sich um erpresste Verträge,
um Diktate – weiter nichts! Es ist nur recht und billig, dass die
SYRIZA-Regierung sich an solche Verträge nicht gebunden fühlt.
Märchen Nr.1: „Verträge sind einzuhalten“
Bei ihrer Erpressungsstrategie greifen Schäuble, Merkel und Co
immer wieder auf die gleichen Argumentationsmuster zurück. Diese Stories verdrehen zwar nachhaltig die Wirklichkeit, sind dank
jahrelanger Desinformation und Hetze als Ressentiments tief im
Bewusstsein weiter Bevölkerungsgruppen verwurzelt.
Das Buch untersucht die historischen Besonderheiten eines
Landes der europäischen Peripherie. Die Rolle der mächtigen
Reeder und der Banker Griechenlands wird herausgearbeitet.
Es analysiert den krisenbedingten Aufstieg der neofaschistischen „Goldenen Morgenröte“. Und es gibt einen Überblick
über die Ansätze und Versuche der Gegenwehr gegen die
Massenverarmung und der Selbstorganisation, vor allem im
Bereich der Lebensmittelversorgung und im daniederliegenden Gesundheitswesen.
199 S., kartoniert, 19,80 Euro
April 2014
ISBN 978-3-89900-139-6
Paul B. Kleiser (Hrsg.)
Griechenland im Würgegriff
Ein Land der EU-Peripherie wird
zugerichtet
2., aktualisierte und durchgesehene Auflage
Tipp zum Weiterlesen
Nun, da es darum geht, die neue griechische Regierung gegen die
Wand fahren zu lassen, wird die Austeritätspolitik, die Wirtschaft
und Gesellschaft ruiniert hat, wider besseres Wissen zur „Erfolgsstory“ verklärt.
Wenn er einen auf gutmütig macht, lobt Wolfgang Schäuble die
Sparanstrengungen der Griechen und verweist darauf, dass es
schon Erfolge gebe. Man dürfe jetzt nur nicht nachlassen. Nicht
nur, dass er sich über die katastrophalen sozialen Folgen der
Austritätspolitik ausschweigt, die zum Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft geführt und immer größere Teile der Bevölkerung Griechenlands in bittere Armut gestürzt hat. Er verliert auch
kein Wort darüber, dass alle von der Troika getroffenen Voraussagen hinsichtlich der zu erwartende positiven Folgewirkungen dieser Maßnahmen sich als völlig falsch erwiesen haben. Das belegt
u.a. eine Auswertung der Troika- Programme durch den IWF: Der
Wirtschaftseinbruch ist fünfmal so tief wie vorgesehen (minus 25
Prozent statt minus 5 Prozent). Die Arbeitslosigkeit doppelt so
hoch wie geplant (28 statt 15 Prozent) die Schulden liegen nicht
bei 150, sondern bei 176 Prozent des Inlandprodukts.
Märchen Nr.3: „Die Reformpolitik zeigt Erfolge“
Fazit: Die von bundesdeutschen Politikern immer wieder als Beleg
für praktizierte „Solidarität mit den Griechen“ angeführten „Rettungspakete“ waren in Wirklichkeit gigantische Rettungspakete
für deutsche und französische Banken.
Die normale Bevölkerung sah nichts davon. Die Menschen in
Griechenland bekamen 2010 und 2012 keine Rettungspakete, sondern „Memoranden“. Das waren Pakete von sozialen Kahlschlagmaßnahmen, mit denen das ohnehin nicht besonders tragfähige
soziale Netz in Griechenland so systematisch zerstört wurde, dass
Beobachter sich angesichts der sozialen die Verhältnisse in Athen
und Thessaloniki an die „Dritte Welt„ erinnert fühlen.
ihre Einkommen deutlich steigern konnten, während der Großteil
der Bevölkerung auf der Strecke blieb.
Märchenstunde mit Schäuble und Merkel
II. In den Pariser Verhandlungen von 1946 wurde den Griechen ein Anteil von 7,1 Mrd. Dollar an den gesamten von
Deutschland einzufordernden Entschädigungen zugespro-
Hier gibt es ein doppeltes Problem: Erstens hat Griechenland niemals auf seine Forderungen aus der Kriegszeit verzichtet, wie das Bundesfinanzministerium noch im Februar
2014 selbst bestätigt hat; und zweitens hat Griechenland
weder direkt noch indirekt an den Verhandlungen von
1990 teilgenommen. Entsprechende Verträge binden das
Land also gemäß Völkerrecht nicht. Dabei geht es nicht um
Peanuts; die genannte Summe wäre heute ca. 11 Mrd. Euro
wert, hinzuzurechnen wären die Zinsen; bei einer (eher
geringen) Verzinsung von 3% beliefe sich die Summe, die
Deutschland allein aus diesem Kredit Griechenland schuldet,
auf etwa 70 Mrd. Euro.
Griechenland kann sich auf eine ganze Reihe von unstrittigen Fakten berufen. Die griechische Staatsbank musste im
März 1942 der deutschen Besatzungsmacht einen zinslosen
Zwangskredit von insgesamt 568 Millionen Reichsmark
gewähren; im Vertrag wurde die eindeutige Verpflichtung
zur Rückzahlung geregelt. Bis zum Abzug der Wehrmacht
waren 92 Mio. zurückgezahlt worden, so dass noch 476 Mio.
RM offen standen. Diese Sicht der Dinge wurde kurz vor
Kriegsende, am 12. April 1945, vom Auswärtigen Amt bestätigt. Doch die Bundesregierung hat in mehreren Anfragen
von Abgeordneten des Deutschen Bundestages wahrheitswidrig behauptet, der Kredit sei gemäß Art. 49 des Haager
Abkommens für die Verwaltung der „eroberten Gebiete“
verwendet worden und sei daher zu den Reparationskosten
zu zählen. Diese seien jedoch durch den 2 plus 4-Vertrag
von 1990 ohne Zahlung erledigt. Denn in diesen Vertrag sei
„die endgültige Regelung der durch den Krieg entstandenen
Rechtsfragen“ erfolgt; Griechenland sei nicht Vertragspartei
gewesen, habe aber im Rahmen der KSZE den Vertrag in der
Charta von Paris akzeptiert, denn es habe keinen offiziellen
Einspruch erhoben.
In den vergangenen Jahrzehnten hatten Opfer der bestialischen Verbrechen in Distomo, Kalavrita, Kommeno usw.
letztlich vergeblich versucht, vor Gerichten zu ihrem Recht
zu kommen. Bereits 2012 hatte der heutige Ministerpräsident Alexis Tsipras in Kalavrita angekündigt, im Falle eines
Wahlsieges die Frage der Reparationen und Kriegsschulden
wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Auch der vormalige
griechisches Staatspräsident Karolos Papoulias hat Bundespräsident Joachim Gauck beim gemeinsamen Besuch im
niedergebrannten Dorf Lingiades in der Nähe von Joannina
mit der Forderungen nach Reparationszahlungen konfrontiert, was Gauck sichtlich peinlich war.
Die neue, von Syriza geführte Regierung hat ein Thema
wieder auf die Tagesordnung gesetzt, das die Vorgängerregierungen eher mit Samthandschuhen angefasst haben: Die
Kriegsschulden des Deutschen Reiches bei Griechenland aus
der Zeit der Besatzung 1941 bis 1944, sowie die Entschädigung für die Verbrechen und Zerstörungen der Wehrmacht,
die eine massive Blutspur durch das Land gezogen hat.
Kein nicht-slawisches Land hat im Zweiten Weltkrieg einen
so hohen Blutzoll bezahlt wie das der Griechen. Es wurden
etwa 1 600 Ortschaften und bis zu 400 000 Häuser zerstört; etwa eine Million Einwohner wurden durch den Krieg
obdachlos, Zehntausende wurden getötet.
Foto: l-vista/pixelio.de
Daraus ergibt sich, dass nicht Deutschland an Griechenland,
sondern Griechenland an Deutschland Forderungen erheben
kann. Alle gerecht denkenden Menschen sollten sich also
dafür einsetzen und Druck auf die Regierung ausüben, dass
der Zwangskredit aus dem Zweiten Weltkrieg umgehend
zurückgezahlt wird und dass an die überlebenden Opfer
Entschädigungszahlungen erfolgen. Ein solcher Fonds könnte für den Wiederaufbau des durch die Austeritätspolitik
massiv geschädigten Landes mit Massenarbeitslosigkeit und
Millionen Menschen ohne Krankenversicherung hergenommen werden.
Sogar der Wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages ist der Meinung, dass Griechenland Reparationsforderungen an Deutschland stellen kann. Auch er verweist
auf die Tatsache, dass in der „Charta von Paris“ (1990) die
Frage der Reparationen mit keinem Wort erwähnt ist; ob
die Kenntnisnahme des Vertrages durch Griechenland als
Zustimmung zu werten ist, darf ebenfalls mit Fug und Recht
bezweifelt werden.
Nach Ende des griechischen Bürgerkriegs 1949 bereitete
das Land Prozesse gegen ca. 900 deutsche Kriegsverbrecher
vor. Die Adenauer-Regierung erpresste das ausgeblutete
Land und verlangte die Einstellung der Prozesse, damit die
Wirtschaftsbeziehungen wieder aufgenommen würden. Die
griechische Seite verlangte Reparationszahlungen, die von
der BRD abgelehnt wurden. 1957 reiste Max Merten, der für
die Deportation der griechischen Juden aus Thessaloniki
zuständig gewesen war, nach Griechenland, wo er umgehend verhaftet wurde. Ein Gericht verurteilte ihn wegen
seiner Verbrechen zu 25 Jahren Haft. Nun kam Bewegung
in die deutsche Seite, die Reparationen mit Verweis auf
das Londoner Abkommen weiterhin ablehnte, jedoch nun
bereit war, Entschädigungen für Opfer zu leisten, die „aus
Gründen, der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung“
verfolgt worden waren. Das betraf vor allem die griechischen Juden, denn die BRD wollte auch ihr Verhältnis zu
Israel „normalisieren“. Im März 1960 wurde schließlich ein
Abkommen vereinbart, wonach die BRD 115 Mio. DM für die
genannte Bevölkerungsgruppe zahlte; die Verteilung des
Geldes sollte durch den griechischen Staat vorgenommen
werden. Nach Ratifizierung des Vertrages wurde Merten und
andere Kriegsverbrecher entlassen und nach Deutschland
ausgeflogen, wo die Justiz sie in Ruhe ließ. Kein deutscher Verbrecher, der in Griechenland gemordet hat, ist je
von einem deutschen Gericht belangt worden. Welch eine
Schande!
chen. Natürlich wurden auch diese Reparationszahlungen
niemals erbracht. Im Londoner Schuldenabkommen vom
27. Februar 1953, das ganz im Zeichen des Kalten Krieges
stand, wurden der BRD ca. 60 Prozent der vor 1933 und
nach 1945 aufgelaufenen Schulden bei den Westalliierten
(USA, Großbritannien, Frankreich) erlassen. Die Regelung der Frage der Reparationen aus der Zeit des „Dritten
Reiches“ wurde auf die Zeit nach einem Friedensvertrag
verschoben. Auch bei diesem Posten sind inzwischen Forderungen Griechenlands in der Höhe von ca. 110 Mrd. Euro
aufgelaufen. Die Bundesregierung bemüht sich aus durchsichtigen Gründen, zu bestreiten, dass es sich bei dem 2
plus 4-Vertrag um einen Friedensvertrag gehandelt habe.
Streit um Zwangskredite und Reparationen
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