Mitdenken und mitbestimmen

Mittwoch, 18. März 2015 • Nr. 65
Der Schmarotzer von heute
THEATER „La dame au petit chien“ und „Un mouton à l’entresol“
Kurz und knapp
Zaz und Carreras
63. WILTZER FESTIVAL
Das Programm des 63. Wiltzer
Festivals ist seit Montag bekannt.
Die herausragendsten Ereignisse dürften das Konzert der
französischen Künstlerin Zaz
sowie der Auftritt des Startenors José Carreras sein.
Nachfolgend das Programm,
das den Veranstaltern zufolge
noch ändern könnte.
27.6.: Zorba le Grec
28.6.: Paolo Fresu Quintet
3.7.: Nabucco
4.7.: Rigoletto
5.7.: Maria de Barros
8.7.: Zaz
10.7.: José Carreras
11.7.: Seven Kings, The Family
of Gypsy Kings
12.7.: The Puppini Sisters
17.7.: The Buddy Holly Show
18.7.: Stars in concert , The
Las Vegas Show, die besten
Doubles singen u.a. Freddy
Mercury, Joe Cocker, Prince,
Madonna, Tina Turner
22.7.: „La Grammaire“ d’Eugène Labiche, Théâtre français
24., 25. & 26.7.: Cats
Kunst aus
Papua-Neuguina
AUSSTELLUNG
Die Schauspieler der Theatergruppe „NEST“ benutzen die Bühne als Spielinstrument
Ein Parasit ist ein Organismus,
der einen anderen als Wirt
benutzt. Und genau das tun
einige der Charaktere des
Spielschreibers Labiche. Die
Theatergruppe „NEST“
gastiert unter der Regie
von Jean Boillot mit zwei
„zoologischen Stücken“ im
hauptstädtischen Theater.
In „La dame au petit chien“ stellt
der verschuldete Künstler Roquefavour seinem naiven Gläubiger
Herr Fontenage sich selbst und
seine Möbel als Gage zur Verfügung. Zwar hat er jetzt kein Zuhause mehr, dafür aber eine Unterkunft. Unter den Augen von
Fontenage profitiert der Schuld-
ner von der Situation und verführt dessen Ehefrau („la dame
au petit chien“) mit Leichtigkeit.
Sie langweilt sich nämlich zu Tode.
„Un mouton à l’entresol“ erzählt die Geschichte eines kleinbürgerlichen Paares namens Fougallas, welches aus Mitleid ein
Bediensteten-Ehepaar, Falingard
und Marianne, einstellt. Allerdings werden die beiden nicht
aus moralischen Gründen beschäftigt, sondern vielmehr sucht
Fougallas ein sexuelles Erlebnis.
In Wirklichkeit ist Falingard
auch gar nicht mit Marianne verheiratet und nutzt die Situation
eigentlich nur, um seine makaberen Tierexperimente durchzufüh-
ren und so eine große Entdeckung über die Drehkrankheit
bei Schafen zu machen.
Die beiden Stücke behandeln
nicht nur den „äußeren“, sondern auch den inneren, bedrohlicheren Parasiten des Menschen.
Labiche präsentiert uns das Bild
einer absolut modernen Gesellschaft. Da er immer wieder vom
Gesprochenen zum Gesang
übergeht, hat Regisseur Boillot
die Lieder vom Komponisten Jonathan Pontier neu schreiben
lassen.
Für die Inszenierung wurde eine einzigartige Kulisse geschaffen, die während der verschiedenen Stücke als „Spielapparat“ für
die Schauspieler fungiert. MM
Infos
„Animal(s)“: Zwei Einakter
von Eugène Labiche:
• „La dame au petit chien“
• „Un moutuon à l’entresol“
Wann?
18. und 19. März,
um 20 Uhr
Wo?
Grand Théâtre
Dauer: 105 Min.
Infos & Tickets:
www.luxembourgticket.lu
www.theatres.lu
Der Berliner Martin-GropiusBau zeigt in seiner neuen Ausstellung „Tanz der Ahnen“
erstmals Kunstwerke aus
Ozeanien. Die rund 220 reich
verzierten Masken, Instrumente, Schmuckstücke und
Gebrauchsgegenstände stammen aus einem Flussgebiet in
Papua-Neuguinea, das mit
seinen rund 90 verschiedenen
Sprachen als kulturell besonders reich gilt. Wie das Museum vor der Ausstellungseröffnung gestern mitteilte, entstand die Schau in Zusammenarbeit mit dem Musée du
quai Branly in Paris und dem
Museum Rietberg in Zürich.
Die wichtigsten Museen
Europas steuerten Leihgaben
bei.
dpa
BILLET
Mitdenken und mitbestimmen
Ainhoa Achutegui
neimënster-Direktorin
MERCURIA 10
Letztes Wochenende fand zum 32. Mal das „Festival
des migrations, des cultures et de la citoyenneté“
statt. Diese schöne und bunte Veranstaltung, die
Gastronomie, Literatur, Kunst, Austausch und Musik verbindet, gibt genau das wieder, was Luxemburg
ist: ein multikulturelles Land, wahrscheinlich das
multikulturellste Europas. Tausende Menschen besuchten die 400 Stände, Diskussionsrunden und
Buchvorstellungen. Wir leben in einem Land, in dem
Kultur und Kulturen ausgelebt werden. Viele Communities (auch kleinere) haben ihre eigenen kulturellen Vereine, allein die peruanische zählt neun davon! Theater wird in Luxemburg nicht nur in den
drei Landessprachen angeboten, was ja schon an
und für sich beachtenswert ist, nein, wir bieten hier
Veranstaltungen auch in vielen anderen Sprachen.
Allein in neimënster hatten wir im Jahr 2014 Theaterstücke auf Estnisch, Spanisch, Katalanisch, Luxemburgisch, Französisch, Englisch, Deutsch, Rumänisch, Italienisch … Diese gelebte und alltägliche
Multikulturalität, die die Einheimischen als normal
empfinden, ist für uns „Zugereiste“ sehr beeindruckend.
Die aktive politische Teilnahme der Ausländer und
Ausländerinnen wird in Luxemburg schon seit immer (vor)gelebt. Sie findet über die Zivilgesellschaft
statt, aber auch auf höchstem politischem Niveau.
Der Parlamentspräsident hat einen Namen, der keine
Zweifel an seinem Ursprung lässt, der Justizminister
ist sogar von der zweiten Generation der wichtigsten
Community des Landes. Es ist konsequent, dass dieses multikulturelle Land, dessen Identität genau diese Vielseitigkeit ausmacht und das Menschen aus den
unterschiedlichsten Horizonten zusammen weiter
aufbauen, kurz davor ist, über ein europaweit vorbildliches Gesetz abzustimmen. Das sogenannte
Ausländerwahlrecht.
Oft höre ich, dass die Menschen, die mitbestimmen
wollen, einfach die Staatsbürgerschaft anfragen sollen. Pass und Anspruch auf das Ausüben eines der
Grundrechte unserer demokratischen Gesellschaften, nämlich das Wahlrecht, sind aber nicht gleichzusetzen. Menschen mit Migrationshintergrund, die
hier arbeiten und Steuern zahlen, die Pflichten haben, sich genauso an die Gesetze halten, deren Kinder hier in die Schule gehen, die sich eventuell sogar
in Vereinen engagieren und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, möchten mitdenken und
mitbestimmen dürfen. Sie wohnen in einem Land,
das sie lieben, wo sie aber vielleicht nicht ihr ganzes
Leben verweilen werden.
Ich bin die Erste, die versteht, dass ein Pass nicht unbedingt eine Identität bedeutet. Doch nicht alle denken so. Ich selbst bin in Österreich aufgewachsen,
identifiziere mich mit dem Land und den Gepflogenheiten, liebe meine Heimatstadt Wien und spreche
wie die Menschen dort. Was viele nicht wissen, ist,
dass ich nie den österreichischen Pass hatte. Ich fühle mich als Österreicherin, aber nicht nur. Österreich
erlaubt aber keine doppelte Staatsbürgerschaft. Ich
gehöre zu jenen, die hier bald das Wahlrecht ausüben
könnten.
Und ja! Gerne würde ich auch bei den nationalen
Parlamentswahlen meine Stimme abgeben.
Verfassungsrechtlich ist es bei uns aber anscheinend
nicht möglich, wie in Schottland vorzugehen, wo für
das Unabhängigkeitsreferendum alle seit Jahren in
Schottland Gemeldeten ihre Stimme abgeben durften. Das bedeutet bei uns, dass eine Wahlbevölkerung über das Wahlrecht einer nicht wahlberechtigten Bevölkerung abstimmen wird, und das ist extrem
schade. Hätte man damals die Männer gefragt, ob sie
für das Frauenwahlrecht sind, wie hätten sie abgestimmt? Heutzutage ist das Frauenwahlrecht einer
der Grundpfeiler unserer Demokratie und nicht mehr
wegzudenken.
Ich wurde einmal in einem Interview gefragt, wo meine Heimat sei. Ich konnte darauf nicht antworten,
denn wie viele Menschen hier im Land habe ich mehrere. Es wird übrigens Zeit, dass die germanischen
Sprachen den Plural für das Wort Heimat einführen.
Persönlich erstellt für: ASTI ASTI LUXEMBOURG SA
KULTUR 35
Tageblatt