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04.2015 | www.hitcentral.eu/de/42
N°4
Das Journal für die deutsche, österreichische
und schweizerische Healthcare IT Branche.
OP
NÄCHSTER HALT
MEDIENBRUCH
Eingeimpft – das
Schweizer Impfdossier wird
von Ärzten und Patienten
gewollt und gepflegt
Sehr unbefriedigender
Nutzungsgrad –
Black Box IT
Interdisziplinäre
Intensivstation
OP
Operative
Intensivstation
Neurologische
Intensivstation
OP
Onkologie
Gynäkologie
Neonatologische
Intensivstation
OP
Kardio­
vaskuläre
Intensiv­
station
OP
Radiologie
OP
Notfall- und
Intensivmedizin
Kardiologie
Innere Medizin
Urologie
Patientendatenmanagementsysteme
verbessern Behandlungs- und Abrechnungs­qualität – digital ist dabei nicht egal
Kinderstation
Hals-, Nasen-,
Ohrenheilkunde
Verwaltung
Hausarztpraxis
— EDITORIAL —
Follo w me: cdhims
s
E-Health zum Ausdrucken
42 N°4 HIMSS Europe Und unsere Nachbarn? Sie machen es anhand einer Volksabstimmung vor. In der Schweiz existiert ein elektronisches
Impfdossier (Eingeimpft, S. 16) und es wird ein elektronisches
Patientendossier geben. Gut, der ELGA-Start verzögert sich in
Österreich auch erst einmal bis zum Ende des Jahres, auch hier
gibt es Widerstand aus der Ärzteschaft.
Wo bleibt bei all dem der Patient und die Fürsorge? Studien zeigen, dass Gesunde sich tatsächlich weniger Gedanken
um Datenaustausch machen. Sie zeigen aber auch, dass je näher der Mensch am Patienten oder gar selbst Patient ist, desto
höher wird seine Bereitschaft, behandelnden Ärzten Einblicke
in seine Gesundheitsdaten beziehungsweise Krankenakte zu
geben. Und warum auch nicht? Es heißt ja nicht, viele Ärzte
verderben den Brei ...
Viel Freude beim Lesen!
MFG
Foto: Jens Schünemann
Es liegt vielleicht an dem Begriff „E-Health“ – nimmt den eigentlich noch irgendjemand ernst? Oder wurde er genauso
überstrapaziert wie Big Data, die Verwendung des Wortes „Kunde“, wenn eigentlich der „Patient“ gemeint ist oder das Bonmot
der „blühenden Landschaften“, die bestenfalls den ehemaligen
innerdeutschen Grenzstreifen oder die Denaturierung verlassener Dörfer Ostsachsens treffend beschreiben?
Das angekündigte deutsche E-Health-Gesetz bleibt jedenfalls weit hinter der gesammelten Hoffnung der innerdeutschen
E-Health-Gemeinde zurück. Sollten die zahlreichen klugen
Punkte aus der Anhörungsphase keinen Weg in das finale Gesetz finden, verpasst der Gesetzgeber eine Möglichkeit zur verbindlichen Festlegung nationaler IT-Standards und erteilt der
Interoperabilität, intersektoralen Kommunikation und somit
dem Qualitätsmanagement, der Patientensicherheit und Kosteneffizienz eine Absage.
Was für ein schönes Zeichen, hart erkämpft, wie ich annehmen darf, dass sich ALKRZ, BVITG, BVMI, GMDS, HL7 und
IHE Deutschland, MFT, TMF und VUD (ich liebe die deutsche
Verbandslandschaft und ihre Abkürzungen) auf eine gemeinsame Stellungnahme einigen konnten. Damit setzen die Verbände
tatsächlich ein ernstzunehmendes Zeichen der willentlichen
Kooperation zum Thema Interoperabilität. Das „gemeinsam“ ist
nun einmal genau das, was im Gesundheitswesen oftmals fehlt.
Das kann bedauert oder aber anhand von Gesetzen gestärkt,
ja, verbindlich beschlossen werden. Letzteres kann so nicht aus
dem ersten Entwurf des Gesetzes herausgelesen werden, aber
wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt! Also, noch
nach dem Patienten, dessen Daten nicht rechtzeitig im Papierwust wiedergefunden wurden ...
Claudia Dirks
Editorial Director
[email protected]
www.hitcentral.eu/de/42
3
— INHALT —
— INHALT —
HIMSS Europe Community N°4
Seite 43
eHealth Summit Germany, auf dem Hauptstadtkongress, Juni 2015, Berlin
6
eHealth Summit Austria, Juni 2015 „Gesundheit neu denken“, Wien
8
Swiss eHealth Summit, September 2015, Bern
8
Entziffern10
Impressum12
Kolumne: Der Brückenbauer Brennende Häuser versichern
Rainer Herzog Es fehlt der politische Wille
Dating Big Pharma Pharma umgarnt die mHealth-Szene
MySugr Viel Arbeit und viel Passion
Kolumne: Mensch vs. Maschine Der Mensch hinter dem System
Seite 13
Eingeimpft 14
Das elektronische Impfdossier der Schweiz
Ohne Richtschnur18
KRITIS birgt große Herausforderungen
Thorsten Schütz20
Wir können den Aufwand noch nicht planen
Entwicklung medizinischer Apps22
Was Sie wissen müssen!
26
Kolumne: Der Überblicker
Gesucht – Change Manager Gesundheitspolitik
52
54
56
60
62
28
32
66conhIT: Gesundheits-IT-
Branche 2015: Innovationen
und Trends
Seite 37
68Agfa: Klinische Dokumenta­
tion: Der Kreis schließt sich
69Cerner: Eine große Chance
38
für den Markt
70CompuGroup: Telematik
42
braucht „mehr-Werte“ für
Ärzte und Patienten
71ID: Semantische Frei­
textanalyse: Prozesse
optimieren mit Terminolo­
gieservern
4
48
Klinikum Nürnberg
IT in Zeiten von Mergern und Kostendruck
Arzneimittelwirkung Aus dem Krankenhaus zurück auf den Teller
Wolfgang Dorda Kulturwandel im Krankenhaus
HealthTech Wire
PDMS Nächster Halt Medienbruch
Rainer Röhrig Informationsverlust reduzieren
45
Seite 55
Seite 27
AMTS Im Sinne der Patienten
Unbefriedigender Nutzungsgrad
Black Box IT
44
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe 72medatixx: Mobile Lösungen
für Praxen, MVZ und Klinik­
ambulanzen
73MEIERHOFER: Kranken­
haus-IT: Mittelstand als
Stabilitätsfaktor
74 Deutsche Telekom AG:
Digitales Mindset
75Ascom: Ascom Myco bringt
die mobile Revolution in die
Pflege
76Hewlett-Packard:
78ICW: Erfolgreiches Versor­
gungsmanagement durch
einrichtungsübergreifende
Vernetzung und Pro­
zesskoordination
79medavis: Im Herzen ein RIS
80Nuance: Alles könnte so
einfach sein, ist es aber
nicht!
81VISUS: Mehr Effizienz auf
allen Ebenen mit dem medi­
zinischen Archiv
30 Prozent mehr Perfor­
mance dank schnellem
Speichersystem
5
— HIMSS EUROPE COMMUNITY —
IT trifft Entscheidungsträger
11
HIMSS Europe wird in diesem
Jahr erstmals im Rahmen des
Hauptstadtkongresses „Medizin
und Gesundheit” vom 10. bis 12.
Juni 2015 im CityCube Berlin
den eHealth Summit Germany
zum Thema „Digitalisierung der
Medizin” ausrichten.
Der eHealth Summit vereint
Entscheidungsträger aus Politik
und Krankenhaus-Management
mit Anwendern, Industrie und
Forschung.
Moderation: Bernd Christoph Meisheit,
Sana IT Services GmbH
14–15.30 Uhr
Verantwortliche gesucht! Ohne eine qualitätsgesicherte IT-Infrastruktur gerät der Gesundheitsstandort Deutschland ins Hintertreffen!
9–10.30 Uhr
Das E-Health-Gesetz mag den richtigen Ansatz
verfolgen. Doch was, wenn all die erfolgreichen
Piloten nicht den Sprung in die bundesweite Praxis
schaffen, weil die technischen Voraussetzungen
in einem der reichsten Länder leider nicht aus­
reichen und morgen schon veraltet sind? Medizin
und Forschung schlagen Alarm, weil sie den
Standort Deutschland in Gefahr sehen – die Kos­
ten der Gesundheitsversorgung steigen weiter an
–, und das alles aus voraussehbaren Gründen!
AMTS: Der unbehandelte Skandal
Moderation: Rainer Herzog, HIMSS Europe
Arzneimitteltherapiesicherheit spielt im deut­
schen Gesundheitswesen kaum eine Rolle. Dabei
sterben hierzulande jährlich circa 40.000 Pati­
enten infolge vermeidbarer Medikationsfehler,
rund 15 Prozent aller Krankenhauseinweisungen
lassen sich allein darauf zurückführen. Es sollte
also ein gesellschaftspolitisches und volkswirt­
schaftliches Interesse an der Behandlung die­
ses Problems geben. Engagierte Protagonisten,
stationär und ambulant, beweisen, dass es Lösun­
gen gibt – lokal und regional. Ihnen allen gemein
ist die Tatsache, dass die Digitalisierung des ge­
samten Medikationsprozesses entscheidend ist.
Round Table: Marcel Fratzscher, Präsident DIW;
Arno Elmer, GF Gematik; Adrian Schmid,
e-Health-Suisse; Otto Rienhoff, Uni Göttingen
PROGRAMM: 12. JUNI 2015
Start-up-Slam: Traut euch!
Moderation: Manfred Criegee-Rieck,
Leiter AG Arzneimittelinformationssysteme bei
der GMDS, IT-Leiter Bad Kreuznach
11.30–13 Uhr
Moderation: Juliane Zielonka,
Geschäftsführerin Die-Artverwandten
Die Investition in IT wird oftmals gescheut, da die
Akzeptanz in der Ärzteschaft gering ist. Dass das
kurzsichtig, auch hinsichtlich einer erfolgreichen
Unternehmensführung, ist, beweisen Häuser, die
IT-Kennzahlen als Instrumentarium zur Weiter­
entwicklung, auch ihrer medizinischen Qualität,
und Integration bei Zukäufen entdeckt haben.
Welches Modell macht am meisten Sinn? Wel­
che Kenn­zahlen werden benötigt und wie müssen
Mehr Zeit für Patienten
16.30–18 Uhr
Eine gute Idee – fünf Minuten Zeit, die Jury oder
das Publikum zu überzeugen. Wie gewöhnlich ziert
sich das Gesundheitswesen, wenn es darum geht,
sich Neuerungen gegenüber zu öffnen. Aber aktuell
sind viele mobile Lösungen auch noch gar nicht
stationstauglich oder haben trotz guter Idee noch
nicht die Hürde in die Gesundheitswelt genom­
men – wir geben den guten Ideen eine Bühne. Wer
traut sich?
Aus dem Bauch in den Verstand:
IT-Kennzahlen im Krankenhaus
6
diese aussehen, um ein einheitliches Gerüst zu
schaffen? Mit diesen Fragen setzen sich Anwen­
der und Experten in der Session auseinander und
entwickeln gemeinsam Lösungsansätze.
Jury:
•Friedrich von Bohlen
Geschäftsführer dievini Hopp Biotech
•McKinsey
Sponsor des 1. Preises
•Prof. Dr. Burkhard Schmidt
Designer Ikone, UdK Berlin
Mehr Informationen: www.ehealthsummit.de
42 N°4 HIMSS Europe
Pflegekräfte sind die Helden des Alltags im Gesundheitswesen
und haben einen Begleiter verdient, der sie bei der
Arbeit unterstützt. Aus diesem Grund haben wir Ascom
Myco™ (My companion) entwickelt. Ascom Myco™ ist ein
spezialgefertigtes Smartphone und Kommunikationskonzept
für die Krankenhausumgebung, das relevante Informationen
genau dort bereitstellt, wo sie von Pflegekräften und
Krankenhausmitarbeitern benötigt werden:
at the heart of care!
Erfahren Sie mehr zu Ascom Myco.
ascommyco.com
— HIMSS EUROPE COMMUNITY —
gehealthcare.com
MEHR EVENTS
6
eHealth Summit Austria 2015:
„Gesundheit neu denken“ plus PDMS
Foto: Bhalla
WIEN – Vom 18. bis 19. Juni 2015 findet Österreichs nationaler
eHealth Event im Apothekertrakt von Schloss Schönbrunn in Wien
statt. Im dritten Jahr der erfolgreichen Zusammenarbeit von HIMSS,
AIT, UMIT, OCG und ÖGBMT lautet das Summit-Motto „Gesundheit neu
denken: Personalized Health“. Prof. Dr. Otmar Wiestler, Vorstandsvor­
sitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), wird die
Eröffnungskeynote zum „Paradigmenwechsel in der Medizin“ halten.
Der zweite Konferenztag wird von Wolfgang Dorda eröffnet, ehemali­
ger Leiter des Instituts für Medizinisches Informationsmanagement
und Bildverarbeitung der Medizinischen Universität Wien, mit einer
Skizze der „Aktuellen Herausforderungen der Medizinischen Informa­
tik für die personalisierte Gesundheitsversorgung“.
3
Das weitere Programm gliedert sich, wie in den Vorjahren, in den
wissenschaftlichen Teil der eHealth 2015 und in den anwenderori­
entierten HIMSS-Track, für den das Programmkomitee aus Politik,
Anwender, Industrie und Wissenschaft verantwortlich zeichnet. Sie
können also sicher sein, dass die aktuellen Aufregerthemen des ös­
terreichischen Gesundheitswesens das Programm bestimmen.
Swiss eHealth Summit –
Das Gesundheitswesen trifft sich in Bern
Foto: iStock
NEU: Erstmals wird die PDMS CONFERENCE D.A.CH. am 18. Juni 2015
in Wien als Teil des eHealth Summits Austria stattfinden. Patienten­
datenmanagementsysteme – sicherheitsrelevant oder Kostenver­
schwendung? Als offenes Expertenforum werden die brennenden
Fragen diskutiert, um Wiederholungsfehler zu vermeiden.
Mehr Informationen unter:
www.ehealthsummit.at und www.himss.eu/pdms
8
BERN – „Digitales Ökosystem Gesundheitswesen:
Vorgaben umsetzen, Versprechen einlösen“ steht über
dem Swiss eHealth Summit, der am 14./15. September
2015 im Kursaal Bern stattfindet.
Es bleibt spannend in der Schweiz! Das elektronische
Patientendossier geht aktuell in die nächste Runde –
Befürworter und Gegner wappnen sich für den nun
folgenden Schlagabtausch. Im September wird es ver­
mutlich schon Sieger und Besiegte geben. Welchen Ein­
fluss das auf die zukünftigen Entwicklungen im Schweizer
Gesundheitswesen hat, wird dort in Bern skizziert.
Die Mixtur aus wissenschaftlicher Konferenz, CISKonferenz und Anwender-Track, der die innovativsten
existierenden Lösungen mit allen Stakeholdern der
Schweizer Gesundheitswirtschaft diskutiert, geht in die
dritte Runde und nimmt sich genau dies vor: Wie kann
es konkret weitergehen? Welche Möglichkeiten bieten
eHealth-Lösungen? Was hat sich schon in der Realität
bewährt?
Der Blick über den Tellerrand Gesundheitswesen ist ge­
nauso erwünscht, wie die Diskussion über die ganz prak­
tischen Schritte auf dem Weg hin zu einer investitionssicheren Lösung, die das Zeug hat, Probleme zu lösen.
Mehr Informationen unter: www.ehealthsummit.ch
42 N°4 HIMSS Europe
Wenn ein schneller Zugriff
auf Patientendaten die klinische
Zusammenarbeit verbessert.
Das bringt
die Qualität der
Patientenversorgung voran.
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— ENTZIFFERN —
IN ZAHLEN REDEN
PERSÖNLICHE GESUNDHEITSDATEN: VIELE PATIENTEN MÖCHTEN TEILEN
Würden Sie Ihrem Arzt Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten geben, die mithilfe von Apps generiert wurden?
WEISS NICHT: 20%
NEIN: 18%
Anteil der
Befragten, die
befürchten, dass
Versicherungsbeiträge steigen, wenn
Gesundheitsdaten,
die durch Apps
generiert wurden,
eine Verschlechterung der Gesundheit
und Fitness aufzeigen
81%
NEIN: 39%
Quelle: YouGov-Study „Quantified Health”; Dezember 2014; 1.000 Teilnehmer
aus Deutschland, alle Altersgruppen
UNTERSCHÄTZEN SIE NIEMALS
DIE KLINISCHE DOKUMENTATION
44 %
JA: 32%
Würden Sie Ihrer Krankenversicherung Zugang
zu persönlichen Daten geben, die durch Gesundheits-Apps generiert wurden, wenn Sie daraus
einen finanziellen Vorteil erhielten?
DIGITALE DOKUMENTATION:
FREUND ODER FEIND?
30 % 36 %
Geschätzte Zeit,
die mit klinischer
Dokumentation
verbracht wird
Zeit, die tatsächlich
mit klinischer
Dokumentation
verbracht wird
Quelle: HIMSS Europe Studie „Auf den Spuren der Zeitdiebe im Krankenhaus: Die
wahre Belastung durch Dokumentation an deutschen Akutkrankenhäusern wird
unterschätzt”, März 2015, 229 Doktoren und Pfleger in > 180 deutschen Kranken­
häusern, Oktober 2014 – Jan. 2015, ermöglicht von Nuance
10
Anteil der
befragten Personen, die glauben,
dass Krankenversicherungen die
mithilfe von Apps
generierten Daten
für andere Zwecke
benutzen werden
als angegeben
Pflegekräfte
tägliche Arbeitszeit
35 %
JA: 62%
73%
WEISS NICHT: 29%
Doktoren
Quelle: Schwenninger BKK study
„Die Gesundarbeiter”; Januar
2015; 1.000 Deutsche im Alter
zwischen 14 bis 34
Welche Erfahrungen haben Sie mit
digitaler Dokumentation?
27% Erhöht die Dokumentationszeit
21% Spart Zeit
16% Verursacht Schwierigkeiten mit der IT
11% Erleichtert die abteilungsübergreifende Koordination
42 N°4 HIMSS Europe
— IMPRESSUM —
ALADIN ANTIC war in einem ersten Leben
Veranstalter von Heavy-Metal-Konzerten,
Redakteur einer Musikzeitschrift, DJ, in
einem zweiten Leben Biochemiker, dann
kam das Gesundheitswesen und machte
ihn zum Healthcare-IT-Experten.
42
N°4
Das Journal für die deutsche, österreichische
und schweizerische Healthcare IT Branche.
www.hitcentral.eu/de/42
Herausgeber
HIMSS Europe GmbH
Lennéstr. 9, 10785 Berlin
T: +49 30 46 7777 330
ANNA WINKER, Artdirektorin, ist seit
über zehn Jahren den deutschsprachigen
Gesundheitssystemen verbunden.
Sie erklärt sie anschaulich, macht sie
bunter, verständlicher und schöner.
Chefredaktion (V.i.S.d.P.)
Claudia Dirks: [email protected]
Artdirektion
Anna Winker: [email protected]
Mitarbeiter dieser Ausgabe
Philipp Grätzel von Grätz, Romy König, Michael Lang,
Susanne Neumayer-Remter
Schlussredaktion
textpool-berlin
FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer
der Spreeufer Consult GmbH, die sich
auf Projekte spezialisiert hat, in denen
ärztliches und betriebswirtschaftliches
Denken versöhnt werden sollen. Er ist
auch Mitgründer und Vorstand des
Verbandes digitale Gesundheit (VdigG).
Geschäftsführer
HIMSS Europe GmbH
Steve Bryant und Jeremy Bonfini
Anzeigen & HealthTech Wire
Ariane Müller: [email protected]
42 arbeitet mit HealthTech Wire zusammen, um seinen Lesern
Informationen der Hersteller zu übermitteln.
www.healthtechwire.de
Bitte senden Sie Pressemitteilungen an:
[email protected]
Druck
MEDIALIS Offsetdruck GmbH
Printed in Germany
MICHAEL LANG schreibt als freier Journalist
über Themen aus den Bereichen Medizin
und Wissenschaft. Der Naturwissenschaft­
ler hat sich auf Technik und IT spezialisiert.
PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ ist Chef­
redakteur der englischsprachigen Insights
aus dem Hause HIMSS Europe. Der schrei­
bende Mediziner ist spezialisiert auf Ge­
sundheitspolitik, besonders in den Themen
E-Health und Informationstechnologien für
das Gesundheitswesen zu Hause und Autor
des Buches „Vernetzte Gesundheit“.
Nachdruck, auch auszugsweise, Aufnahme in Onlinedienste und
Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-ROM, DVDROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch HIMSS
Europe. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos
keine Gewähr.
© HIMSS EUROPE GmbH, 2015.
Alle Rechte vorbehalten.
42 N°5 ERSCHEINT AM 8. JUNI 2015
Die Neuvermessung der Medizin: Personalisierte Therapien
kündigen einen Paradigmenwechsel in der Medizin an.
Hoffentlich!
ÜBERBLICK
Eingeimpft: Das elektronische Impfdossier der Schweiz
Ohne Richtschnur: KRITIS birgt große Herausforderungen
Thorsten Schütz: Wir können den Aufwand noch nicht planen
Entwicklung medizinischer Apps: Was Sie wissen müssen!
Der Überblicker: Gesucht – Change Manager Gesundheitspolitik
14
18
20
22
26
Digitalisierung der Medizin: Deutschland ist dabei, wichtige
Meilensteine zu verpassen.
SUSANNE NEUMAYER-REMTER berichtet
als freie Journalistin seit mehr als einem
Jahrzehnt vom Nachrichtengeschehen in
der Hauptstadt. Ihre Schwerpunkte sind
unter anderen Gesundheits- und Wirt­
schaftsthemen sowie Innovationen.
12
Kollaborationsmodelle: Ohne E-Health nicht denkbar. Eine
integrierte Versorgung oder Patienten-Monitoring leisten
nicht nur für Patienten sehr viel; sie schicken sich an,
Zukunftsmodell für eine alternde Gesellschaft zu werden.
Bilder, wohin das Auge reicht: Die neue Rolle der Radiologie
42 N°4 HIMSS Europe
Illustration: Martina Wember
Der „Digitale Patient“: Wie bereitet sich das Gesundheits­
wesen auf die neue Generation Patient vor?
— ÜBERBLICK —
— ÜBERBLICK —
Eingeimpft
Während in Deutschland das Hinterlegen der aktuellen
Adresse auf der elektronischen Gesundheitskarte diskutiert
wird, ist das elektronische Impfdossier in der Schweiz seit
Jahren real. Gewollt und gepflegt von Ärzten und Patienten.
Von Romy König
W
enn Ärzte anfangen, über Algorithmen nachzudenken, lässt das
aufhorchen: Claire-Anne Siegrist,
Kinderärztin und Professorin für Infektionen
und Impfkunde an der Universität Genf, hatte
bereits eine ganze Weile beobachtet, wie die
Zahl der verfügbaren Impfungen und Impfstoffe in der Schweiz immer weiter anstieg.
Wie der jährliche Impfplan, herausgegeben
vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit
(BAG) und der eidgenössischen Kommission
für Impffragen, immer üppiger ausfiel, die
Empfehlungen detaillierter und umfangreicher
wurden. „Diese Empfehlungen unterscheiden
zwischen Basisimpfungen, die unerlässlich
für die individuelle und öffentliche Gesundheit sind, und ergänzenden Impfungen, die
einen optimalen individuellen Schutz bieten“,
erklärt Siegrist. Hinzu kämen Impfungen, die
in besonderen Risikosituationen empfohlen
werden, etwa bei Reisen. Allein 42 Seiten umfasst der Impfplan für 2015, acht Seiten mehr
als noch zwei Jahre zuvor.
Das Problem: Kaum ein Hausarzt hat Zeit,
die einzelnen Empfehlungen gewissenhaft
zu studieren und – mehr noch: sie bei jedem
Patienten, abgestimmt auf dessen persönliche
Bedürfnisse, anzuwenden. „Ein individuelles Impfmanagement ist sehr anspruchsvoll
geworden“, sagt Siegrist. Was man bräuchte, so ihre Überlegung vor wenigen Jahren,
wäre eine Maschine, die mit all diesen neuen
Empfehlungen gefüttert wird, ergänzt um
persönliche und relevante Informationen der
Patienten – und die dann eine individuelle
Empfehlung herausgibt.
Hier trifft Impfkunde auf Informatik, Arztwissen auf Algorithmen: Gemeinsam mit
14
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe einem IT-Experten entwickelte und programmierte die Medizinerin eine Software, die genau das leisten sollte: Impfdaten aufnehmen,
bewerten und zu passenden Prophylaxe- und
Therapieanleitungen führen. Siegrist rührte
die Werbetrommel, stellte das Konzept dem
BAG vor – und stieß hier auf offene Ohren.
„Die Zeit,
die benötigt
wird, um eine
Impfanamnese
über das
Kindesalter hinaus
zu bewahren,
kann dem Arzt
unter „‚Leistung
in Abwesenheit
des Patienten‘
verrechnet
werden“.
Alessandro Diana, Kinderarzt
Hoher Druck von der Straße
„Das Amt wollte ohnehin das Impfvolumen im Land steigern, deshalb haben die
eine solche Idee dankbar angenommen“, erinnert sich Sang-Il Kim. Kim ist gelernter Humanmediziner und Informatiker und arbeitet
als Projektmanager bei eHealth Suisse, der
Koordinationsstelle für E-Health-Vorhaben
der Alpenrepublik. Hier laufen die Fäden aller Projekte zusammen, mit der die Schweizer Regierung künftig Gesundheitsdienste
elektronisch verknüpfen und die Beteiligten
vernetzen will. Bis Ende 2015 soll Schritt für
Schritt das elektronische Patientendossier
aufge­baut werden.
Die Vorarbeit von Claire-Anne Siegrist beschreibt Sang-Il Kim als einen der wichtigsten
Schritte in diese Richtung. Gemeinsam mit
dem BAG und auf Grundlage ihrer Software
hat die Impfexpertin in den letzten Jahren
ein Portal aufgebaut, über das Patienten die
Daten über ihre Impfungen pflegen und verwalten können: www.meineimpfungen.ch. Das
Konzept: Der Patient registriert sich, gibt persönliche Informationen über seinen Beruf, sein
Umfeld und eventuelle Krankheiten sowie die
Daten aus seinem Impfausweis ein. Ein elektronischer Assistent hilft dabei – auch bei der
Wiederherstellung der Impfvorgeschichte, falls
der Patient keinen Impfausweis hat. Wenn er
15
— ÜBERBLICK —
16
AMTS-FORUM
Bundesmedikationsplan
„Arzneimitteltherapie­
sicherheit (AMTS) – Status
quo und quo vadis?“
conhIT, Networkfläche 1.2
Dienstag, 14. April 2015
14.30 -15.30 Uhr
Deutschland tritt auf der
Stelle! Reichen mehr oder
weniger private und regionale
Initiativen, um das Thema
Arzneimitteltherapiesicherheit
und den damit verbundenen
Patientenschutz auf internati­
onales Niveau zu heben? Oder
muss der Staat nicht insbe­
sondere bei diesem Thema,
wie andere Länder es vorma­
chen, auch hierzulande seine
Richtlinienkompetenz stärker
wahrnehmen? Oder reicht die
Idee des Medikationsplans
auf Papier?
Diskutanten:
Dr. Daniel Diekmann,
Geschäftsführer ID-Berlin
Frank Ladendorf, CompuGroup
Medical Deutschland AG
Fotos: iStock (gchutka); e-Health-Suisse
es wünscht, kann der Patient
Projektgruppe bereits ein
seinem Arzt und seiner ApoAustauschformat erarbeitheke den Zugang zu seinen
tet, über das behandelnde
Ärzte sowie Apotheker künfDaten erlauben. Umgekehrt
tig landesweit Impf- und
kann auch der Arzt – vorab
Immunschutzinformationen
authentifiziert mittels EAN/
untereinander übertragen
GLN-Nummer – die Daten
erfassen – und den Aufwand
können. Auch ein elektrodafür sogar abrechnen, wie
nischer Dienst zur Prüfung
der Genfer Kinderarzt Alesvon I mpf a n a m ne s e u nd
sandro Diana erklärt. „Die
Immunstatus ist vorgesehen: Über den sogenannten
Zeit, die benötigt wird, um
SANG-IL KIM, Humanmediziner,
eImpfcheck sollen Impflüeine Impfanamnese über
Informatiker und Projekt­
das Kindesalter hinaus zu
cken einer Person online
manager bei eHealth Suisse,
dem Koordinationsorgan
bewahren, kann dem Arzt
festgestellt werden können.
Bund-Kantone.
unter „Leistung in AbwesenIm letzten Jahr hat e-Healthheit des Patienten“ verrechnet
Suisse nun einen Implemenwerden“.
tierungsleitfaden vorgelegt,
Anfangs hätten sich die
der die Spezifikationen für
Schweizer Ärzte nur zögerdie semantische Interoperlich bei dem Portal registriert,
abilität für das Impfdossier
berichtet Sang-Il Kim. Dann
beschreibt, basierend auf
IHE-Integrationsprofilen und
aber sei der „Druck von der
der HL7 Clinical Document
Straße“ zu groß geworden,
hätten sich immer mehr Patienten angemeldet
Architecture. „Das elektronische Impfdossier
und die Ärzte dadurch sanft gezwungen, bei
kann nun schweizweit einheitlich angewandt
dem Projekt mitzuwirken. Heute seien knapp
werden“, so Kim.
100.000 Impfdossiers hinterlegt, gut 30 bis 40
„Nicht darauf angesprungen“
Prozent der Patienten geben ihre Daten selbst
ein. Mit einer zusätzlichen Lizenz können
Und nicht nur dort: Theoretisch könne die
sich die Mediziner außerdem auf Knopfdruck
Lösung auch in anderen Ländern laufen, wenn
anzeigen lassen, welche der in der Schweiz
die Software mit anderen Regeln gefüttert
verfügbaren Impfungen dem jeweiligen Patiwerde, so Kim. Österreich habe bereits Interenten verabreicht werden sollten, in welchen
esse gezeigt, hätte jedoch noch keine konkrete
Dosen und mit welchem Intervall. Dafür sorgt
Idee, wie das Konzept praktisch umzusetzen
eine Schnittstelle zu Siegrists eigens entwisei. Und auch Deutschland sei nicht wirklich
ckelter Software.
darauf angesprungen. „Das hat mich etwas erstaunt“, so Kim. Vermutlich liege das daran,
Vorbild für nationales Projekt
dass sich niemand so richtig für eHealth-Ideen
Das Projekt – und hier kommt wieder die
verantwortlich fühle. „Aber vielleicht ändert
sich das ja einmal mit der elektronischen GePolitik ins Spiel – könnte als Blaupause dienen für alle weiteren eHealth-Pläne des Lansundheitsakte.“
des – besonders für das elektronische PatienAuch Claire-Anne Siegrist, die rührige Protendossier. Tatsächlich wird das Impfdossier
fessorin aus Genf, hat ihre Software unterdesbei der Koordinationsstelle eHealth Suisse als
sen immer weiterentwickelt, hat mit jedem
Leuchtturmprojekt gehandelt, anhand dessen
Release Bugs korrigiert, Impfstoffe aktualiein „konkreter Nutzen von eHealth aufgezeigt“
siert und Empfehlungen angepasst, zudem eiund „schweizweit sicht- und erlebbar“ genen Service eingebaut, der Patienten per SMS
macht werden könnte, wie es in einem Bericht
oder E-Mail über notwendige Impfungen indes Gremiums heißt.
formiert. Seit neuestem können die Nutzer ih„Noch sprechen wir hier von Zukunftsren Impfausweis sogar per App verwalten. Sie
geht eben mit der Zeit – die Ärztin ohne Scheu
musik, weil der Dienst proprietär läuft“,
vor Algorithmen. ¬
sagt Kim. Aber im Hintergrund hat seine
www.id-berlin.de
Adrian Schmid,
Leiter eHealth Suisse,
Koordinationsorgan
Bund-Kantone
ID DIACOS® PHARMA
ID MEDICS®
ID PHARMA CHECK®
und mehr ...
Harald Dormann, Ärztlicher
Direktor Klinikum Fürth
Moderation:
Claudia Dirks, Chefredakteurin
42 – Das Journal für die
deutsche, österreichische und
schweizerische Healthcare IT
Branche, HIMSS Europe GmbH
42 N°4 HIMSS Europe
MEDIZIN STATT BÜROKRATIE
— ÜBERBLICK —
— ÜBERBLICK —
Ohne Richtschnur
Das deutsche Bundesinnenministerium will per Gesetz Betreiber von kritischen
Infrastrukturen dazu verpflichten, ein Mindestniveau an IT-Sicherheit zu
gewährleisten. Das stellt Krankenhäuser vor kostenintensive Herausforderungen.
Manntage dafür ein; ein gutes Jahr wird
der Externe also sicher beschäftigt sein.
Katt ringt der mühevollen Aufgabe auch
einen Vorteil ab: „Wir decken bei dieser
Gelegenheit Schwachstellen und suboptimale Systeme auf, Prozesse, die die
Mitarbeiter vielleicht über Jahre achselzuckend hingenommen haben, etwa das
System an irgendeiner Stelle jedes Mal
wieder neu starten zu müssen.“
Von Romy König
W
ie gefährdet sind Patienten eines Krankender IT-Leitung am Klinikum Stuttgart, warnt: „Das Ansinnen
hauses, wenn in der Aufbereitungsabteilung
eines solchen Gesetzes ist ja eigentlich vernünftig. Aber in
ein Sterilisator ausfällt? Wenn der Strom einder vorliegenden Form ist der Entwurf zu weich gezeichnet.“
mal kurz ausbleibt, oder – ja, der KleiderausgabeautoWas fehle, sei eine konkrete Information darüber, welche
mat streikt? Und inwiefern ist die hauseigene IT dafür
Anwendungen in einem Krankenhaus überhaupt kritisch
haftbar? Es sind Fragen wie diese, kleinteilig, vielleicht
seien. Kaiser: „Die Ungenauigkeit macht mich nervös: Spresogar abstrus, die Krankenhaus-IT-Leiter dieser Tage
chen wir von der kompletten IT? Oder nur von einzelnen
umtreiben. Zumindest jene, die bereits von dem GesetzAnwendungen? Ich wünsche mir eine Methodik, mit der
entwurf gehört haben, der derzeit die Instanzen durchjedes Krankenhaus die eigenen kritischen Applikationen
läuft: Das Bundesinnenministerium will die IT-Infraermitteln kann.“
struktur in Deutschland laut eigener
Aus eigener Kraft kaum zu stemmen
Aussage „zu der sichersten weltweit“
machen und legte dazu einen Entwurf
Doch eine solche Richtschnur steht
vor, der bestimmte Anforderungen an
noch aus. Dennoch beginnen einige
die IT-Sicherheit von Organisationen
Krankenhäuser bereits, nach bestem
und Unternehmen stellt. Besonders
Wissen und Gewissen und mittels einer
Risikoanalyse ihre IT zu durchleuchim Fokus: sogenannte „kritische Inten. Wenn auch zähneknirschend:
frastrukturen“ (KRITIS), Einrichtungen also, die von zentraler Bedeutung
„Auf uns kommt eine Menge Arbeit
ERSTHILFE
für das Gemeinwesen sind. Zu diesen
zu“, sagt Felix Katt, IT- und MedizinKrankenhäuser, die bereits
zählt neben Energieversorgern und
technik-Leiter am Unfallkrankenhaus
jetzt eine Risikoanalyse durch­
Verkehrsunternehmen, so heißt es im
Berlin (ukb). „Wir müssen uns jedes
führen wollen, können sich an
Entwurf, auch die medizinische Verunserer 140 IT-Verfahren anschaueinem Leitfaden orientieren,
sorgung.
en, den dahinterliegenden Prozess
den das BSI gemeinsam mit
So wirklich sei das mögliche Ausbeleuchten, schließlich analysieren,
dem Bundesamt für Bevöl­
wie die IT an diesem Punkt in die
maß dieses Gesetzes noch gar nicht
kerungsschutz und Katast­
rophenhilfe, der Senatsver­
Behandlung oder die Diagnostik
bei den Krankenhäusern angekomwaltung für Gesundheit und
men, beobachtet Thorsten Schütz,
eingreift. Erst dann können wir
Soziales des Landes Berlin und
IT-Leiter am Klinikum Itzehoe und
einschätzen, was passiert, wenn
dem Unfallkrankenhauses Ber­
Mitglied des Bundesverbands der
das System ausfällt.“ Anfangs
lin erarbeitet hat. Er beschreibt
Krankenhaus-IT-Leiter (KH-IT). Der
hatte das ukb versucht, die Anaeine Methode, mit der kritische
lyse selbstständig und mit vorVerband hat vergangenes Jahr aufIT-Abhängigkeiten in Kranken­
grund des Vorstoßes einen Arbeitshandener Manpower zu starten.
häusern und daraus erwach­
kreis gegründet (siehe auch Interview
„Etwas naiv“, wie Katt rückblisende Risiken für die Patien­
tenversorgung identifiziert und
Seite 22), der, so Schütz, sensibilisieckend einräumt. Ab April setzt
bewertet werden sollen.
ren und aufklären will. Und: soweit es
das Haus nun einen externen
noch geht, auf die Details einwirken.
Berater auf diese Aufgabe an.
Der Leitfaden steht zum
Download bereit:
Die seien nämlich noch weitgehend
Mit Vor- und Nacharbeitung
www.kritis.bund.de
ungeklärt, wie Jochen Kaiser, Mitglied
kalkuliert Katt etwa 150 bis 200
18
42 N°4 HIMSS Europe
Im Zweifel werden dünne
Bretter gebohrt
Es ist also ein bisschen wie eine Großreinemach-Aktion, zu der sich durchgerungen wird, wenn Wochenendbesuch
ansteht: Da wird in alle Ecken geschaut,
geputzt, wo vorher lange kein Lappen hinkam. „Wir nehmen das geplante Gesetz
zum Anlass, tief einzusteigen – das müssen aber andere Häuser noch längst nicht
so machen“, sagt Katt. Deshalb glaubt der
IT-Leiter auch nicht, dass das Gesetz und
der damit verbundene Aufwand Krankenhäuser an ihre Grenzen bringt. „Im Zweifel
wird vermutlich einfach das dünnste Brett
gebohrt.“ Hier biete das Gesetz nämlich
weiterhin Spielräume. Das Krankenhaus
könne auch einfach nur alle Systeme aufführen, so Katt, deren Funktionen für den
Behandlungsprozess und die Zugriffe beschreiben und ein Ausfallkonzept vorstellen
– und sei dann genauso gegen den Vorwurf
des vorsätzlichen Organisationsverschuldens geschützt.
Vielleicht ist es dieser Pragmatismus,
den die Krankenhäuser im Umgang mit dem
neuen Gesetz brauchen. Doch den legen
noch längst nicht alle IT-Leiter an den Tag.
„Tatsächlich wissen wir noch gar nicht, ob
es lediglich darum geht, eine Art Notfallbetrieb aufrechterhalten zu müssen – oder aber
das reguläre Tagesgeschäft“, sagt ein Klinikinformatiker, der nicht genannt werden
möchte. Laut einem internen Papier aus dem
Umfeld des Bundesamts für Sicherheit in der
Informationstechnik (BSI) sieht das Amt eine
Eingrenzung auf den Not- beziehungsweise
Krisenfall „als nicht zielführend“ an. Zwar
könnten nicht notwendige oder verschiebbare
Dienstleistungen wie etwa „Schönheits-OPs“
oder die „Feststellung der Sehschärfe“ aus-
42 N°4 HIMSS Europe DER ENTWURF
IM ÜBERBLICK
Das Bundesinnenministerium
will per Gesetz Betreiber von
kritischen Infrastrukturen dazu
verpflichten, ein Mindestniveau
an IT-Sicherheit zu gewähr­
leisten. Es argumentiert, diese
Betreiber hätten eine „beson­
dere Verantwortung für das
Gemeinwohl“, und der Ausfall
oder die Beeinträchtigung ihrer
Infrastrukturen würden erheb­
liche Versorgungsengpässe
nach sich ziehen. Die Sicher­
heitsstandards können die
Betreiber selbst vorschlagen –
das BSI prüft die Vorschläge.
Neben der Einhaltung der
Standards müssen die
Betreiber:
. Sicherheitsaudits durch­
führen (lassen)
. erhebliche IT-Sicherheits­
vorfälle an das BSI melden
– und Verfahren für diese
Meldungen einrichten und
aufrecht erhalten. Das BMI
schätzt, dass von jedem
Betreiber im Schnitt pro Jahr
maximal sieben Meldungen
ausgehen werden.
. eine Kontaktstelle betreiben,
über die das BSI die Einrich­
tung jederzeit erreichen kann.
Die Betreiber haben nach In­
krafttreten zwei Jahre Zeit, die
Vorkehrungen zu treffen; sechs
Monate, um die Kontaktstelle
einzurichten.
Alle zwei Jahre müssen sie
mit einer Aufstellung an Audits,
Prüfungen oder Zertifizierun­
gen nachweisen, ob sie die
Anforderungen erfüllen –
einschließlich der dabei fest­
gestellten Sicherheitsmängel.
geklammert werden, aber, so das
BSI, im Grunde gehe es um die
„Aufrechterhaltung des regulären
Geschäftsbetriebs“. Wenn das so
eintrete, interpretiert der Informatiker, „bedeutet das, dass wir im
Extremfall dafür haftbar gemacht
werden können, wenn unsere Klimaanlage ausfällt.“
Auch Jochen Kaiser hält die Definition für zu ungenau: „Wenn wir
nicht nur für den Krisenfall, sondern
die Sicherstellung des Normalbetriebs
geradestehen müssen, müssten wir
die gesamte Krankenhaus-IT um ein
Level höher heben. Ein Vorhaben, das
Millionen kosten würde.“ Zu den erwartbaren Kosten äußert sich das Bundesinnenministerium im Gesetzentwurf
denn auch reichlich lakonisch: Das Mindestniveau an IT-Sicherheit einzuhalten
werde dort zu Mehrkosten führen, wo
bislang „kein hinreichendes IT-Sicherheitsniveau vorhanden ist.“ „Das ist ja
fast schon zynisch“, sagt Kaiser.
Ungeklärt sei auch die Frage nach der
Medizintechnik: „Wir müssen vermeiden, dass durch das Gesetz eine Unklarheit entsteht, was die Haftung bei Medizinprodukten betrifft“, so Kaiser. Wenn
das Gesetz Krankenhäuser für unsichere
Medizin­produkte verantwortlich mache,
etwa, wenn diese noch auf nicht mehr gewarteten Betriebssystemen laufen, „dann
hilft das keinem.“
Felix Katt ist in dem Punkt eher nachsichtig: „Klar, die MT-Hersteller halten sich
da gerne raus“, sagt der Berliner IT-Leiter.
„Aber am Ende muss doch auch ich als Anwender Geld und Mut aufbringen, Systeme
und Produkte zu aktualisieren.“ Und wenn
das nicht möglich sei, sei es immer noch eine
Frage des richtigen Schutzes: Auch Geräte, die
unter Windows XP laufen, dem System also,
das keine Sicherheitsupdates mehr erhält,
könne man abschotten. „Da müssen Sie eben
Inseln mit genau definierten Grenzübergängen
bauen.“ Also wieder ein Aufwand, wieder der
Einsatz eines Mitarbeiters, der Geld kostet. Ist
das neue Gesetz nun ein Segen oder ein Fluch?
Katt: „Es ist ein Segen, den man manches Mal
verfluchen möchte.“ ¬
19
— ÜBERBLICK —
nuance.de/healthcare
„Wir können nicht planen“
HIMSS Europe hat im Auftrag von Nuance Healthcare in den vergangenen
Monaten Ärzte und Pflegende zu ihrem Dokumentationsverhalten befragt. Ziel
war es herauszufinden, wie weit Wahrnehmung und Realität über den Aufwand
auseinander liegen und in welchem Umfang bewährte Hilfsmittel zur Dokumentation
genutzt werden. Die Ergebnisse stimmen nachdenklich.
von Romy König
Die IT durchdringt mittlerweile fast jede Ecke
eines Krankenhauses, steckt in der Gebäudesicherung ebenso wie in der Klimaanlage ...
Genau! Doch welche Anwendungen und
Systeme sind für den Betrieb ausfallkritisch?
Vieles erschließt sich erst durch die Betrachtung der Prozesse. Das muss sorgsam erarbeitet werden – der Arbeitskreis will IT-Verantwortliche hier­­bei unterstützen.
Herr Schütz, Ihr Verband nahm das geplante
IT-Sicherheitsgesetz zum Anlass, gemeinsam
mit dem BSI den Arbeitskreis „KRITIS“ zu
gründen, der sich seither regelmäßig trifft.
Wie arg wird hier über das geplante Gesetz
geschimpft?
Überraschend wenig. Das Thema SicherWo würden Sie denn persönlich die Grenze
heit genießt in Krankenhäusern einen hohen
ziehen, etwa in Ihrem Klinikum?
Stellenwert. Außerdem sind die Häuser daran
Ich nehme als Beispiel unsere Software für
gewöhnt, gegenüber diversen Prüfinstanzen
die Zentralsterilisation: Wenn die ausfällt,
„Der
Rechnung ablegen zu müssen: Denken Sie
können die Instrumente nicht mehr sterilisiert
Gesetzentwurf
werden, die Chirurgen müssten schlimmstenan den Datenschutz, die Wirtschaftsprüfer,
ist noch sehr
falls den OP-Betrieb einschränken. Hier fängt
Qualitätsmanagement-Audits. Das Gesetz
es nach unserer Betrachtung an, kritisch zu
bietet zudem einen großen Vorteil: Größere
ungenau.“
werden. Aus der Intention des Gesetzgebers
IT-Sicherheitsvorfälle müssen an das BSI geThorsten Schütz
meldet werden; die dort zusammenlaufenden
heraus liegt die Grenze für Kritikalität aber
Informationen werden ausgewertet und –
vielleicht viel höher. Auch ist der Terminus
sofern sinnvoll – den Betreibern zur Verfügung gestellt. Das
„kritische Branchen“ noch nicht abschließend geklärt: Im
heißt: Entsteht im Krankenhaus ein paar Kilometer weiter ein
Entwurf steht nur etwas vom „Sektor Gesundheit“ mit dem
ernster Sicherheitsvorfall, der auch mich betreffen könnte,
Unterpunkt „medizinische Versorgung“...
erfahre ich das künftig schneller.
Wollen Sie damit sagen, Krankenhäuser könnten am Ende gar
Gar keine Klagen also?
nicht von dem Gesetz betroffen sein?
Natürlich befürchten diejenigen, die sich bereits mit dem
Zumindest vielleicht nicht alle. Auf den ersten Blick sind
große Häuser als eher ausfallkritisch zu sehen als kleinere.
Entwurf beschäftigen – das sind beileibe noch nicht alle –,
einiges an Dokumentationsaufwand ...
Aber ein kleines Haus mit einer Spezialausrichtung kann
auch zu den kritischen Infrastrukturen zählen – genauso
Wie viel Mehraufwand erwarten Sie etwa an Ihrem Klinikum
wie ein größeres Haus aus dieser Betrachtung herausfallen
könnte, wenn in der näheren Umgebung drei oder vier
in Itzehoe?
Das ist genau das Problem: Das lässt sich aktuell noch
weitere Krankenhäuser ansässig sind. Hier müssen noch
Schwellenwerte erarbeitet werden. Ein weiteres Indiz dafür,
überhaupt nicht abschätzen. Vielleicht ist die Analyse des
dass vielleicht nicht alle Krankenhäuser betroffen sein
bestehenden Sicherheitsniveaus mit anderen Funktionen
kombinierbar, kann also etwa von einem Risikomanager oder
werden, ist auch die laut Entwurf zu erwartende Anzahl der
Sicherheitsbeauftragten abgearbeitet werden; im schlimmsten
insgesamt betroffenen Betreiber: rund 2.000 nämlich. Da
Fall muss eine neue Kraft eingestellt werden. Aber genau das
wäre ja rein rechnerisch neben den Krankenhäusern kein
können wir nicht planen, weil der Entwurf noch reichlich UnPlatz mehr für andere kritische Branchen ...
klarheiten beinhaltet.
Was schätzen Sie: Wird das Gesetz am Ende durchgehen?
Welche genau?
Davon gehe ich aus. Aber es könnten sich noch ÄndeDer Entwurf fordert, dass kritische Branchen ein Mindestrungen ergeben, etwa was den Umfang und die Aufbewahsicherheitsniveau einhalten müssen. Die Kriterien dafür gilt
rungsfristen der Daten betrifft, die bei Vorfällen an das BSI
es aber erst noch festzulegen. Hier fragen wir uns: Welche IT,
übermittelt werden müssen. Aber auch wenn es noch Kläwelches System ist eigentlich „kritisch“? Die IT in ihrer Gesamtrungsbedarf gibt: An der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit
heit? Oder nur einzelne Anwendungen?
zweifelt keiner. ¬
20
42 N°4 HIMSS Europe
Warum dokumentieren Ärzte 4, Pflegende durchschnittlich 3 Stunden pro Tag?
Und finden am Ende doch nicht die notwendige Information?
Jetzt lesen: dokumentationsfalle.eu
Viel
dokumentiert
hilft viel?
Nuance Stand A-106, Halle 2.2 @conhIT 2015
Foto: Klinikum Itzehoe
Interview mit Thorsten Schütz, IT-Leiter des
Klinikums Itzehoe und Vorstandsmitglied im
Bundesverband der Krankenhaus-IT-Leiter
Intelligente Systeme schaffen
neue Möglichkeiten
— ÜBERBLICK —
— ÜBERBLICK —
Entwicklung
medizinischer Apps
– Was Sie wissen
müssen!
22
42 N°4 HIMSS Europe
D
Die Entwicklung medizinischer Apps
wird ein ebenso globales
Geschäft wie andere Bereiche der
Medizintechnologie. Dies erfordert
jedoch erhebliche Investitionen
in Zeit und Geld. Was müssen
europäische App-Entwickler über
das Genehmigungsverfahren der FDA
wissen? Ein Symposium auf dem
mHealth Gipfel in Berlin lieferte dazu
einige Antworten.
ie Zahl mobiler Gesunderschließen kann. Die amerikanische Lebensmittelüberwachungsheits-Apps boomt. Marktund Arzneimittelzulassungsbeforscher der Firma researhörde, die sogenannte „Food and
ch2guidance schätzen, dass „die
Drug Administration“ (FDA), beAnzahl der mHealth Apps, die
hauptet von sich, dass sie, wenn
auf den beiden führenden Plattformen iOS und Android veröfes um Regulierung geht, eine
Von Cornelia Wels-Maug
fentlicht sind, sich allein in den
„maßgeschneiderte, risikobasierte Haltung“ einnimmt, um so
letzten zweieinhalb Jahren mehr
gleichermaßen die Sicherheit der
als verdoppelt hat und sich nun
auf mehr als 100.000 Apps beläuft
Nutzer als auch das Vorankommen
(Q1 2014)“. Mit der wachsenden
von Innovationen zu gewährleisVerfügbarkeit von Apps hat gleichten. Die FDA zieht eine Grenze zwizeitig auch deren Beliebtheit unter
schen dem, was Regulatoren als
Patienten zugenommen. Laut Daeine bloße Lebensstil-App − ohne
vid Sainati, CEO der in Paris beheimateten Medappcare, „würRisiko für den Nutzer und ohne Notwendigkeit zur Kontrolle
den 90 Prozent der Patienten es akzeptieren, wenn ihnen ihr
− und eine medizinische App, die einer Regulierung bedarf,
Arzt eine App als Medikament verschreibt und 89 Prozent der
bezeichnen. Obgleich auf beiden Seiten des Atlantiks die zuÄrzte in den USA würden ihren Patienten Apps empfehlen“.
grunde liegenden Überlegungen bezüglich der Regulierung
ähnlich sind, unterscheiden sie sich doch hinsichtlich der reMedizinische Apps im Vormarsch
gulatorischen Auflagen und der Qualitätsanforderungen. Um
Welcher Beliebtheit sich medizinische Apps mittlerweile
die europäischen Entwickler zu unterstützen, haben hochranerfreuen, zeigt sich auch daran, dass eine wachsende Angige Diskutanten auf dem App-Entwickler-Workshop anlässlich
zahl an Krankenversicherungen und Gesundheitssystemen
des letzten europäischen eHealth Gipfels die jüngsten Vorgaben
inzwischen gesundheitsbezogene Apps umsonst auf ihren
der FDA erläutert und wertvolle, praktische Empfehlungen zur
Webseiten anbieten. Zum Beispiel bietet die größte gesetzliEntwicklung vermarktbarer Apps gegeben.
che Krankenkasse Deutschlands, Techniker Krankenkasse,
Unterliegt meine App der Regulierung?
Apps an, die ihren Mitgliedern helfen, einen geeigneten Arzt
ausfindig zu machen oder das nächstliegende VersicherungsIm September 2013 hat die FDA eine abschließende Orienbüro zu lokalisieren.
tierungshilfe bezüglich mobiler medizinischer Apps herausIn Anbetracht der Größe des US-Marktes und dessen reifegegeben, welche einen vorherigen Gesetzesentwurf auf den
rer Nutzung von Gesundheits-Apps, verwundert es nicht, dass
aktuellsten Stand brachte. Auf dem Workshop erklärte Bradley
App-Entwickler in Europa natürlich daran interessiert sind heThompson von der US-amerikanischen Anwaltskanzlei Epstein
rauszufinden, wie man am besten den amerikanischen Markt
Becker Green: „Die FDA hat mit dieser Vorgabe bezweckt, die
42 N°4 HIMSS Europe 23
Shield_White_2013
— ÜBERBLICK —
Grenze zwischen dem Bereich, der
reguliert und dem, der nicht reguliert wird, zu ziehen. Sie legt den
Schwerpunkt ausdrücklich auf Software. Wenn Sie herausfinden wollen, ob Ihre Software der Regulierung unterliegt, müssen Sie auf der
FDA-Webseite unter einem Begriff,
der die übergreifende Funktionalität Ihrer App mit einem Stichpunkt
beschreibt, nachschlagen. Schauen Sie nicht nach der Technologie!
Falls eine App die gleiche Funktion
wie ein von der FDA reguliertes Objekt ausübt, unterliegt auch sie der
Regulierung. Wir müssen aber die
Fälle herausknobeln, in denen das Smartphone etwas macht, das so noch nirgends von jemandem gemacht wurde.“
Worauf sollten Sie sonst noch achten?
Nachfolgend ein paar Tipps für App-Entwickler vom Workshop:
• Stolpern Sie nicht zufällig in den Gesundheitsbereich, da er eine Menge persönlichen
Einsatz, Anstrengungen und Dokumentation über Entwicklung, Validierung und Vermarktung der App abverlangt. Halten Sie die
regulatorischen mit Ihren geschäftlichen
Anforderungen im Gleichgewicht. Legen
Sie klar den Anfangs- und Endpunkt Ihres
Strategieplans zur App-Entwicklung fest
und überlegen Sie sich gut Ihr Qualitätssicherungssystem, verschiedene Betriebssysteme sowie benötigte Kapazitäten in mobilen
Netzen. Fangen Sie klein mit etwas an, das
Sie wirklich verstehen. Überdenken Sie sehr
genau die beabsichtigte Anwendung. Die
Wortwahl bestimmt, ob und wie eine App
reguliert wird und welche Dokumentation
die FDA verlangt.
• Denken Sie über den Lebenszyklus Ihrer
App nach. Schon während Sie die anfängliche Softwarearchitektur entwerfen, sollten
Sie die späteren Versionen miteinbeziehen.
Dies betrifft auch das Hosting der App im
Hinblick auf Datensicherheit und Schutz
der Privatsphäre. Zudem ist ein Entwickler auch dafür verantwortlich zu eruieren,
wie ein neues Betriebssystem die Software
beeinflusst, und muss möglicherweise eine
Runde Überprüfungen und Validierungen
durchführen.
24
APPS SIND BELIEBT!
90%
der Patienten
würden es
akzeptieren, wenn
ihnen ihr Arzt eine
App anstelle eines
Medikaments
verschreibt
89%
der Ärzte in den
USA würden ihren
Patienten Apps
empfehlen
Quelle: David Sainati,
CEO von Medappcare
Mit der wachsenden
Verfügbarkeit von
Gesundheits-Apps
hat gleichzeitig auch
deren weltweite
Beliebtheit
unter Patienten
zugenommen.
Die Einführung einer App in einem
App Store bedeutet, dass man eine
strikte Kontrolle über die App aufgibt. Im Falle einer mit einem hohen
Risiko behafteten App empfiehlt es
sich, diese nicht in einem App Store, sondern auf einem separaten
Vertriebsweg, den Sie selber managen können, zu vermarkten. Des
Weiteren sollten Sie klarstellen,
dass eine App nur in genau festgelegten Ländern genutzt oder nur in
bestimmten Sprachen eingeführt
wird. Je nach Funktion der App
kann es sich empfehlen, sie zuerst
den Regulierungen der EU statt
der FDA in den USA, und umgekehrt, zu
unterziehen.
• Stellen Sie sicher, dass Ihre App auch wirklich das macht, was sie vorgibt zu tun − nehmen Sie das Beispiel eines Dosierungsrechners, der die Medikamentenmenge falsch
berechnet –, da es viel teurer ist, eine App
vom Markt zu nehmen, als sie auf den Markt
zu bringen. Stellen Sie sicher, dass medizinische Daten hinreichend geschützt und abgesichert sind. Es ist empfehlenswerter, wenn
Experten mit medizinischem Hintergrund
etwas über Apps lernen als umgekehrt.
• In der Regel unterscheiden sich große Firmen hinsichtlich der App-Entwicklung von
Neugründungen nur dadurch, dass sie über
ein Qualitätsmanagementsystem verfügen.
Ausblick
Wie verbreitet ist es, dass europäische
App-Entwickler sich um FDA-Zulassung bewerben? Erik Vollebregt von der niederländischen Kanzlei Axon Lawyers erläutert: „Dies
passiert in zunehmendem Maße in meiner
Praxis, obwohl die meisten der international
erfolgreichen App-Entwickler in den USA beheimatet sind und die Ersteinführung der App
in Europa lancieren, weil wir hier in Europa einen viel freundlicheren Marktzugangsmechanismus für Software, die ein Medizinprodukt
ist, haben.“ Nach Aussagen von Dr. Antony
Rix, Senior Consultant bei TTP, gibt es einen
Hoffnungsschimmer für die Harmonisierung:
„Es sind Vorstöße im Gange, Regulierungen
unter der Schirmherrschaft des „International
Medical Device Regulators Forum“ zu harmonisieren,“ aber das dürfte noch dauern.
¬
42 N°4 HIMSS Europe
Weil Gesundheit das
Wichtigste bleiben muss
Wie können wir Ärzten helfen, Patienten zu heilen, und gleichzeitig dafür
sorgen, Medizin bezahlbar zu halten? Diese Frage stellen wir uns jeden Tag
aufs Neue. Dafür forschen wir und entwickeln Medizintechnik, die innovative
Diagnose- und Therapieverfahren möglich macht und darüber hinaus hilft,
die Kosten im Gesundheitswesen zu minimieren. So verkürzen wir Untersuchungszeiten, vereinfachen Diagnosen und entlasten medizinisches Personal,
damit mehr Zeit für das Wesentliche bleibt: den Patienten.
Besuchen Sie uns auf der conhIT – Stand D-111, Halle 2.2
oder unter www.philips.de/healthcare
Version 1.1 – 25 October 2013
— ÜBERBLICK —
42
Gesucht: Change Manager
für die Gesundheitspolitik
Von Philipp Grätzel von Grätz
BUSINESS INTELLIGENCE
AMTS: Im Sinne der Patienten Unbefriedigender Nutzungsgrad: Black Box IT 28
32
42 N°4 HIMSS Europe
Illustration: Martina Wember
26
eine größere Verantwortung gibt. Gleichzeitig
wird die Online-Therapie massiv ausgebaut.
Psychiater und Psychotherapeuten kümmern
sich vor allem um schwerkranke Patienten.
Ein Ergebnis dieses Umbaus ist, dass telemedizinische „E-Mental-Health-Services“ in unserem Nachbarland abgehen wie eine Rakete.
Davon profitieren alle: Die Patienten kriegen
schneller eine Behandlung. Wer schwer krank
ist, fällt nicht unter den Tisch, sondern landet
beim Experten. Und dank Mixed-Care-Ansatz
ist das Ganze eingebettet in eine kontinuierliche Betreuung, die wiederum für die Kostenträger kalkulierbarer ist.
Wie genau haben die Niederländer das geschafft? Sie haben 30 Prozent des ambulanten
Geldtopfs für die Versorgung von psychiatrischen Patienten hin zu den Hausärzten sowie
in Richtung E-Mental-Services verschoben.
Kann sich das in Deutschland irgendjemand
vorstellen? Auch in Holland geschah das nicht
von heute auf morgen, sondern schrittweise,
mit viel Kommunikation. Change Management
eben. Und genau das wäre vielleicht auch was
für die Selbstverwaltung: Gesundheitspolitisches Change Management in Gruppentherapie. Könnte man auch online machen.
Und abrechnen! Gibt es dafür eigentlich eine
EBM-Ziffer?¬
Illustration: Nina Eggemann
I
ch muss schon wieder damit nerven: Die
Selbstverwaltung des deutschen Gesundheitswesens wurde ja vor einiger Zeit gesetzlich verpflichtet, eine Abrechnungsziffer
für Telemedizin zu schaffen, und hat dabei
ziemlich versagt. Um den Schein zu wahren,
wollte man sich zumindest auf eine Ausdehnung der Abrechenbarkeit von Fernabfragen
kardialer Implantate verständigen.
Einmal im Quartal geht‘s jetzt, die KBV wollte
dreimal im Quartal erreichen – häufig genug,
um nicht nur Funktionsabfragen, sondern
auch ein bisschen Disease-Monitoring machen
zu können. Im Bewertungsausschuss ist selbst
diese Schmalspurziffer für eine „Telemedizin
light“ Anfang des Jahres (erneut) durchgefallen. Auch wenn man die deutsche Selbstverwaltung für erhaltenswert erachtet, können einem angesichts solcher Kleingeistigkeit schon
die Haare zu Berge stehen.
In den Niederlanden wurde in den letzten
Jahren die psychiatrische Versorgung umgekrempelt. Das ist auch in Deutschland ein
Riesenthema: Es gibt zu viele Patienten, die
zu lange auf Psychotherapie warten müssen.
Es gibt zu wenig Stratifizierung nach Schweregrad und zu viel Willkür. Die Niederlande
haben auf diese Situation mit einem Mixed-Care-Ansatz geantwortet, der den Hausärzten
— BUSINESS INTELLIGENCE —
— BUSINESS INTELLIGENCE —
Im Sinne der Patienten
E
Wer glaubt, dass nur die
Maximalversorger unter den
deutschen Krankenhäusern
ihren Patienten das
größtmögliche Maß an
Arzneimittelsicherheit bieten
können, wird vom FriedrichEbert-Krankenhaus (FEK)
in Neumünster eines
Besseren belehrt.
s liegt ein langer, steiniger,
mitunter frustrierender, letztendlich aber erfolgreicher Weg
hinter den Beteiligten, mit dem Ziel,
die Patientensicherheit durch die Digitalisierung des Medikationsprozesses zu erhöhen. Das 645-Betten-Haus
verfügt schon seit 1996 über ein sogenanntes Unit-Dose-System, das die
Tabletten für jeden Patienten automatisch richtet und in Tüten verpackt.
Seit dem vergangenen Jahr hat das
Krankenhaus zusätzlich noch ein System zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) nahezu flächendeckend
im Einsatz.
„Wir bekommen in einem immer
stärkeren Ausmaß Patienten, vornehmlich ältere, die viele Arzneien einnehmen. Von unseren Ärzten erhalten sie weitere
Medikamente, sodass sich das Risiko von Arzneimittelwechselwirkungen erhöht“, erklärt
der Geschäftsführer Alfred von Dollen. „Mit
dem neuen AMTS-System können wir dieses
Risiko minimieren. Das war meine Hauptmotivation, um diese Investition zu genehmigen.“ Rund 60.000 Euro hat das Projekt zur
Einführung des AMTS-Systems gekostet –
eine Summe, die auch das FEK nicht aus der
Portokasse bezahlen kann. Dabei kommen
auf das Krankenhaus derzeit Kosten in einer
ganz anderen Größenordnung zu. Das gesamte Hauptgebäude wird bis 2020 in mehreren
Bauabschnitten abgerissen und auf demselben
28
Von Michael Lang
Dr. Louise Kurz
CODE45
Gelände schrittweise neu errichtet. Die
Neubauten werden, wie heute üblich,
mit WLAN ausgestattet. Dies ermöglicht langfristig die „mobile Pflege“,
bei der die Dokumentation der Pflegeprozesse nicht mehr auf Papier,
sondern direkt am Krankenbett in die
elektronische Patientenakte erfolgt.
Das FEK hat dazu auch Visitenwagen
mit Computern angeschafft.
Schritt für Schritt für Schritt
Die Einführung des AMTS-Systems
hat eine Vorgeschichte: 2010 rollte das
FEK sein neues Krankenhausinformationssystem (KIS) aus und kaufte
eine Medikationssoftware, die eine
Schnittstelle zum Unit-Dose-System
hatte. Dadurch konnte der Arzt die elektronische Verordnung direkt an den Unit-Dose-Automaten schicken. Allerdings war das
KIS trotz der internen Weiterentwicklung
der Medikationssoftware nicht in der Lage,
die Medikation in der elektronischen „Fieberkurve“ abzubilden. Die Konsequenz: Der
Arzt musste zusätzlich zur elektronischen
Verordnung die Medikation auch auf der papierbasierten Fieberkurve vermerken. „Dies
stand unserem Ziel entgegen, die papierlose
Dokumentation für den Patienten einzuführen und damit allen am Behandlungsprozess
Beteiligten alle Informationen zukommen zu
lassen, die sie benötigen“, sagt Christof Thielecke, Stabsstelle der Pflegedienstleitung für
42 N°4 HIMSS Europe
Innerbetriebliche Fortbildung. Er leitet das
Projekt zur Umsetzung der elektronischen
Patientenakte. Das FEK hielt deshalb Ausschau
nach einer neuen Medikationssoftware, die in
der Lage war, die Medikation auch in der elektronischen Fieberkurve des neuen KIS darzustellen. „Die Wahl war nicht schwer, es gibt
tatsächlich nur sehr wenige Systeme, die das
konnten“, erklärt Thielecke.
„Parallel dazu kam in der Krankenhausapotheke der Wunsch auf“, erinnert sich IT-Leiter
Jürgen Spanier, „den Arzt bei der Verordnung
mit Warnhinweisen zu unterstützen, beispielsweise bei Arzneimittelinteraktionen“.
Auch deshalb entschied sich das FEK für die
AMTS-Lösung. Allerdings gab es auch hier einen Wermutstropfen: Der Software-Hersteller
hatte bis zu diesem Zeitpunkt kein Dispositionsmodul zur Anbindung an das Unit-Dose-System. Das Dispositionsmodul stellt das
IT-Bindeglied zwischen der elektronischen
Verordnung und der Verpackung dar. Was nun
folgte, war ein Entwicklungsvertrag für das Dispositionsmodul zwischen dem FEK und dem
Hersteller aus Berlin. „Wir liefern den Input für
die Programmierung und erhalten im Gegenzug das Dispositionsmodul zu Sonderkonditionen“, erklärt Spanier den Deal.
AMTS eingebettet in den Workflow
Fast parallel zur Einführung am FEK erfolgte am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) die Anbindung des AMTS-Systems an das dort verwendete KIS (siehe 42,
N°2/2014, Seite 20). Aufbauend auf dem Dispositionsmodul für das FEK entstand nachfolgend ein pharmazeutisches Validierungsmodul, das über die reine Logistik hinausgeht
und eine patientenbezogene Medikationsprüfung beinhaltet, was das Interesse auch der
Schwerpunktversorger weckt, die sich das
teure Unit-Dose-System nicht leisten können
oder wollen. Die Vorteile einer digitalen Medikamentengabe haben mittlerweile immer mehr
Häuser auf dem Schirm.
Am UKE beschränkt sich die Lösung nicht
nur auf die Verordnungsunterstützung und
den Arzneimittelcheck innerhalb des KIS. Dort
werden auch die Daten aus dem Subsystem
aufgerufen und ausgewertet. Der bevorzugte
Ansatz sei aber, dass das KIS die Fieberkurve
und den Ablauf für das Pflegepersonalmanagement abbildet. Der Zulieferer stellt den
42 N°4 HIMSS Europe FRIEDRICH-EBERTKRANKENHAUS GMBH
Standort: Neumünster,
Schleswig-Holstein
Gesellschafter:
Stadt Neumünster
Krankenhaus der
Schwerpunktversorgung /
Akademisches Lehrkranken­
haus für die medizinischen
Fakultäten der Universitäten
Kiel und Hamburg.
Kapazität: 645 Betten/
Jährlich 25.000 Patienten
voll- und teilstationär sowie
53.000 ambulante Patienten.
Mitarbeiterzahl: ca. 1.800
Klara Fall
CODE08
Arzneimittelkatalog bereit, organisiert den Ablauf in der Apotheke und stellt die Verbrauchsdateien, die sich aus den Abpackprozessen
ergeben, für die Buchungen der Materialwirtschaft zur Verfügung.
Bis ins kleinste Detail
Bis alles so weit war und reibungslos lief,
mussten die am AMTS-Projekt beteiligten Mitarbeiter viele Überstunden leisten. Die Apotheker zum Beispiel mussten alle Produkte,
die sie vorhalten – immerhin zirka 1.400 – in
das IT-System übertragen. Dabei wurden nicht
nur die Handelsnamen, sondern auch zusätzliche Angaben wie Darreichungsform, korrekte
Dosierung oder Informationen für die Materialwirtschaft erfasst. „Das war technisch anspruchsvoll“, erinnert sich der Krankenhaus
apotheker Malte Dobin. Die vielen Überstunden waren aber auch ein Ergebnis der anfänglichen Schwierigkeiten des AMTS-Systems in
den ersten Wochen nach der Installation. Das
neu programmierte Dispositionsmodul steckte noch in den Kinderschuhen und zwang den
Server in die Knie, wenn in der Krankenhaus
apotheke Daten erfasst wurden. Dann ging auf
der Pilotstation – der Geriatrie – nichts mehr.
Umgekehrt konnten die Apotheker nicht mehr
arbeiten, wenn auf der Station zu viele Daten
erfasst wurden. Die Wende brachte ein späteres großes Update, das zu einer erheblichen
Beschleunigung des AMTS-Systems führte.
„Andernfalls hätten wir noch am selben Tag
das Projekt auf Eis gelegt, weil es nicht mehr
handhabbar war“, erzählt Dobin. Als eine weitere Gegenmaßnahme gegen Performance-Probleme setzt das FEK künftig auf ein ebenfalls
neu entwickeltes Cluster-System: Ein Server
übernimmt die Anfragen aus der Apotheke,
ein zweiter die Erfassung auf Station. Bei einem Ausfall steht somit immer noch ein Server
zur Verfügung, um die Aufgaben des anderen
zu übernehmen.
Bei der Einführung machten die Krankenhausapotheker dieselbe Erfahrungen wie ihre
Kollegen in anderen Häusern: Durch die vielen
Meldungen, die der Arzneimittelcheck generierte, erhielten sie erstmals einen Überblick
darüber, welche Interaktionen und Kontraindikationen im FEK auftreten können und wie
häufig diese vorkommen. „Das System liefert
uns Informationen, die uns so gebündelt in
dieser Form bislang nicht zur Verfügung
29
— BUSINESS INTELLIGENCE —
Christof Thielecke,
Projektleiter FEK
Thilo S. Toll
CODE45
30
Die Anfangsskepsis der Ärzte konnte zerstreut werden
Aber bereits vor diesem Feintuning des AMTS-Systems stellt
Projektleiter Thielecke fest, dass sich die Patientensicherheit am
FEK erheblich erhöht hat. „Früher kam es immer wieder zu Fehlern bei der handschriftlichen Übertragung der elektronischen
Verordnung auf Papier, weshalb wir die Aufzeichnungen der
Nachtwache kontrollieren lassen mussten“, berichtet er. „Das
fällt jetzt weg.“ Außerdem erfolgt jetzt am FEK ein doppelter
Arzneimittelcheck – vom Arzt bei der Verordnung und vom
Apotheker vor der Übergabe an das Unit-Dose-System. Und es
werden noch weitere Sicherheitsstufen innerhalb des Workflows
diskutiert, denn ein System ist die eine Seite, eine veränderte
Organisationsstruktur eine andere: Um eine Verwechslung bei
der Medikamentengabe zu verhindern, können Patientenarmbänder und Arzneimitteltüten mit Strichcodes versehen werden,
die dann nur noch verglichen werden müssen. Die Patienten am
FEK tragen bereits heute solche Armbänder mit aufgedruckten
Strichcodes, über die sie eindeutig identifiziert werden können.
„Strichcode-Scanner verwenden wir zurzeit nur im Operationssaal“, erklärt Thielecke. „Wir denken aber natürlich ebenfalls
darüber nach, solche Geräte in Zukunft auch für die Visitenwagen auf den Stationen anzuschaffen.“
Das AMTS-System ist im Krankenhaus angekommen und
wird von den Mitarbeitern angenommen. Wie in anderen Krankenhäusern auch, waren anfangs vor allem die Ärzte am FEK
skeptisch, nicht zuletzt weil viele von ihnen die neuen Arbeitsabläufe zunächst als Belastung empfanden. Sogar in der Chefarztkonferenz wurde darüber diskutiert. „Unser Chefapotheker
hat viel Überzeugungsarbeit leisten müssen“, erinnert sich Geschäftsführer von Dollen. Auch gab es Verunsicherung darüber, wer bei einer falschen Arzneimitteltherapie haftet. Wird der
Arzt in die Pflicht genommen, die Krankenhaus-Unternehmensführung oder der Hersteller, wenn etwas falsch parametriert
wurde? „Die Verantwortung hat immer der Arzt. Er kann das
System hinzuziehen, darf sich aber nicht blind darauf verlassen“, so von Dollen. „Wir glauben, dass dieses System enorm
dazu beiträgt, das Risiko bei einer Verordnung zu minimieren,
auch wenn es keine 100-prozentige Sicherheit gibt.“
¬
Besonderheit:
Dispositionsmodul für das
Unit-Dose-System musste
neu programmiert werden.
Meilensteine:
Oktober bis Dezember 2013:
Pilotprojekt in der Geriatrie
Januar bis Februar 2014:
Klinikweiter Roll-out
Mai 2014: Update behebt
Performance-Problem
Dezember 2014: Mobile Pflege
mit Unter­s tützung auf fünf
Stationen
AMTS: DER
UNBEHANDELTE
SKANDAL
C
M
Y
CM
MY
CY
CMY
eHealth Summit Germany,
12. Juni 2015, CityCube Berlin
9-10.30 Uhr
Fotos: Fotolia (pixelrobot/Valentina R.)
Früher kam
es immer wieder
zu Fehlern bei der
handschriftlichen
Übertragung der
elektronischen
Verordnung auf
Papier, weshalb wir
die Aufzeichnungen
der Nachtwache
kontrollieren lassen
mussten.
AMTS-PROJEKT
standen“, stellt Christoph Winkeler, Leiter der Krankenhausapotheke, fest. „Endlich wissen wir, welche Interaktionen und
Kontraindikationen im Haus relevant sind.“ Um nicht mit Warnhinweisen des AMTS-Systems überflutet zu werden, müssen
die Apotheker die relevanten von den unwichtigen Meldungen
trennen. Bei diesem Vorhaben werden sie von zwei Pharmakologen unterstützt, die im Laufe der kommenden zwölf Monate
die anonymisierten Daten von mehreren tausend FEK-Patienten
epidemiologisch auf Arzneimittelwechselwirkungen und Kontraindikationen überprüfen. Aus diesen Ergebnissen soll dann
abgeleitet werden, welche Meldungen wirklich relevant sind und
wie sie in das Programm eingearbeitet werden können, damit
sie halb- oder vollautomatisch bei einem Arzneimittelcheck in
Aktion treten.
Arzneimitteltherapiesicherheit
spielt im deutschen Gesund­
heitswesen kaum eine Rolle.
Dabei sterben hierzulande
jährlich circa 40.000 Patienten
in Folge vermeidbarer Medi­
kationsfehler, rund 15 Prozent
aller Krankenhauseinweisun­
gen lassen sich allein darauf
zurückführen. Es sollte also ein
gesellschaftspolitisches und
volkswirtschaftliches Interesse
an einer Problemlösung geben.
Protagonisten, stationär und
ambulant, beweisen, dass es
Lösungen gibt. Entscheidend
ist der Digitalisierungsgrad des
Medikationsprozesses.
Moderation: Manfred
Criegee-Rieck, Leiter AG
Arzneimittelinformations­
systeme bei der GMDS,
IT-Leiter Bad Kreuznach
42 N°4 HIMSS Europe
K
— BUSINESS INTELLIGENCE —
— BUSINESS INTELLIGENCE —
A
BLACK
BOX
IT
32
Bis zu 70 Prozent der
Anwendungen eines
Krankenhausinformationssystems
bleiben ungenutzt, schätzen
Experten. Was dagegen helfen
kann: Schulungen, Kenntnisse über
den genauen Nutzungsgrad – und
klare Vorgaben an die Nutzer.
Von Romy König
42 N°4 HIMSS Europe
„Kennzahlen
für die IT im
Krankenhaus zu
erheben, ist der
Notwendigkeit
geschuldet, die IT
aus dem Bauch in
den Verstand holen
zu müssen.“
ls die Mitarbeiterin eines gromuss. Das Programm ist an die Personalabteilung geßen KIS-Herstellers eine Freunkoppelt, die mit den Arbeitsverträgen stets auch gleich
din ins Krankenhaus begleitet
das Schulungsangebot herausgibt. „Das ermöglicht
und sich ein wenig umhört, staunt sie
schon mal ein solides Grundlagenwissen“, so Thoss.
nicht schlecht: Sie, deren Job es ist,
Beseitigt aber nicht ein weiteres, grundsätzlicheres
Problem: das der konsequenten Verweigerung. Beispiel
über die Vorzüge ihrer IT-Lösungen
Terminierungsprogramme, die die meisten KI-Systeaufzuklären, muss erkennen, dass
me vorhalten. „Die kommen in der Realität fast nie in
weder Pfleger noch Ärzte alle Mögihrer Tiefe zum Einsatz, weil die Ärzte sich nicht die
lichkeiten ihres IT-Systems kennen,
Bernd Christoph Meisheit
geschweige denn nutzen. Die Module
Hoheit über die Terminvergabe nehmen lassen möchfür die Arztbriefe, die ausgeklügelten
ten“, erklärt Thoss. Was in der Fertigung oder Logistik
Terminierungsoptionen, all die kleiAlltag sei – dass einzelne Aufträge per EDV disponiert
nen nützlichen Features – sie schienen
werden –, sei in deutschen Krankenhäusern bislang
keinen zu interessieren.
undenkbar. Ein Eindruck, den auch Britta Böckmann,
Die IT – die große Black Box in eidie an der Fachhochschule Dortmund Medizinische
nem Krankenhaus? Die große UnbeInformatik lehrt und Kliniken in Sachen IT berät, bestätigt. „Terminierungsprogramme machen nicht nur
kannte? Aber natürlich, sagt MichaAbläufe transparent, sie verlangen auch eine gewisse
el Thoss, IT-Leiter der DRK-Kliniken
Disziplin und Termintreue. Von Anwendern in Kliniken
Berlin: „Ich schätze, dass in vielen
ist es oft nicht gewünscht, sich derart standardisierten ProKrankenhäusern zwischen 50 und 70 Prozent der möglichen
IT-Funktionalitäten brach liegen.“ Und zwar vor allem aus Unzessen zu unterwerfen.“ Also bleiben die teuer eingekauften
kenntnis der Möglichkeiten: „In der medizinischen Welt, vor
Features ungenutzt.
allem unter den Ärzten, gibt es eine hohe Fluktuation. Die MitVielleicht ist nicht überall ein solcher Widerwille da – ein
arbeiter bleiben gar nicht lange genug im Haus, um die IT-Angroßes Desinteresse aber allemal, sagt Michael Thoss. „Arbeitswendungen so tief kennenzulernen und auch anwenden zu
organisation – und die ist ja die Stärke von Software – ist einkönnen“. Allein an den Berliner DRK-Kliniken mit ihren 3.500
fach nicht die Domäne von Medizinern und Pflegern.“ Wer die
Mitarbeitern gibt es einen jährlichen Personalwechsel im „bis
Wahl habe zwischen einer Fortbildung für eine neue IT-Anwenzu dreistelligen Bereich“. Und mit jedem einzelnen ausscheidung oder für ein neues Ultraschallgerät, entscheide sich stets
denden Angestellten wandere weiteres IT-Anwenderwissen ab.
für Letzteres. „Für ein IT-Seminar gibt’s von der Ärztekammer
Der Rest betreibe Informationsübergabe im Stille-Post-Verfahnun mal keine Fortbildungspunkte.“
ren, „das zwangsläufig zu Wissensverlust oder -verfälschung
Vorgaben schaffen Klarheit
führt. Und wir merken das dann an den zahlreichen Fehlermeldungen in unserer Service-Infrastruktur“, so Thoss.
Für Britta Böckmann ist die Akzeptanz der IT vor allem ein
Führungsthema. So könnten etwa konkrete, von der KlinikEine Vollzeitkraft nur für Schulungen
leitung ausgesprochene Vorgaben helfen. „Schauen Sie in die
Die Berliner haben gehandelt: Seit 2008 beschäftigen die
USA“, sagt die Dortmunder Wissenschaftlerin. „Hier gibt es
die Philosophie des ‚meaningful use': Im Rahmen eines InvesDRK-Kliniken eine Vollzeitkraft, die ausschließlich IT-Schulungen und -Coachings für Mitarbeiter abhält. Jeder neue Antitionsprogramms ist den Kliniken dort konkret vorgeschriegestellte, gleich, ob Arzt, Pflegender oder Verwaltungskraft, hat
ben, welche Daten sie für welches Level digital erfassen und
verschiedene Trainings zu durchlaufen, wird hier fit gemacht
kommunizieren müssen – erst dann erhalten sie eine Zertifiziefür die einzelnen Anwendungen und Tools, die er beherrschen
rung.“ Diese Praxis, also verbindliche und messbare Kriterien
42 N°4 HIMSS Europe 33
— BUSINESS INTELLIGENCE —
„Ich schätze,
dass in vielen
Krankenhäusern
zwischen 50 und
70 Prozent der
möglichen
IT-Funktionalitäten
brach liegen.“
Michael Thoss
Die Hühner
oder das Ei
Wieso es
Informations­
technologien in der
Gesundheitsver­
sorgung so schwer
haben, ist natürlich
nicht monokausal – es
liegt jedenfalls nicht
nur an den benutzer­
unfreundlichen
Systemen, sondern
auch an den nicht
unbedingt technik­
affinen Nutzern. Das
allerdings durch Ethik
und Zeit am Patientenbett zu verbrämen, ist
zu kurz gesprungen.
Spricht man mit
Pflegenden aus
Häusern mit hoher
IT-Durchdringung und
konsequenten
Anwendungsleitlinien,
zeigt sich ein
wesentlich patienten­
freundlicheres Bild.
34
zu definieren, wie die IT zu nutzen sei und welche Ziele man erreichen wolle, täte auch deutschen Krankenhäusern gut, so Böckmann. „Es
würde Transparenz und Objektivität schaffen
– für die IT, aber auch für den Nutzer.“ Und
dadurch auch den Nutzungsgrad und Wert
erhöhen.
Doch zunächst muss die Führung vom
Mehrwert der IT überzeugt werden – und das
ist gar nicht so einfach. Es herrsche eine Art
Produktivitätsparadoxon, sagt Corinna Falge,
Geschäftsführerin des Beratungshauses Xulon.
Die IT-Investitionen steigen allgemein, die Produktion aber stagniert. Die Erklärungsversuche seien vielfältig, so Falge: „Unzureichende
Messmethoden können den durch die IT generierten Mehrwert nicht oder nur verzögert
nachweisen, ein etwaig generierter Mehrwert
versandet im System – oder es gibt Managementfehler im Umgang mit Informationen und
Technologie, das heißt, Investitionsentscheidungen werden nicht mit dem Fokus auf den
zu erwartenden Mehrwert getroffen“.
Aber genau hier müsse man ansetzen, um
die Akzeptanz der IT zu steigern, sagt Stefan
Gebel, Leiter Anforderungsmanagement und
Planung beim Städtischen Klinikum München.
Vor zwei Jahren wurden die IT und Medizintechnik (MT) der fünf Standorte zur gemeinsamen Abteilung „Technologiemanagement“
zusammengelegt. Mit der Konsolidierung
kam auch der Anspruch, den Nutzen der IT
mit Zahlen zu unterfüttern und die Daten der
Chefetage vorzulegen. Seither analysieren
Gebel und seine Kollegen über eine Vollkosten-, zum Teil gar eine Prozesskostenrechnung
detailliert die zu erwartenden Ergebnisse, bevor ein neues IT-Produkt eingekauft oder auf
einen anderen Bereich ausgerollt wird. So
haben sie zuletzt etwa ermittelt, dass durch
zwei neue IT-Systeme die Befundung in der
Pneumologie derart automatisiert ablaufen
kann, dass pro Fall zwei Minuten weniger als
bisher benötigt werden. „Bei 7.500 solcher Untersuchungen im Jahr rechnet sich das“, sagt
Gebel. Es seien diese Zahlen, die die Klinikleitung interessieren – und für die Belange der
IT sensibilisieren. Die Ergebnisse ihrer Arbeit
legen Gebel und sein Team der Klinikleitung
vor, stellen sie aber auch im Intranet zur Verfügung – Führungskräften ebenso wie anderen
Mitarbeitern. „Früher wurde die IT bei uns
sehr stiefmütterlich behandelt“, sagt Gebel.
„Doch diese Zeiten sind vorbei.“
DRK-Mann Thoss stellt dagegen fest, dass
immer dort die IT stärker akzeptiert werde, wo
Mitarbeiter aktiv die Hilfe der IT eingefordert
hätten. Dafür haben die DRK-Kliniken Berlin
seit zehn Jahren eine eigene Fachberatermannschaft, sechs IT-Anwendungsexperten, die bei
bestimmten Problemen gemeinsam mit den
Medizinern und Pflegern Lösungen erarbeiten.
„Wir basteln da keine wilden Sachen, sondern
versuchen, konkrete Wünsche über das Standardsystem abzubilden. Etwa, wenn neue
Ambulanzen in die Infrastruktur eingepflegt
werden müssen, die Materialbestellung anders
abgewickelt werden oder die Kommunikation
mit Leistungsstellen neu aufgesetzt werden
soll.“ Jene Abteilungen, die sich darauf einlassen, stellen „zumindest fest, dass IT nicht das
ist, was nie funktioniert, sondern im Gegenteil,
dass man etwas bewegen kann“.
Neues Auswertungstool misst Nutzungsgrad
Ob durch dieses Miteinander auch der Nutzungsgrad der IT, den Thoss in seinem Haus
auf 50 Prozent schätzt, gestiegen ist, kann der
IT-Leiter nicht genau sagen. „Das lässt sich ja
kaum messen.“ Genau das, dieses Unwissen
42 N°4 HIMSS Europe
Gesundheit
Digitalisierung
neu denken: der Medizin
10. - 12. Juni 2015 | Berlin
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Deutschlands eHealth Event
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— BUSINESS INTELLIGENCE —
über das IT-Anwenderverhalten im Klinikum,
hat die Professorin Britta Böckmann jahrelang
geärgert: „Es gibt da einerseits diese diffuse
Unzufriedenheit mit der IT und andererseits
das Gefühl, dass die Technik bei Weitem nicht
ausreichend angewandt wird“, sagt sie. „Doch
bislang fehlte dafür immer eine ordentliche
Faktenbasis.“ Böckmann hat daher mit ihren
Studenten ein Auswertungstool entwickelt,
mit dem – über ein intelligentes Abfragen –
der Nutzungsgrad eines KIS-Systems in Kliniken gemessen werden kann. „Wir betrachten dabei die Nutzung in Zeitreihen, werten
sie themen-, aber nicht personenbezogen auf
Abteilungsebene aus.“ Das Programm kann
die Ergebnisse auf KIS-Modul-, Prozess- oder
Dokumenationsebene aggregieren, die Prozesse stationärer Fälle rekonstruieren und den
Dokumentationsumfang wie die Nutzung von
Standardfunktionen oder klinischer Behandlungspfade darstellen.
36
Der Nutzen der IT für das KH
wird auch auf dem eHealth
Summit Germany diskutiert:
12. Juni 2015
11.30-13.00 Uhr
Aus dem Bauch in den
Verstand: IT-Kennzahlen im
Krankenhaus
Die Investition in IT wird
oftmals gescheut, da
die Akzeptanz in der
Ärzteschaft gering ist.
Dass das kurzsichtig, auch
hinsichtlich einer erfolgreichen
Unternehmensführung,
ist, beweisen Häuser,
die IT-Kennzahlen als
Instrumentarium zur
Weiterentwicklung, auch
ihrer medizinischen Qualität,
und Integration bei Zukäufen
entdeckt haben. Welches
Modell sinnvoll ist? Welche
Kennzahlen werden benötigt
und wie müssen diese
aussehen, um ein einheitliches
Gerüst zu schaffen? Mit diesen
Fragen setzen sich Anwender
und Experten in der Session
auseinander und entwickeln
gemeinsam Lösungsansätze.
Moderation: Bernd Christoph
Meisheit, Geschäftsführer
Sana IT Services GmbH
42 N°4 HIMSS Europe
INNOVATIONEN
PDMS: Nächster Halt Medienbruch
Rainer Röhrig: Informationsverlust reduzieren
38
42
Illustration: Martina Wember
Britta Böckmann
eHEALTH SUMMIT
GERMANY
Fotos: DRK-Kliniken/ FH Dortmund
„Es gibt eine diffuse
Unzufriedenheit mit der IT und
das Gefühl, dass die Technik nicht
ausreichend angewandt wird –
was fehlt, ist eine ordentliche
Faktenbasis.“
Unsaubere Bedienung –
mangelnde Schulung
Zum Einsatz kam das Programm im vergangenen Jahr in Form eines Pilotprojektes in
einem gemeinnützigen Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Hier bestätigte sich, dass
manche Module des verwendeten KIS-Systems in einzelnen Abteilungen tatsächlich
nicht genutzt werden, etwa in der Pflegedokumentation oder der Ambulanz. Außerdem
wurden hohe Unterschiede offenbar: „Einige
Abteilungen hatten ihre Karteikarten bereits
vollständig digitalisiert, andere geben nur ihre
Abrechnungsdaten ein“. Auch die Sauberkeit
der Dokumentation differierte: So habe es Aufträge ohne Befunde gegeben – und Befunde
ohne Aufträge. Laut Böckmann alles Folgen
von nicht sauberer Bedienung – oder mangelnder Schulung. Die IT-Verantwortlichen des
Krankenhauses haben die Daten zusammengetragen und sowohl Chefärzten als auch dem
Vorstand präsentiert. Böckmann: „Auf Basis
dieser Auswertungen kann das Haus nun eine
solide IT-Strategie entwickeln.“
Bleibt die Frage, ob nicht auch die KIS-Hersteller selbst eine Verantwortung dafür tragen,
ihr eigenes Produkt im Haus bekannt zu machen und für eine hohe Nutzung zu sorgen.
Doch DRK-Mann Thoss, dessen Haus ausgewählte Prozesse wie etwa den Server- und Storagebetrieb für KIS und PACS, aber auch Datenbanken und Back-up an einen Dienstleister
ausgelagert hat, hält das für keine gute Idee.
Zu sehr würde ein solcher Service in Richtung
Organisationsberatung gehen, eine Arbeit, die
der IT-Leiter zu seinen eigenen Kernkompetenzen zählt, weil sie Externe seiner Ansicht nach
nicht so detailliert wie nötig leisten könnten.
„Nein, nein“, winkt der IT-Experte daher ab.
„Darum müssen wir uns im Krankenhaus
schon selber kümmern.“
¬
42
— INNOVATIONEN —
— INNOVATIONEN —
OP
NÄCHSTER HALT
MEDIENBRUCH
Interdisziplinäre
Intensivstation
Patientendatenmanagementsysteme liegen
im Trend. Sie überwinden Medienbrüche
und verbessern die Anästhesie- und
Pflegedokumentation. Dies steigert nicht nur
die Behandlungsqualität, es sorgt auch dafür,
dass die erbrachten Leistungen genauer
abgerechnet werden können.
OP
Operative
Intensivstation
OP
Onkologie
OP
Katt, IT-Leiter des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb). Dort
erfolgte die Anschaffung eines PDMS für den Intensivbereich
Von Michael Lang
im Huckepack mit einem Großauftrag für medizintechnische
Geräte. Praktisch: Der Medizingerätehersteller war zugleich
der PDMS-Anbieter. Vor dem Rollout haben die Berliner ein
ie Realität in den meisten deutschen Krankenhäusern
Musterzimmer mit zwei Patientenbetten ausgestattet. Dadurch
sieht gemeinhin so aus: OP- und Intensivstationsdaten
konnten sie nicht nur die optimale Anordnung der neuen Mediwerden händisch auf Papierformularen eingetragen,
zintechnik ausgiebig testen, sondern parallel dazu mit der Kondanach geht es meist digital weiter – wohin also mit dem Pafiguration des PDMS beginnen. Der Umbau der Intensivstation
pierstapel? Wird mitgeschleppt.
erfolgte dann zimmerweise im laufenden Betrieb. „Es war nicht
Patientendatenmanagementsysteme (PDMS) sammeln nicht
einfach, das zu koordinieren“, stellt Katt fest. Nacheinander
nur vollautomatisch die von medizinischen Geräten auf Intenwurden drei Intensivstationen, das Brandverletzungszentrum
sivstationen und in Operationssälen aufgezeichneten Daten,
sowie die Stroke Unit der Neurologie – insgesamt 68 Betten –
sondern berechnen auch Scores, bilanzieren den Flüssigkeitsmit der neuen Medizintechnik und PDMS ausgestattet.
haushalt der Patienten oder summieren die Beatmungszeiten
Auch am Landeskrankenhaus Innsbruck, einer Universitäts– was wichtig für eine genaue Abrechnung ist. Die Systeme
klinik mit 120 Intensivbetten, war der Medienbruch die treibende Kraft zur Einführung eines PDMS mit Anbindung an das KIS.
ersetzen die Dokumentation auf Papier. In Kombination mit
einem Krankenhausinformationssystem (KIS) lassen sich aus
„Das PDMS stellt einen Qualitätssprung für Patienten und Beden PDMS-Daten elektronische Fieberkurven,
handler dar“, erklärt Georg Lechleitner, AbteiArztbriefe, Verlegungsberichte und Abrechlungsvorstand Informationstechnologie bei der
nungsdaten generieren – lückenlos dokumenTiroler Landeskrankenanstalten GmbH (Tilak).
tiert über alle Stationen hinweg. Doch das
Auslöser für die Erweiterung des vorhandenen
Im OP gibt es
PDMS war ein größeres Bauvorhaben, der Neuklingt (natürlich) einfacher, als es in Wahrwenige Schnittheit ist. Denn die Integration ins KIS gestaltet
bau einer Kinderintensivstation. Die größte
stellen, dafür aber
sich oftmals kompliziert, auch steht immer
Herausforderung für das Projektteam bestand
sehr viele abrechwieder die Frage im Raum, ob das PDMS nicht
darin, die verschiedenen Intensivstationen
nungsrelevante
vielleicht das bessere KIS wäre oder anders,
zu standardisieren. Konkret ging es darum,
wieso das KIS nur auf den Normalstationen
eine gemeinsame, standardisierte Sprache
Daten, die zeitverwendet wird.
zu finden. Denn die verschiedenen Stationen
gleich übertragen
verwendeten bei der Dokumentation auf Papier
und minutiös
Medienbrüche als Fehlerquelle
unterschiedliche Bezeichnungen für die Überdokumentiert
„Wir wollten weg von den A3-Bögen mit je
wachungsdaten: Die einen dokumentierten
werden müssen.
drei Durchschlägen, die jeden Tag neu ausauf Englisch, die anderen auf Deutsch, wieder
andere verwendeten Abkürzungen. „Bei der
gefüllt werden müssen“, erinnert sich Felix
D
38
Neurologische
Intensivstation
42 N°4 HIMSS Europe
Gynäkologie
Neonatologische
Intensivstation
Kardio­
vaskuläre
Intensiv­
station
OP
Radiologie
OP
Notfall- und
Intensivmedizin
Kardiologie
Innere Medizin
Urologie
Kinderstation
Hals-, Nasen-,
Ohrenheilkunde
Verwaltung
Visite setzt jede Station aber andere Schwerpunkte, die wir bei
der Konfiguration beachten mussten“, ergänzt Marko Überegger, der Projektleiter.
Von 22 auf drei Server runtergekürzt
Eine andere Art der Standardisierung des PDMS gab es am
Landeskrankenhaus Steyr und den neun aanderen Häusern
der Gespag (Oö. Gesundheits- und Spitals-AG). Weil jede Intensivstation die Benutzeroberfläche des PDMS auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten hatte, konnten sich die Mitarbeiter bei einem
Stationswechsel nicht sofort im anderen System zurechtfinden.
42 N°4 HIMSS Europe Hausarztpraxis
39
— INNOVATIONEN —
Großer Entwicklungsbedarf, aber auch
großes Potenzial
Wie sehr sich das Pflegepersonal an ein
PDMS gewöhnen kann, weiß auch Bernhard
Pollwein, Anästhesist und fachlicher Leiter des
PDMS-Projekts am Klinikum Großhadern der
Uni München. Dort wurde vor acht Jahren ein
PDMS für den OP eingeführt. „Als wir für ein
Update einen geplanten Ausfall hatten und die
Mitarbeiter für wenige Stunden wieder ein Papiernarkoseprotokoll führen mussten, wussten
die Jüngeren schon nicht mehr, wie das geht.“
Seit Mitte 2014 werden auch fünf Intensivstationen mit insgesamt 70 Intensivbetten mit
PDMS betrieben. Das Highlight dieses Systems
ist das Beatmungsprotokoll. Dabei werden
die Einstellungen des Beatmungsgeräts und
parallel dazu die gemessenen Parameter der
Blutgasanalyse ans PDMS übertragen. Der Arzt
erhält so die Information, wie viel Sauerstoff
dem Patienten angeboten wird und wie viel davon tatsächlich bei ihm ankommt. „Das haben
wir von Hand entwickelt“, berichtet Pollwein.
Mit dem neuen PDMS in Großhadern arbeiten
über 300 Ärzte und 800 Pflegekräfte. Angesichts dieser vielen und häufig wechselnden
Mitarbeiter wurde das PDMS sehr tief in die
IT-Systemlandschaft integriert. Dadurch kann
die Benutzerverwaltung über das zentrale
Identitätsmanagementsystem laufen.
40
„Wir wollten weg von
den A3-Bögen mit je
drei Durchschlägen,
die jeden Tag neu
ausgefüllt werden
müssen.“
Felix Katt, IT-Leiter des
Unfallkrankenhaus Berlin (UKB)
DAS PDMS ALS
MEDIZINPRODUKT
Nach der 4. Novelle des Medi­
zinproduktegesetzes (MPG)
sind die meisten PDMS als Me­
dizinprodukte einzustufen. Da­
durch stellt sich für Hersteller
und Betreiber die Frage nach
dem Risikomanagement. Im
Gegensatz zu medizintechni­
schen Geräten haben Informa­
tionssysteme deutlich kürzere
Releasezyklen und sind durch
ihre hohe Individualisierbarkeit
und Interoperabilität extrem in
ihre soziotechnische Umge­
bung adaptiert und integriert.
Diese erwünschten Produkt­
merkmale erschweren jedoch
die geforderte Risikoanalyse
und Bewertung, die eigentlich
mit jedem System-Update,
von dem die Funktionalität
des PDMS abhängt, durch­
geführt werden müsste. Hier
fehlen noch Standards und
praktikable Umsetzungen
(Best-Practice-Lösungen)
zur Zusammenarbeit von
Herstellern, Betreibern und
Anwendern.
Gregor Pickert, CIO des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München, kam
von Großhadern und konnte seine dort gemachten Erfahrungen
in das aktuelle PDMS-Projekt für
den OP einbringen. Im OP gibt es
wenige Schnittstellen, dafür aber
sehr viele abrechnungsrelevante
Daten, die zeitgleich übertragen
und minutiös dokumentiert werden müssen. Begonnen wurde mit
der Schnittstelle für die Prämedikation sowie der Anbindung des
OP-Planungssystems, als Bestandteil des KIS.
Wegen der hohen Anforderungen an steriles Arbeiten wird das PDMS im OP mit einem
Touchscreen betrieben. „Das gab es zuvor
nicht, wir mussten das gemeinsam mit dem
Hersteller entwickeln“, sagt Pickert. In diesem
Jahr sollen noch zwei operative Intensivstationen mit insgesamt 60 Betten ausgestattet
werden. Das Besondere: Die Intensivmedizin
wurde WLAN-fähig gemacht. Dadurch muss
das PDMS nicht am Patientenbett stehen. Jede
Pflegekraft hat einen eigenen Arbeitsplatz mit
PC-Wagen, der mit einem PDMS-System samt
24-Zoll-Touchscreen ausgestattet ist. Stolz sind
die Münchner auch auf eine andere Innovation: Die Parameter für die Spritzenpumpe für
intravenöse Injektionen können am großen
Bildschirm des PDMS eingestellt werden. „Die
Eingabe an der Pumpe erschien uns zu fehleranfällig und nun sind wir froh, dass wir diese vermeintliche Fehlerquelle mit ausmerzen
konnten“ erklärt Picket. Starten lässt sich die
Spritzenpumpe weiterhin nur am Gerät – nach
einer Überprüfung der Parameter.
Fazit: Die vorgestellten Projekte zeigen,
wie sich PDMS-Lösungen an die speziellen
Bedürfnisse der Anwender anpassen lassen.
In den allermeisten Fällen bedarf es jedoch
auch dieser gemeinsamen Entwicklungsphase, die allen Beteiligten viel abverlangt. Doch
letztendlich sind sich die Beteiligten unisono
sicher, dass sich Kosten und Mühen auszahlen.
Durch das funktionierende, angepasste System
verbessert sich die Dokumentation und die
Behandlungs- und Abrechnungsqualität über
alle Stationen hinweg entscheidend – ein nicht
zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil im
hart umkämpften Krankenhausmarkt.
¬
42 N°4 HIMSS Europe
Einfach. Klinikweit.
Digital informiert. Besser behandelt.
Je besser der Informationsfluss, desto effizienter die Behandlung: Software von OPTIMAL SYSTEMS
sorgt dafür, dass sich Ärzte und Klinikpersonal auf das konzentrieren können, was wirklich wichtig ist:
das Wohl der Patienten. Unser ganzheitliches Informationsmanagement senkt konsequent den Verwaltungsaufwand, führt Daten zentral zusammen und beschleunigt die Kommunikationsprozesse.
optimal-systems.de/health
Foto: UKB
Sie mussten erst lernen, wo dort
ein bestimmter Menüeintrag zu
finden war. Mittlerweile verfügen
80 bis 90 Prozent aller Intensivstationen der zehn Spitäler über eine
identische Menüführung – die
einzelnen Stationen sind dennoch
passgenau konfiguriert. „Die Mitarbeiter können jetzt die Häuser
wechseln und finden sich immer
schnell im PDMS zurecht“, erklärt
Walpurga Auinger, Pflegedirektorin und Mitglied der Krankenhausleitung am Landeskrankenhaus Steyr. Die Standardisierung
hat aber auch noch einen handfesten wirtschaftlichen Vorteil. Seither läuft das System
auf drei Servern, zuvor wurden bis zu 22 Server benötigt. Das Pflegepersonal möchte das
PDMS nicht mehr hergeben, auch wenn es die
mangelnde Übersichtlichkeit auf dem Monitor
gegenüber dem A3-Bogen beklagt.
— INNOVATIONEN —
Kontakt
+49Europe
30 895708-0
42 N°4 HIMSS
41
— INNOVATIONEN —
42
Informationsverlust
reduzieren
Wo liegen die großen Herausforderungen bei
einem PDMS-Projekt?
Ein Knackpunkt ist der Medienbruch: Es
geht darum, möglichst keinen Informationsverlust zwischen der Intensiv- und der Normalstation zu haben. Daher sind Schnittstellen erforderlich. Die Grundlage für Interoperabilität
ist der Abgleich der Patientendaten zwischen
KIS und PDMS. Stammdaten und Labordaten
sind Pflicht, alles andere die Kür. Insbesondere der Leistungsdatenaustausch kann beliebig komplex werden. So sind für die Generierung von Entgelt-relevanten OPS-Codes bei
bestimmten Arzneimitteln oder der Therapie
mit Vakuumverbänden häufig bereichs- und
abteilungsübergreifende Informationen erforderlich, die über Systemgrenzen hinweg zusammengeführt und bewertet werden müssen.
Schnittstellen, die eine systemübergreifende
Dokumentation mit Plausibilitätskontrolle ermöglichen, sind aufwendig zu erstellen und zu
pflegen. Eine Aufgabe, die von den Kliniken
nicht ohne Hersteller gelöst werden kann.
Wäre es angesichts des Aufwands nicht einfacher, das PDMS für die gesamte Dokumentation zu verwenden?
42
RAINER RÖHRIG wechselte
gerade aus der Klinik in die
Lehre, wo er sicherlich viel
Gutes bewirken wird – nicht
nur für seine Studenten,
sondern auch zukünftige
Patientengenerationen.
Darüber hinaus sitzt er auch
noch im Wissenschaftlichen
Programmkomitee der PDMS
D.A.CH. Conference.
Welche Bedeutung hat die Entscheidungsunterstützung?
Die Entscheidungsunterstützung gewinnt
im Bereich der Arzneimitteltherapie an Bedeutung, ist aber auf den Intensivstationen eine
große Herausforderung: Zum einen gibt es
viele Individualherstellungen, zum anderen
erfordert der kritische Zustand der Patienten
die Gabe einer Vielzahl von Arzneimitteln. Im
Arzneimittelcheck gibt dies häufig dreistellige
Warnhinweise. Die Hinweise auf potenzielle
Komplikationen helfen nicht bei der Entscheidung, wenn die Medikamente lebenserhaltend
sind. Sie lenken den Arzt nur von seinen eigentlichen Aufgaben und Entscheidungen ab.
Die technische Herausforderung bei den entscheidungsunterstützenden Systemen ist, den
Aufwand für die Pflege durch Automatisierung
oder Zentralisierung zu reduzieren.
Was wäre sonst noch wünschenswert?
Die Standardisierung der Intensivdokumentation, wie sie bereits für die Notaufnahme und den Rettungsdienst erfolgt ist. Aufbauend auf Standards würden die Systeme
zur Entscheidungsunterstützung in mehreren
Kliniken einsetzbar und damit bezahlbar. Hier
existiert ein hoher Forschungsbedarf, den die
PDMS-Hersteller nicht leisten können. Dies
muss in Zusammenarbeit mit den Kliniken
und Hochschulen und in Absprache mit den
Fachgesellschaften geleistet werden und bedarf einer öffentlichen Förderung.
¬
PDMS CONFERENCE
D.A.CH.
PDMS – sicherheitsrelevant
oder Kostenverschwendung?
Wozu braucht es ein Patien­
tendatenmanagementsystem
(PDMS)? Abrechnungstool?
Klinische Hilfestellung? Wich­
tiger Schritt auf dem Weg zur
elektronischen Patientenakte?
Die PDMS D.A.CH. Conference
wird praxisnah von Experten
bestritten, die die Entwick­
lungen und organisatorischen
Herausforderungen gerade
bewältigt haben oder aktuell
dabei sind, ihnen zu trotzen.
Und das aus den unterschied­
lichsten Gründen.
www.himss.eu/pdms
42 N°4 HIMSS Europe
mHEALTH
Felix Cornelius: Brennende Häuser versichern
Rainer Herzog: Es fehlt der politische Wille
Dating Big Pharma: Pharma umgarnt die mHealth-Szene
MySugr: Viel Arbeit und viel Passion
Kolumne: Der Mensch hinter dem System
44
45
48
52
54
Illustration: Martina Wember
Lässt sich für ein PDMS eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen?
Bei der Beschaffung eines PDMS spielen die
Kosten und Folgekosten wie Lizenzen, Wartung oder Updates eine wesentliche Rolle. Berechnungen zum ROI werden dabei nicht angestellt, da sich Einsparungen schwer berechnen
lassen. Ich vergleiche PDMS mit der Sauerstoffsättigung in der Anästhesie: Diese war irgendwann da und ist nicht mehr wegzudenken. Ihr
Nutzen wurde in Studien nie nachgewiesen,
aber jeder Anästhesist kennt Situationen, in
denen ein Sauerstoffsättigungsalarm einen
potenziellen Patientenschaden verhindert hat.
Die KIS-Hersteller bieten verstärkt Funktionalitäten für den Intensivbereich an, während die PDMS-Hersteller sich stärker auf den
Einsatz auf der Station fokussieren. Doch die
Bereiche unterscheiden sich in den funktionalen Anforderungen: Auf der Intensivstation betreut eine Pflegekraft ein bis vier Patienten mit
einer hohen Informationsdichte; auf Normalstation betreut eine Pflegekraft viele Patienten,
mit wenig Dokumentationsbedarf pro Patient.
Der relevante Unterschied liegt in der Ergonomie und nicht in der generellen Machbarkeit.
Foto: Hunger-Weiland
Interview mit Rainer Röhrig, Professor für
Medizinische Informatik an der Carl von
Ossietzky Universität Oldenburg
— mHEALTH —
— mHEALTH —
BRENNENDE HÄUSER
VERSICHERN
ersicherungsunternehmen bemühen häu­
fig das Bild eines brennenden Hauses, um
darauf hinzuweisen, dass sich der Kunde
bereits für eine Versicherung entscheiden
muss, bevor der Schadensfall eingetreten
ist. Ein erfolgreicher Vertrieb setzt also
beim künftigen Kunden Vorstellungskraft
voraus („Das Haus könnte brennen“) sowie
ein grundsätzliches Verständnis für das Konzept des Erwar­
tungswertes („Selbst wenn das Haus nie gebrannt hat, war
die Entscheidung für die Versicherung richtig“).
Auch im Gesundheitswesen gibt es Situationen, in de­
nen es bereits zu spät ist, wenn erst im Moment der akuten
Notwendigkeit heraus gehandelt wird – Situationen, die von
einem großen Kollektiv in guten Zeiten eine gemeinsame
Entscheidung verlangen, und zwar in dem Wissen, dass nur
wenige Mitglieder des Kollektivs irgendwann betroffen sein
werden, dann jedoch von der rechtzeitigen Entscheidung aller
profitieren.
Das lässt sich am Thema Organspende gut nachvollzie­
hen: Es wird für die jeweils Bedürftigen regelmäßig nur dann
genügend Organe geben, wenn eine möglichst große Zahl von
Menschen vor Eintritt des Notfalls ihre prinzipielle Spenden­
bereitschaft erklärt hat.
Nicht unmittelbar zu erkennen ist dieses Prinzip im Zu­
sammenhang mit dem Management von Patientendaten, also
dort, wo es um die Erhebung, Speicherung und Kommunika­
tion von sensiblen Gesundheits- und Versorgungsinforma­
tionen geht. Es kann zum Beispiel nur derjenige davon pro­
fitieren, dass der Notarzt auf den Unfalldatensatz zugreifen
kann, der diesen zuvor mit seinen Daten gefüllt hat. Oder:
Wenn ich einen Kardiologen besuche, kann ich nur dann davon
ausgehen, dass dieser auf die Laborwerte des eine Woche
zurückliegenden Hausarztbesuches zugreifen kann, wenn
bereits beim Hausarzt sichergestellt wurde, dass diese Da­
ten irgendwann potenziell abrufbar sind. Auch hier muss also
eine Entscheidung auf Vorrat getroffen werden, denn als ich
beim Hausarzt war, wussten weder er noch ich, dass ich eine
Woche später zu einem anderen Arzt gehen würde.
Auch auf die Ärzteschaft trifft die Versicherungsmetapher
zu: Wenn ein Spezialist erst dann erkennt, dass es notwendig
44
ist, auf die Vorgeschichte seines Patienten zuzugreifen, wenn
dieser vor ihm sitzt, ist es zu spät. Er muss mit allen Kol­
legen bereits lange zuvor die technischen Voraussetzungen
schaffen und Prozesse vereinbaren, die ihm diesen Daten­
austausch in Zukunft ermöglichen, falls Arzt und Patient das
irgendwann beide wollen.
Menschen machen ihre Entscheidungen typischerweise
von je aktuellen Empfindungen und Situationen abhängig. Es
ist deshalb durchaus denkbar, dass ich ein vehementer An­
hänger radikaler Privatheit bin und jede Kommunikation mei­
ner Daten ablehne, dass ich aber meine Sicht in dem Moment
ändere – so ich dann noch in der Lage bin! –, wo ich schwer
erkrankt bin oder nach einem Unfall in den Notarztwagen ge­
schoben werde.
Um noch einmal auf das Bild der Organspende zurückzu
kommen: Fragen wir 100 Dialysepatienten, ob sie, wenn sie
gesund wären, einen Spenderausweis mit sich führen würden,
vermute ich eine Zustimmung von 90 Prozent. Gäbe es die
Möglichkeit, sich mit diesen 100 Patienten in eine Zeitma­
schine zu setzen, 30 Jahre zurückzufliegen und die Frage zu
wiederholen, erwarte ich eine Zustimmung von 20 Prozent...
Ich würde mir in der politischen Debatte um die ange­
messenen Vorgaben und Kompromisse hinsichtlich des Pa­
tientendaten-Managements wünschen, dass die Beteiligten
sich vor jeder Entscheidung in eine Zeitmaschine setzten und
ihren Stimmzettel erst dann ausfüllten, wenn sie 30 Jahre in
der Zukunft angekommen sind. Solange wir diese Möglichkeit
nicht haben, schlage ich vor, darüber nachzudenken, wie wir
in die Diskussionen und Entscheidungen Menschen aus der
Gruppe der akut Betroffenen mit einem Stimmanteil von 50
Prozent einbeziehen können.
¬
RAINER HERZOG ist General
Manager von HIMSS Europe
und Head of mHealth HIMSS.
Es fehlt der
politische Wille
Foto: Spreeufer Consult GmbH
V
Von Felix Cornelius
mHealth wird eines Tages eine zentrale Rolle in der integrierten Patientenversorgung
spielen und als Teil der Regelversorgung ambulante und stationäre Dienstleistungen in
idealer Weise ergänzen – soweit die Theorie. Technisch wäre bereits heute schon vieles
machbar, was fehlt ist eine politische Agenda.
Von Susanne Neumayer-Remter
Interview mit Rainer Herzog, General Manager HIMSS Europe und
mHealth Experte HIMSS global
FELIX CORNELIUS ist
Geschäftsführer der Spreeufer
Consult GmbH, die sich auf
Projekte spezialisiert hat,
in denen ärztliches und
betriebswirtschaftliches Denken
versöhnt werden sollen. Er
ist außerdem Mitgründer und
Vorstand des Verbandes digitale
Gesundheit (VdigG).
Es gibt mittlerweile ja unzählige Apps, gerade auch im Gesundheitsbereich. Wie findet man sich da zurecht? Was ist
Hype, was macht wirklich Sinn?
Für mich gibt es vier Kategorien von mHealth-Lösungen: Das
ist zum einen alles im Bereich Consumer, die typischen Wellness- und Fitness-Applikationen. Die gibt es wie Sand am Meer,
ob mit Armbändchen oder ohne. Das ist für mich tatsächlich
ein Hype. Studien belegen, dass etwa zwei Drittel derjenigen,
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe die angefangen haben, eine solche App zu nutzen, bereits nach
kurzer Zeit wieder abspringen. Die zweite Kategorie nenne ich
Selfmonitoring, das Beobachten von Vitalfunktionen. Da meist
nur sporadisch aufgezeichnet wird, kann mit den Daten allerdings kaum etwas dargestellt werden; kaum jemand, der nicht
wirklich krank ist, misst etwa jeden Tag seinen Blutdruck. Die
dritte und vierte Kategorie sind mHealth-Lösungen für chronisch Kranke beziehungsweise für akut Kranke, also zum
Beispiel für Diabetiker, Asthmatiker oder Menschen mit einer
Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankung. Und hier reden wir
über klinisch wertvolle und anspruchsvolle Applikationen,
45
— mHEALTH —
die Auswirkungen limitiert. Ziel ist eine integrierte Versorgung. In manchen Ländern sind
wir auf dem Weg dorthin, in Deutschland sind
wir noch Lichtjahre davon entfernt.
„Die große
Herausforderung
besteht darin,
Pilotprojekte
tatsächlich in
das jeweilige
Gesundheitswesen
zu integrieren. Aber
weder in Deutschland
noch in der Schweiz
oder Österreich gibt
es eine Roadmap,
die mit konkreten
Schritten auf eine
Implementierung
abzielt.“
bei denen es darum geht, den Patienten so zu
führen, dass er eine möglichst hohe Lebensqualität erhält, beziehungsweise ihn davor zu
bewahren, in akute Zustände abzudriften. Und
das ist etwas, was tatsächlich nutzbringend
sein kann. In diesen beiden Kategorien sehe
ich ein großes Potenzial.
Immer wieder heißt es, dass mobile Lösungen den Gesundheitsmarkt grundlegend
ändern werden. Ist das denn so? Wo steht
mHealth heute?
Der Durchbruch ist noch nicht geschafft,
um es global zu sagen. Allerdings muss man
von Land zu Land differenzieren: Es gibt zum
Beispiel Länder in Skandinavien, die sich tatsächlich mit der Frage beschäftigen, wie Telemedizin oder mHealth flächendeckend ausgerollt werden kann. In Deutschland ist man von
einem solchen Ansatz weit entfernt. Es gibt
sehr viele Pilotprojekte, überall auf der Welt.
Die große Herausforderung besteht darin, diese Pilotprojekte tatsächlich in das jeweilige Gesundheitswesen zu integrieren. Aber weder in
Deutschland noch in der Schweiz oder Österreich gibt es eine Roadmap, die mit konkreten
Schritten auf eine Implementierung abzielt.
Inwiefern würden die Patienten davon
profitieren?
mHealth eröffnet einem chronisch oder
akut kranken Patienten die Möglichkeit, im
Bedarfsfall permanent bestimmte Vitalwerte
übermitteln zu können und ständig mit einem
Arzt in Verbindung zu stehen. Das bedeutet
ein Stück weit Sicherheit für den Patienten.
Ein Beispiel: Herzinfarkt-Patienten haben
46
nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus
oft Angst: Kann mir das wieder passieren? Was
bedeutet der Druck in der Brust? Wenn man
solchen Patienten in dieser Situation eine
Telemedizin-Lösung an die Hand gibt, die regelmäßig die Herzfunktion misst, überträgt
und im Bedarfsfall Alarm schlägt, dann habe
ich aufgrund dieser Kommunikation, die normalerweise nicht stattfindet, natürlich einen
Riesengewinn für den Patienten. Er fühlt sich
viel sicherer.
Warum ist eine solche Art der medizinischen
Versorgung nicht bereits längst Alltag, wo liegen die Probleme bei der Durchsetzung?
In vielen Ländern fehlen die regulatorischen Voraussetzungen für mHealth. Darf der
Arzt beispielsweise per Telemedizin überhaupt
eine Diagnose stellen? Gesetzliche Vorgaben
müssten also angepasst werden. Dann muss
über die Vergütung nachgedacht werden,
Telemedizin- oder mHealth-Dienstleistungen
müssen in den Erstattungskatalog mit aufgenommen werden. Das sind die zwei Grundvoraussetzungen. Zusätzlich sollten Anreizsysteme geschaffen werden, die dafür sorgen,
dass mobile Lösungen in der Praxis tatsächlich angewandt werden. In den USA etwa geschieht dies mithilfe des milliardenschweren
Förderprogramms „meaningful use“ – ein
Bonus-Malus-System für Ärzte und Krankenhäuser zur Einbindung von IT.
Eine weitere offene Frage ist – und das ist
wahrscheinlich das dickste Brett, das man
bohren muss –, wie mHealth in die Prozesse
integriert werden kann. Wird Telemedizin
einfach nur auf die bestehenden Strukturen
draufgesattelt, dann muss das nicht unbedingt funktionieren. Der Einsatz der neuen
Technologien ist eigentlich nur dann effizient,
wenn er über die jeweiligen Behandlungs-Silos
Krankenhaus, niedergelassener Arzt, Notfallversorgung oder Pflege hinausgeht, sonst sind
42 N°4 HIMSS Europe
Werden die Chancen von mHealth in der Politik denn überhaupt wahrgenommen?
Diskutiert wird dieses Thema schon seit
Langem und es gibt sowohl auf nationaler als
auch auf EU-Ebene einige Projekte, mit denen
Erfahrungen gesammelt werden. Allerdings
ist man bisher über ein Pilotprojekt-Stadium
nicht hinweggekommen. Es gibt immer wieder
die eine oder andere Absichtserklärung, aber
in vielen Ländern fehlt der konkrete politische
Wille oder eine Strategie, das tatsächlich auszurollen. Deutschland ist ein schönes Beispiel,
es gibt viele Absichtserklärungen, aber etwas
Konkretes ist bisher nicht passiert.
Woran lieg t das? Wer sind die größten
Bremser?
Wir haben ein Gesundheitssystem, in dem
einige sehr darauf bedacht sind, ihre Pfründe zu sichern. Zudem sind viele nicht bereit,
die Transparenz, die mit mHealth ein Stück
weit geschaffen werden kann, in Kauf zu nehmen. Die Politik wiederum hat wenig Interesse daran, mit der Silo-Politik aufzuräumen
und ein integriertes Patientenmanagement
zu forcieren. Diese Chance wurde auch mit
dem neuen E-Health-Gesetz erneut vertan.
Die Krankenkassen dagegen haben durchaus
ein Interesse daran, mHealth voranzutreiben.
Das sieht man daran, dass einige Versicherer
angefangen haben, Telemedizin oder mHealth
zu vergüten. Für die Patienten würden mobile
Gesundheitsdienstleistungen ein klares Plus
bedeuten, aber sie haben eigentlich keine Lobby. Ich habe den Eindruck, dass mittlerweile
viele nicht mehr warten wollen, bis die Politik
sich bewegt, und dass die Digitalisierung am
Ende des Tages von den Patienten getrieben
wird und den Versicherern, weil die den gesundheitsökonomischen Vorteil sehen.
Gesundheitsdaten sind hochsensibel, entsprechend intensiv wird beim Thema digitale
Lösungen deshalb der Datenschutz diskutiert
– zu Recht?
Wir haben auf der technischen Seite genügend Instrumentarien zur Verfügung, um
Datenschutz und ein hohes Maß an Sicherheit
42 N°4 HIMSS Europe zu gewährleisten. Hundertprozentige Datensicherheit werden wir dennoch nie haben.
Aber auch bei einer rein papierbasierten Versorgung können wir diese nicht abdecken;
Akten können verloren gehen oder geklaut
werden. Jeder, der auf einer 100-ProzentLösung besteht, bremst die Innovation. Das
halte ich für wenig zielführend. In Deutschland wird Datenschutz leider immer noch als
das Killer-Argument verwendet, ganz nach
dem Motto: Solange der Datenschutz nicht gelöst ist, machen wir gar nichts. Ich halte die
Datensicherheitsfrage für lösbar – kein Hindernisgrund, kein Stolperstein.
Der mHealth Summit Europe in Riga steht vor
der Tür. Welche Schwerpunkte werden hier
gesetzt? Wie will man mit dieser Veranstaltung das Thema mHealth voranbringen?
Der mHealth Summit in Riga als europäisches Event zielt genau auf die Kernfragen ab:
Was müssen wir tun, um mHealth von dieser
Pilotitis, wie ich es immer nenne, in Richtung
wirkliche Implementierung zu bringen? Wie
kann mHealth Teil der Regelversorgung werden? Die Europäische Kommission hat vor
einiger Zeit mit dem „mHealth Green Paper“
eine Initiative gestartet, die in Riga von allen
Stakeholdern des mHealth Ökosystems diskutiert werden wird. Die mHealth Community trifft sich in der lettischen Hauptstadt, um
die politischen Weichenstellungen in Europa
zu diskutieren. Wo geht die Reise hin? Dabei
wird es ganz konkret um die Frage der regulatorischen Hürden gehen und wie man diese
überwinden kann.
Damit mHealth funktioniert, ist es aber
auch wichtig, nachhaltige Geschäftsmodelle
für diesen Bereich zu finden. In den meisten
Gesundheitssystemen will die mobilen Gesundheitsdienstleistungen bisher ja niemand
vergüten, was es auch den für die Patienten
und Kosteneffizienz vielversprechendsten Lösungen schwer macht, sich durchzusetzen. Auf
dem Summit werden wir uns deswegen mit
den Firmen beschäftigen, die mobile Lösungen und Applikationen entwickeln. Wir wollen Marktkriterien definieren und gemeinsam
überlegen, wie das nötige Kapital sichergestellt
werden kann. Es geht um ganz konkrete Hilfestellungen für Firmen, die sich dem Thema
App Development oder Lösungen für die Tele¬
medizin widmen. START-UP-SLAM:
TRAUT EUCH!
eHealth Summit Germany,
CityCube Berlin
12. Juni 2015
16.30-18.00 Uhr
Fotos: Himss Europe GmbH
— mHEALTH —
Eine gute Idee – fünf Minuten
Zeit, die Jury oder das
Publikum zu überzeugen. Wie
gewöhnlich ziert sich das
Gesundheitswesen, wenn es
darum geht, sich Neuerungen
gegenüber zu öffnen. Aber
aktuell sind viele mobile
Lösungen auch noch gar nicht
stationstauglich oder haben
trotz guter Idee noch nicht die
Hürde in die Gesundheitswelt
genommen – wir geben den
guten Ideen eine Bühne. Wer
traut sich?
Moderatorin:
Juliane Zielonka, Geschäfts­
führerin Die-Artverwandten
47
— mHEALTH —
— mHEALTH —
A
mHEALTH
+
ls Bayer an einem Montagabend im
Spätsommer 2014 den Startschuss für
sein Grants4Apps Programm gab, trafen in den Räumen des Unternehmens in Berlin zwei Welten aufeinander. Pharma-Manager,
zumindest die höheren Chargen, sind häufig
genuin konservativ. Sie tragen dunkle Anzüge
und Krawatten. Sie sind besser im Anordnen
als im Zuhören. Und sie sind oft von Marketingmitarbeiterinnen in hohen Absätzen umgeben.
Wer dagegen in Start-ups der Technologiebranche arbeitet, folgt noch immer eher dem Rollenmodell des in der Garage vor sich hin werkelnden Nerds. Jeans und Pullover sind Standard,
und geredet wird wie auf Bachelor-Parties.
Reinhard Franzen, Geschäftsführer von Bayer
in Europa und damit einer der Top-Manager
dieses deutschen Pharmagiganten, versuchte
die Unterschiede zwischen den beiden Welten
kleinzureden: „Wir waren vor 151 Jahren auch
mal ein Start-up. Gelegentlich muss man sich
als Konzern selbst neu erfinden, und deswegen
haben wir Sie hier eingeladen“.
BIG
PHARMA
Coach Your Nerd
Grants4Apps ist ein recht unkonventioneller Versuch eines Pharmaunternehmens, einen
Fuß in die Tür des sich rasch entwickelnden
mHealth-Kosmos‘ zu bekommen. Auf den ersten Blick geht es um das, was in der VentureCapital-Szene „Seed Funding“ genannt wird:
Bayer hat vielversprechende Start-up-Unternehmen ausgewählt, die innovative, patientenzentrierte E-Health-Lösungen vermarkten
wollen, und die sich noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung befinden. Jedes
Start-up bekommt 50.000 Euro und dreieinhalb
Monate Zeit, einen Prototyp zu produzieren.
Das Ungewöhnliche daran ist, dass die
Entwicklerteams der Softwareschmieden für
diesen Zeitraum nach Berlin kommen und direkt im Bayer-Hauptquartier arbeiten, in frisch
ausgestatteten Räumlichkeiten, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Produktionsstätten
der Medikamente. Mehr noch: Jedem Start-up
wird ein Bayer-Manager als Coach zugeordnet.
Die Idee ist, dass dieser Coach schon allein
durch die räumliche Nähe zu den Entwicklern viel besser darauf achten kann, ob das in
Dating Big Pharma
Der Pharmakonzern Bayer hat ein Accelerator-Programm
aufgelegt, bei dem mHealth-Start-ups aus ganz Europa ihre
Lösungen in unmittelbarer Nähe der medizinischen Labors
entwickeln. Auch andere Pharmaunternehmen umgarnen derzeit
die mHealth-Szene. Ob diese Annäherungsversuche mehr sind als
nur Marketing, muss sich zeigen.
Von Philipp Grätzel von Grätz
48
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe Entwicklung befindliche Produkt auf die Bedürfnisse des Gesundheitswesens und natürlich auf die Bedürfnisse potenzieller Kunden
aus der Pharmabranche abgestimmt ist. Auch
die im mHealth-Sektor nicht ganz irrelevanten
Aspekte der Skalierbarkeit und Kosten behält
der Bayer-Coach im Auge.
Drei der fünf förderungswürdigen
Unternehmen
überwachen
Herzfrequenz
und -rhythmus,
dazu kommt
eine Fitness-App
und eine schlaue
Tablettenbox.
Wenig überraschend:
Vorhofflimmern im Fokus
Für die erste Förderrunde wurden fünf
Start-ups aus ganz Europa ausgewählt. Das
Unternehmen Qompium aus Belgien entwickelt eine sich an Patienten richtende, diagnostische App zur Früherkennung von Vorhofflimmern. Eine der Herausforderungen bei
diesem Projekt dürfte sein, einen Algorithmus
zu entwickeln, der nicht zu häufig falschen
Alarm gibt oder echte Befunde übersieht. Das
deutsche Unternehmen Parica hat einen etwas
breiteren Ansatz. Es zielt auf einen möglichst
berührungsfreien Apparat zur Kontrolle von
unterschiedlichen Vitalparametern in der
Apotheke. Dabei geht es um Herzfrequenz und
Herzrhythmus, aber auch um Blutdruck, Lungenfunktion und Körperzusammensetzung.
Ebenfalls im Bereich Vitalwertemonitoring
ist Cortrium unterwegs. Dieses Unternehmen
versucht, mithilfe von Klebeelektroden Herzrhythmus, Blutdruck, Temperatur und Sauerstoffsättigung nichtinvasiv zu erfassen.
Dass sich drei von fünf Unternehmen in der
ersten Förderrunde, ausschließlich oder auch,
um die Überwachung von Herzfrequenz und
Herzrhythmus kümmern, dürfte kein Zufall
sein. Einer der großen aktuellen Blockbuster
von Bayer ist das neue orale Antikoagulans
Rivaroxaban, und Vorhofflimmern ist die
kommerziell mit Abstand relevanteste Indikation dafür. Trotzdem werden auch zwei
Unternehmen gefördert, die komplett andere
Felder bearbeiten. Das britische Unternehmen
Fabulyzer zielt primär auf die Fitness- und
Wellness-Community: Mit einer auf Nanotechnologie basierenden mHealth-Lösung soll es
möglich werden, den Aceton-Gehalt in der Ausatemluft zu überwachen. Und das in Portugal
ansässige Start-up PharmAssistant entwickelt
eine intelligente Tablettenbox, die mit einem
49
— mHEALTH —
Das Marketing ist am Ruder
Bayer ist nicht das einzige pharmazeutische Unternehmen, das sich bei mHealth-Projekten engagiert. Sanofi gilt in der Branche
derzeit als erfolgreichster App-Anbieter. Die
Analysten von Research2Guidance gaben dem
Unternehmen in ihrem kürzlich publizierten
Diabetes App Market Report einen Marktanteil bei Diabetes-Apps von 10 Prozent. Nur der
unabhängige US-amerikanische App-Provider Azumio hatte mehr. Aber selbst Sanofis
Apps sind alles andere als Blockbuster. Obwohl knapp jeder zehnte Erwachsene in den
westlichen Industrienationen einen Diabetes
hat, bleiben die Nutzerzahlen von Sanofis Diabetes-Apps weit hinter jenen zurück, die von
wirklich erfolgreichen Lifestyle-Apps wie Fitbit oder Runtastic erreicht werden. Auch bei
den Bewertungen der Apps in den App Stores
schneiden Pharma-Apps in der Regel nicht besonders gut ab.
Was läuft also falsch? Analysten wie Duncan Arbour von InVentiv Health sind der Auffassung, dass sich Big Pharma bisher zu stark
auf rein bildschirmbasierte Anwendungen
konzentriert, statt stärker in die Welt der sensorbasierten mHealth-Lösungen für die Diagnose, das Monitoring oder die Adhärenzkontrolle einzutauchen. Sensorbasierte, sehr viel
stärker medizinisch ausgerichtete mHealth-Lösungen könnten das traditionelle Geschäftsmodell von Big Pharma, den Verkauf von Medikamenten, besser ergänzen als beispielsweise
ein vielleicht trendiges, für einen Dauereinsatz
durch Patienten aber wenig geeignetes Videospiel mit edukativer Komponente.
Der Fokus auf „Schein“ statt „Sein“ mag
damit zusammenhängen, wie pharmazeutische Unternehmen mHealth-Projekte intern
einordnen. Eine kürzlich von Arthur D. Little
durchgeführte Befragung von Pharma-Managern hat klar gezeigt, dass Digital-Health-Projekte von pharmazeutischen Unternehmen
bisher weitgehend marketinggetrieben sind.
In acht von zehn Projekten ist das Marketing
am Ruder. Man könnte argumentieren, dass
sich das ändern muss, wenn mHealth-Projekte
von Pharmaunternehmen wirklich nachhaltig
werden sollen.
50
mHealthAnwendungen im
Rahmen klinischer
Studien müssen
beweisen, dass sie
entweder Kosten
senken oder reale
Versorgungsdaten
liefern können.
Viel zu viel „vielleicht“
Was aber sind potenzielle Einsatzfelder für
pharmagetriebene mHealth-Projekte jenseits
des Marketings? Analysten nennen meist
drei Bereiche, über die nachzudenken sich
lohnen könnte. Da sind zum einen mHealthAnwendungen, die dazu beitragen, Patienten
für klinische Studien zu rekrutieren oder
die innerhalb von klinischen Studien die
Datenerfassung erleichtern. Interessant sind
auch die immer wichtiger werdenden PostMarketing-Studien, die die Wirksamkeit und
Verträglichkeit einer neuen Therapie unter
den Bedingungen der realen Versorgung
erfassen. Und schließlich könnten mHealthLösungen auch zu einer Verbesser ung
der Compliance führen, insbesondere bei
Therapien, bei denen eine hohe Compliance
erfolgskritisch ist.
Das Problem ist, dass es bei all diesen Einsatzszenarien noch viel zu viele Unbekannte
gibt. Wenn mHealth-Anwendungen im Rahmen klinischer Studien eine Zukunft haben
sollen, dann müssen sie beweisen, dass sie
entweder Kosten senken oder die Teilnehmerrekrutierung beschleunigen. Diese Beweise
stehen noch aus. Ähnliches gilt in der Versorgungsforschung: Es stimmt schon, dass die
Behörden immer häufiger von Pharmaunternehmen verlangen, dass sie im Nachgang zu
einer Zulassung auch reale Versorgungsdaten
liefern. Das heißt aber nicht, dass es damit
getan ist, Sensordaten in die Briefkästen der
Behörden oder der Krankenversicherungen
zu kippen. Lassen sich mHealth-Lösungen
kosteneffektiv in die Versorgungsforschung
integrieren? Werden die Behörden derartige
Daten akzeptieren? Die Antworten kennt bisher niemand.
Anders ausgedrückt: Wenn Big Pharma
im entstehenden mHealth-Markt eine relevante Rollen spielen soll, werden sowohl
die pharmazeutischen Unternehmen als
auch die mHealth-Provider liefern müssen.
Kooperationsprojekte bei der App-Entwicklung wie das Grants4Apps-Programm von
Bayer können Start-ups dabei helfen, die
richtigen Fragen zu stellen. Letztlich ist es
aber das medizinische (und gesundheitsökonomische) Outcome, das zählt.
¬
Save the date
EnErgIzIng thE mhEalth
agEnda In EuroPE
Source: iStock (Scukrov)
Smartphone kommuniziert, mit dem Ziel, die
Compliance chronisch kranker Patienten unter
medikamentöser Dauertherapie zu verbessern.
11-12 May 2015
In conjunction with
Presented by
Abdruck mit freundlicher Genehmigung
unseres Schwestermagazins HIMSS Insights
42 N°4 HIMSS Europe
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rIga, latvIa
www.mhealthsummit.eu
mHE ALTH
IM CHECK
MYSUGR
Das Problem
Allein in Österreich sterben jährlich etwa 10.000
Menschen an den Folgen von Diabetes, pro Jahr
sind 2.500 Amputationen nötig, es gibt 300
neue Dialysepatienten und 200 neu erblindete
Patienten. Die Diabetes-Therapie ist aufwendig
und erfordert ein hohes Maß an Selbstkontrolle
und Disziplin – ein Leben lang.
Zahlen: Österreichische Diabetes Gesellschaft
— mHEALTH —
Viel Arbeit und
viel Passion
Um sich mit einer Health-App am Ende auf dem Markt
durchsetzen zu können, ist viel mehr nötig als einfach
nur eine gute Idee. mySugr punktet mit Kreativität,
Durchhaltevermögen und einer engen Anbindung an
etablierte Player des Gesundheitssektors.
Von Susanne Neumayer-Remter
A
lle fahren Automatik, wir müssen manuell schalten“, beschreibt Fredrik Debong, einer der Mitbegründer des Wiener Unternehmens mySugr, den Alltag von Menschen mit
Diabetes. Blutzucker messen, Insulin spritzen, wohlüberlegtes Essen – mehrmals am Tag läuft dieser Dreiklang ab. „Es ist eine sehr
intensive Therapie, die jeden Tag durchzuführen ist, für den Rest
des Lebens“, sagt Debong, der selbst im Alter von vier Jahren die
Diagnose erhielt – Diabetes Typ 1. „Das ist extrem mühsam manchmal, vor allem, wenn die Therapie auf diesem negativen Gefühl
basiert: Umkippen, Blindheit, Füße verlieren, Dialyse, Sterben.“
Die Gründer
Viele der mySugr-Gründer sind selbst Diabetiker.
Was den Alltag so beschwerlich macht und was
wiederum helfen kann, ihn zu bewältigen, wissen
die Start-uper also aus eigener Erfahrung.
Fredrik Debong erhielt die Diagnose im Alter von
vier Jahren. Das Unternehmen mySugr wurde im
Jahr 2011 in Wien gegründet.
Die Idee
Die in die Logbook App eingetragenen Daten
werden mithilfe von Berichten, Analysen und
Suchen für den Alltag nützlich gemacht. Kleine
Monster, die erinnern und motivieren, sorgen
spielerisch für eine bessere Adherence. Für Kin­
der gibt es eine Junior-Version, die schnell mit
den Eltern verbindet. Neu ist die DiabetesSchulung mySugr Academy.
52
Diabetes-Begleiter mit Spaßfaktor und Analysetool
Genau an diesem Punkt versucht mySugr als medizinische Applikation anzusetzen. „Grundidee der Therapie soll Begeisterung
sein: Ich kann diese Pizza essen und trotzdem den perfekten Blutzuckerwert haben, ich schaffe das.“ Dabei hilft ein digitales Tagebuch im App-Format, in das sämtliche Diabetes-relevanten Daten
eingetragen werden können – Blutzuckerwerte, Insulin-Injektionen, Kohlenhydrat-Zufuhr und Sport. Mithilfe eines kleinen Monsters, das Feedback gibt, soll die Motivation der Nutzer spielerisch
gesteigert werden, für jeden Eintrag gibt es Punkte, die Teilnahme
an Challenges will den Ehrgeiz wecken. „Auf diese Weise erreichen
wir ein Umdenken. Hinter der Therapie steht jetzt nicht mehr der
negative, sondern ein positiver Faktor“, erklärt Debong.
Der besondere Clou ist die mit Ärzten und Psychologen entwickelte, strukturierte Aufbereitung der eingegebenen Daten. Tagesund Wochenreports, Analysen erleichtern die Situation beim Arzt,
die Erinnerungs- und die Suchfunktion geben konkrete Hilfestellungen im Alltag der Betroffenen. „Es geht darum, schnell die richtige Entscheidung treffen zu können.“
Mehr Zeit für die Patienten
Thomas C. Wascher ist Internist und Diabetologe am Hanusch-Krankenhaus in Wien. „Management-Apps für Diabetiker
42 N°4 HIMSS Europe
sind sehr hilfreich, ein deutlicher Fortschritt“,
Um mit einer medizinischen Applikation
sagt er. Vor zwei Jahren hat sich der Vorsitzensoweit zu kommen, braucht es einen langen
de der Österreichischen Diabetes Gesellschaft
Atem. „Es ist wirklich viel Arbeit, die Qualität
(ÖDG) ganz aktiv auf die Suche nach einem
hochzuhalten, wir müssen uns weiterentwidigitalen Helfer gemacht und ist dabei auf die
ckeln, die ganze Zeit, das ist das, was viele unmySugr-App gestoßen, die er seinen Patienten
terschätzen.“ Seit der Unternehmensgründung
seither ans Herz legt: „Ich weiß schneller, was
im Jahr 2011 gab es für das iPhone Betriebssysmit ihrem Blutzucker los ist, und ich kann
tem iOS über 50 Updates, für die Android-Variante etwa 30. „Leider sind wir da Pionier“,
schneller einen fundierten Rat geben“, sind
seine klaren Argumente. Etwa die Hälfte seiner
meint Debong. Der mHealth-Markt fordert
Typ-1-Diabetiker nimmt zur Dokumentation
heraus, Standardlösungen sind noch kaum in
der Blutzuckerwerte jetzt statt Stift und Zettel
Sicht. Ein Problem etwa ist die Segmentierung
das Smartphone zur Hand.
der mobilen BetriebssysteMeist lässt sich der Mediziner
me: iOS, Android, Windows,
bereits vor dem Termin von
für jedes System muss neu
„Der große Vorteil
seinen Patienten das PDF der
gedacht, neu programmiert
jeweiligen Wochenberichte
werden – ein riesiger Aufan den Apps ist,
senden, „dann haben wir das
wand. Hinzu kommt, dass die
dass sie eine Form
aktuelle Blutzuckerjournal
Bedürfnisse sich immerzu änder Telemedizin
dern. „Eine App, die vor zwei
gemeinsam wunderschön
ermöglichen, die
strukturiert am Bildschirm“.
Jahren heiß war, spannend,
für Patient und
Auch reine Telefonvisiten sind
ist heutzutage völlig uninteArzt zeitökonoso möglich.
ressant, wie können wir mit
misch
ist.“
Gerade in den größeren Dieiner App als Medizinprodukt
abetes-Zentren sind Manageda mitwachsen? Das ist echt
Thomas C. Wascher
ment-Apps mittlerweile weit
schwierig.“ Und auch in punDiabetes-Ambulanz
verbreitet und auch bei andecto Geschäftsmodell ist der
Hanusch-Krankenhaus
Wien und Vorsitzender der
ren Ärzten Thema, schildert
Weisheit letzter Schluss noch
Österreichischen Diabetes
nicht gefunden. „Wir sind
der ÖDG-Vorsitzende seinen
Gesellschaft (ÖDG)
noch Start-up, GeschäftsmoEindruck. „Das ist eine absolut deutliche Erleichterung
delle ändern sich immer, da
für uns.“ Wascher jedenfalls
muss man sich anpassen könmöchte auf die elektronische
nen“, meint der aus Schweden
Tagebuch-Variante nicht mehr verzichten, und
stammende Unternehmensgründer. MySugr
viele seiner Patienten auch nicht: „Die meiswird unter anderem von der österreichischen
ten Patienten sind sehr zufrieden damit und
Investitionsbank AWS (Austria Wirtschafts
sehen das als große Erleichterung.“
Service) und den Investoren Hansmen Group
und XLHealth unterstützt.
App mit Zulassung als Medizinprodukt
Mittlerweile nutzen 200.000 Menschen das
Von Anfang an hat die Firma auf KooperaLogbook, Tendenz steigend. Das liegt nicht zutionen mit Pharma- und Industrieunternehletzt daran, dass die App als Medizinprodukt
men gebaut und sich so nach und nach an das
mit europäischer CE-Kennzeichnung zugelasetablierte Gesundheitswesen angedockt. Der
sen und auch bei der amerikanischen Food and
französische Pharmakonzern Sanofi beispielsDrug Administration (FDA) gemeldet ist. Entweise bietet Blutzuckermessgeräte an, die mit
sprechend hoch sind die Sicherheits- und Zudem mySugr Logbook synchronisiert werden
verlässigkeitsanforderungen, deren Einhaltung
können. Zusammengearbeitet wird unter anständig überprüft und bei jedem Update mit
derem auch mit dem Insulinpumpen-Hersteller
Medtronic oder der Medizintechnik-Firma Ninbedacht werden muss. „Das ist, was man auf
sich nimmt, wenn man etwas ernsthaft machen
ta Med. „Der Markt wacht auf“, meint Start-upmöchte“, sagt Debong. „Dadurch, dass wir aber
Gründer Debong. „Wie wir shoppen, wie wir
als Medizinprodukt eingetragen sind, kann ein
kommunizieren, alles mobil – und da möchten
Arzt uns ohne Bedenken weiterempfehlen.“
auch die Unternehmen rein.“
¬
42 N°4 HIMSS Europe Zukünftiges
Fotos: mySugr
— mHEALTH —
Die Sozialversicherungs­
anstalt der gewerblichen
Wirtschaft (SVA) übernimmt
als erste österreichische
Krankenkasse die Kosten
für Schulung samt Logbook.
Auch deutsche Versicherer
haben bereits Interesse
angemeldet.
53
— mHEALTH —
42
ALADIN ANTIC, CIO
54
eine Selbstverständlichkeit bei Servern und
IT-Systemen, aber leider die Ausnahme bei
menschlichen Ressourcen), stellt dies für die
Gesundheitsbranche ein zusätzliches Poten­
zial dar: Haben Sie auch die Statistiken und
Verbreitungskarten der epidemiologischen
Ereignisse bewundert? Insbesondere, wenn
Sie bedenken, dass ja nur in den seltensten
Fällen echte diagnostische Nachweise für
eine Virusinfektion geführt werden – neben
dem Zeitfaktor ist dies auch eine Frage des
Versichertenstatus und der Kosten …
Mussten früher also komplizierte Hoch­
rechnungen aus wenigen verfügbaren Daten
und aufwendigen persönlichen Recherchen
erstellt werden (mit einer Genauigkeit, die
mit Wettervorhersagen von Schamanen
mithalten konnte), wird heutzutage die so­
genannte indirekte Statistik zum Königs­
weg. Einfach die Häufigkeit von Anfragen
zum Thema Grippe, wirksame Medikamente,
Empfehlungen eines Arztes oder Suche nach
Symptomen in Google nach Region ausge­
wertet, und schon ist eine recht zutreffende
Karte der entsprechenden Virusverbreitung
fertig. Kombiniert mit Facebook, der Analy­
se von Reise- und anderen Verhaltensweisen
sowie einem kurzen zeitlichen Verlauf: Voilà,
eine passable Vorhersage für den weiteren
Verlauf der Infektionswelle. Big Data ist be­
reits angekommen im Gesundheitswesen.
Schade nur, dass es das Gesundheitswesen
noch nicht gemerkt hat …
¬
MEINUNG
Klinikum Nürnberg: IT in Zeiten von Mergern und Kostendruck
Arzneimittelwirkung: Aus dem Krankenhaus zurück auf den Teller
Wolfgang Dorda: Kulturwandel im Krankenhaus
42 N°4 HIMSS Europe
56
60
62
Illustration: Martina Wember
Heute scheint es, als ob die IT schon immer
Teil unseres Daseins war. Oder können Sie
sich noch eine Welt ohne Internet oder Han­
dys vorstellen? Nun, das ist noch keine 25
Jahre her – und doch braucht es für einige
selbstverständliche Dinge heute zwingend
die IT. Ein Beispiel: Seinen Salär erhält nur
der, der Girokonto und elektronische Über­
weisung vorweist. Steuererklärungen werden
elektronisch eingereicht – und als niederge­
lassener Arzt erhalten Sie Ihr Geld von der KV
nur, wenn Sie Ihre Daten und Abrechnungen
elektronisch übermitteln.
Da mutet es ein wenig archaisch an, wenn
im neuen E-Health-Gesetz dem Patienten
das Recht auf seine Informationen in Papier­
form zugestanden wird ... Vielleicht kommt
dies daher, dass Entscheidungsträger immer
auch ein bisschen sentimental sein dürfen
oder aber in ihrer Welt die Verwendung von
Lexika, Duden und Almanachen durchaus
legitim ist, während diese Dinge von mei­
nen Kindern erst einmal gegoogelt werden
müssten! Und doch halten Vernetzung und
IT nahezu unbemerkt in Bereichen der Medi­
zin Einzug, von denen wir es nicht direkt ver­
muten. Sicherlich haben auch Sie die Aus­
wirkungen der aktuellen Grippewelle bemerkt
– hoffentlich nicht am eigenen Leib (die
Wahrscheinlichkeit ist hoch). Während das
Husten und Schniefen auch in den IT-Abtei­
lungen zu einer starken Belastung der Leis­
tungsfähigkeit führt (Redundanz ist heute
Illustration: Nina Eggemann
DER MENSCH HINTER
DEM SYSTEM …
KfH Kuratorium für Dialyse und
Nierentransplantationen e.V.,
schreibt an dieser Stelle über real
existierende Brückentechnologien
zwischen Mensch und IT.
KOMMUNAL
— MEINUNG —
— MEINUNG —
IT in Zeiten von
Mergern und
Kostendruck
Während die Anwender Innovationen und Smartphones für
die Patientenbehandlung von der Krankenhaus-IT verlangen,
kämpft diese mit der Aufrechterhaltung des Ist-Zustandes.
Von Claudia Dirks
D
ie Runde ist ungewöhnlich: Alfred Estelmann, Vorstand
des Klinikums Nürnberg, Reinhard Loose, Chefarzt des
Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, und Helmut Schlegel, Abteilungsleiter der Informationsverarbeitung. In ihrem normalen Klinikalltag gibt es in dieser
Konstellation eigentlich kein zufälliges Aufeinandertreffen.
Doch die drei eint ihr großes Interesse an IT-Lösungen für das
Krankenhaus, und zwar aus dem jeweils eigenen Blickwinkel.
Vorteil Estelmann, der nicht nur einst verantwortlich dafür war,
die IT im Klinikum Nürnberg auf den Weg zu bringen, sondern
heute als Vorstand die Entscheidungsgewalt hat – auch wenn
diese scheinbar sanft daherkommt. Loose ist als Physiker und
Radiologe eine Art Überzeugungstäter in Sachen
IT, aber doch vor allem Mediziner, der sich eigentlich nur um seine Patienten kümmern möchte – digital so viel wie nötig, direkt so viel wie
„Kaum jemand ist
möglich. Der Dritte im Bunde ist, wie in jedem ansich bewusst, dass
deren Krankenhaus auch, der Spielverderber, der
der Ist-Zustand
IT-Leiter: Schlegel, der Anspruch und Forderung
inklusive
‚minor
auf den Boden der Realität holt. Er macht dies jechanges‘ und
doch in seiner direkten Art, in leicht fränkischem
Anpassungen
circa
Singsang, sodass auch in Absagen etwas Versöhn75 Prozent des ITliches mitschwingt.
Interview mit Alfred Estelmann, Vorstand, Reinhard
Loose, Chefarzt des Instituts für Diagnostische und
Interventionelle Radiologie, und Helmut Schlegel,
Abteilungsleiter der Informationsverarbeitung, alle
Klinikum Nürnberg
Personals bindet!“
Helmut Schlegel
Haben Sie drei ein gemeinsames Verständnis davon, was IT
kann und können muss?
Estelmann: Ein gemeinsames Verständnis würde sicherlich
zu weit gehen; das wäre auch gar nicht gut. Es ist hilfreich,
unterschiedliche Sichtweisen auf ein Thema zu haben. Was wir,
56
LANGJÄHRIGE WEGGEFÄHRTEN am
glaube ich, gut miteinander können, ist, uns auf gemeinsame
Ziele festzulegen und Realisierungschancen für bestimmte Sachen einzuschätzen.
Schlegel: Ich glaube, dass wir gar nicht so weit auseinander
liegen. Das Problem, das wir alle sehen, ist, dass mit IT zwar
vieles machbar ist, ökonomisch aber nicht sinnvoll sein muss.
42 N°4 HIMSS Europe
KLINIKUM NÜRNBERG
Mit 6.100 Mitarbeitern und rund 2.370 Betten an zwei Standorten
im Norden und Süden Nürnbergs versorgt das Klinikum 100.000
stationäre und knapp 90.000 ambulante Patienten im Jahr. Eben­
falls zum Verbund gehört die Krankenhäuser Nürnberger Land
GmbH mit den Häusern Altdorf, Hersbruck und Lauf.
42 N°4 HIMSS Europe Klinikum Nürnberg. (v. l.) Helmut
Schlegel, Leiter Informationsverar­
beitung, Alfred Estelmann, Vorstand,
und Chefradiologe Reinhard Loose.
57
— MEINUNG —
Wir haben einen Konsens darüber, dass das
Geld nur dort eingesetzt werden kann, wo es
eine nachhaltige Lösung mit klinikweitem Nutzen generiert.
Loose: Die Ressourcen im Hintergrund bestimmen natürlich die Verteilung. Für Herrn
Estelmann ist IT gut, wenn sie die Erlössituation des Krankenhauses positiv beeinflusst. Aus
meiner Sicht muss IT die Patientenbehandlung
verbessern. Was wir eigentlich suchen, ist etwas Prozessverbesserndes oder künstliche
Intelligenz – eine Art Ablaufoptimierung, die
auch Fehlschritte verhindert.
ALFRED ESTELMANN ist der lebende Beweis dafür, dass Männer
Und wieso, Herr Schlegel, bekommt Herr Loose das nicht von der IT?
Schlegel: (lacht) Das Spannungsfeld, in
dem ich mich leider tagtäglich bewege, ist
eine kleine Anbieterlandschaft, viele gesetzliche regulative Änderungen, die uns prozessual
überhaupt nicht weiterbringen, und ein Tagesgeschäft, für das ich bestimmt 70 bis 75 Prozent an Personal und Budget aufbringen muss,
nur um den Ist-Zustand aufrechtzuerhalten.
Die Kollegen in der Klinik sehen nichts von
all dem. Das ist nicht nur für die Anwender,
sondern auch für mich und meine Mannschaft
frustrierend.
Estelmann: Ja, und schauen Sie sich die vergangenen Monate an. Der Markt wird kleiner.
Der Cerner/Siemens-Merger könnte für uns ein
GAU werden – natürlich nicht nur für uns. Ein
KIS abzulösen, ist etwas sehr Aufwendiges,
nicht nur von der finanziellen Seite.
Aber zurück zu Ihrer Frage. Die letzte Meile, wenn man so will, auf Station, da sehe ich
momentan nichts Tragfähiges, auch nicht für
die Intensivstation. Und bevor wir dann wieder
Ressourcen irgendwo reinstecken, von denen
wir nicht sehr sicher sind, dass uns das Ergebnis entscheidend weiterbringt, arbeiten wir
lieber andere Projekte ab.
Welche großen und kleinen Projekte hatten
und haben Sie in den kommenden Monaten
vor der Brust?
Schlegel: Wir haben 2014 die Umstellung
SAP von EHP4 auf EHP7, dann die Migration
Windows XP auf Windows 7 und die Einführung eines Kardiologischen Informationssystems. 2015 steht die Ablösung der bestehenden
Kostenträgerrechnung an, der Austausch der
alten Patho-Lösung und weiterhin die sozu58
sehr wohl multitaskingfähig sein können: Parallel zum Gymnasi­
um absolvierte er eine Bäckerlehre im elterlichen Betrieb. Später
studierte er nicht nur Betriebswirtschaftslehre, sondern auch
Humanmedizin. Als Arzt in der Kinderklinik am Klinikum Nürnberg
beschäftigte er sich auch mit dem Aufbau einer patientenorientier­
ten integrierten Datenverarbeitung. Nach einem Abstecher in die
Stadtverwaltung kam er zurück ans Klinikum Nürnberg, wo er seit
2007 nur noch den Hut des Vorstands trägt.
AUSZUG AUS DER
GESCHÄFTSORDNUNG
„Der EDV-Ausschuss bearbei­
tet in Vertretung für den Vor­
stand/die Leitungskonferenz
und den Geschäftsführer der
KNL EDV-Fragestellungen. Sei­
ne wesentliche Aufgabe ist die
Entwicklung, Anpassung und
Fortschreibung der DV-Stra­
tegie des Klinikums auch als
Konzern und das Controlling
von DV-Projekten. Hierzu
zählen auch grundlegende
Aspekte der Gestaltung und
Nutzung der Datennetze und
der Integration von Geräten
und Anlagen. Auch Vorschläge
über die Zusammensetzung
von Projektteams obliegt sei­
ner Ägide. Darüber hinaus ist er
beauftragt mit der Erstellung
des Budgetvorschlags für die
jährliche mittelfristige DV-In­
vestitionsplanung.“
sagen laufende Migration Windows XP auf
Windows 7. Darüber hinaus haben wir circa
160 kleinere Projekte, die aber natürlich auch
des Hasen Tod sein können.
Loose: Beispielsweise die letzten Lücken
in der flächenweiten Bilddokumentation zu
schließen.
Schlegel: Es ist immer die Frage: Bringt uns
nur die Revolution weiter oder auch evolutionäre Weiterentwicklung?
Estelmann: Ja, und die Frage lautet leider
auch: Wie bekommen wir die rechtlichen
Vorgaben mit den bestehenden Systemen
abgebildet? Wir betreiben ein wirklich tolles
Medizinisches Versorgungszentrum und haben gleichzeitig gigantische Schnittstellenprobleme, weil nicht direkt zwischen KV-Bereich
und Klinik kommuniziert werden darf. Solche
Themen ärgern uns – und kosten richtig Geld.
Loose: Das ist auch der Haken an dem ersten Entwurf des E-Health-Gesetzes: Wenn der
Patient seine Werte ausgedruckt auf einem
Blatt Papier mitbringt, ist das gut. Wenn es von
Arzt zu Arzt übertragen wird, ist es nicht gut.
Das ist ja jetzt gerade alles sehr aktuell, wie
sieht denn Ihre strategische Zusammenarbeit
aus – besprechen Sie sich mit der IT vor dem
Hintergrund der Unternehmensstrategie?
Estelmann: Da muss man sich erst einmal
die Frage stellen, ob wir uns lange Planungs42 N°4 HIMSS Europe
HELMUT SCHLEGEL ist Diplom-Informatiker, der seine Bundes­
wehr-Laufbahn als Ausbildungsoffizier der Luftwaffe nur schwer
verhehlen kann. Kaum zu glauben, dass er es im zähen Umfeld der
Krankenhaus-IT schon seit Längerem aushält und sich seinen he­
rausragenden Humor bewahrt hat. Er gehört laut Computerwoche
zu den besten CIOs im deutschsprachigen Raum in der Kategorie
Großunternehmen und darüber hinaus zum Vorstand des Bundes­
verbandes der KH-IT-LeiterInnen e. V.
zeiträume realistisch erlauben können. Wir
haben es angesprochen, die Instabilitäten bei
den Anbietern. Wenn ich heute auf die vergangenen 24 Jahre zurückschaue: Ein Großteil
der Funktionalitäten, die wir uns damals gewünscht und beschrieben haben, sind einfach
Illusion geblieben.
Schlegel: Unser Geschäft ist aktuell tatsächlich eher reaktiv. Früher haben wir versucht,
möglichst viel im KIS zu realisieren. Heute arbeiten wir daran, weniger Abhängigkeiten zu
schaffen. Wir versuchen Archivierungsstrukturen zu entwickeln, in denen wir die Daten
außerhalb des KIS verfügbar haben, um vielleicht tatsächlich irgendwann einmal das KIS
einfacher migrieren zu können.
Etwas euphemistisch würde ich sagen,
dass das sehr pragmatisch klingt, ich könnte
aber auch desillusioniert meinen?
Schlegel: Nein, nennen wir es pragmatisch.
Wissen Sie, wir sind kein Uniklinikum mit
Doktoranden und vielen Projektarbeitern, die
dann auch gehäuft Projekte ausprobieren, die
im Mülleimer der Geschichte landen.
Wir probieren schon auch vieles aus; die
Sache ist nur die: Dass wir was ausprobieren,
heißt nicht immer, dass das wirklich tragfähig
ist, wenn es klinikweit zum Einsatz kommen
soll. Und das ist nun einmal der Maßstab, an
dem wir uns messen lassen müssen.
42 N°4 HIMSS Europe REINHARD LOOSE ist als Radiologe und Nuklearme­
diziner ebenfalls ein großer Freund der Mehrglei­
sigkeit. Promoviert in Physik und Medizin, besticht
er ansonsten mit einer extrem hohen Affinität zum
Thema IT, mit der er mitunter „seinen“ IT-Leiter ein
wenig vor sich hertreibt. Er ist Vorsitzender des
klinikeigenen DV-Ausschusses.
Wie wird dann aber entschieden, welche
Projekte priorisiert behandelt werden?
Estelmann: Wir haben extra einen sogenannten DV-Ausschuss. Profesor Loose hat
dort den Vorsitz, nicht etwa Herr Schlegel.
Hier erläutert der Kunde den Bedarf, wenn Sie
so wollen.
„Ich brauche eine
IT, die die Prozesse
unterstützt, nur
dann bekomme
ich valide
Daten für mein
Berichtswesen.
Und am
besten geht es
automatisch, damit
niemand doppelt
dokumentieren
muss.“
Alfred Estelmann
Wer sitzt da noch drin?
Loose: Also Herr Schlegel ist schon auch
festes Mitglied (lacht). Außerdem die Medizintechnik, der Datenschutz und weitere Kliniker.
Die Integration der Medizintechnik wird für
uns das nächste spannende Feld.
Wie geht es vom DV-Ausschuss weiter?
Schlegel: Wir sitzen im Regelfall sechs bis
acht Mal im Jahr zusammen. Die Anträge laufen bei mir vorher zusammen; einiges bringe
ich im Ausschuss vor, weil ich für diese Projekte im Sinne des ganzen Klinikums gerne einen
Konsens möchte. Der Vorstand kann dann innerhalb von drei Wochen sein Veto einreichen,
was in den vergangenen 20 Jahren genau ein
Mal vorkam. Ansonsten treffen wir unsere Entscheidungen einstimmig.
Estelmann: Wobei ich mir primär die Prozesse anschaue, und ob die Informationen für
bestimmte Schritte zur Verfügung stehen. Vor
allem auch im Hinblick auf den MDK – so ist
das bei Kaufleuten: IT ist unser Instrument. ¬
59
Fotos: Rudi Ott
KOMMUNAL
— MEINUNG —
— MEINUNG —
Arzneimittel
Arzneimittel und
und ihre
ihre
(Aus-)Wirkungen
(Aus-)Wirkungen
Mensch
Mensch &
& Umwelt
Umwelt
Die deutsche Massentierhaltung und das
Die
deutsche
Massentierhaltung
und das
deutsche
Gesundheitswesen
landen
redeutsche
Gesundheitswesen
landen
regelmäßig aufgrund ihres Medikamengelmäßig
aufgrund
ihres
Medikamentenmissbrauchs in den Schlagzeilen. Vor
tenmissbrauchs
in den
Schlagzeilen.
Vor
allem der freizügige
Umgang
mit Antiallem
der
freizügige
Umgang
mit
Antibiotika wirkt sich verheerend auf
biotika
wirkt sich verheerend
Gesundheitszustand
und Ab- auf
Gesundheitszustand
und Abwehrkräfte einer Gesellwehrkräfte
einer
Gesellschaft aus, die es eigentschaft
aus, wissen
die es eigentlich besser
sollte.
lich
besser
wissen
Jeden Tag landet einsollte.
bunJeden
Tag landet
ein buntes Gemisch
verschiedenstes
Gemisch verschiedenster Arzneien
tonnenweise
ter
Arzneien
tonnenweise
in der Kanalisation,
dann in
in
der
Kanalisation,
dann in
den heimischen Gewässern
den
heimischen
Gewässern
und zurück auf den Tisch.
und
zurück
auf den Tisch.
Yammi
Yammi!!!
Yammi Yammi!!!
— MEINUNG —
Gegen fast
Gegen fast
jedes Leiden hilft
jedes Leiden hilft
die passende Pille
die passende Pille
Täglich landen
Täglich landen
tonnenweise Arzneien
tonnenweise Arzneien
in der Kanalisation
in der Kanalisation
Eine hohe Wirkstoffkonzentration
Eine
hohe
Wirkstoffkonzentration
landet
unverbraucht
über den Urin
landet
unverbraucht
Urin
im Kanal ... und wirktüber
dort den
weiter.
im Kanal ... und wirkt dort weiter.
Die meisten Wirkstoffe
Die meisten Wirkstoffe
können nicht
können nicht
rausgefiltert werden
rausgefiltert werden
Elektronische VerordnunElektronische
Verordnungen und Krankheitsgeschichgen
und
Krankheitsgeschichte würden helfen, so manche
te
würden
helfen, so manche
Pille
einzusparen
Pille einzusparen
und geraten so in Flüsse,
und
so inam
Flüsse,
Seen,geraten
Meere und
Ende
Seen,
Meere
und
am
in unser Trinkwasser.Ende
in unser Trinkwasser.
Unser Ökosystem
Unser Ökosystem
aus dem Gleichgewicht
aus dem Gleichgewicht
Mehr Medikamente
Mehr Medikamente
& neue Wirkstoffe
& neue Wirkstoffe
Gegen das gleiche Leiden
Gegen
dasnächsten
gleiche Leiden
hilft beim
Mal
hilft
beim nächsten
Mal
wolmöglich
nur ein neues
wolmöglich
nur
ein neues
Mittel,
da sich
durch
unseMittel,
da sichnach
durch
unseren
Umgang
und
nach
ren Umgangbilden
nach und
Resistenzen
... nach
Resistenzen bilden ...
Auf ihrem Weg durch unsere Körper und
Auf
Weg durch
unseredie
Körper
und
das ihrem
Ökosystem
hinterlassen
Arzeneidas
Ökosystem
hinterlassen
die
Arzeneimittelwirkstoffe ihre Spuren. Die Folgen
mittelwirkstoffe
ihre Spuren.
Die Folgen
für Boden, Grundwasser
Ökosystem
und
für
Boden,
Grundwasser
Ökosystem
und
damit für uns Menschen sind noch nicht
damit
für
uns
Menschen
sind
noch
nicht
abzusehen.
abzusehen.
Es ist möglich, dass die
Es
ist möglich,
dass die
Bildung
von weiblichen
Bildung
von
weiblichen
Geschlechtsorganen bei
Geschlechtsorganen
bei
männlichen Fischen auf
männlichen
Fischen
auf
synthetische Hormone im
synthetische
Hormone im
Wasser zurückzuführen
ist.
Wasser
zurückzuführen
ist.
Andere Wirkstoffe schädiAndere
Wirkstoffe
schädigen innere Organe bei
gen
innere
bei
Fischen
undOrgane
beeinflussen
Fischen
und
beeinflussen
das Wachstum von Algen
das
undWachstum
Pflanzen. von Algen
und Pflanzen.
Illustration: Nina Eggemann
Wer länger lebt,
Wer länger lebt,
macht resistent
macht resistent
Der tonnenweise Einsatz
Der
von tonnenweise
Antibiotika inEinsatz
der
von
Antibiotika in der
Massentierhaltung
macht
Massentierhaltung
macht
das Überleben auf der
das
Überleben
auf
der
Krankenstation auf Dauer
Krankenstation
auf Dauer
schwieriger.
schwieriger.
Medizin auf dem Teller
Medizin auf dem Teller
Die Nahrungsaufnahme
Die
Nahrungsaufnahme
Arzneimittel-getränkter
Arzneimittel-getränkter
Lebensmittel wird langfrisLebensmittel
wird
langfristig Einfluss auf
unser
tig
Einfluss
auf
unser
aller Gesundheitsbaromealler
Gesundheitsbarometer haben.
ter haben.
60
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe 61
Save the date
UNIVERSITÄT
— MEINUNG —
Kulturwandel im
Krankenhaus
Mediziner und Informatiker werden zukünftig in der Gesundheitsversorgung
mehr Felder gemeinsam zu bespielen haben, als sie heute wahrhaben wollen.
Eine große Chance für die Entwicklung beider Disziplinen im Sinne des Patienten,
davon ist der Mediziner und Medizininformatiker Wolfgang Dorda, ehemaliger
Leiter des Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente
Systeme, überzeugt. Ein Aufruf.
Von Claudia Dirks
Interview mit Wolfgang Dorda
Die Medizinische Informatik hat in den vergangenen Jahrzehnten ein sehr wechselhaftes Ansehen
erlebt – wohin geht die nächste Reise?
Ich bin überzeugt, dass die beiden Fächer an
Bedeutung gewinnen. Der kommende Entwicklungssprung wird für die Welt der Medizin ähnlich dramatisch wie der erste: Raus aus dem Zettelkasten, hinein in den Bildschirm. Medizin ohne
IT ist heute schon nicht mehr vorstellbar. Was sich
heute sehr viele allerdings auch
nicht vorzustellen vermögen, ist
das Potenzial, dass die Medizininformatik für die kommende
„Alle sprechen von
Patientenversorgung bereithält.
unbeherrschbaren
Natürlich nicht von heute auf
Datenmassen. Memorgen. Voraussetzung ist allerdizininformatiker
dings eine intensive Zusammensind in der Lage,
arbeit zwischen Medizinern und
Informatikern mit gegenseitiger
die wertvollen meAnerkennung und eine solide
dizinischen Daten
finanzielle Ausstattung, letztere
beherrschbar
jedoch tatsächlich nachgeordnet.
zu machen.“
Was ist denn das Revolutionäre,
was da auf uns wartet?
Lassen Sie mich zum Beispiel
die beiden Stichwörter „Secondary Use“ und „Personalisierte Medizin“ nehmen; mit ihnen könnte
dank der Medizininformatik langfristig eine völlig
neue Version der Gesundheitsversorgung und Gesundheitsvorsorge realisiert werden. Weg von der
teuren Reaktion auf Diagnosen, hin zu qualitativ
62
42 N°4 HIMSS Europe
11 - 13 May 2015
Riga, Latvia
Organised by
www.ehealthweek.org
Follow us
@eHealthWeekEU #eHW15
Der Nachrichtendienst der Industrie
Sie bemängeln die fehlende finanzielle Ausstattung ihres Faches. Was bedarf es, um das
angesprochene Potenzial auszuschöpfen?
Es geht bei Weitem um mehr als die finanzielle Ausstattung oder die technischen
Eckpfeiler, es geht um einen Kulturwandel.
Schwieriger noch, es geht um einen Wandel,
der bei Anwendern und Medizininformatikern
gleichermaßen angestoßen werden muss. Nur
zusammen werden Ärzte und Informatiker den
Herausforderungen der zukünftigen Gesundheitsversorgung begegnen können – im Sinne
der Patienten. Aber auch im Sinne einer Versorgung, die wir uns leisten können und wollen.
„Aktuelle
Heraus­
forderungen
der Medizinischen Informatik für die
personalisierte
Gesundheitsversorgung“
lautet der Titel der
Keynote, mit der der
Spiritus Rector der
österreichischen
Medizininformatik,
Univ.-Prof. Dipl.-Ing.
DDr. Wolfgang Dorda,
ehemaliger Leiter des
Zentrums für Medizinische Statistik, Informatik und Intelligente
Systeme, den zweiten
Kongresstag (19. Juni)
des eHealth Summits
Austria eröffnet.
64
Welche Herausforderungen sind das explizit,
die es hier zu lösen gilt?
Wir sprechen noch immer von zwei getrennten Welten im Krankenhaus, wenn wir IT und
Ärzteschaft meinen. Und das, obwohl der Arzt
inzwischen rund 30/40 Prozent seiner Dienstzeit am Computer, also mit Informationstechnologien, zubringt und, wenn er ehrlich ist,
darauf auch nicht mehr verzichten möchte.
Allein das zeigt, dass beide Seiten nicht ohne
einander können. Was jetzt noch an zu vielen
Stellen fehlt, ist das Aufeinanderzugehen.
Nachrichten, Ansichten und Einblicke
direkt aus der innovativen Healthcare
Branche.
eHEALTH SUMMIT
AUSTRIA
Ein Sonderteil der 42 Nº4
April 2015
18.-19. Juni 2015 in Wien
plus PDMS D.A.CH. Conference
am 18. Juni
Welche Aufgabe kann und muss in diesem
Szenario die Medizininformatik übernehmen?
Wir haben den überaus wichtigen Part der
Bereitstellung relevanter Daten – und müssen
uns nicht verstecken. Alle sprechen von Big
Data oder unbeherrschbaren Datenmassen –
die Medizininformatiker können die wertvollen klinischen Daten beherrschbar machen,
extrahieren, kanalisieren und für die Nutzer, die Mediziner, so zur Verfügung stellen,
wie es für sein Fach oder seinen Patienten
am sinnvollsten ist. Voraussetzung dafür ist
aber die bereits angesprochene konstruktive
Zusammenarbeit der Nutzer mit den Medizininformatikern.
Wenn das alles kein Problem ist, wieso
schwankt dann die personalisierte Medizin
in der Wahrnehmung zwischen Hype und
Heilsversprechen?
Ich habe nicht gemeint, dass wir das heute alles schon realisieren können – aber die
Vision ist da und an der Informationstechnologie sollte die Realisierung dieser Versprechen
jedenfalls nicht scheitern. Im Gegenteil: Das
Fach wird enorm an Bedeutung gewinnen.
Natürlich gibt es einen großen Entwicklungsdruck, der leider, reden wir nicht um den
heißen Brei herum, noch nicht ausreichend finanziert wird. Auch daran muss und wird sich
was ändern, wenn Schwerpunktthemen wie
„Secondary Use“ und „Personalisierte Medizin“, wie von Ihnen angesprochen, erfolgreich
angegangen werden sollen.
Aber mit dem demografischen Wandel der
Bevölkerung und dem steigenden Kostendruck in der Gesundheitsversorgung wird die
Finanzierung dieses Bereiches sicherlich eine
der Lösungsstrategien sein, um langfristig
Kosten zu sparen. ¬
healthtechwire.de
Unter der Schirmherrschaft
der Bundesministerin
für Gesundheit, Sabine
Oberhauser, wird der
diesjährige eHealth
Summit Austria mit dem
Schwerpunkt „Gesundheit
neu denken: Personalized
Health“ die Zukunft der
Gesundheitsversorgung ins
Visier nehmen. Welche Weichen
müssen heute gestellt werden,
um morgen nicht in einer
Sackgasse zu landen?
Das Programm des
Summit gliedert sich in
den wissenschaftlichen
Programmteil der eHealth2015
(www.ehealth2015.at), die
unter der Tagungsleitung
von Univ.-Prof. Dr. Elske
Ammenwerth (UMIT) und
Univ.-Doz. Dr. Günter Schreier
(AIT) mit Unterstützung von
OCG und ÖGBMT organisiert
wird, und in den von der
HIMSS Europe getragenen,
anwenderorientierten Teil.
www.ehealthsummit.at
Parallel zum Summit
findet auch die PDMS
D.A.CH. Conference statt.
Unter dem Motto „PDMS
– sicherheitsrelevant oder
Kostenverschwendung?“
bestreiten Experten das
praxisnahe Programm,
die Entwicklung und
organisatorische
Herausforderung gerade
bewältigt haben oder aktuell
dabei sind, ihnen zu trotzen.
www.himss.eu/pdms
42 N°4 HIMSS Europe
In dieser Ausgabe
S.66 conhIT: Gesundheits-IT-Branche
2015: Innovationen und Trends
S.68 Agfa: Klinische Dokumentation:
Der Kreis schließt sich
S.69 Cerner: Eine große Chance für
den Markt
S.70 CompuGroup: Telematik
braucht „mehr-Werte“ für Ärzte
und Patienten
S.71 ID: Semantische Freitextanalyse:
Prozesse optimieren mit
Terminologieservern
S.72 medatixx: Mobile Lösungen für
Praxen, MVZ und Klinikambulanzen
S. 73 MEIERHOFER: Krankenhaus-IT:
Mittelstand als Stabilitätsfaktor
S. 74 Deutsche Telekom AG:
Digitales Mindset
S. 75 Ascom: Ascom Myco bringt die
mobile Revolution in die Pflege
S. 76 Hewlett-Packard: 30 Prozent
mehr Performance dank schnellem
Speichersystem
S. 78 ICW: Erfolgreiches Versorgungs­
management durch einrich­
tungsübergreifende Vernetzung und
Prozesskoordination
S. 79 medavis: Im Herzen ein RIS
S. 80 Nuance: Alles könnte so einfach
sein, ist es aber nicht!
S. 81 VISUS: Mehr Effizienz auf allen
Ebenen mit dem medizinischen
Archiv
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hochwertiger und evidenzbasierter, kosteneffizienter Prävention, die den mündigen Patienten zum Handeln anleitet.
Foto: privat
UNIVERSITÄT
— MEINUNG —
GESUNDHEITS-IT-BRANCHE 2015:
INNOVATIONEN UND TRENDS
Für die elektronische Vernetzung des Gesundheitswesens ist das Jahr 2015 ein Meilensteinjahr. Von der Gesetzesinitiative
für ein E-Health-Gesetz orchestriert starten die Tests für eine Telematikinfrastruktur. Gleichzeitig drängen neue digitale
Services in den Markt und verändern die Primärsysteme in Klinik und Praxis. Welche Themen und welche Produkte werden in
den Vordergrund gerückt? Die sieben Goldpartner der conhIT 2015 nehmen Stellung.
Dass die im Herbst beginnenden Tests für die deutsche
Telematikinfrastruktur bei der conhIT 2015 ihre Schatten
vorauswerfen, kann nicht überraschen. Mit der CompuGroup Deutschland und der Deutschen Telekom sind
die Hauptprojektträger der beiden Testregionen Goldpartner der conhIT.
CompuGroup Medical:
Breite Erfahrungen mit der Vernetzung
einrichtungsweit die mobile Visite eingeführt haben. Davon profitieren Ärzte, Pfleger, Verwaltung und natürlich
auch die Patienten, weil die Ärzte mehr Zeit für die Visite
haben und Krankheitsbilder auf dem Tablet besser erklären können.“
medatixx: Maßgeschneiderte mobile
Lösungen und Patienteneinbindung
Uwe Eibich, Vorstandsvorsitzender der CompuGroup
Medical Deutschland AG, ist zuversichtlich, dass sein
Unternehmen und die von ihm koordinierte Testregion
gut aufgestellt sind: „Wir haben viele neue Produkte
entwickelt und angepasst und betreiben das Netzwerk
und den Zugangsdienst. Die Infrastruktur kann im zweiten Halbjahr in Betrieb gehen. Auf der conhIT 2015 werden wir das
Zusammen­­spiel von Kartenterminal, Konnektor und Arztinformationssystem demonstrieren.“
Mit der Vernetzung von Leistungserbringern hat die CompuGroup bereits gute Erfahrungen: „Unser Zuweiserportal JESAJA.NET vernetzt
schon heute über 5.500 Arztpraxen mit Krankenhäusern in rund 100
Projekten. Das persönliche Arzneimittelkonto für ältere Mitbürger in
Nordrhein-Westfalen unterstützt Ärzte und ihre Patienten beim Thema
Multimedikation und funktioniert gut. Und im Arztnetz ‚Gesundes Kinzigtal‘ haben wir gemeinsam mit den Ärzten digitale Versorgungspfade
implementiert, die rege genutzt werden.“
Mobilität ist auch in der ambulanten Versorgung ein
wichtiges Thema. „Wer solche Lösungen nutzen will,
sollte sich über den individuellen Anwendungsfall im
Klaren sein, um nachher nicht eine mobile Lösung
zu erwerben, die dann nicht genutzt wird oder nicht
passt“, sagt Michael Latz, Bereichsleitung Klinik/MVZ
bei dem Praxis-IT-Spezialisten medatixx. Geht es nur
um den Zugriff auf die Karteikarte, reicht ein lesender iPad-Zugriff
aus. Will der Arzt dagegen uneingeschränkt online arbeiten, ist der
Laptop mit gesicherter UMTS-Verbindung unter Umständen die bessere Wahl.
Einen klaren Trend sieht Latz bei der Einbindung der Patienten: „Wir
stellen auf der conhIT 2015 unsere neue Patienten-App x.patient vor.
Sie erlaubt es Patienten, mit ihrer Praxis und mit der Praxissoftware
ihres Arztes zu kommunizieren. Je nach Praxis kann ein Patient beispielsweise sichere E-Mail-Nachrichten an seinen Arzt versenden, Folgerezepte bestellen oder sogar eigene Messwerte eingeben, die dann
automatisch mit der Karteikarte synchronisiert werden.“
Deutsche Telekom:
Mobility als Topthema im stationären Sektor
ID – Information und Dokumentation
im Gesundheitswesen: Den Daten auf den Fersen
Auch Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer Telekom Healthcare
Solutions, ist der Auffassung, dass sich bei den Leistungserbringern
mittlerweile ein digitales Mindset entwickelt hat, das der weiteren
Durchdringung mit Gesundheits-IT-Lösungen förderlich ist: „Es werden immer mehr Themen digital angegangen, etwa das Hygienemanagement. Das ist für jedes Krankenhaus ein wichtiges Thema. Die
Deutsche Telekom hat die marktführende Software für die Erfassung
von Hygieneprozessen und Hygienemaßnahmen, und wir spüren eine
weiter steigende Nachfrage.“
Ein Topthema im stationären Sektor bleibt für Wehmeier die Mobilität:
„Wie das aussehen kann, hat die Deutsche Telekom im Knappschaftskrankenhaus Bottrop gezeigt, wo wir auf Basis von iMedOne Mobile
Je mehr Daten in medizinischen Einrichtungen digital vorliegen, umso
größer wird die Notwendigkeit, sie auch effizient auswerten zu können.
Ein Beispiel ist das neue MDK-Verfahren. Das Unternehmen ID will die
Kliniken dabei unterstützen: „Krankenhäuser müssen künftig die relevanten Akten innerhalb extrem kleiner Zeitfenster vorlegen. Die Lösung
kann nur darin liegen, die Akte vernünftig zu strukturieren und sie mit
Hilfe von Freitextanalyse inhaltlich so zu erschließen, dass nicht jedes
Dokument einzeln gelesen werden muss“, betont ID-Geschäftsführer
Mark Neumann.
Doch nicht nur bei MDK-Anfragen kann die Freitextanalytik helfen: „Wir
können damit auch codierungsrelevante Informationen wie mit einem
Textmarker hervorheben. Das erleichtert die Arbeit enorm. Und es
66
42 N°4 HIMSS Europe
würde sich rechnen: Viele Krankenhäuser verschenken Liquidität, weil
sie Rechnungen nicht zeitnah stellen.“
Agfa Healthcare: Auf dem Weg zur
geschlossenen digitalen Informationskette
Dem conhIT-Goldpartner Agfa Healthcare geht es vor allem um
einen flüssigen Informationsfluss. Für sein Klinikinformationssystem
ORBIS stellt das Unternehmen neue Funktionen und Module vor:
„Wir werden unser neues Anästhesiemodul ORBIS AIMS launchen.
In Kombination mit ORBIS und dem ORBIS ICU-Manager können
wir dann im Versorgungsprozess eine geschlossene digitale
Informationskette anbieten, die bis in nachgeordnete Bereiche reicht“,
erläutert Michael Strüter, Geschäftsführer und Vertriebsleiter DACH
bei Agfa HealthCare.
Stärker in den Vordergrund rücken möchte Agfa die klinische
Entscheidungsunterstützung. Dafür wurde das Modul ORBIS
Experter entwickelt. „Es erlaubt leitenden Ärzten, gemeinsam
mit der IT-Abteilung Regeln im KIS zu erstellen, zu validieren und
produktiv zu schalten. So kann beispielweise direkt während der
Behandlungsdokumentation in der Benutzeroberfläche dargestellt
werden, welche weitergehende Dokumentation aufgrund der gerade
getätigten Eingabe nötig ist“, so Strüter.
Cerner:
Der Trend geht hin zu klinischen Funktionen
Mit KIS-Innovationen punkten will auch Cerner, das in dieser Form Premiere auf der conhIT feiert. „Wir sehen international eine Dynamik weg
von reinen Patientenadministrationssystemen hin zu klinischen Funktionen, Entscheidungs- und Pfadunterstützung sowie Interoperabilität
und Vernetzung. In Deutschland gibt es hier noch enormes Potenzial.
Durch den Zusammenschluss bringen wir Kompetenzen bei Abrech-
42 N°4 HIMSS Europe nung und Patientenadministration mit klinischer Erfahrung zusammen.
Das ist eine große Chance für den Markt“, so Holger Cordes, COO
Cerner Europa.
Für die Kunden stehe dabei Kontinuität im Vordergrund, unterstreicht
Arne Westphal, General Manager Cerner Deutschland: „Wir werden alle
Plattformen im deutschen Markt nicht nur erhalten, sondern ausbauen. Daran wird nicht gerüttelt. An der Schnittstelle direkt am Kunden
vermeiden wir Wechsel und sorgen dafür, dass die Ansprechpartner
möglichst gleich bleiben. Und auch das gesamte Führungsteam steht
für die Kunden weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.“
Meierhofer:
Kundenzufriedenheit als oberstes strategisches Ziel
Für Matthias Meierhofer, den Vorstandsvorsitzenden und Gründer
der MEIERHOFER AG, ist die Kundenzufriedenheit im GesundheitsIT-Sektor das Topthema überhaupt: „Als eigentümergeführtes
Unternehmen können wir die Kundenzufriedenheit zum obersten
strategischen Ziel machen. Das kommt für uns vor Ertrag und
Wachstum, und es zieht sich durch die ganze Unternehmensstrategie.“
Dazu gehören nicht nur konstante Ansprechpartner, sondern auch
ein enger Kontakt zwischen Entwicklern und Anwendern sowie eine
ständige Evaluation der Produkte.
Auch in Sachen Innovationspipeline sieht Meierhofer mittelständische
Anbieter im Vorteil: “Wir investieren seit Langem jedes Jahr mehrere
Millionen Euro in die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender
Produkte. Dabei kümmern wir uns auch um Themen, bei denen nicht
sofort Gewinne abfallen. Die E-Medikation und der Pflegeprozess sind
dafür zwei Beispiele. Wir sind überzeugt davon, dass das wichtige
strategische Säulen sind, und deswegen entwickeln und investieren
wir weiter in diese Themen, auch wenn es sich nicht unmittelbar
finanziell auszahlt.“
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conhIT Gold Partner
KLINISCHE DOKUMENTATION:
DER KREIS SCHLIESST SICH
EINE GROSSE CHANCE FÜR DEN MARKT
Klinische Informationssysteme gibt es schon länger. Doch einen geschlossenen digitalen Kreislauf haben viele
Krankenhäuser noch nicht realisiert. Wie der Zirkelschluss mit Hilfe von Softwareinnovationen in den Bereichen
PDMS, Entscheidungsunterstützung und Mobilität zu erreichen ist, weiß Michael Strüter, Geschäftsführer und
Vertriebsleiter DACH bei Agfa HealthCare.
der gerade getätigten Eingabe nötig ist. Oder es
kann automatisiert bei bestimmten pathologischen Laborwerten ein entsprechender Hinweis
erfolgen, ob auf Intensivstation oder Normalstation, ob auf dem Desktop oder einem Mobilgerät.
Wo sehen Sie im digitalen Informationskreislauf im Krankenhaus noch
Lücken?
Große Lücken gibt es bei Patientendatenmanagementsystemen (PDMS), Mobiltät und klinischer Entscheidungsunterstützung. Ein Beispiel: Krankenhäuser verdienen ihr Geld meist
mit operativen Eingriffen. Doch wie sieht es mit
den angrenzenden Bereichen ICU und Anästhesie aus? Wir werden auf der conhIT 2015 unser
neues Anästhesiemodul ORBIS AIMS launchen.
In Kombination mit ORBIS und dem ORBIS
ICU-Manager können wir dann im Versorgungsprozess eine geschlossene digitale Informationskette anbieten, die bis in nachgeordnete
Bereiche reicht und es erlaubt, auch postoperative Prozesse abzubilden, beispielsweise über
ein AddOn zur Akutschmerztherapie.
Stichwort Mobilität: Schält sich da inzwischen ein Konsens über die beste Herangehensweise heraus?
MICHAEL STRÜTER,
AGFA HEALTHCARE
Konsens weiß ich nicht, aber ich kann sagen,
dass wir etwas Lehrgeld bezahlt haben. Wir
hatten zu stark auf die iOS-Plattform fokussiert.
Viele wollen aber mit Android oder Microsoft arbeiten. Ich denke, das gilt nicht nur für unsere
Kunden. Unsere Antwort darauf ist ein kompletter Relaunch der ORBIS Mobile Edition. Die
neue Version basiert auf HTML5 und ist damit
plattformunabhängig.
Wo sind die Vorteile eines solchen geschlossenen Kreislaufs
für die Krankenhäuser?
Welche Funktionen werden heute von den Ärzten bei mobilen Plattformen erwartet?
Die Informationen begleiten den Patienten durch das gesamte Behandlungsgeschehen – von der Notaufnahme in die Anästhesie, den
OP, die Intensivstation, auf die normale Station, in die Funktionsstellen
bis zur Entlassung und tragen so zu einer besseren Patientenversorgung bei. Auch in der Abrechnung kann aufgrund des holistischen und
schnittstellenfreien Ansatzes nichts verloren gehen, die Erlöse bleiben
gesichert. Dank ORBIS KIS, ORBIS ICU-Manager und AIMS spielen
gewissermaßen der Patient und seine Informationen auf den Ackerfurchen der Versorgungsbereiche Hase und Igel: Immer wenn der Patient
irgendwo ankommt, sind seine Daten schon da.
Mehr als wir anfangs dachten. Deswegen werden wir die Funktionalitäten deutlich ausweiten. Wir bieten nicht nur lesenden Zugriff auf Dokumentation, Leistungen, Röntgenbilder und Abschnitte der Fieberkurve,
sondern auch schreibenden Zugriff, zum Beispiel bei Vitalparametern,
Auftragswesen, Konsilfunktionen und auch bei der Fotodokumentation.
Insgesamt bleiben wir bei unserem holistischen Ansatz, der anstrebt,
alle Informationen zur Behandlung in einem System abzubilden, statt
viele Systeme zusammenzuschalten und damit vermeidbare Schwierigkeiten zu produzieren.
Wie sieht es mit der Auswertung dieser Daten aus?
Die lässt sich dann auch ganz anders angehen, etwa mit einer klinischen Entscheidungsunterstützung. Unser neuer ORBIS Experter erlaubt es leitenden Ärzten, gemeinsam mit der IT-Abteilung Regeln im
KIS zu erstellen, zu validieren und produktiv zu schalten mit dem Ziel, die
Versorgungsqualität zu steigern bzw. den Mitarbeitern bei der Erstellung
einer vollständigen Falldokumentation behilflich zu sein. So kann direkt
während der Behandlungsdokumentation in der Benutzeroberfläche
dargestellt werden, welche weitergehende Dokumentation aufgrund
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conhIT Gold Partner
Die Übernahme der Healthcare-IT-Sparte von Siemens durch den Cerner-Konzern war eines der großen Branchenthemen in
den letzten Monaten. Holger Cordes, COO Cerner Europa, und Arne Westphal, General Manager Cerner Deutschland, sehen
in der Fusion große Chancen für die Kunden und den deutschen Healthcare-IT-Markt.
Cordes: Mit der Fusion schließen sich
zwei erfolgreiche Unternehmen mit komplementären Stärken zusammen. Wir
sehen international eine Dynamik weg
von reinen Patientenadministrations­
systemen hin zu klinischen Funktionen, Entscheidungs- und Pfadunterstützung sowie zu Interoperabilität und
sektorenübergreifender Vernetzung. In
HOLGER CORDES,
Deutschland gibt es hier noch enormes
CERNER
Potenzial. Durch den Zusammenschluss
bringen wir Kompetenzen bei der Abrechnung und der Patientenadministration mit klinischer Erfahrung zusammen. Das ist eine große Chance für den gesamten Markt.
Cerner ist jetzt mit mehreren Plattformen im hiesigen Markt
vertreten. Wie ist die Produktstrategie?
Cordes: Die Diskussionen, die es an dieser Stelle gibt, sind völlig unbegründet. Wir haben klargestellt, dass wir alle Plattformen im deutschen
Markt nicht nur erhalten, sondern ausbauen werden. Daran wird nicht
gerüttelt. Die Strategie wird sein, die klinische Kompetenz, die Cerner
aus den internationalen Märkten mitbringt, auf die verschiedenen Plattformen anzuwenden.
Werden sich bei Vertrieb und Support bzw. Ansprechpartnern
Änderungen für die Kunden ergeben?
Westphal: Die wichtigste Schnittstelle für ein Gesundheits-IT-Unternehmen ist die direkt am Kunden. Dort vermeiden wir Wechsel und sorgen
dafür, dass die Ansprechpartner möglichst gleich bleiben. Auch das
gesamte Führungsteam steht für die Kunden weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung.
Wie werden die Cerner-Kunden konkret von den internationalen Lösungen profitieren?
Agfa HealthCare GmbH
Martina Götz
[email protected]
www.agfahealthcare.com
+49 (0)228 26 68 47 10
Cordes: Sie profitieren vor allem davon, dass wir mehr klinische Innovation in den deutschen Markt bringen werden. Nur ein Beispiel: Ein
Cerner-Kunde in Spanien, das Krankenhaus Marina Salud in Denia,
wurde kürzlich als erstes Haus in Europa mit dem prestigeträchtigen
42 N°4 HIMSS Europe
Davies Award der Organisation HIMSS
ausgezeichnet. Der Award wird für eine
Verbesserung der klinischen Prozesse
und Ergebnisqualität durch den Einsatz
von IT verliehen. Wir sind überzeugt
davon, dass solche Erfolge auch in
Deutschland möglich sind. Davon profitieren die Kunden massiv.
Worin bestehen die Chancen dieser Fusion für den deutschsprachigen Markt?
42 N°4 HIMSS Europe ARNE WESTPHAL,
CERNER
Cerner und Siemens werden in einer Entwicklungspartnerschaft kooperieren. Wie sieht die aus?
Westphal: Die Zukunft der Health­
care-IT ist die intelligente Integration
und Nutzung digitaler Daten für eine
optimierte Entscheidungsunterstützung und Prozesssteuerung. Eine
reibungslose Integration von Medizintechnik und Krankenhaus-IT ist
dabei ein entscheidender Faktor, die komplementären Stärken von
Cerner und Siemens Healthcare bieten hier eine geradezu ideale
Chance. In diesem Kontext werden wir gemeinsam mit unseren
Kunden Potenziale identifizieren.
Wie wird sich Cerner bei der conhIT 2015 präsentieren?
Westphal: Die conhIT ist für Cerner ein wichtiger Ort, um sich in der
neuen Form darzustellen. Eines der Highlights wird unser Smartroom
sein, in dem wir die Integration von Medizintechnik auf der Intensivstation demonstrieren – auch um zu illustrieren, wo beim Thema Interkonnektivität die Reise hingehen kann. Ansonsten zeigen wir eine ganze
Reihe von Verbesserungen in unterschiedlichen Produktlinien, etwa bei
der digitalen Kurve oder im Pflegeprozessmanagement. Kontinuität ist
auch hier erneut das Stichwort: Wer zu uns kommt, wird nicht nur viele
bekannte Gesichter sehen. Natürlich treffen wir uns auch wieder am
altbekannten Currywurst-Stand. Cerner Deutschland
Rebecca Stappen
[email protected]
+49 (0)9131 916 71-29 39
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conhIT Gold Partner
SEMANTISCHE FREITEXTANALYSE:
PROZESSE OPTIMIEREN MIT TERMINOLOGIESERVERN
TELEMATIK BRAUCHT „MEHR-WERTE“
FÜR ÄRZTE UND PATIENTEN
Im Jahr 2015 werden die Weichen für das digitale Gesundheitswesen in Deutschland gestellt. Auf welche
Anwendungen Ärzte und Patienten warten, ist für Uwe Eibich, Vorstandsvorsitzender der CompuGroup Medical
Deutschland AG, kein Geheimnis.
Richtig. Deswegen sind die Mehrwertanwendungen der zentrale Erfolgsfaktor für die eGK.
Die sind bei Ärzten auch nicht umstritten, das
sehen wir jeden Tag. Unser Zuweiserportal
JESAJA.NET vernetzt schon heute über 5.500
Arztpraxen mit Krankenhäusern in rund 100
Projekten. Das persönliche Arzneimittelkonto
für ältere Mitbürger in Nordrhein-Westfalen unterstützt Ärzte und ihre Patienten beim Thema
Multimedikation und funktioniert gut. Und im
Arztnetz „Gesundes Kinzigtal“ haben wir gemeinsam mit den Ärzten digitale Versorgungspfade implementiert, die rege genutzt werden.
Was können Praxis-IT-Hersteller leisten,
um bei der intersektoralen Kommunikation voranzukommen?
Die IT-Industrie hat die Lösungen längst im
Köcher. In Dänemark werden nahezu 100
Prozent der Krankenhauseinweisungen und
Rezepte digital übermittelt. In Schweden ist
das ähnlich, und in Österreich werden künftig
Leistungserbringer flächendecken vernetzt.
Auch in Deutschland gibt es vom e-Arztbrief
bis hin zur digitalen Therapieunterstützung
viele erprobte Anwendungen. Die Frage ist, wie
wir das, was existiert, in die Fläche und zu den
Anwendern bringen.
Woran hapert es?
UWE EIBICH, COMPUGROUP
MEDICAL DEUTSCHLAND AG
Wir brauchen die Unterstützung der Politik
bei der Realisierung der Telematik-Infrastruktur. Themen sind hier die Finanzierung des Online-Rollouts und eine
Versachlichung der Datenschutzdiskussionen. Zudem gibt es Regelungsbedarf bei der Vergütung. Ärzte und Kliniken müssen Spaß daran
haben, zu investieren. Wenn für einen Arztbrief auf Papier mehr Geld
bezahlt wird als für das elektronische Pendant, muss sich niemand
wundern, wenn die Umsetzung zu wünschen übrig lässt.
Was ist mit der Einbindung der Patienten?
Patientenfokussierung wird immer wichtiger.
Auch das ist Alltagserfahrung. Unsere CGM
LIFE eSERVICES erfreuen sich zunehmender
Beliebtheit. Der Renner ist für viele Patienten die bequeme Anforderung von Folgerezepten. Dafür haben sich mittlerweile über 300.000
Patienten über rund 3.500 Arztpraxen mit einer persönlichen CGM
LIFE Gesundheitsakte registriert. Und es werden jede Woche mehr.
Nochmal: Die digitale Vernetzung wird gewollt. Was wir jetzt brauchen,
sind die richtigen Rahmenbedingungen, damit alle flächendeckend von
solchen Anwendungen profitieren.
Die CompuGroup Medical ist beim Aufbau der Telematik-Infrastruktur einer von 9 Projektträgern und in der Testregion
Nordwest zuständig für die Ansprache der Leistungserbringer. Sind Sie startklar?
Wir haben die wichtigsten Hürden genommen. Ärzte, Zahnärzte, Kliniken und Psychotherapeuten stehen bereit. Wir haben viele neue Produkte entwickelt und angepasst und betreiben das Netzwerk und den
Zugangsdienst. Die Infrastruktur kann im zweiten Halbjahr in Betrieb
gehen. Kürzlich haben wir gezeigt, dass das Versichertenstammdatenupdate auf der eGK mit einer Krankenkasse unter Live-Bedingungen bestens funktioniert. Auf der conhIT 2015 werden wir das Zusammenspiel von Kartenterminal, Konnektor und Arztinformationssystem
demonstrieren.
Ärztliche Akzeptanz lässt sich allein mit dem Online-Rollout
nicht gewinnen…
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conhIT Gold Partner
Terminologien und Terminologieserver sind in aller Munde. Aber sind sie für ein Krankenhaus wirklich schon ein Thema?
Mark Neumann, Mitglied der Geschäftsführung bei der ID – Information und Dokumentation im Gesundheitswesen GmbH,
sieht in den wachsenden Anforderungen an Codierung und Dokumentationsqualität einen wichtigen Grund, sich genauer
mit der Freitextanalyse und damit dem Thema Terminologieserver zu befassen.
Freitextanalyse inhaltlich so zu erschließen, dass
nicht jedes gescannte Dokument einzeln durchgelesen werden muss.
Die Freitextverarbeitung im medizinischen Kontext auf Basis von Terminologien ist nicht ganz neu. Warum werden
solche Techniken noch nicht flächendeckend eingesetzt?
Das lohnt sich nur für die MDK-Anfragen?
In der Tat beschäftigen wir uns damit schon
Nein, grundsätzlich auch schon vorher, direkt
über 20 Jahre. Wir haben die Basistechnologien
beim Codieren: Mit Hilfe der Freitextanalyse werursprünglich für die semantische Beschreibung
den in einer Akte codierungsrelevante Informationen wie mit einem Textmarker hervorgehoben.
klinischer Inhalte entwickelt und darauf aufbauend ein umfassendes semantisches Netz mit eiDas erleichtert die Arbeit enorm. Und es würde
ner Vielzahl von Terminologieserverdiensten gesich rechnen: Viele Krankenhäuser verschenken
schaffen, um den Content aus der Wissensbasis
Liquidität, weil sie Rechnungen nicht zeitnah
für verschiedene Anwendungsfälle zur Verfüstellen. Darüber hinaus ist eine automatisierte
gung zu stellen. Nachdem die Digitalisierung der
Dokumentenanalyse möglich, etwa für VersorMedizin voranschreitet, ist auch die Freitextanagungsforschung oder klinische Studien.
MARK NEUMANN, ID
lyse aktueller denn je. Wie lässt sich eine digitaWelche Voraussetzungen müssen Kunle Dokumentation so erschließen, dass man die
Inhalte, die man sucht, auch findet? Das ist die
den bzw. IT-Unternehmen erfüllen, um
Kernfrage, und sie ist medizinisch und auch erlöstechnisch relevant.
praxistaugliche Lösungen für die Freitextanalyse nutzen bzw.
anbieten zu können?
Inwiefern?
Ein gutes Beispiel ist das MDK-Verfahren, das vielen Krankenhäusern
derzeit auf den Nägeln brennt. Geplant ist, die Krankenhäuser dazu zu
verpflichten, bei MDK-Anfragen die relevanten Akten innerhalb extrem
kleiner Zeitfenster in einem Zustand vorzulegen, der es ermöglicht, den
Fall abzuschließen. Die Lösung kann aus unserer Sicht nur darin liegen,
die Akte erstens vernünftig zu strukturieren und zweitens mit Hilfe von
Digitale
Patientenakte
Diagnosen
Prozeduren
Medikamente
Einlesen der klinischen Dokumente
Arztbrief, OP-Bericht, Anamnese, ...
Suche in der Klassifikation
Auf Kundenseite ist ein KIS mit leistungsfähigen Schnittstellen
zu ID DIACOS® nötig, für den lückenlosen und redundanzfreien
Abgleich mit bereits erfassten Diagnosen und Prozeduren. Dazu
kommt ein entsprechender Digitalisierungsprozess in Ergänzung zur
elektronischen Patientenakte. Hierbei haben wir uns mit DMI auf einen
Partner festgelegt, der schon die Digitalisierung mit einer semantischen
Indexierung verbindet, die anschließend genau die angesprochenen
Freitextanalysen erlaubt. Letztendlich beherrscht ID die gesamte
Verarbeitungspipeline – als organisch gewachsenes Know-how mit
nativem deutschem Ansatz und nicht nur als Adaption des US-Marktes
oder als isoliertes Forschungsprojekt. Wir sehen darin einen relevanten
Vorteil für unsere Kunden.
Identifikation codierrelevanter Abschnitte
Generierung von Code-Vorschlägen
für die Abrechnung
MDKPrüfanzeige
Abgleich mit der vorhandenen Dokumentation
CompuGroup Medical
Deutschland AG
Jürgen Veit
[email protected]
www.cgm.com/de
+49 (0)261 80 00 15 21
Archiv/
Archivdienstleister
Markieren der Belegstellen in der digitalen Akte für die
Bearbeitung von Prüfanzeigen
Steigerung von
Effizienz und Effektivität
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe ID GmbH & Co. KGaA
Sven Hoffmann
[email protected]
www.id-berlin.de
+49 (0)30 246 26 0
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conhIT Gold Partner
MOBILE LÖSUNGEN FÜR PRAXEN,
MVZ UND KLINIKAMBULANZEN
Nicht nur im stationären Umfeld, auch bei ambulanten medizinischen Einrichtungen sind mobile Lösungen auf
dem Vormarsch. Michael Latz, Bereichsleitung Klinik/MVZ bei dem Praxis-IT-Spezialisten medatixx, empfiehlt, bei
mobilen Szenarien den individuellen Anwendungsfall im Auge zu behalten, damit Akzeptanz erreicht wird. Auch eine
Einbindung des Patienten ist möglich.
Wie groß ist das Interesse an mobilen
Lösungen in Praxen, MVZ und Klinikambulanzen?
unsere Lösung automatisch von zu Hause aus
mit der Praxisinfrastruktur verbindet, sobald sie
gestartet wird.
Der Wunsch nach mobilen Lösungen ist ohne
Zweifel vorhanden. Wer solche Lösungen
Ist der mobile Zugriff auf Praxis-IT-­
nutzen will, sollte sich allerdings zuerst über
Systeme sicher?
Ja. Abgesehen von der Transportverschlüsseden individuellen Anwendungsfall im Klaren
lung via HTTPS arbeiten wir zusätzlich mit einer
sein, um nachher nicht eine mobile Lösung
sogenannten Paket-Verschlüsselung (AES 256).
zu erwerben, die dann nicht genutzt wird
Darüber hinaus verbleiben bei unseren mobilen
oder nicht passt. Eine typische Anwendung
Lösungen keine Daten auf dem mobilen Client.
im niedergelassenen Bereich ist der Hausarzt
Es gibt immer noch Anbieter, die das anders
beim Hausbesuch: Will er nur auf die
machen. Aber aus unserer Sicht ist das nicht
Karteikarte zugreifen? Will er auch Rezepte
mehr zeitgemäß.
drucken? Will er gar völlig uneingeschränkt
online mit seinem AIS arbeiten? Das sind
MICHAEL LATZ, MEDATIXX
wichtige Fragen. Im ersten Fall reicht vielleicht
Und wann wird der Patient mobil ein­
ein lesender iPad-Zugriff, im letzteren Fall ist
gebunden?
der Laptop mit gesicherter UMTS-Verbindung
Jetzt. Wir stellen auf der conhIT 2015 unsere
unter Umständen die bessere Wahl – sofern die Verfügbarkeit des
neue Patienten-App x.patient vor. Sie erlaubt es Patienten, mit ihrer
Mobilfunknetzes gewährleistet ist.
Praxis und mit der Praxissoftware ihres Arztes zu kommunizieren. Der
Patient lädt sich die App herunter und wird vom Arzt einmalig freiWie sieht es in Klinikambulanzen aus?
geschaltet. Danach kann er je nach Praxis beispielsweise sichere
Dort wäre ein typischer Anwendungsfall der Arzt, der in unterschiedE-Mail-Nachrichten an seinen Arzt versenden, Folgerezepte bestellen
lichen Räumen beziehungsweise in unterschiedlichen Ambulanzen
oder sogar eigene Messwerte eingeben, die dann automatisch mit der
Karteikarte synchronisiert werden. Für unsere innovative Hybrid-Softarbeitet. Hier reicht oft eine iPad- oder sogar iPhone-Lösung, da es
vor allem um den lesenden Zugriff und weniger um die mobile Dokuware medatixx werden in einem nächsten Schritt bei neu eingehenden
mentation geht.
Laborwerten Push-Mitteilungen auf dem mobilen Gerät angezeigt. Es
bleibt spannend.
Wie nähert sich ein Praxis-IT-Hersteller diesen unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen?
Wir bieten für unsere Praxislösungen x.isynet und x.concept, für die
MVZ- und Klinikambulanzlösung x.vianova und für unsere neue Software „medatixx“ jeweils ein Spektrum mobiler Lösungen an, um die
Bedürfnisse individuell abdecken zu können. Wer mit einem etwas reduzierten Funktionsumfang in mobilen Szenarien leben kann, für den
sind unsere Apps optimal. Wer dagegen unterwegs den kompletten
Funktionsumfang der Praxis-IT zur Verfügung haben möchte, auch
beispielsweise Arztbrieferstellung und Abrechnungsfunktionen, der ist
mit einem Laptop besser bedient. Die Einwahl erfolgt entweder über
das Heimnetz oder im mobilen Szenario über UMTS. Das kann mittlerweile sehr komfortabel umgesetzt werden, zum Beispiel, indem sich
72
conhIT Gold Partner
KRANKENHAUS-IT:
MITTELSTAND ALS STABILITÄTSFAKTOR
Im Jahr 2014 gab es im Markt für Krankenhaus-IT einige Erschütterungen, die vor allem Kunden größerer Konzerne
zu spüren bekamen. Matthias Meierhofer, Vorstandsvorsitzender und Gründer der MEIERHOFER AG, sieht viele
Vorteile für Kliniken, die bei ihrer IT-Infrastruktur auf eigentümergeführte, mittelständische Unternehmen vertrauen.
nur über Konzerne abgewickelt werden kann,
zumindest nicht so lange diejenigen, die die
Technologie nutzen, quasi selbst Mittelständler
sind. Das mag bei Klinikketten oder großen
Universitätskliniken anders sein. Im Übrigen
gibt es ja auch die Möglichkeit, Kooperationen
mit spezialisierten Anbietern einzugehen.
So haben wir mit der RZV GmbH schon seit
Jahren einen Kooperationspartner, der sich auf
IT-Dienstleistungen im SAP-Umfeld spezialisiert
hat. Das ist eine Kooperation auf Augenhöhe.
Wir hängen nicht am Rockzipfel eines Konzerns.
Entsprechend kundenfreundlich sind die
Lösungen, die dabei herauskommen.
Was spricht für ein eigentümergeführtes
Unternehmen als Partner für die Krankenhaus-IT?
Auf Unternehmensebene ist der Vorteil ganz
klar die höhere Stabilität. Wer als Klinikum ein
neues KIS einführt, legt sich damit auf Jahre
fest. Konzerne, die den Shareholder Value im
Auge haben müssen, denken oft nicht in so
langen Zeiträumen. Ein Unternehmen wie die
MEIERHOFER AG, für die Gesundheits-IT das
Kerngeschäft ist, kann nicht einfach den Markt
wechseln, wenn der Return on Investment nicht
stimmt. Wir bleiben am Ball, und das bedeutet
Stabilität und Berechenbarkeit.
Verfügen internationale Konzerne nicht
über mehr Mittel für innovative Entwicklungen?
MATTHIAS MEIERHOFER,
MEIERHOFER AG
Das ist dann die zweite Ebene, die Produktebene. Natürlich können
Konzerne eher als Mittelständler riesige Investitionsprogramme stemmen. Die Frage ist, wie viel davon beim Kunden in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ankommt. Von einem teuren Entwicklungsprogramm, für das an anderen Stellen gespart wird und das dann bei
einem Eigentümerwechsel wieder in Frage gestellt wird, hat der Kunde
wenig. Das ist bei Mittelständlern anders. Wir investieren seit Langem
jedes Jahr mehrere Millionen Euro in die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Produkte. Dabei kümmern wir uns auch um Themen,
bei denen nicht sofort Gewinne abfallen. Die E-Medikation und der
Pflegeprozess sind dafür zwei Beispiele. Wir sind überzeugt davon,
dass das wichtige strategische Säulen sind, und deswegen entwickeln
und investieren wir weiter in diese Themen, auch wenn es sich nicht
unmittelbar finanziell auszahlt. Als Mittelständler geht das.
Die Anforderungen an Krankenhaus-IT-Lösungen werden
komplexer. Wie können eigentümergeführte Unternehmen
bei Themen wie Security oder Cloud-Diensten am Puls der
Zeit bleiben?
medatixx GmbH & Co. KG
Monika Nolte
[email protected]
www.medatixx.de
+49 (0)261 95 23 723
Die Argumentation, dass komplexe IT-Anforderungen nur von
Konzernen bewältigt werden könnten, kommt alle paar Jahre
wieder hoch. Bisher hat sich das nicht bewahrheitet. Ich persönlich
glaube nicht, dass die Gesundheits-IT so kompliziert ist, dass sie
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe Ist die Zufriedenheit bei den Kunden eigentümergeführter Unternehmen höher?
Ich würde es anders herum ausdrücken: Als eigentümergeführtes Unternehmen können wir die Kundenzufriedenheit
zum obersten strategischen Ziel machen. Das kommt für uns vor Ertrag
und Wachstum, und es zieht sich durch die ganze Unternehmensstrategie. Wir sorgen für einheitliche und konstante Ansprechpartner. Wir
bringen unsere Entwickler in engen Kontakt mit den Anwendern, um
deren Bedürfnisse optimal zu erkennen. Wir evaluieren ständig unsere
Produkte. Das alles erhöht mittelfristig die Kundenzufriedenheit und
sorgt für bessere, nutzerfreundliche Lösungen.
MEIERHOFER AG
Inga Twarok
[email protected]
www.meierhofer.de
+49 (0)89 44 23 16-0
73
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conhIT Gold Partner
DIGITALES MINDSET
ASCOM MYCO BRINGT DIE MOBILE
REVOLUTION IN DIE PFLEGE
Die Feldtests für die Telematikinfrastruktur stehen an. Das E-Health-Gesetz räumt Bremsklötze beiseite.
Krankenhäuser müssen Mobilität und intersektorale Kommunikation adressieren und Entwicklungen wie Cloud
Services und Big Data Analytics im Auge behalten. Dr. Axel Wehmeier, Geschäftsführer Telekom Healthcare
Solutions, skizziert Chancen und Trends.
Ascom Myco wurde auf die Bedürfnisse von Pflegekräften zugeschnitten, angefangen bei
Größe und Gewicht über Belastbarkeit bis hin zur Darstellung der Informationen und dem
Management klinischer Arbeitsabläufe.
marktführende Software für die Erfassung von
Hygieneprozessen und Hygienemaßnahmen,
und wir spüren eine weiter steigende Nach­
frage. In Sachsen haben wir kürzlich landesweit
Labore an das System angeschlossen, die ihre
Daten elektronisch ans Robert Koch Institut
übermitteln. Das ist ein schönes Beispiel dafür,
wie Klinikthemen zunehmend digital abgebildet
und gemanagt werden.
Der Entwurf des E-Health-Gesetzes liegt
vor. Kann die eGK jetzt zügig kommen?
Die elektronische Gesundheitskarte ist ja bereits da. Es geht jetzt darum, sie sinnvoll zu
nutzen. Dass das E-Health-Gesetz einen Fahrplan formuliert, mit dem der Online-Rollout auf
Mitte 2016 gesetzt wird, begrüßen wir. Das gibt
Planungssicherheit. Trotzdem ist der Gesetzentwurf nicht hinreichend. Bei der finanziellen
Förderung von Parallelnetzen ist einiges unklar.
Auch beim Medikationsplan hätte man entschlossener sei können. Ein Plan aus Papier
fördert nicht digitale Infrastrukturen. Schließlich
halten wir den Gesetzentwurf im Hinblick auf die
Interoperabilität für unzureichend. So wie er jetzt
formuliert ist, entwickelt jeder Bereich eigene
Schnittstellen. Das kann nicht sinnvoll sein.
Inwieweit ist die Einbindung von Patienten in Kliniknetze denkbar oder bereits
umsetzbar?
Wo sehen Sie spannende IT-Trends im stationären Bereich,
die es im Auge zu behalten gilt?
Mobilität ist weiterhin ein Topthema für den stationären Sektor. Wie
das aussehen kann, hat die Deutsche Telekom im Knappschaftskrankenhaus Bottrop gezeigt, wo wir auf Basis von iMedOne Mobile
einrichtungsweit die mobile Visite eingeführt haben. Dabei werden
KIS-Daten aufs iPad übertragen, und Aufträge werden mobil ausgelöst. Davon profitieren Ärzte, Pfleger, Verwaltung und natürlich auch
die Patienten, weil die Ärzte mehr Zeit für die Visite haben und Krankheitsbilder auf dem Tablet besser erklären können. Die Cloud ist ein
anderes Zukunftsthema, das in Deutschland bisher nur in Ansätzen
entwickelt ist. Sie wird vor allem bei der Archivierung wichtiger werden. Hier haben wir das Problem, das die Datenschutzbestimmungen
von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Das muss sich
dringend ändern. Der dritte Bereich, wo wir trotz begrenzter IT-Budgets der Krankenhäuser von einer wachsenden Nachfrage ausgehen,
ist der Bereich Analytics.
Hat sich in den Krankenhäusern mittlerweile eine Art „digitales Mindset“ entwickelt?
Das kann man schon sagen, ja. Es werden immer mehr Themen digital
angegangen. Ein Beispiel ist das Hygienemanagement. Das ist für jedes Krankenhaus ein wichtiges Thema. Die Deutsche Telekom hat die
74
Das wird kommen, aber wir sind da noch im
Frühstadium. Natürlich gibt es Kliniken, die versuchen, Patienten digital anzubinden. Aber das
ist noch eher ein Marketingthema. Die Schnittstelle Patient ist in KI-Systemen einfach noch
nicht vorgesehen. Das merkt man schon daran, wie umständlich es
ist, wenn ein Patient die ihm gesetzlich zustehende digitale Abschrift
der Akte tatsächlich einfordert.
DR. AXEL WEHMEIER,
TELEKOM HEALTHCARE SOLUTIONS
Was sind neben der eGK wichtige E-Health-Themen im ambulanten Bereich?
Sektorübergreifende Vernetzung und Mobilität sind auch hier wichtige
Themen. Bei der Vernetzung haben die regionalen Netze eine Schrittmacherfunktion. Telehealth Ost-Sachsen ist ein gutes Beispiel, wie so
etwas als offene Plattform, nicht als neue Insellösung, gestaltet werden kann. Wir zeigen dort mit Partnern, wie mit Tablets die Delegation
medizinischer Leistungen effektiver gestaltet werden kann. Was noch
fehlt, ist die Brücke zwischen den Apps und dem regulierten Bereich,
sprich der Patientenakte. Auch deswegen muss die elektronische
Patientenakte wieder auf die Tagesordnung. Deutsche Telekom AG
Dirk Becker
[email protected]
www.telekom-healthcare.com
+49 (0)228 18 19 45 38
42 N°4 HIMSS Europe
Ascom Wireless Solutions, ein weltweit
vertretener Anbieter von missionskritischen
Kommunikationssystemen, hat mit der
Markteinführung des neuen Ascom Myco
eine Revolution in den Arbeitsabläufen von
Pflegekräften eingeläutet. Es ist das erste
Gerät, bei dem die Pflegekräfte und Patienten im Mittelpunkt stehen. Es verfügt
über einzigartige Funktionen, die den Arbeitsalltag der Pflegekräfte vereinfachen,
die Effizienz steigern und mehr Zeit für die
Pflege am Patientenbett schaffen. Ascom
Myco ist das Ergebnis umfangreicher Recherchen über die Arbeitsweise der Pflegekräfte, von der Interaktion mit Patienten
und anderen Kollegen bis hin zu Informationsflüssen und missionskritischer Kommunikation. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in das Design des Ascom Myco Smartphone und der
Benutzeroberfläche ein.
Die Recherche-Ergebnisse zeigten, dass ein großes Problem in der
Arbeitsumgebung einer Pflegekraft der Stress ist. Linnea Fogelmark,
Portfolio Experience Designer bei Ascom, erläuterte die Vorteile des
benutzerzentrierten Designs: „Wir möchten, dass Pflegekräfte weniger
Zeit für die Technologie aufwenden müssen, damit sie mehr Zeit für
den Patienten haben. Vor diesem Hintergrund entwickelten wir eine
komplett neue Anzeigemethode für Informationen, die wir die patientenzentrierte Benutzeroberfläche nennen. Mit Ascom Myco sieht die
Pflegekraft auf dem Startbildschirm sofort, welche Patienten ihr zugewiesen sind und welche ihre besondere Aufmerksamkeit erfordern.“
Ascom fand zudem heraus, dass auch die Alarmmüdigkeit zu den
größten Problemen in der Arbeitsumgebung einer Pflegekraft zählt.
Ascom Myco stellt sicher, dass der richtige Alarm direkt an die verantwortliche Pflegekraft gesendet wird. Ein einzigartiges Top-Display zeigt
an, um welchen Alarmtyp es sich handelt, woher der Alarm stammt
und wie wichtig dieser ist. Ellen Österdahl, Lead Experience Designer
für Ascom Myco: „Wir waren ziemlich schockiert, als wir die Flut an
Alarmen, denen Pflegekräfte ausgesetzt sind, und das Ausmaß der
Alarmmüdigkeit sahen. Nicht jede Pflegekraft muss sich auf jeden
Alarm konzentrieren, der in ihrer Umgebung ausgelöst wird. Auf dem
42 N°4 HIMSS Europe Top-Display des Ascom Myco wird die
Pflegekraft auf diskrete Weise informiert.
So kann sie mit einem Blick auf das Gerät
sofort erkennen, was geschehen ist und
wie sie reagieren muss.“
Ascom Myco trägt auch zur Entlastung
der Stationsleitung bei. In Verbindung mit
der Ascom Unite Middleware erweitert das
Smartphone die Reichweite vorhandener
Systeme für den Krankenhausbetrieb, indem zeitkritische Informationen, direkt an
das Mobilgerät der Pflegekraft weitergeleitet werden. Die Middleware verfügt über ein
Modul für die Patientenzuweisung, mit dem
die Stationsleitung den Pflegekräften ganz
einfach Patienten zuweisen und eine automatische Eskalationskette aus
zwei oder drei Pflegekräften festlegen kann, die auf die Alarme reagieren
müssen.
Das Ascom Myco Smartphone verfügt über ein robustes Design,
das den physischen und hygienischen Anforderungen der Kranken­
hausumgebung standhält. Dank seiner Benutzerfreundlichkeit
und der zahlreichen Funktionen für die Entscheidungshilfe und das
Patientenmanagement erweist sich Ascom Myco als unentbehrlicher
Begleiter der Pflegekraft. Mwila Kapema, Product Marketer bei Ascom:
„Das Smartphone verfügt über eine viel längere Betriebsdauer als ein
typisches verbraucherorientiertes Gerät, da es 24 Stunden pro Tag einsatzbereit ist und von Schicht zu Schicht weitergereicht werden kann.
Die Lebensdauer des Ascom Myco ist auch um Jahre länger als die
eines verbraucherorientierten Geräts, was dem Krankenhaus eine gute
Investitionsrendite verschafft.“
Ascom Wireless Solutions
Oliver Laube
[email protected]
www.ascommyco.com
+49 (0)69 5800 574 00
75
30 PROZENT MEHR PERFORMANCE DANK
SCHNELLEM SPEICHERSYSTEM
Im Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in Stadtlohn musste ein neues Speichersystem her. Es sollte zukunfts- und
ausbaufähig, schnell und bezahlbar sein, um auch dem neuen ECM-System von OPTIMAL SYSTEMS ausreichend
Platz zu bieten. Die Wahl fiel auf HP 3PAR.
Das Krankenhaus Stadtlohn ist eine
kapazitäten sofort wieder verfügbar
Einrichtung der Stiftung Maria Hilf
macht und kleinere Volumes flexibler
Größe ermöglicht. So wird insgesamt
Stadtlohn mit vielfältigen Leistungen
die Speicherkapazität besser ausge(siehe Kasten) und rund 750
nutzt. Außerdem ist das System erMitarbeitern. Zur Stiftung gehören
heblich performanter.
weitere Einrichtungen, zum Beispiel
Ein weiterer Pluspunkt lag in der
ein Seniorenheim, ein Hospiz, ein
Preisflexibilität des Partners Netgo,
medizinisches Versorgungszentrum,
eines Borkener Systemhauses, woeine Einrichtung des betreuten
durch die Lösung im Vergleich mit
Wohnens und ein Physiozentrum.
dem evaluierten Konkurrenzprodukt
2014 erreichte die seit 2007 vom
bei den Gesamtkosten über die volle
Klinikum Maria Hilf verwendete
HP 3PAR StoreServ 7000 Storage
Nutzungs­zeit punkten konnte. SchließSpeicherlösung, eine HP EVA 4000
lich ergaben sich Vorteile bei der
mit 15 TByte Kapazität, das Ende
ihrer Lebensdauer. Eine neue Lösung musste also her, die die betagte
Abwicklung. So lieferte HP-Partner Netgo das HP 3PAR-Speicher­
Anlage ersetzen würde. Zur Überbrückung mietete IT-Leiter Bernd
system komplett vorkonfiguriert. Die Datenmigration war bereits
Schwietering ein Mini-NAS-System an.
im Gesamtpreis enthalten und erfolgte bei laufendem Betrieb. Zwei
Dann begann die Suche nach dem neuen System. Neben HP 3PAR
Schulungstage reichten, um das Fachpersonal in den Umgang mit
wurde ein weiterer Anbieter evaluiert. Als erstes berechnete Schwiedem System einzuweisen. Der gesamte Aufbau bis zur Inbetriebnahme
tering, wie groß die Kapazität einer Nachfolgelösung sein müsste.
dauerte nur zwei Tage. Nach drei Tagen Testbetrieb, ebenfalls eine
Nachdem das bisherige Datenvolumen von 15 TByte bereinigt worden
Aufgabe von Netgo, war klar, dass alles wie gewünscht laufen würde.
war, ergab sich ein erforderliches Datenvolumen von 10 TByte für die
geplante Standzeit von fünf Jahren, sofern die neue Lösung die KapaHochverfügbarkeit und optimale Kapazitätsauslastung
Inzwischen arbeitet die Lösung mit 10 TByte Speicherkapazität seit
zitäten des neuen Systems optimal ausnutzte.
knapp einem Jahr. Im Detail stecken derzeit in der Lösung 36 x 900 GB,
Fachkundiger Support vom Experten steht obenan
10k SAS Disk pro Speichersystem. Auf der HP 3PAR 7200 laufen
Am Ende machte die HP mit der 3PAR 7200 das Rennen. Dafür gab es
gut 40 Server mit allen operativen Anwendungen – angefangen vom
mehrere Gründe. So war das Klinikum mit den Service- und Support­
KIS (Krankenhaus-Informationssystem) über das Apotheken-Online­
leistungen von HP sowie mit der Qualität des Vorproduktes EVA 4000
bestellsystem, die Radiologie-, Labor- und Endoskopiedaten, Daten
des ebenfalls zur Stiftung gehörenden Seniorenheims und des Medisehr zufrieden gewesen. „Uns ist wichtig, dass man immer geschultes
und deutschsprachiges Personal am Apparat hat, wenn Fragen zu klären
zinischen Versorgungszentrums, auch Daten von Verwaltung, Küche
sind oder eine Störung auftritt“, sagt Schwietering. Beim evaluierten
oder Risikomanagement sowie die Daten der IT lagern auf den zwei
Mitbewerber war dies nicht garantiert – dieser verlagert die Service­
in zwei unterschiedlichen Brandabschnitten installierten, redundanten
erbringung rund um die Uhr nach dem „Follow the Sun“-Prinzip in ferne
HP 3PAR-7200-Maschinen mit jeweils 10 TByte Speicherkapazität, die
Weltgegenden, wo das Personal am Telefon nur gebrochen Deutsch
durch synchrone Replikation zu einer Hot-Standby-Konfiguration mitspricht. „Wir wollten deshalb eigentlich gern bei HP bleiben“, betont
einander verbunden sind.
Michael Saffé, der als Geschäftsführer des Klinikums das letzte Wort
Im selben zeitlichen Umfeld führte das Krankenhaus auch die ECM
über die Anschaffung hatte.
(Enterprise Content Management)-Software des Berliner Software­
Neben dem Service trugen die technischen Vorteile der 3PARhauses OPTIMAL SYSTEMS ein. Sie löst das bisher bestehende
Lösung dazu bei, dass es letztlich so kam: So bietet HP 3PAR mit Thin
Papierarchiv ab und übernimmt alle Patienten- und Behandlungsdaten
Conversion Software einen Mechanismus an, der freie Speicher­
entweder aus dem KIS oder aus der Patientenverwaltung SAP IS-H.
Patientendaten aus dem KIS werden automatisch der richtigen Akte
hinzugefügt. Auch Office-Dokumente werden mit dem ECM verwaltet
und auf dem 3PAR-Speichersystem hinterlegt. Die Software konvertiert alle Dokumente automatisch in ein langlebiges Standardformat
und bindet über integrierte Workflows auch Geschäftsprozesse wie
automatischen Rechnungseingang oder Freigaben mit ein. Bei der
Kapazitätsplanung musste diese Lösung, die für den Arbeitsablauf im
Krankenhaus sehr wichtig ist, besonders berücksichtigt werden.
Durch die zwei installierten Speicherysteme und die zwei Controller,
die in jeder HP 3PAR-7200-Einheit stecken, ist Ausfallsicherheit garantiert: Fällt eines der Speichersysteme aus, kann man dank eines
Quorum-Servers, der den Status beider Systeme ständig überwacht
und Anfragen im Zweifel auf die intakte Maschine umleitet, trotzdem
auf der anderen Seite ohne Unterbrechung weiterarbeiten. „Auf diese
Weise ist es möglich, auch bei Ausfällen eine Operation im Operationssaal vollständig per Video zu dokumentieren“, erklärt IT-Leiter
Schwietering. Freilich musste von dieser technischen Möglichkeit
bisher kein Gebrauch gemacht werden, denn Ausfälle kamen nicht
vor. „Anfängliche Probleme mit dem Quorum-Server, die auf unsere
Unerfahrenheit beim Umgang mit der Lösung zurückzuführen waren,
wurden vom Support innerhalb kürzester Zeit geklärt“, lobt Schwietering.
Weil es im Krankenhaus auf stets verfügbare Technik ankommt, hat
das Klinikum einen Supportvertrag mit durchgängig vier Stunden
Reaktionszeit (24*7) abgeschlossen. „Die Reaktionen bei Anfragen waren aber sogar noch schneller“, berichtet Schwietering.
Auch ansonsten haben sich die Erwartungen in das neue Speicherprodukt bisher voll erfüllt. „Die HP 3PAR-Lösung nutzt die vorhandene
Speicherkapazität um bis zu 50 Prozent effizienter“, sagt Schwietering.
Der Supportaufwand ist gering, wobei dies schon beim Vorläufersystem
der Fall war. Anwendungen wie das KIS laufen laut Schwietering um 30
bis 40 Prozent schneller. Und Kapazitätsupdates erfordern nur noch
ein paar Handgriffe statt aufwändiger Prozeduren. „Es genügt jetzt,
einfach neue Festplatten hineinzuschieben, das geht viel schneller als
bisher“, freut sich der IT-Manager, der davon ausgeht, sich mindestens
in den nächsten fünf Jahren keine Sorgen mehr um seine Speicher­
infrastruktur machen zu müssen.
76
42 N°4 HIMSS Europe 42 N°4 HIMSS Europe
Herausforderung
Ablösung eines am Ende der Lebensdauer befindlichen Speichersystems durch eine neue, flexible und zukunftsfähige Lösung mit universeller Verwendbarkeit und geringem Administrationsaufwand.
Lösung
Implementierung von zwei HP 3PAR 7200 Storage Systemen mit
redundanter Dual-Controller-Ausführung. Diese haben jeweils 10 TByte
Kapazität, die durch synchrone Replikation verbunden und als
Hot-Standby-Konfiguration ausgeführt sind.
Vorteile:
•Bis zu 50 Prozent effizientere Ausnutzung der Speicherkapazität
•Beschleunigung der Applikationen um 30 bis 40 Prozent
•Geringer Administrationsaufwand
•Schnelle Vergrößerung der Speicherkapazität durcheinfaches
Hinzufügen von Festplatten
•Support in Landessprache von fachkundigen Mitarbeitern
• Erwiesene Zuverlässigkeit von Hersteller und Hardware
Das Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in Stadtlohn
Das Stiftungskrankenhaus Maria Hilf in der 20.000-EinwohnerGemeinde Stadtlohn in der Nähe der niederländischen Grenze gibt
es seit 140 Jahren. Zusammen mit weiteren Stiftungseinrichtungen
– einem Seniorenheim, einem Hospiz, einem medizinischen Ver­
sorgungszentrum, einer Einrichtung des betreuten Wohnens und einem
Physiozentrum – versorgt es die Einwohner von Stadt und Umland
mit medizinischen und pflegerischen Leistungen. Das Krankenhaus
hat neben einer zentralen Notaufnahme und der Ambulanz Abteilungen für Allgemeine Innere Medizin, eine Stroke Unit (zur Schlaganfall­
behandlung), Kardiologie, Gastroenterologie, Onkologie, Allgemeine,
Visceral- und Unfallchirurgie sowie Orthopädie, dazu kommen ein
Wirbelsäulenzentrum, Anästhesie und Intensivmedizin, Gynäkologie
und Geburtszentrum sowie ein Zentrum für Palliativmedizin und
Schmerzbehandlung. Hewlett-Packard GmbH
Herrenberger Strasse 140
71034 Böblingen
Fragen zu 3PAR:
+40 (0)911 9339 2161
www.hp.com/de/storage
77
ERFOLGREICHES VERSORGUNGSMANAGEMENT
DURCH EINRICHTUNGSÜBERGREIFENDE VERNETZUNG
UND PROZESSKOORDINATION
ICW Care Manager ist eine innovative IT-Lösung zur Steuerung von Versorgungsprozessen über Einrichtungsgrenzen hinweg.
Er dient interdisziplinären Behandlungsteams als gemeinsames Werkzeug zur Koordination der Patientenversorgung und hilft
ihnen dabei, auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Patienten einzugehen und die vorhandenen Ressourcen effizient zu nutzen.
Eine moderne, patientenorientierte GesundVersorgungsforschung. Interaktive Dashboards
und frei konfigurierbare Reports zur Datenaufheitsversorgung erfordert die enge Zusambereitung und Visualisierung runden das Leismenarbeit
zwischen
Niedergelassenen,
tungsportfolio ab.
Krankenhäusern, Pflege- und Sozialdiensten,
Reha-Kliniken und vielen weiteren Einrichtungen. Reibungslose Abläufe und die bedarfsgeBesonderes Augenmerk legt der ICW Care
rechte Nutzung regional vorhandener Angebote
Manager zudem auf die teamorientierte Zusamsind die Voraussetzung dafür, dass Patienten
menarbeit über Einrichtungsgrenzen hinweg.
die bestmögliche Behandlung erhalten und
Dank des webbasierten Designs steht die Anwendung auch nicht-ärztlichen Berufsgruppen
sich dabei optimal betreut fühlen. Exemplarizur Verfügung, die normalerweise keinen Zugriff
sche Anwendungsfälle sind das Entlass- und
auf medizinische Informationssysteme haben.
Überleitungsmanagement, die Nachsorge bei
Die Überleitung von Patienten zwischen den
Tumorerkrankungen oder die Umsetzung sektorenübergreifender IV-Verträge. Um dieses Ziel
einzelnen Einrichtungen wird deutlich effizienDR. MARTIN HOFFMANN
zu erreichen, ist das optimale Zusammenwirken
ter, da der ICW Care Manager für transparente
CHIEF MEDICAL OFFICER
einer flexiblen, IT-gestützten Prozesssteuerung
Arbeitsabläufe sorgt. Prozesse werden besser
INTERCOMPONENTWARE AG
und einer zuverlässigen und aktuellen Datenplanbar, da alle Beteiligten jederzeit über den
und Wissensbasis notwendig. Die bisher im
aktuellen Fortschritt informiert sind und die zu
Gesundheitswesen eingesetzten IT-Systeme
einem bestimmten Zeitpunkt benötigten Inforbilden dies leider nur unvollständig ab, da sie meist ausschließlich für
mationen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Dr. Martin Hoffmann, Chief
den Einsatz innerhalb einer Organisation ausgelegt sind.
Medical Officer der ICW, erläutert hierzu: „Die gemeinsame Nutzung
des Systems durch Mediziner, Pflegefachkräfte, Sozialdienst sowie
Der ICW Care Manager wurde entwickelt, um diese Lücke zu schließen.
Angehörige zahlreicher anderer Gesundheitsfachberufe eröffnet völlig
Er ist ein leistungsstarkes Werkzeug zur Modellierung und Steuerung
neue Möglichkeiten der effizienten Kooperation. Die dadurch erreicheinrichtungs- und sektorenübergreifender Arbeitsprozesse. Dynamibare Steigerung der Versorgungsqualität kann nicht nur gemessen
sche Abläufe lassen sich gemäß den individuellen Anforderungen eines
werden, sondern ist auch für die Patienten spürbar.“
Versorgungsmodells abbilden. Eine leistungsfähige Workflow-Engine
ermöglicht die Modellierung von Leitlinien, klinischen Behandlungspfaden und einrichtungsübergreifenden Standards.
Die Datenerhebung und Verlaufsdokumentation erfolgt dabei unter anderem mit Hilfe von intelligenten Formularen, die mit dem ICW FormDesigner individuell gestaltet werden können. Eine integrierte medizinische Akte sorgt zudem dafür, dass alle an der Versorgung eines
Patienten Beteiligten einen einheitlichen Zugriff auf alle relevanten Daten
haben. Der reibungslose Datenaustausch mit vorhandenen Systemen
und die Vermeidung einer redundanten Datenerfassung werden durch
ein breites Angebot an Schnittstellen, z.B. zu Krankenhaus- oder Arztinformationssystemen, sichergestellt. Durch die Möglichkeit, alle Informationen in strukturierter Form zu erfassen und abzulegen, ist der ICW
Care Manager auch ein ideales Tool zur Gewinnung von Daten für die
78
InterComponentWare AG
Markus Freudenberger
[email protected]
www.icw.de
+49 (0)6227 385 39 87
42 N°4 HIMSS Europe
IM HERZEN EIN RIS
230.000 Untersuchungen an 4 Standorten mit 150 Mitarbeitern und einer integrierten IT-Infrastruktur: In der
Radiologie Herne sichert das Radiologie Informationssystem (RIS) der Firma medavis standortübergreifendes
Arbeiten der Mitarbeiter, kurze Warte- und Behandlungszeiten für den Patienten und zeitnahe Abrechnung der
erbrachten Leistung. Alle Unterlagen stehen ohne Zeit- und Informationsverlust jederzeit zur Verfügung.
„Wir vertrauen jetzt über 12 Jahre unserem
„Das medavis RIS ist sehr intuitiv. Auch eine
medavis RIS, einem Werkzeug, das uns in den
Aushilfskraft oder ein Kollege, der aus der Klinik
vielen Jahren, die wir es nun nutzen, nie im Stich
zu uns wechselt, kann die wesentlichen Funktigelassen hat“, beschreibt Dr. Labisch, Radioloonen nach 30 Minuten bedienen und damit arge und Verantwortlicher für Bildarchivierungbeiten“, lobt Dr. Labisch. Als Folge des aktiven
und Kommunikationssysteme in der Radiologie
digitalen Arbeitens, verkürzen sich Warte- und
Herne, das Verhältnis seiner Mitarbeiter zum
Behandlungszeiten für den Patienten. Mehrere
zentralen IT-System. Ihm war es 2002 wichtig,
Arbeitsschritte können parallel angestoßen werein Produkt auszuwählen, das die technischen
den, wenn zum Beispiel die Abrechnung einer
und medizinischen Anforderungen erfüllt und
Leistung oder eine weitere Untersuchung zeitgleich erstellt bzw. geplant werden.
dessen Hersteller mit den Kunden interagiert
und partnerschaftlich zusammenarbeitet. Deshalb fiel die Wahl auf das inhabergeführte, mitNeben den Vorteilen in der medizinischen Vertelständische Unternehmen medavis. Dass diesorgung bietet das RIS auch für die GeschäftsDR. MED. CHRISTOPH LABISCH,
se Entscheidung richtig war, hat sich mehrfach
leitung wertvolle Funktionen. Mithilfe von AusRADIOLOGIE HERNE
bestätigt. Die Anwender werden bei Neuerunwertungen einzelner Prozessschritte werden
gen am System stets mit eingebunden, „denn
Analysen zur Wirtschaftlichkeit durchgeführt.
Die Optimierung des Workflows führt dazu, dass
ihre Akzeptanz ist Voraussetzung dafür, dass
jeder einzelne Arbeitsschritt schneller von statten geht. Durch die Eindas System unsere Arbeit verbessert“, sagt Dr. Labisch aus eigener
Erfahrung. Deshalb findet grundsätzlich eine gemeinsame Prozessanaführung des medavis RIS konnte beispielsweise die durchschnittliche
lyse statt, bevor ein neues Feature eingesetzt wird.
Befundungszeit von 48 auf 26 Stunden gesenkt werden. Weitere Kennzahlen dienen der Qualitätsprüfung, die regelmäßig im Rahmen der
ISO-Zertifizierung durchgeführt wird.
Da die Radiologie Herne als externer Dienstleister drei Krankenhäuser
der Region betreut, muss dieser Prozess auch über die eigenen Orga„Die Software muss dem Anwender dienen. Das zu erreichen funktinisationsgrenzen hinaus gedacht werden. Der verlässliche Datenaustausch zwischen dem RIS, den Krankenhaus Informationssystemen
oniert mit medavis sehr gut“, freut sich Dr. Labisch über das freund(KIS) verschiedener Anbieter, einem leistungsstarken Bildarchiv (PACS)
schaftliche, fast familiäre Verhältnis zwischen der Radiologie Herne
und anderen Modalitäten sowie die Integration der Spracherkennung
und den Mitarbeitern des Anbieters. Aufgrund der guten Zusammensichern medizinische Versorgung auf höchstem Niveau. Darüber hinarbeit wurden Ideen und Wünsche in die Produktentwicklung aufaus wird in Herne jedes Dokument über eine integrierte Scanfunktion
genommen. So ist eine stimmige IT-Lösung mit dem Herzstück RIS
mit Barcode-System konsequent digitalisiert, so dass sämtliche Daten
entstanden, die rund läuft, eine hohe Akzeptanz aufweist und immer
im zentralen „Diagnostic Patient Center“ des RIS verfügbar sind. Die
verfügbar ist.
Mitarbeiter rufen gemäß ihrer Benutzerrolle alle Dokumente und Akten
auf, egal an welchem der vier Standorte sie sich befinden. So ist es
beispielsweise üblich, dass Zweitmeinungen von einem spezialisierten
Kollegen, der an einem anderen Standort arbeitet, in Echtzeit gegeben
medavis GmbH
Heidi Kußmaul
werden. Eine 100 MBit-Leitung gewährleistet die Datenübertragung.
[email protected]
„Würden wir heute noch das Papier von a nach b tragen, wären wir
www.medavis.com
weniger effizient und hätten ein geringeres Leistungsniveau“, fasst Dr.
+49 (0)721 92910-360
Labisch zusammen.
42 N°4 HIMSS Europe 79
MEHR EFFIZIENZ AUF ALLEN EBENEN MIT
DEM MEDIZINISCHEN ARCHIV
ALLES KÖNNTE SO EINFACH SEIN,
IST ES ABER NICHT!
Eine Konsolidierung der medizinischen Daten verbessert den Workflow und die Behandlungsmöglichkeiten sowie
den einrichtungsübergreifenden Datenaustausch. Das wirkt sich extrem positiv auf die Zusammenarbeit mit
Belegärzten aus, erläutern Christoph Kreutner, Leiter Technik Radiologie an der Merian Iselin Klinik in Basel und
Guido Bötticher, Geschäftsführer VISUS, im Gespräch mit HealthTech Wire.
Eine neue Studie zum Thema „Aufwand für die Dokumentation im Krankenhaus“
zeigt, wie viel Zeit durch schlechte Organisation und fehlende Technologie für die
Dokumentation ver(sch)wendet wird.
HIMSS Europe hat im Auftrag von Nuance Healthcare in den
vergangenen Monaten Ärzte und Pflegende zu ihrem Dokumentationsverhalten befragt. Ziel war es herauszufinden, wie
weit Wahrnehmung und Realität über den Aufwand auseinander liegen und in welchem Umfang bewährte Hilfsmittel
zur Dokumentation genutzt werden. Die Ergebnisse stimmen
nachdenklich. Warum dokumentieren Ärzte vier, Pflegende
durchschnittlich drei Stunden pro Tag? Und finden am Ende
doch nicht die notwendige Information? Die Studienergebnisse stehen hier im Detail zur Verfügung:
www.dokumentationsfalle.eu
Fachkräftemangel, weil Ärzte lieber dokumentieren?
Die Auswertung der Studie zeigt, dass Ärzte und Pflegekräfte ihren Dokumentationsaufwand unterschätzen. Vielen
von ihnen geben an, dass sie Daten doppelt, mal auf Papier,
mal elektronisch erfassen. „Solange die Patientenakte in Papierform
immer noch existent ist, muss man viele Prozesse duplizieren. Das
heißt, zuerst schreibt man etwas auf und später gibt man es im PC
ein.“ Ausgehend von einem „normalen“ Arbeitstag mit neun Stunden
inklusive Pause, nutzen Ärzte durchschnittlich 44 Prozent ihrer Zeit für
die Dokumentation, bei Pflegenden sind es 37 Prozent. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es unverständlich, warum Möglichkeiten ungenutzt bleiben, ihnen diese Aufgaben abzunehmen oder
zu vereinfachen.
Informationen nicht verfügbar sind. Dass
diese Probleme gelöst werden könnten,
wissen die Befragten, die zu ihrer Erfahrung mit digitaler Dokumentation antworten: „Mit einem Klick kann der Arzt sofort
einen Überblick zur Patientenhistorie bekommen (Vorgeschichte, Medikation und
Diagnosen).“
Warum also wird die IT nicht konsequent
genutzt? Viele der Befragten sehen die
Vorteile einer durchgängigen Digitalisierung. „Der größte Vorteil in meinen Augen
ist Zeitersparnis, höhere Genauigkeit, gute
Übersichtlichkeit und Lesbarkeit.“
Warum lenkt keiner gegen?
Vor diesem Hintergrund stellen sich die Initiatoren die Frage: Laborieren
die Entscheider in Krankenhäusern an der falschen Stelle? Folgt man
den Studienteilnehmern, so kann eine konsequente Digitalisierung viel
bewirken. Deshalb ist das Fazit gleichzeitig ein Appell an die Entscheider, den Blick auf den operativen Alltag zu richten und mit einfachen,
verfügbaren Lösungen, die Arbeit des medizinischen und pflegerischen
Personals zu verbessern. Sicher sind auch strategische Entscheidungen, beispielsweise zur Personalgewinnung wichtig, doch macht es
nicht mehr Sinn, zunächst die Arbeitsbedingungen so zu gestalten,
dass die vorhandenen Mitarbeiter besser und lieber arbeiten?
Schwindendes Interesse am Beruf, weil dieser auslaugt?
Weil Arbeitsverdichtung und Personalmangel stetig zunehmen, steht das
Fachpersonal in vielen Fällen kurz vor dem Kollaps. Die Befragten geben
an, dass Überstunden, auch wegen des Dokumentationsaufwands,
unvermeidbar sind. Die Folgen sind logisch und machen den Beruf
für junge Menschen wenig attraktiv. Während die Befragten ihre
Berufswahl mit Ethos begründen, könnten sich Neueinsteiger
überlegen, ob sie sich mit ihrer Berufswahl für Überstunden und
Stress entscheiden.
Viel dokumentiert hilft viel?
Trotz des immensen Dokumentationsaufwands, den die Befragten
betreiben, gaben 25 Prozent an, dass ihnen durch fehlende Informationen zusätzliche Arbeit entsteht. Warum ist das so, wo doch so viel
aufgeschrieben wird? Scheinbar tragen Medienbrüche dazu bei, dass
80
www.dokumentationsfalle.eu
Für alle Besucher der diesjährigen conhIT (14.-16. April, Berlin) steht
das Team am Nuance Stand Halle 2.2, A-106 für Fragen und eine
personalisierte Kostenanalyse zur Verfügung.
Terminvereinbarungen unter: [email protected]
Nuance Communications
Healthcare Germany GmbH
[email protected]
www.nuance.de/healthcare
+49 (0)4121 800 48 10
Welche Aufgaben muss ein medizinisches Archivierungssystem erfüllen und welche Anforderungen
hat die Merian Iselin Klinik an ein
solches?
CK: Die Merian Iselin Klinik ist ein Belegkrankenhaus. Da die Ärzte ungefähr zur
Hälfte ihre Zeit in unseren Operationssälen, zur anderen Hälfte in ihrer eigenen
Praxis verbringen, möchten wir ihnen ein
System zur Verfügung stellen, bei dem
GUIDO BÖTTICHER
sie alle Patienteninformationen elektronisch gebündelt aufrufen können – egal,
von welchem Ort aus. Wir wollten ihnen einen Workflow anbieten, der
sie bei ihrer Arbeit maximal entlastet und den administrativen Aufwand
so gering wie möglich hält. Das setzt voraus, dass das Archivierungssystem eine gesetzeskonforme Datenspeicherung sicherstellen kann.
GB: Das Grundanliegen ist es, eine konsolidierte Sicht auf eine ePA zu
ermöglichen. Es muss komplett herstellerneutral und interoperabel sein,
sodass es mit den existierenden IT-Systemen einer Einrichtung arbeiten
kann. Es sollte zudem ein zugelassenes Medizinprodukt sein.
Was hat Sie zur Anschaffung eines medizinischen Archivierungssystems bewogen?
CK: Wir haben uns aus mehreren Gründen dafür entschieden, insbesondere aus solchen der Revisions- beziehungsweise Migrationssicherheit. Da wir Daten aus verschiedenen Systemen, die physikalisch nicht an einem Ort sind, aufbewahren müssen, möchten wir
diese Daten in einem Archiv zusammenführen. Gleichzeitig bestand
der Wunsch, sich für die Zukunft zu wappnen. Die Schweizer eHealth
Strategie sieht vor, dass sich Kliniken mit öffentlichem Leistungsauftrag einer privatrechtlichen Gemeinschaft zum Zweck des Datenaustausches anschließen. Wir wollten mit dem Medical Archive jetzt schon
alle Voraussetzungen dafür schaffen, um unsere Daten zum Stichtag in
das große, nationale System einspeisen zu können.
Warum hat sich die Merian Iselin Klinik für JiveX Medical Archive entschieden?
CK: Die zentrale Datenbündelung des JiveX Medical Archive in einer
Oberfläche ist ein enormes Plus für den Anwender und es ist viel einfacher, weil wir damit nur eine technische Infrastruktur warten müssen
42 N°4 HIMSS Europe
42 N°4 HIMSS Europe CHRISTOPH KREUTNER
−zumal wir JiveX auch als radiologisches
PACS einsetzen. Wir benutzen die Lösung nicht nur als klinikinternes System,
sondern im Rahmen der Bildverteilung
auch extern mittels eines Webviewers
und eines Portalzugangs. Hier war ausschlaggebend, dass JiveX die IT-Ausstattung unserer Belegärzte reibungslos unterstützt. Wichtig ist für uns auch,
dass das System alle medizinischen
Daten archiviert, also auch EKGs, Aufnahmen aus dem OP oder Wundbilder.
Was sind die Besonderheiten des JiveX Medical Archives aus
Herstellersicht?
GB: Als eine ganzheitliche Plattform für ausschließlich medizinische
Objekte fokussiert JiveX auf das Wesentliche unter Verwendung von
fünf anerkannten Standards: DICOM, HL7, HL7 CDA, PDF/A,IHE XDS.
JiveX ermöglicht es, neben radiologischen Bildern auch nicht-radiologische und nicht-DICOM Bild- und Signaldaten wie EKGs in das DICOM-Format zu überführen. Es ist zudem herstellerneutral, interoperabel und ein Medizinprodukt der Klasse IIb.
Wie setzen Sie das JiveX Medical Archive an der Merian Iselin
Klinik ein?
CK: Wir haben einen mehrphasigen Einsatz geplant, der Ende 2016
abgeschlossen ist. Momentan werden die DICOM-kompatiblen Systeme (C-Bögen, Ultraschallgeräte und Arthroskopietürme) an JiveX
angeschlossen und die wichtigsten Belegarztpraxen inkl. Dokumentenaustausch integriert. Anschließend erfolgt der Ausbau dieser
Belegarztpraxen. In der dritten Projektphase werden auch Biosignaldaten archiviert.
VISUS Technology Transfer GmbH
[email protected]
www.visus.com
+49 (0)234 93693 400
81
In Kooperation mit
14. – 15. September 2015 | Kursaal Bern
14. – 15. Septembre 2015 | Kursaal Berne
SAVE
THE DATE
14. – 15. Sept.
2015
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CONFERENCE
D.A.CH
18. Juni 2015
Das Forum für ICT im Gesundheitswesen
Le forum pour les TIC dans le système de santé
Eröffnungskeynote 18. Juni 2015
Prof. Dr. Otmar Wiestler
Gesundheit
neu denken:
Personalized
Health
Vorstandsvorsitzender und Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand des Deutschen
Krebsforschungszentrums; Designierter
Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft
eHealth Summit Austria
18. - 19. Juni 2015
Schloss Schönbrunn
Apothekertrakt und Orangerie, Wien
www.ehealthsummit.at
Keynotespeaker 19. Juni 2015
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. DDr.
Wolfgang Dorda
Digitales Ökosystem Gesundheitswesen –
Vorgaben umsetzen, Versprechen einlösen
Écosystème de la cybersanté – traduire la
vision en réalités, tenir les promesses
Universitätsprofessor für Angewandte
Medizinische Informatik; Leiter des
Zentrums für Medizinische Statistik,
Informatik und Intelligente Systeme der
www.ehealthsummit.ch
Medizinischen Universität Wien (CeMSIIS)
Präsentiert von
In Kooperation mit
Präsentiert von
Österreichische Gesellschaft
für Biomedizinische Technik
Austrian Society for
Biomedical Engineering
®
OESTERREICHISCHE
CO M P U T E R GESELLSCHAFT
AU S T R I A N
CO M P U T E R S O C I E T Y
ch
N°4