Lösung Zivilrecht III aktualisiert

Lösung Probeexamen WS 2014/15 – Zivilrecht III – 20.03.2015
„Bin ich schon drin?“
Teil 1:
A.
Anspruch T-GmbH gegen A gem. § 2 des DSL-Vertrages
I.
Vertragsschluss zwischen A und T-GmbH (+)
T-GmbH ist gem. § 13 I GmbHG rechtfähig und wird vertreten durch
die G als Geschäftsführerin, § 35 I GmbHG
II.
Aber: Beendigung durch fristlose Kündigung?
1.
Problem: Kündigungsrecht? (vgl. BGH NJW 2005, 2076)
Abhängig von der Rechtsnatur des Vertrages
a)
Möglichkeit 1: Mietvertrag
Aber: Schwerpunkt der Leistung liegt weniger bei der
Nutzung des Rechners des Providers, als vielmehr beim
Transport von Daten in das und aus dem Internet
Dass der Kunde hierfür den Rechner des Anbieters
benötigt, ist ihm gleichgültig, so dass nicht die Nutzung
einer Sache im Vordergrund steht
b)
Möglichkeit 2: Werkvertrag
Aber: Leistungskapazitäten des Providers sind begrenzt
und die Übertragungsgeschwindigkeit schwankt je nach
Netzauslastung gleichfalls
Anbieter kann daher nicht einen bestimmten Erfolg, das
jederzeitige Zustandekommen einer Verbindung in das
Internet mit einer bestimmten Datenübertragungsgeschwindigkeit, versprechen, und der Kunde kann einen
solchen Erfolg nicht erwarten
c)
Möglichkeit 3: Dienstvertrag
Hierfür spricht, neben den vorgenannten Aspekten, die
Parallele zu den Telefonnetz- und Mobilfunkverträgen,
die der BGH ebenfalls als Dienstleistungsverträge
qualifiziert
Der Provider schuldet de facto die Herstellung einer
Verbindung zwischen dem Kunden und Dritten sowie den
Transport von Informationen als Dienstleistung
1
d)
[Auch denkbar: typengemischter Vertrag]
hierfür spricht vor allem die Kombination aus DSLVertrag und Mobilfunkvertrag mit Handynutzung
e)
Lösung: Kann hier dahinstehen, da Dauerschuldverhältnis und jedenfalls ein außerordentliches Kündigungsrecht
nach § 314 I bestehen kann (insofern nahezu wortlautgleich mit § 626); Anforderungen an den wichtigen Grund
sind insoweit identisch (vgl. BGH NJW-RR 2010, 916)
2.
Vorliegen eines wichtigen Grundes?
a)
Grundsatz: Voraussetzung ist, dass dem Kündigenden
die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung beiderseitiger Interessen nicht zugemutet
werden kann
Dies ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn die
Gründe, auf welche die Kündigung gestützt wird, im
Risikobereich des Kündigungsgegners liegen
Wird der Kündigungsgrund hingegen aus anderen Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies
nur in Ausnahmefällen eine fristlose Kündigung
b)
Für einen wichtigen Grund spricht:
Der Kunde, der die Leistung infolge eines Wohnortswechsels nicht mehr in Anspruch nehmen kann, hat im
Ausgangspunkt unter dem Blickwinkel der Vertragsparität
ein nachvollziehbares Interesse daran, dem Leistungsanbieter kein Entgelt mehr zu entrichten
c)
dagegen spricht aber:
Kunden, die einen längerfristigen Vertrag über die
Erbringung einer Dienstleistung abschließen, tragen
grds. das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung
seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu
können
2
Ein Umzug stellt daher prinzipiell keinen wichtigen Grund
für eine außerordentliche Kündigung dar; die Gründe für
einen Wohnsitzwechsel liegen allein in der Sphäre des
Dienstberechtigten und sind vom Dienstanbieter nicht
beeinflussbar
Die relativ lange Vertragslaufzeit von zwei Jahren ist
wirtschaftlich betrachtet „Teil der Gegenleistung“ des
Dienstberechtigten für einen niedrigeren monatlichen
Grundpreis; das Risiko der Verwendbarkeit des DSLAnschlusses während der vereinbarten Laufzeit soll
demnach beim Dienstberechtigten liegen, da dieser für
den
günstigen
Preis
eine
vergleichsweise
lange
Vertragsdauer in Kauf genommen hat
Zudem ist allgemein bekannt, dass nicht an jedem
beliebigen
Ort
in
Deutschland
die
technischen
Voraussetzungen für DSL-Anschlüsse erfüllt sind; A hätte
damit rechnen können und müssen, dass das entlegene
Grundstück möglicherweise nicht erschlossen ist
3.
Zwischenergebnis: Wichtiger Grund (-)
Eine andere Ansicht ist vertretbar, erfordert allerdings enormen
Begründungsaufwand. Besonders vor dem Hintergrund des neu
geschaffenen § 46 VIII 3 TKG (ordentliches Kündigungsrecht
bei Wohnortwechsel) wird eine fristlose Kündigung wohl nur
noch schwer zu begründen sein.
4.
Bonus: Darüber hinaus auch kein Kündigungsrecht des A nach
§ 313 III 2; jedenfalls die vertragliche Risikoverteilung führt hier
dazu, dass dem A ein Festhalten am Vertrag nicht unzumutbar
ist
III.
Untergang gem. § 326 I 1?
Zwar (teilweise) Unmöglichkeit der Leistung der T-GmbH gem. § 275 I
Aber: T-GmbH behält Anspruch auf Gegenleistung jedenfalls gem. §
326 II 1; A ist für den Umstand, der zum Fortfall der Leistungspflicht
führt, allein verantwortlich
3
Insbesondere liegt der Umzug des A nach der vertraglichen Risikoverteilung in dessen Risikosphäre (vgl. oben)
IV.
Zwischenergebnis: Anspruch für restliche Monatsraten besteht
V.
Durchsetzbarkeit?
1.
hinsichtlich der Novemberrate unproblematisch (+)
2.
hinsichtlich der Raten ab Januar 2008 (-)
3.
hinsichtlich der Dezemberrate?
Problem: Ist der 04.12. hier schon der dritte Werktag? (-), wenn
Samstag kein Werktag i.S.d. § 2 des DSL-Vertrages darstellt
a)
Ausgangspunkt: keine konkrete gesetzliche Regelung
zur Zählweise des Sonnabends
entscheidend muss somit der erkennbare Parteiwille
sein, §§ 133, 157
b)
dagegen spricht
allgemeiner Sprachgebrauch geht auch heute noch
davon aus, dass es sich bei einem Sonnabend um einen
Werktag handelt
vgl. § 3 II BUrlG sowie ein Umkehrschluss aus § 193,
welcher den Sonnabend extra den Sonn- und Feiertagen
gleichstellt
c)
dafür spricht
Schutzzweck der Fälligkeitsregelung: Schonfrist für
vorleistungspflichtigen Kunden, um eine ausreichende
Zeitspanne für die Bewirkung der Zahlung zu erhalten
da die Zahlung in Form einer Überweisung zu erfolgen
hat und Banken an Sonnabenden keine Überweisungen
ausführen, würde hier eine Verkürzung dieser Schonfrist
drohen (vgl. BGH NJW 2010, 2879 zur Dreitagesfrist für
Mietzinszahlungen; Argumentation hier lässt sich auf die
hier vorliegende Fallkonstellation gut vertretbar übertragen)
d)
Zwischenergebnis: Dezemberrate erst am 05.12. fällig
(a.A. vertretbar)
4
B.
Ergebnis: Anspruch besteht, ist aber derzeit nur hinsichtlich der
Novemberrate durchsetzbar
Hinweis: Besonders umsichtige Bearbeiter, die mehr als die zugelassenen Hilfsmittel
verwendet haben, könnten über § 46 VIII 3 TKG gestolpert sein. Dieses 2012
eingefügte Kündigungsrecht ermöglicht in diesen Fällen eine Vertragslösung mit
einer dreimonatigen Frist. Aus Examensperspektive empfiehlt es sich nicht, das
Ergebnis seines Falles von nicht abgedruckten Normen abhängig zu machen, sofern
diese nicht Teil der Normensammlungen sind, die für das Examen zugelassen sind.
Falsch ist die Lösung indes nicht. Sollte man hier also Sonderwissen haben, sollte
man mit diesem tendenziell eher seine Argumentation untermauern (s.o.); ein
zusätzliches Argument ist gut, ein Absprung vom geplanten Klausurpfad kann u.U.
zur Auslassung von Folgeproblemen führen; dann hat man nichts gewonnen.
Abwandlung:
A.
Anspruch T-GmbH gegen A gem. § 2 des DSL-Vertrages
I.
Vertragsschluss zwischen A und T-GmbH (+)
II.
Aber: Beendigung durch außerordentliche Kündigung?
Voraussetzung: Wichtiger Grund, § 314 I BGB
1.
Denkbar: keine vertragsgemäße Leistung, da DSL-Anschluss
mit 16.000 Kbit/s geschuldet, aber nur 3.000 Kbit/s geleistet
werden
2.
Aber: Reduktion des Leistungspflicht nach § 7 des DSLVertrages?
Bei Anwendung der Klausel (+)
Aber: Unwirksamkeit der Klausel gem. § 306 I?
a)
Sachlicher Anwendungsbereich, § 310 I, IV (+)
b)
Vorliegen von AGB, § 305 I (+)
c)
Wirksame Einbeziehung, § 305 II (+)
d)
Keine vorrangige Individualabrede, § 305b (+)
e)
Keine überraschende Klausel, § 305c (+)
f)
Inhaltskontrolle, §§ 307 ff.
aa)
§ 309 (-)
bb)
§ 308 Nr. 4?
5
Zwar bestehen erkennbare Interessen des
Providers,
die
versprochene
Leistung
zu
ändern, wenn die maximale Bandbreite aus
technischen Gründen nicht erreicht werden
kann (was i.d.R. sogar erst nach Freischaltung
des Anschlusses festgestellt werden kann)
Aber: Soweit die Klausel dem Provider ein
Recht zur Leistungsänderung gibt, ohne dass
gleichzeitig die Gegenleistung in angemessener
Weise mit angepasst wird, ist diese Regelung
dem Kunden unzumutbar (er müsste für
weniger Leistung weiterhin den vollen Preis
entrichten)
Zudem besteht die Gefahr, dass der Kunde
sonstige Investitionen im Vertrauen auf die volle
Bandbreite tätigt, die durch die mangelnde
Bandbreite
nutzlos
werden
(denkbar
z.B.
Abonnements bei Streaming-Anbietern)
(vgl. AG Führt NJOZ 2010, 616)
cc)
Zwischenergebnis: Klausel verstößt gegen
Klauselverbot des § 308 Nr. 4
[wer den § 308 Nr. 4 nicht findet, wird im
Rahmen
des
§
307
I
wohl
zu
einer
unangemessenen Benachteiligung des Kunden
kommen müssen und hierüber die Wirksamkeit
der Klausel ablehnen]
g)
Zwischenergebnis: § 7 des DSL-Vertrages ist gem. §
306 I unwirksam, der Vertrag bleibt im Übrigen erhalten
3.
Zwischenergebnis: langsame Surfgeschwindigkeit stellt keine
vertragsgemäße
Leistung
dar,
was
grds.
zur
fristlosen
Kündigung berechtigen kann
4.
Aber: die langsame Surfgeschwindigkeit wurde, wie im Ausgangsfall, durch den Umzug des A verursacht à Kündigungsgrund daher mit der oben angeführten Begründung abzulehnen
6
III.
Zwischenergebnis: DSL-Vertrag ist nicht wirksam zum 29. Oktober
gekündigt worden
B.
Ergebnis: T-GmbH hat Anspruch auf Zahlung der weiteren Raten ab
November 2007.
Teil 2:
A.
Anspruch B gegen T-GmbH gem. §§ 280 I, III, 283
Hier konnte der Sachverhalt auch so zu verstehen sein, dass die Störung tatsächlich
auch (trotz der fehlgeschlagenen Versuche) noch behoben werden konnte. Dann
wären die Mehrkosten für den Vertragsschluss über §§ 280 I, III, 281 I zu ersetzen;
die Fristsetzung ist unproblematisch (so auch die Vorinstanz, vgl. LG Koblenz, Urteil
vom 07.03.2012 – 12 S 13/11). Denkbar ist zudem, hier den § 628 II als Anspruchsgrundlage heranzuziehen. Dieser soll nach Teilen der Literatur
jedenfalls
rechtsgedanklich auf alle Dauerschuldverhältnisse anwendbar sein (vgl. MüKoBGB/Henssler, § 628 Rn. 2, 50). Hinsichtlich der hierbei entstehenden Probleme
ergeben sich indes keine Unterschiede.
I.
Schuldverhältnis (+), vgl. oben
II.
Pflichtverletzung
Zurverfügungstellen des Internetzugangs ist ein absolutes Fixgeschäft
Nach Ablauf des Bereitstellungszeitraums stellt die verspätete
Bereitstellung keine Erfüllung mehr dar
Unmöglichkeit gem. § 275 I somit (+)
III.
Kein Ausschluss wegen fehlenden Vertretenmüssens, § 280 I 2
Keine entgegenstehenden Anhaltspunkte im SV
IV.
Ersatzfähiger Schaden
1.
Mehrkosten des Vertragsschlusses mit der K-AG
Differenzhypothese (§ 249 I): B ist zu stellen wie sie ohne die
Pflichtverletzung stünde
ohne die Störung wäre es nicht zur Kündigung des Vertrages
mit der T-GmbH sowie des Abschlusses eines Vertrages mit der
K-AG gekommen
7
P – Herausforderungsfall: Die Schädigung geht auf ein
autonomes Verhalten der B zurück (Kündigung des Vertrages
am 15. August 2007); aber aufgrund der lang anhaltenden
Störung (2 Monate !) durfte sich B zur Kündigung und zum
Abschluss eines neuen Vertrages herausgefordert fühlen
B kann von der T-GmbH Ersatz der Anschlussgebühr (29,95 €)
sowie der Mehrkosten für die restliche Vertragslaufzeit (bis zum
31. März 2009), insgesamt 102,50 €, verlangen (§§ 249 I, 251 I
BGB)
Bonus: zwar ist beim Schadensersatz gem. §§ 280 I, III, 283
eine Fristsetzung nicht erforderlich, doch der Schadensersatzanspruch der B wäre gem. §§ 254 I, II S. 1 wegen der
Verletzung
einer
Schadensminderungspflicht
zu
kürzen
gewesen, wenn sie die T-GmbH nicht vor dem Verlangen des
Schadensersatzes angemahnt hätte
2.
Mehrkosten Mobiltelefon (15. Juni bis 15. August 2007)
Auch die Mehrkosten für die Nutzung eines Mobiltelefons
zwischen dem 15. Juni 2007 und dem 15. August 2007 beruhen
äquivalent kausal auf der Pflichtverletzung und sind daher gem.
§§ 249 I, 251 I zu ersetzen
3.
Nutzungsersatz für den Ausfall des Festnetztelefons, des
Faxgerätes sowie des Internetanschlusses
a)
Problem des „abstrakten Nutzungsausfalls“
rechnerisch fehlt es an einem Vermögensschaden, da B
während des Nutzungsausfalls auch kein Nutzungsentgelt zahlen musste, § 326 I S. 1
Ersatz in Geld ist bei bloßen Nichtvermögensschäden
jedoch nur in engen Grenzen möglich (§ 253 I), ein
gesetzlich bestimmter Fall (bspw. § 253 II, 651 f II) liegt
hier nicht vor
dieses Ergebnis wird als unbillig empfunden
insoweit hilft auch ein Vergleich zur Verdeutlichung der
Problematik: Es darf wertungsmäßig keinen Unterschied
machen, ob die erwerbswirtschaftliche Verwendungs8
planung durchkreuzt wird (dann würde dem Geschädigten § 252, und damit insbesondere die Beweiserleichterung des § 252 S. 2, helfen) oder ein vergleichbarer „eigenwirtschaftlicher“ Einsatz (BGHZ 98, 212,
222)
b)
Korrekturmöglichkeiten
aa)
Frustrationstheorie
alle Aufwendungen, die aufgrund des schädigenden Ereignisses nutzlos geworden sind,
sind zu ersetzen
im vorliegenden Fall hat die B jedoch keine
Aufwendungen im Vertrauen auf das Bestehen
eines Telefonanschlusses getätigt, so dass
nach der Frustrationstheorie kein Schaden
begründet werden kann
gegen die Frustrationstheorie spricht insbesondere, dass sie zu einem uferlosen Ersatz
von Aufwendungen führen würde, den § 253 I
praktisch
aushöhlen
und
dem
Schädiger
unbilligerweise einen möglicherweise aufwendigen Lebensstil des Geschädigten mit zahlreichen Luxusaufwendungen aufbürden würde
bb)
Kommerzialisierungsthese
der Entzug von allen am Markt kommerzialisierbaren
Gütern
ist
ein
wirtschaftlich
messbarer Nachteil und daher bei Entzug zu
ersetzen
für die Bereitstellung eines Telefon-, Fax- und
Internetanschlusses
ist
ein
Marktpreis
ermittelbar, im vorliegenden Fall daher ein
Ersatz zu gewähren
da jedoch fast jedes Gut am Markt kommerzialisierbar ist, würde auch diese Ansicht zu
einer Aushöhlung des § 253 I führen
9
cc)
Eingeschränkte Kommerzialisierungsthese
der
BGH
wendet
in
st.
Rspr.
die
„eingeschränkte Kommerzialisierungsthese“ an
(wichtige Fälle: entgangene Nutzung von KfZ,
Wohnhäusern,
Ferienhäusern;
wohl
auch
Fahrrad, Fernseher und Laptop)
insbesondere, um § 253 I nicht auszuhöhlen ist
nur der Ausfall von Wirtschaftsgütern ersatzfähig, auf deren ständige Verfügbarkeit der
Geschädigte im Rahmen der eigenwirtschaftlichen Lebensplanung typischerweise
angewiesen ist
weiterhin ist erforderlich, dass der Entzug des
Gutes für den Geschädigten auch „spürbar“ ist
– dies ist nur dann der Fall, wenn er im
fraglichen Zeitraum auch Nutzungswille und
Nutzungsmöglichkeit hatte (nicht bei Krankenhausaufenthalt!)
Grundgedanke: der Geschädigte, der für den
Zeitraum des Ausfalls eines Wirtschaftsgutes
keinen Ersatz anmietet, soll nicht schlechter
stehen als derjenige, der sich am Markt Ersatz
beschafft
c)
Anwendung im vorliegenden Fall (vgl. BGH NJW
2013, 1072)
aa)
Ausfall des Faxgerätes
Telefax im privaten Bereich kein Wirtschaftsgut
von zentraler Bedeutung
BGH: „Vorteile des Telefaxverkehrs ... stellen
lediglich Erleichterungen dar, die sich in einem
höheren Komfort für die Versender und einer
Beschleunigung der Übermittlung erschöpfen“
mit
Ausfall
lediglich
geringes
Umständlichkeit verbunden
10
Maß
an
im Verbraucherverkehr außerdem zunehmend
Bedeutungsverlust des Telefax
bb)
Ausfall des Festnetzanschlusses
beachte:
hinsichtlich
der
ersatzweisen
Verwendung eines Mobiltelefones zwischen
dem 15. Juni 2007 und dem 15. August 2007
liegt ein Vermögensschaden vor – fraglich ist
hier lediglich, ob ein darüber hinausgehender
(ausnahmsweise zu ersetzender) Nichtvermögensschaden im „Nichtnutzenkönnens“ des
Festnetztelefones liegt
Nutzungsmöglichkeit eines Telefons ist grds.
von zentraler Bedeutung für die Lebensgestaltung; Ersatzpflicht entfällt jedoch, wenn
der Nutzungsausfall nicht spürbar war, weil
etwa der Geschädigte einen gleichwertigen
Ersatz-gegenstand zur Verfügung hatte und
dessen Kosten ersetzt werden
B hatte ein Mobiltelefon zur Verfügung, fraglich
ist lediglich, ob dies „gleichwertiger“ Ersatz
für einen Festnetzanschluss ist
hinsichtlich der Möglichkeit Verbindungen herzustellen ist ein Mobiltelefon gleichwertiger
Ersatz
bezüglich der Erreichbarkeit durch Dritte allenfalls dann nicht gleichwertig, wenn Geschädigter in Gebiet mit schlechter Netzabdeckung
wohnt
die Übermittlung der Mobilfunknummer an
Dritte, damit diese Kontakt aufnehmen können,
ist zwar mit „Lästigkeit“ verbunden, im privaten
Bereich jedoch nicht unüblich
11
das Mobiltelefon war ein gleichwertiger Ersatz,
der Ausfall des Festnetztelefons mithin keine
spürbare Beeinträchtigung
cc)
Ausfall des Internetzugangs
Internet zunehmend von Relevanz, insbes.
aufgrund der Möglichkeit,
1. sich umfassend zu informieren
2. sich weltweit in verschiedenen Formen auszutauschen
3. Verträge anzubahnen und abzuschließen
70 % der Einwohner Deutschlands nutzen das
Internet
das Internet ist „ein die Lebensgestaltung eines
Großteils
der
Bevölkerung
entscheidend
mitprägendes Medium“
der BGH kommt daher zu dem Schluss, dass
jedenfalls
die
Wirtschaftsgut
Nutzung
ist,
auf
des
Internets
dessen
ein
ständige
Verfügbarkeit der Geschädigte im Rahmen der
eigenwirtschaftlichen Lebensplanung typischerweise angewiesen ist
Bonus: der BGH ließ die Frage offen, ob die
Nutzung eines internetfähigen Mobiltelefones
ein
gleichwertiger
Ersatz
für
einen
DSL-
Anschluss sei
d)
Folgeproblem: Höhe des zu ersetzenden Schadens
B macht einen pauschalen Betrag von 50 € am Tag,
insgesamt 3.100 €, geltend
grds. ist im Rahmen der eingeschr. Kommerzialisierungsthese der Ausfall des Wirtschaftsgutes zu
kompensieren (Was ist die Einsatzfähigkeit dem Verkehr
in Geld wert? – sog „Kompensationsinteresse“)
12
es ist nicht das sog. „Reparationsinterese“ zu
ersetzen (der Aufwand, der für die Herstellung des
vertragsmäßigen
Zustandes
aufgewendet
werden
müsste – dieser fällt in den Fällen des abstrakten
Nutzungsausfalls gerade nicht an)
es kann daher nicht ohne Weiteres der Betrag zu Grunde
gelegt werden, der für die Anmietung einer gleichwertigen Sache für den Ausfallzeitraum nötig gewesen
wäre
nutzt
man
dennoch
den
üblichen
Marktpreis
zur
Bestimmung des Kompensationsinteresses, ist dieser
daher nicht nur um die wg. § 326 I S. 1 ersparten
Aufwendungen zu bereinigen, sondern auch um die
Gewinnspanne der Marktanbieter; der Geschädigte soll
nicht unbillig bereichert werden (Rechtsgedanke des §
843 IV)
als
Marktpreis
ist
lt.
BGH
der
Preis
für
einen
Internetanschluss mit kurzer Laufzeit zu Grunde zu
legen, der ggfs. deutlich über den Kosten eines
Vertrages mit langer Laufzeit liegen kann
für den Ausfall der Nutzung von KfZ existieren Tabellen
zur Ermittlung der Schadenshöhe (z.B. Porsche 911: 99
€/Tag; VW Golf: 34 €/Tag); für den Ausfall des
Internetanschlusses existieren (noch) keine Tabellen mit
Pauschalbeträgen
B.
Ergebnis:
B hat einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280 I, III, 283 wegen
der ab dem 16. August 2007 aufgrund des Abschlusses mit der K-AG
entstandenen Mehrkosten in Höhe von 102,50 € sowie der Mehrkosten
für die Nutzung eines Mobiltelefones zwischen dem 15. Juni 2007 und
dem 15. August 2007 in Höhe von 30,00 €. Darüber hinaus kann sie für
den Ausfall des Internets, nicht jedoch des Festnetztelefons oder
Telefaxes, abstrakten Nutzungsausfall verlangen.
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