- Aufbau Verlag

Jule Gölsdorf
Mörderisches Monaco
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Jule Golsdorf ist Moderatorin bei n-tv und beim Hessischen
Rundfunk. Zuvor war die studierte Journalistin ein Gesicht der
ZDF-Kindernachrichten »logo!«, die 2012 mit dem deutschen
Fernsehpreis ausgezeichnet wurden. In ihrem ersten Kriminalroman verbindet die Autorin, die für n-tv auch das 24-StundenRennen von Le Mans moderiert, ihre Leidenschaft für den Motorsport mit ihrer Begeisterung für die Cote d’Azur. Die Autorin
recherchierte monatelang im Fürstentum Monaco, unter anderem bei der monegassischen Polizei und hinter den Kulissen der
Formel 1.
Mehr unter www.jule-goelsdorf.com und www.monaco-krimi.
com
Der erste Fall für Valeri und Dupont
Formel-1-Zirkus im schillernden Fürstentum Monaco: Während
die Piloten über die Rennstrecke rasen, wird in den malerischen
Bergen von Monaco die Ehefrau eines Rennfahrers überfallen
und ihr kleiner Sohn brutal erschlagen. Des Mordes verdächtigt
wird eine junge Deutsche, die den Rennfahrer schon seit Längerem verfolgt. Doch war diese Frau tatsächlich dazu fähig, aus
Eifersucht kaltblütig zu töten? Das Fürstentum ist in Aufruhr –
ein ungeklärter Mord, eine Katastrophe für den als sicher geltenden Stadtstaat. Kommissar Henri Valeri ist wenig begeistert,
als ihm bei den Ermittlungen auch noch die neue Kollegin Coco
Dupont an die Seite gestellt wird, die, durch ihre gescheiterte
Ehe, ganz andere Sorgen hat. Die beiden ermitteln gemeinsam
im Umfeld der Formel 1. Dabei geraten sie in ein enges Geflecht
aus Intrigen, sexuellen Tabus und Millionenmachenschaften
und bringen sich selbst in größte Gefahr …
.. JULE
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GOLSDORF
MOrdEriscHes
MOnaCo
KRIMINALROMAN
ISBN 978-3-7466-3131-8
Aufbau Taschenbuch ist eine Marke
der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
1. Auflage 2015
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2015
Umschlaggestaltung capa design, Anke Fesel
unter Verwendung eines Motivs von © ALIMDI John Greim
Autorenfoto auf der Rückseite © Marius Rittmeyer
Gesetzt aus der Whitman und Skyfall
durch Greiner & Reichel, Köln
Druck und Binden CPI books GmbH, Leck, Germany
Printed in Germany
www.aufbau-verlag.de
Für meine Mutter.
Die Beste.
Hätte Anca Bergmann gewusst, dass sie an diesem Tag ­ihrem
Mörder begegnen würde, wäre sie nie zur Tür gegangen, um
diese zu öffnen. Sie hätte die ersten Takte von Beethovens­
Elise, die ertönten, wenn jemand den Klingelknopf betätigte,
ignoriert, und so getan, als sei sie nicht zu Hause.
Oder, hätte sie geahnt, dass sie ihrem Schicksal nicht entkommen konnte, ihr Kind noch einmal in den Arm genommen, dem Jungen ein letztes Mal über die rotblonden Locken
gestrichen, die in alle Richtungen von seinem Kopf abstanden, ihm noch einen Abschiedskuss auf die Stirn gegeben.
Möglicherweise hätte sie für einen letzten Moment ihr privilegiertes Leben zu schätzen gewusst, den Luxus, mit ihrer Familie an einem Ort leben zu dürfen, an dem andere Menschen
bestenfalls Urlaub machten.
Doch sie war völlig ahnungslos. So ließ sie ihren Sohn weiterhin im Garten herumtollen und nahm die rosa- und lila­
farbene Blütenpracht der Magnolienbäume, die das Grundstück umgaben und durch deren Zweige hindurch das zarte
Blau des Meeres flirrte, gar nicht wahr.
In Gedanken versunken zwirbelte sie ihre karamellblonden
Haare zu einer Strähne zusammen und kontrollierte, ob sich
in den Spitzen Spliss gebildet hatte. Sie fröstelte ein wenig,
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daher zog sie sich eine hellbraune Kaninchenfellweste über
ihre dünne Seidenbluse, bevor sie an die Terrassentür trat
und den fünfjährigen Lucas beobachtete, der mit dem Hund
spielte, den er zu Weihnachten bekommen hatte. Sie lächelte
bei seinem unbeholfenen Versuch, den schwarz-weiß gefleckten Bichon festzuhalten, der sich den kleinen Kinderhänden
mit Leichtigkeit entzog und schnurstracks im Gebüsch verschwand. Ihre Gedanken schweiften ab zu jener denkwürdigen Begegnung, die sie ein paar Tage zuvor gehabt hatte, und
ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. War sie zu
weit gegangen?
Erneut fiel ihr Blick aus dem Fenster. Welch trügerische
Idylle, dachte sie. Ihre Villa lag im Nordwesten von ­Beausoleil,
einem kleinen Ort in den französischen Seealpen, der direkt
an das Fürstentum von Monaco grenzte. Von der Terrasse aus
hatte sie freien Blick auf die Bucht von Monte Carlo, in der
sich schon an diesem Tag, zweiundsiebzig Stunden vor dem
Großen Preis von Monaco, dem spektakulärsten Formel-1Rennen der Saison, noch mehr Yachten als sonst zum protzigen Stelldichein eingefunden hatten. Still und doch aufdringlich lagen sie im blauen Wasser der Côte d’Azur und waren
in dem Bemühen ihrer Eigentümer, das jeweils benachbarte Boot an Größe, Wert und Individualität zu übertrumpfen,
kaum voneinander zu unterscheiden. Ihre Besitzer saßen bei
frühsommerlichen vierundzwanzig Grad in der strahlenden
Maisonne und genossen zusammen mit ihren illustren Gästen
Champagner und Canapés an Deck.
Ausnahmezustand in Monaco, wie jedes Jahr im Frühling,
wenn der Formel-1-Zirkus rund um Bernie Ecclestone in dem
kleinen Fürstenstaat gastierte und Prominente, Wannabes
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und Motorsportfans aus aller Welt anlockte. Vermögende
Russen mischten sich unter die Starlets aus der Regenbogen-­
Schickeria, Zocker ließen im Casino die Roulettekugel kreisen, während Edelhuren dem besten Geschäft des Jahres
nachgingen und diverse Ganoven darauf hofften, einen Teil
jenes unermesslichen Reichtums abzubekommen, der an diesem Ort so hemmungslos zur Schau gestellt wurde.
Aus der Ferne konnte Anca Bergmann das Brummen der
Motoren erahnen, das sich beim Näherkommen in ein ohrenbetäubendes Dröhnen verwandelte und die Besucher, die am
Rande der Rennstrecke saßen, zwang, ihre Ohren mit Kopfhörern oder Ohropax zu schützen. Wochenlang war das Ereignis des Jahres vorbereitet worden: Um aus dem kleinen
Fürstentum eine vollwertige Grand-Prix-Strecke zu machen,
säumten nun kilometerlange Leitplanken, riesige Reifenstapel und meterhohe Tribünen die Straßen. An den wichtigsten Punkten des Circuit de Monaco waren gewaltige Kräne
installiert, um den engen Stadtkurs, der über keinerlei Auslaufzonen für die Rennwagen verfügte, im Notfall schnell von
einem verunglückten Formel-1-Boliden befreien zu können.
Auf der Strecke, die trotz des geringen Durchschnittstempos
als eine der gefährlichsten der Welt galt, lief in diesem Moment das freie Training für den Großen Preis am darauffolgenden Sonntag. Anca Bergmann konnte sich genau vorstellen, wie die Piloten ihre hochgerüsteten Rennwagen geschickt
an dem berühmten Casino de Monte Carlo vorbeilenkten,
durch die v-förmige Haarnadelkurve am Fairmont-Hotel rasten, um dann im Tunnel unter dem selbigen zu verschwinden. Im Anschluss würden sie durch die Kurve am Schwimmbad rauschen, in der einst der italienische Rennfahrer Alberto
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Ascari mit seinem Ferrari auf spektakuläre Weise ins Hafenbecken gestürzt und von Aristoteles Onassis’ Matrosen gerettet worden war, um dann, nur vier Tage später, bei einer Testfahrt ums Leben zu kommen.
Das Risiko der Strecke war hoch, damals wie heute. Für
ihren Mann, den Formel-1-Fahrer Sebastian Bergmann,
mit dem sie seit einigen Jahren hier lebte, war es ein Rennen mit Heimvorteil. Er kannte jeden Quadratzentimeter des
Fürsten­tums, die Strecke war sein Zuhause, jede Kurve, jede
­Neigung, jede Bodenwelle war ihm vertraut. Dennoch würde
ein Sieg nicht einfach werden. Der amtierende Weltmeister
und Sebastians Teamkollege im Rennstall United, der Russe
Alexander Titow, war Sebastian seit geraumer Zeit immer um
eine Nasenlänge voraus, immer eine Sekunde schneller, immer eine Stufe höher auf dem Siegertreppchen. Sie wünschte
ihrem Mann so sehr, dass er das Schattendasein der ewigen
Nummer zwei endlich hinter sich lassen könnte. Irgendwann
würde Sebastian Weltmeister sein, und sie würde an seiner
Seite glänzen …
Doch dann riss sie das melodiöse Klingeln der Türglocke
aus ihren Gedanken.
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Monaco