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REPORTAGE SPRINGREITEN
DIE 2-MINUTEN-
Frau
Janne Friederike Meyer ist eine von Deutschlands bekanntesten
Springreiterinnen. Aber der Sport, mit dem sie ihr Leben
finanziert, ist kein Ponyhof, sondern ein knallhartes Geschäft. Es geht
um sehr viel Geld – und das richtige Timing
iel, Sparkassen-Arena. Sie ist auf ihrer eigenen
Umlaufbahn. Das Gesicht hochkonzentriert,
ihr Geist komplett eins mit dem Pferd. Nicht
einen halben Galoppsprung, nicht eine Wendung überlässt Janne Friederike Meyer dem
Zufall in diesem Springparcours bei der Baltic Horse Show.
Nicht mal zwei Minuten, dann ist sie fertig. Fehlerfrei.
Ihr Leben dreht sich immer wieder um diese maximal zwei
Minuten, in denen sie voll da sein muss. Zwei Minuten höchste
Konzentration und Anspannung. Nicht länger dauert in der
Regel ein Ritt durch einen Springparcours. Und so kurzweilig
das klingt: Es geht wie bei jedem Hochleistungssport um
Sekundenbruchteile, Präzision und Punktlandungen.
Janne Friederike Meyer, 34, ist dafür bekannt, genau im
richtigen Moment das Richtige zu tun. Das sagt nicht nur ihr
norddeutscher Trainer Tjark Nagel. Auch internationale Trainer-Koryphäen wie der Amerikaner George Morris schwärmen
von ihr als „Germany’s Golden Girl“. Ihr Geheimnis? „Ich kenne
niemanden, der so nervenstark ist wie sie“, so Nagel.
Als Janne in Kiel aus der Arena reitet, lacht sie kurz erleichtert, klopft euphorisch den Hals ihrer jungen Stute Chloé („Sie
ist so schlau!“), bevor sie abspringt und sich die kleine Kamera
greift, mit der ihr Helfer Sebastian den Ritt gefilmt hat. Dann
studiert sie erst mal still für sich in einer Ecke das Video. Ein
Ritual. Warum? „Wenn man aufhört, sich ständig verbessern
zu wollen, ist man schon wieder unten.“
Wie schnell man vom Olymp wieder absteigen kann, hat sie
am eigenen Leib erfahren, als ihr Spitzenpferd Lambrasco sich
an der Sehne verletzte und recht unerwartet aus dem Sport
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ausscheiden musste. Bei seiner offiziellen Verabschiedung auf
dem Hamburger Springderby vor knapp einem Jahr hat die
sonst so wohltemperierte Janne vor Tausenden von Zuschauern Rotz und Wasser geheult. Der Wallach, den sie acht Jahre
lang hatte, war ihr Ein und Alles. Bis ein anderes Pferd so sehr
ihr Herz erobert, wird es dauern – emotional wie auch sportlich. Lambrasco war es schließlich auch, der sie drei Jahre zuvor
in die Oberliga katapultierte, als sie mit ihm 2011 überraschend
den Großen Preis von Aachen gewann. Ein hochdotiertes internationales Turnier. 110 000 Euro Gewinn, einen BMW-Kombi
(den sie heute noch fährt) und das Ticket zu den Olympischen
Sommerspielen in London bescherte Janne dieser Sieg. 30 Jahre
alt war sie da – und plötzlich ziemlich berühmt.
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riedrichshulde, ein ländlicher Vorort nordwestlich von
Hamburg. Ein gepflegter Stalltrakt mit zwölf Boxen, ein
kleines Büro, auf dem Tisch ein Korb mit Fanpost, der
immer gut gefüllt ist. An den Wänden Fotos von Turnieren.
Hier ist ihre Organisations-Keimzelle. Die Pferde, die sie zur
Zeit im Stall stehen hat, sind alle noch recht jung. Sei es der
sehr talentierte 9-jährige Fuchswallach namens Goya, mit dem
sie in diesem Jahr in Nationenpreisen starten will, oder auch
die 8-jährige Stute Chloé. Beides sehr talentierte Tiere. Aber
eben Nachwuchspferde, die sich entwickeln müssen. Ob der
ganz große Wurf dabei ist – ein zweiter Lambrasco – wird sich
also erst zeigen. Für Janne ist es wichtig, ihre Pferde ohne zu
viel Druck auszubilden und nur auf Turnieren zu starten, wenn
sie meint, die Zeit sei reif dafür. „Meinem Herzen folgen“,
nennt sie das. Um sich diesen emotionalen Luxus als Profi
F OTOS F LO RI A N S CHÜP P EL (2), GE TT Y I MAGE S, ACTI O N P RESS
K
TEXT NIKOLA HAAKS
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1 WUNDERPFERD Mit Lambrasco schaffte sie den Durchbruch an die Weltspitze 2 NEUZUGANG Fuchswallach Goya ist ihre Nachwuchshoffnung 3 SIEGERSCHLEIFEN Der typische „Wandschmuck“ in jedem Turnierstall 4 GLÜCKSMOMENT Nach dem Sieg 2011 in Aachen
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1 NACH DER ARBEIT ... geht´s zum Grasen. Gut für die Pferdeseele 2 MANÖVERKRITIK Springtraining mit Trainer Tjark Nagel,
der regelmäßig bei Janne vorbeikommt 3 WOCHENPLAN Welches Pferd trainiert wann wie viel? Alles gut durchstrukturiert
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Eigentümer. Ein Pferd hat sie zusammen mit ihrem Freund
Christoph Zimmermann selbst gekauft. Er ist Pferdemakler
und hat seine Kunden vor allem in den USA.
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ass es überhaupt noch Platz gibt für einen Mann in
ihrem Leben, ist ein Wunder. Es gab auch lange keinen,
denn Janne wollte vor allem eins nicht: jemanden, der
reitet. Ihr reicht es schon, wenn ihr ganzes Leben sich in dieser
Welt abspielt, die ihr manchmal sehr eng erscheint. Aber dann
traf sie vor dreieinhalb Jahren Christoph auf einem Turnier. Er
lud sie zum Essen ein. Janne sagte, sie käme nur mit, wenn sie
nicht über Pferde reden würden. Sie redeten über viel anderes.
Seitdem sind sie ein Paar. Es ist nicht leicht, Jannes Taktung
zu halten – Christoph scheint es hinzukriegen. Er sagt, er sei
schließlich Freiberufler und flexibel. Von Donnerstag bis Sonntag sind sie meistens zusammen auf Turnieren und fahren
dafür Tausende von Kilometern durchs Land, teilweise bis nach
Polen oder wie kürzlich nach Spanien. Der Rest der Woche ist
mit Training und Fahrten zu Züchtern oder potenziellen Kunden gefüllt. So etwas Banales wie ein Sonntag auf dem Sofa
oder ein Treffen mit Freunden sind exotische Ausreißer.
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leisten zu können, braucht man Pferdebesitzer, die diese Einstellung teilen. Das ist nicht die Regel.
Der Springsport ist kein Ponyhof, sondern ein knallhartes
Business. Er wird – im Gegensatz zum Dressurreiten – von
Männern dominiert. Sowohl hinter den Kulissen als auch
davor. Die Pferde gehören mehrheitlich nicht den Reitern,
sondern Sponsoren. Und seit die arabischen Scheichs das
Springreiten und die deutschen Spitzenpferde für sich entdeckt haben, ist der Markt ähnlich explodiert wie die Immobilienpreise auf Mallorca – Pferde sind eine lukrative Geldanlage
geworden. Letztes Jahr wurde die Stute Bella Donna, die die
deutschen Reiterin Meredith Michaels-Beerbaum ritt, für geschätzte 6 bis 8 Millionen Dollar an den Neffen des Außenministers von Katar verkauft. Zu reizvoll das Angebot. Die
Reiterin stand dann erst mal ohne Pferd da.
Jannes Hauptsponsor ist Jürgen Fitschen, der Co-Chef der
Deutschen Bank. Sie sagt, sie habe wirklich großes Glück
mit ihm. Vor ein paar Jahren lernten sie sich auf dem Derby
kennen, ihm gefiel ihre Herzblut-Einstellung; dass sie nicht
dem Erfolg um jeden Preis hinterherjagt. Die Hälfte der zwölf
Pferde in ihrem Stall sind seine, dann gibt es noch zwei weitere
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Manchmal reicht es für ein spätes Dinner beim Lieblingsitaliener in Hamburg-Bahrenfeld, meistens noch in Reitklamotten.
Dennoch: Für Janne gab es nie eine Alternative. Mit 20 zog
sie aus ihrem Elternhaus in der Nähe von Süderbrarup in
Schleswig-Holstein nach Hamburg, um ihr Geld mit Reiten zu
verdienen. Nur das Abitur, das musste sie machen. Einzige
Bedingung der Eltern, die allerdings auch nicht eine Sekunde
an Jannes Weg zweifelten. Ihr Vater arbeitete in einem kaufmännischen Beruf, ist dem Reitsport aber als Hobbyzüchter
sehr verbunden. Ihre Mutter sagt, Janne sei extrem eisern ihren Weg gegangen. Und sie habe eine ungewöhnliche Begabung
und ein tolles Auge für Distanzen. Sie hätte auch Rennfahrerin
werden können. Wurde sie nicht. Mit sechs Jahren hatte sie
ihr erstes eigenes Pony, mit zwölf ritt sie ihre erste deutsche
Meisterschaft. Mit 29 wurde sie in den Kader berufen.
Aber neben sportlichem Talent braucht es auch betriebswirtschaftliches Know-how, um einen Turnierstall am Laufen
zu halten. 25 000 bis 35 000 Euro benötigt Janne jeden Monat,
inklusive Turnierstarts. Startgeld, Anreise, Hotel und Pferdeunterbringung gehen auf ihre Rechnung. Zudem hat sie zwei
Angestellte. Auch wenn sie nie BWL studiert hat: Sie hatte immer einen Business-Plan. Neben dem Sport und der Pferdevermittlung (kürzlich hat sie ein Pferd an die Tochter von
Bill Gates verkauft) verdient sie ihr Geld mit mehreren kleinen
Werbepartnern wie einem Lebensmittelhersteller, einer Versicherung oder einer Schuhfirma. Noch vor Kurzem hat sie, um
Kosten zu sparen, in einer kleinen Butze direkt über dem Stall
gewohnt. Aber sie entschied sich, Richtung Stadt zu ziehen.
Auch wenn die Pferde ihr Leben sind, will sie nicht im Stall
versauern. „Ich mag neue Perspektiven“, sagt Janne. Zwei Zim-
F OTO S F LO R I AN S C H Ü P P E L
1 PROFIBLICK Janne, ihr Freund Christoph (links) und Trainer Nagel gucken ein Pferd an, das zum Verkauf steht 2 SPEISEPLAN
Die richtige Futtermenge ist auch für vierbeinige Athleten entscheidend 3 SATTELKAMMER Ordnung ist das halbe Leben
4 ERFRISCHUNG Bereiter Sebastian duscht d
­ en
Wallach Codex nach dem Training kalt ab
mer in einem Hochhaus in Altona sind es geworden.
Eigentum, mit Elbblick. Christoph ist mit eingezogen,
„und jetzt leben wir in einem Schuhkarton“.
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ürzlich haben die beiden Urlaub gemacht.
Natürlich auch in Janne-Taktung: acht Tage,
länger kann sie nicht weg. Anstatt auf eine
sonnige Insel zu fliegen, wollte sie unbedingt nach
Tibet. Mit An- und Abreise hatten sie schließlich ganze drei Tage vor Ort. Kurz und knackig. Punktlandung.
„Als wir zurückkamen, waren wir zwar urlaubsreifer als
vorher“, lacht Janne, „aber es war das Beeindruckendste, was ich je gesehen habe.“ Sie mag dieses volle Leben; sie hat nicht nur einen Flug-, sondern auch einen
Tauchschein. Und am liebsten würde sie noch einen
Tiefseetauchschein machen. Sie ist getrieben, ihr Kopf
ist permanent in Bewegung. Wenn sie nicht reitet,
denkt sie über die Pferde nach. Sind alle in Bestform?
Was kann ich noch verbessern? Bloß kein Stillstand.
Ihr großes sportliches Ziel ist die Olympiade in Rio
de Janeiro 2016. Goya wäre dann 10 Jahre alt. Das ist
für ein Olympiapferd jung, aber nicht unrealistisch.
Bei ihren letzten Spielen 2012 hat sie vieles falsch
gemacht. Zu verkrampft sei sie gewesen, zu ehrgeizig. Eine zweite Chance würde ihr viel bedeuten. Aber
Olympia ist eine große Nummer, und Janne will sich
nicht zu weit aus dem Fenster hängen. „Ich habe den
Traum“, sagt sie, „aber ich bin nicht die Einzige. Und
es ist ein riesenlanger Weg.“ Sie hat in diesem Fall ja
noch ein bisschen mehr Zeit als zwei Minuten.
NIKOLA HAAKS war beeindruckt von
den Preisen, die deutsche Sportpferde
mittlerweile erzielen. Sie überlegt, ob
sie ihre Geldanlagestrategie noch mal
überdenken sollte – oder besser gleich
einen arabischen Scheich heiraten.
Aber beides birgt ein gewisses Risiko . . .
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