Gutachten über die Wirksam- keit der Wohnungsmarktin

Stadt Jena
Fachbereich Stadtentwicklung und
Stadtplanung
Gutachten über die Wirksamkeit der Wohnungsmarktinstrumente in Jena
26.03.2015
Bearbeitung:
Tobias Jacobs
Wohn- und Stadtraumkonzepte
Wilhelm-Kritzinger-Str. 11, 06722 Droyßig
Jürgen Veser
IfS Institut für Stadtpolitik und Strukturforschung GmbH
Lützowstr.93, 10785 Berlin
1
Teil A
Grundsätze und Empfehlungen
2
Die Notwendigkeit wohnungspolitischer Instrumente
Aufgabe des Staates ist es, einerseits Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine freie Entfaltung der
Kräfte des Wohnungsmarktes ermöglichen. Zum anderen ist es im Sinne einer sozialen Marktwirtschaft
Aufgabe, das Marktgeschehen so zu steuern, dass es allen Bürgern entsprechend ihren Wünschen,
Bedürfnissen und materiellen Möglichkeiten gestattet, einen adäquaten Wohnraum zu bewohnen. Dabei
kommt es darauf an, die Marktkräfte zu befördern, sie aber im Sinne einer nachhaltigen und attraktiven
Stadtentwicklung sowie einer sozialen Stabilität in den Stadtteilen entsprechend zu steuern. Hierzu gibt
es eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente, die sinnvollerweise in einem kommunalen Wohnraumversorgungskonzept oder einem wohnungspolitischen Konzept fixiert werden sollten.1
Die Besonderheit des Wohnungsmarktes ist es, dass es sich bei Boden und Gebäuden um langlebige,
immobile Güter handelt, mit denen auf kurzfristige Veränderungen der Nachfrage nur verzögert reagieren werden kann. Dies führt zu regelmäßigen Zyklen von Überangeboten und Knappheiten. Diese Wellen
können auch für den Jenaer Wohnungsmarkt beschrieben werden (siehe Grafik). Entsteht – wie in den
neunziger Jahren – durch Nachfragerückgang ein Überangebot, so reagiert zum einen der Markt mit
einem Rückgang an Baufertigstellungen und zum anderen die Politik mit Programmen wie z. B. Stadtumbau Ost, um gezielt durch Rückbau den Wohnungsmarkt wieder zu stabilisieren. Der in den letzten
Jahren zu verzeichnende Nachfrageanstieg einer wachsenden Stadt Jena führte zu Knappheiten, in deren Folge zeitlich versetzt die Bautätigkeit wieder anzog.
Kommunale Wohnungspolitik verfolgt das Ziel einer möglichst ausgeglichenen Marktentwicklung, d. h.
die Ausschläge der einzelnen Zyklen möglichst gering zu halten. Ein konstanter Ausgleich wird wegen
der zeitlichen Verzögerungen kaum möglich sein, sodass der Wohnungsmarkt immer einen wellenförmigen Verlauf nehmen wird, aber mit nur geringen Ausschlägen. Um den Wohnungsmarkt steuern zu
können, sind einerseits Anreizinstrumente erforderlich, die die Marktkräfte sich stärker entfalten lassen, und andererseits regulierende Instrumente, die unerwünschte Folgen dämpfen. Darüber hinaus
kann auch die gezielte Unterstützung einzelner sozialer Gruppen erforderlich sein. Die im Folgenden
1
Zu Inhalt und Struktur solcher Konzepte vergleiche: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung(Hrsg.): ExWoSt-Informationen "Kommunale Wohnraumversorgungskonzepte" Nr. 30/1 – 05/2006.
3
dargestellten und bewerteten wohnungspolitischen Instrumente können diesen grundsätzlichen Prinzipien und Zielstellungen zugeordnet werden.
Das wechselnde Verhältnis von Angebot und Nachfrage hat auch Auswirkungen auf die Mieten und
Grundstückspreise. So sind Phasen des Überangebotes durch stagnierende - und sogar teilweise rückläufige - Mieten und Bodenwerte gekennzeichnet, während beim Anstieg der Nachfrage in aller Regel
auch ein Anstieg der Miet- und Bodenpreise erfolgt. Da sich ein Wohnungsmarkt stets in Teilsegmente
gliedert, die aus unterschiedlichen Wohnungs- und Wohnlagequalitäten bestehen, können sich die beschriebenen Prozesse in den einzelnen Marktsegmenten auch unterschiedlich auswirken. Wenn beispielsweise Überangebote sich nur in einem Marktsegment befinden, kann es zu Leerständen und Preisverfall kommen, während es gleichzeitig in derselben Stadt in einem anderen Marktsegment zu Preisanstiegen aufgrund von Knappheiten kommen kann. Als Ausgleich kann es auch mittelfristig zu Verschiebungen zwischen den Marktsegmenten kommen. Wohnungspolitisch ist dies insofern relevant, weil
man somit ein Teilsegment direkt steuern kann oder aber eben auch indirekt über ein anderes Marktsegment.
Für die Stadt Jena können – wie in der Abbildung dargestellt – drei Preissegmente identifiziert werden.
Blieben in den Jahren vor 2008 die Mieten relativ konstant, so haben sich seitdem die Preissegmente
stärker ausdifferenziert, insbesondere die mittleren und höheren Preissegmente sind stärker gestiegen.
Dies verdeutlicht auch Knappheiten in Teilbereichen des Jenaer Marktes. Die geschätzten Marktanteile
orientieren sich an den Bestandsmieten, die veröffentlichten Angebotsmieten erzeugen ein stark verzerrtes Bild.2
2
Zu den Unterschieden zwischen Bestands-, Neuvertrags-und Angebotsmieten und die damit verbundenen empirischen Probleme vgl. ausführlich das Kapitel A1.3 im Wohnstadt-Ordner.
4
Methodische Vorgehensweise
Ziel der Expertise: gutachterliche Stellungnahme und Bewertung zu der Frage, welche wohnungspolitischen Instrumente für den Wohnungsmarkt Jena geeignet sind
Basis: Wohnungsmarktanalysen des Monitorings, Bevölkerungs- und Haushaltsprognose Jena
2014
Systematische Darstellung und Bewertung nach Handlungsfeldern, die das Zusammenspiel verschiedener Instrumente verdeutlichen
Analyse und Bewertung der Instrumente nach
-
Ziele/Zielkonflikte
-
grundsätzliche Wirkungsweise
-
Wirkung für den Jenaer Wohnungsmarkt
-
Priorität (unter Berücksichtigung der Kriterien "wirtschaftliche Wirkung" und "sozialpolitische Wirkung" sowie "erzielbare Mengeneffekte" und "strategische Wirkung")
Die zu bearbeitenden Handlungsfelder und Instrumente wurden mit einer begleitenden Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern des Dezernates Finanzen, Sicherheit und Bürgerservice,
des Dezernates Stadtentwicklung und Umwelt, des Dezernates Familie, Bildung und Soziales
sowie Kommunale Immobilien Jena abgestimmt.
Die Ergebnisse und Empfehlungen wurden mit dieser Arbeitsgruppe diskutiert und Hinweise
aufgenommen.
5
Zusammenfassende Bewertung der wohnungspolitischen Instrumente –
Vorschläge für den wohnungspolitischen Beschluss der Stadt Jena
In den vergangenen zwei bis drei Jahren ist kommunale Wohnungspolitik wieder ein wichtiges Themenfeld geworden vor allem in wachsenden Städten mit angespannten Wohnungsmärkten. In Presse und
Öffentlichkeit sind viele Fälle dargestellt worden, in denen vor allem Mieter sehr große Schwierigkeiten
haben, sich adäquat mit Wohnraum zu versorgen. Zugleich wurden unterschiedlichste wohnungspolitische Instrumente und Interventionen diskutiert.
Dieses Bild wird sehr schnell auf andere Städte übertragen. Dabei wird häufig übersehen, dass die
Wirkung von regulierenden Eingriffen in den Wohnungsmarkt äußerst unterschiedlich ist, je nachdem
um welchen konkreten Wohnungsmarkt es sich handelt. Deswegen kann nicht pauschal gesagt werden,
welches Instrument geeignet ist und welches nicht, und es kann auch nicht jedes für sich alleine bewertet werden. Entscheidend ist das Zusammenspiel der Instrumente vor dem Hintergrund des lokalen
Marktes und in Abwägung der wohnungspolitischen Ziele, die verfolgt werden sollen. Dieser Abwägungsprozess wird mit der vorliegenden Studie für die Stadt Jena vorgenommen. Die Wichtigkeit eines
Instrumentes hängt dabei sowohl von den quantitativen Mengeneffekten ab, die damit erzielt werden
können, als auch von eher qualitativen und vor allem strategischen Wirkungen. Insgesamt wird – im
Sinne der sozialen Marktwirtschaft – ein Ausgleich der sozialen und ökonomischen Anforderungen an
das Gut Wohnen angestrebt.
Dazu werden im Folgenden die strategischen Zusammenhänge dargestellt, detaillierte Begründungen
sind dem Teil B zu entnehmen. Die zusammenfassende Bewertung der wohnungspolitischen Instrumente in Form von Prioritäten (niedrig, mittel, hoch) ist in der folgenden Grafik beschrieben.
6
Handlungsfelder, Instrumente und ihre Bewertung3
Jena gehört zu den wachsenden Städten, in den letzten Jahren ist dabei die Nachfrage schneller gewachsen als das Wohnungsangebot. In der Folge haben sich Leerstände reduziert und einzelne Knappheiten sind aufgetreten. Insbesondere die Mietpreise haben sich ausdifferenziert und sind – im Gegensatz zu dem Jahrzehnt davor – insgesamt gestiegen. Dieses führt zu Effekten, die als "Wachstumsschmerzen" bezeichnet werden können, die nach einer lindernden Medizin rufen. Diese Medizin wären
sozialpolitische Interventionen, aber entscheidend ist es, an den Ursachen anzusetzen. Dies bedeutet in
erster Linie, das Wohnungsangebot offensiv zu vergrößern.
Die Entwicklungen der letzten Jahre haben auch dazu geführt, dass der Wohnungsmarkt für Investoren
wieder interessant geworden ist. Insofern ist es sinnvoll und effizient, die Gunst der Stunde zu nutzen
und durch die Kräfte des Marktes mehr Wohnungen und Raum für urbane Lebensweisen zu schaffen.
Kommunale Wohnungspolitik kann hierfür die Rahmenbedingungen schaffen. Deswegen sind alle Instrumente, die den freifinanzierten Neubau aktivieren, von hoher Priorität. Von herausragender Bedeutung sind hierbei die offensive Neuausweisung und Mobilisierung von Wohnbauflächen (HF 1.1) sowie
die Aktivierung von Baulücken (HF 1.2) als zentrale Grundlage für viele weitere Instrumente. Wichtig
sind auch die verträgliche Nachverdichtung und die Nutzung von jenawohnen für neue Bauprojekte.
Für eine nachhaltige strategische Ausrichtung ist eine aktive Liegenschafts- und Bodenvorratspolitik
unerlässlich. Diese Aufgabe kann insbesondere der Eigenbetrieb Kommunale Immobilien Jena übernehmen, wobei es auch sinnvoll ist, dass KIJ einige Flächen selber entwickelt, damit keine Flächenknappheiten am Markt entstehen.
Eine forcierte Neubaupolitik hilft dabei, die sich verändernde Wohnnachfrage (moderne Grundrisse und
Ausstattungsstandards, hoher energetischer Standard, altersgerechte Ausstattung) vieler Haushalte zu
befriedigen. Frei finanzierter Neubau ist dabei wegen der Grundstücks- und Baukosten stets im mittleren
bis höheren Preissegment angesiedelt. Zugleich wird auch für das preiswerte Segment ein Effekt erzielt,
3
Die Instrumente im Handlungsfeld 5 weisen teilweise zwei Prioritäten auf, weil die Bewertung von der zukünftigen Thüringer Förderpolitik abhängig ist.
7
indem der Nachfragedruck auf dieses Segment geringer wird und damit auch der Druck auf die Mietpreise.
Trotzdem haben eine Reihe von Haushalten Schwierigkeiten, sich in Jena mit dem Wohnraum zu versorgen, den sie benötigen und der ihnen vom Markt nicht ohne weiteres zur Verfügung gestellt wird.
Hier ist eine sozialpolitische Unterstützung erforderlich. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass einem
guten Teil der einkommensschwachen Haushalte bereits durch die Subjektförderung (Wohngeld, KdU)
geholfen wird. Darüber hinaus sind jedoch auch flankierende Instrumente erforderlich, die sich vor allen
Dingen auf den Erhalt des preiswerten Wohnungsbestandes konzentrieren. Hierzu gehören Kooperationsverträge mit Wohnungsunternehmen zur Belegung sowie insbesondere die Übertragung von Belegungs- und Mietbindungen. Die Übertragung ist dabei sozial gerechter als eine Mietbindung im Neubau.
Beide Instrumente könnten wirkungsvoller sein, wenn die zukünftigen Konditionen der Wohnraumförderung des Freistaates Thüringen stärker auf die Belange der Stadt Jena abgestellt sein würden.
Wichtigstes Instrument für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte oder von Haushalten mit
anderen Marktzugangsproblemen ist jenawohnen. Hier ist auch zukünftig eine entsprechende sozialpolitische Ausrichtung und Mietenpolitik notwendig.
Ziel der kommunalen Wohnungspolitik sollte sein, die typischen Wellen des Wohnungsmarktes von
Knappheiten und Überhängen möglichst gering ausfallen zu lassen. Das bedeutet auch, sich selbst verstärkende Prozesse möglichst zu unterbinden. Diese entstehen vor allem durch mangelnde Markttransparenz und fehlende Informationen. Insofern ist es von hoher Priorität, im stadtgesellschaftlichen Diskurs die tatsächlichen Wohnungsmarktentwicklungen, die unterschiedlichen Interessen der Akteure sowie zukünftige Chancen und Risiken einer wachsenden Stadt zu diskutieren. Die AG Wohnungswirtschaft
und der Mietspiegel sind hierbei wichtige Instrumente. Diese Diskussion muss dabei Wohnungsmarktakteure, Kommunalpolitik, Verwaltung, Medien und letztendlich die Bürgerschaft umfassen. Ein lokales
Bündnis für Wohnen wäre hierfür ein mögliches Forum für mehr Kommunikation und Kooperation.
8
Teil B
Vertiefende Bewertung von
Handlungsfeldern und Instrumenten
9
Übersicht der Handlungsfelder und Instrumente
Nr.
HF 1
Thema
Seite
Neubau- und Baulandpolitik
11
1.1
Offensive Ausweisung von Wohnbauflächen
12
1.2
Aktivierung von Baulücken, Nachverdichtung
14
1.3
Äußere Erschließung von Wohnbauflächen
16
1.4
Innere Erschließung durch städtischen Projektentwickler
16
1.5
Aktive Liegenschafts- und Bodenvorratspolitik
18
1.6
Gezielte Vergabepolitik städtischer Grundstücke
20
1.7
Initiative für mehr (geförderten) Neubau
22
1.8
Marketing mit dem Baulandkataster
25
Fazit Neubau- und Baulandpolitik
27
Kommunale Immobilien Jena
28
Kommunale Immobilien Jena
28
Anpassung des Wohnungsbestandes
31
Altengerechte Anpassungen des Bestands und Quartieres
31
Mietenpolitik
34
4.1
Dämpfung Mietenentwicklung durch Angebotserweiterung
36
4.2
Anwendung von abgesenkter Kappungsgrenze und Mietpreis-
38
HF2
HF 3
HF 4
bremse
4.3
HF 5
Qualifizierter Mietspiegel
43
Fazit Mietenpolitik
46
Soziale Wohnraumversorgung, preisgünstiger Wohnraum
5.1
Unterstützung zielgruppenorientierter Projekte für bezahlbaren
47
49
Wohnraum
5.2
Übertragung Belegungs- und Mietbindungen
53
5.3
Kooperationsverträge mit den Wohnungsunternehmen
56
10
5.4
Erwerb und Nutzung von Belegungsrechten
60
5.5
Weiterentwicklung, Begleitung und Stabilisierung von Problem-
62
quartieren
5.6
HF 6
HF 7
7.1
Zugang zu Wohnungen mit einfachem Standard für Studenten
64
Fazit Soziale Wohnraumversorgung, preisgünstiger Wohnraum
66
jenawohnen
67
jenawohnen
67
Kooperation und Kommunikation
70
Wohnungsmarktbeobachtung, AG Wohnungswirtschaft, Kom-
71
munales Bündnis für Wohnen
7.2
Abstimmung mit Umland-/Nachbargemeinden
74
11
Handlungsfeld "Neubau- und Baulandpolitik"
HF 1
Jena ist aktuell und auch zukünftig eine wachsende Stadt. Die wachsende Bevölkerungszahl wird ebenso
zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Wohnungen führen wie sich verändernde Wohnwünsche beispielsweise nach Wohneigentum, gemeinschaftlichem Wohnen oder altersgerechten Wohnungen. Die Expertise zur Wohnbauflächenentwicklung geht bis 2030 von einer zusätzlichen Wohnungsnachfrage von ca.
2.650 Wohnungen aus. Das aktuell am Markt verfügbare Flächenangebot sowohl auf Wohnbauflächen
als auch in Baulücken reicht hierfür in quantitativer und qualitativer Hinsicht langfristig jedoch nicht
aus.4 Der Markt hat diese Perspektive bereits antizipiert, was in jüngster Zeit zu einem Anstieg der
Grundstückskosten geführt hat.
Leitziel des Handlungsfeldes ist es daher, den notwendigen Neubau zu ermöglichen und entsprechende
Anreize zu setzen. Als Grundlage hierfür müssen quantitativ ausreichende und qualitativ nachfragegerechte Wohnbauflächen zur Verfügung gestellt werden, und zwar bevorzugt im Innenbereich.5
Nebenziele sind, mit der Wohnbauflächenausweisung einen möglichst geringen Flächenverbrauch vorzunehmen, vorrangig die vorhandene Infrastruktur auszulasten und die Flächen möglichst im Sinne
eines kompakten und die Kernstadt stärkenden Städtebaus zu entwickeln. Zugleich ist es sinnvoll, durch
eine über die zu erwartende Nachfrage hinausgehende Angebotsbereitstellung die Kaufpreisentwicklung
zu dämpfen bzw. spekulative Knappheitspreise zu verhindern, um so Neubau nicht weiter zu verteuern.
Zur Erreichung dieser Ziele können grundsätzlich vier verschiedene Handlungsansätze unterschieden
werden:
Zentral sind als klassische Angebotsplanung stadtplanerische Instrumente, mit denen (rasch)
Baurecht geschaffen werden kann.
Das Ausweisen von Wohnbauflächen reicht oft alleine aber nicht aus, notwendig sind auch eine
entsprechende Erschließung und Entwicklung. Hierbei können die (Vor-)Finanzierung oder fehlende Investoren ein wesentliches Hemmnis sein, sodass die ausgewiesenen Wohnbauflächen
tatsächlich gar nicht am Markt verfügbar sind. Erforderlich sind darum Instrumente, die diese
Hemmnisse überwinden.6
Bei Neubauflächen im kommunalen Besitz stellt sich stets die Frage, ob diese am Markt zum
Verkehrswert verkauft werden sollen, was in angespannten Grundstücksmarktsituationen zu einem Befeuern des Preisauftriebs führen kann, oder ob die Grundstücke auch nach anderen - zum
Beispiel zielgruppenorientierten - Kriterien vergeben werden sollen.
Ein weiterer Handlungsansatz bezieht sich auf Vermarktungsinstrumente, um so die Bodenmobilität zu befördern und dadurch das kurzfristige Angebot zu erhöhen und die Konkurrenzsituation
zu stärken.
Bei der Umsetzung einiger der folgenden Instrumente spielen die Kommunale Immobilien Jena eine
wichtige Rolle, die im Handlungsfeld 2 konkretisiert wird.
4
5
6
Vgl. Analyse & Konzepte: "Wohnbauflächenentwicklung in der Stadt Jena 2014", Droyßig 2015.
Das Handlungsfeld bezieht sich auf Wohnbauflächen. Die wachsende Stadt benötigt jedoch auch Flächen für Infrastruktur
und Gemeinbedarf, für die die folgenden Ausführungen in ganz ähnlicher Weise gelten.
Zu möglichen Baulandstrategien vergleiche auch: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Baulandbereitstellung, Bodenpolitische Grundsatzbeschlüsse – Fallstudien, Dokumentation, Anwendungshinweise. S. 13 f., Berlin,
2001.
12
Offensive Ausweisung von Wohnbauflächen
HF 1.1
Art des Instruments:
Angebotsorientiertes Instrument zur Förderung der Marktmechanismen, bauleitplanerische Maßnahme
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Durch ein vermehrtes Angebot an Wohnbauland soll der Markt aktiviert werden, um so die Grundlage
für einen erhöhten Wohnungsneubau zu schaffen. Mit einer offensiven Ausweisung kann auch eine
preisdämpfende Wirkung erzielt werden, um so Neubau nicht weiter zu verteuern. Mit der Ausweisung
eines großen und qualitativ attraktiven Wohnbauflächenangebotes kann auch eine zusätzliche Nachfrage und damit weiteres Wachstum generiert werden, wodurch wiederum die städtebauliche Entwicklung befördert werden kann.
Voraussetzung:
Basis ist eine langfristige Nachfrageabschätzung, anhand der das notwendige Wohnbauflächenpotenzial
ermittelt werden kann. Erforderlich ist eine frühzeitige Identifizierung von für den Wohnungsbau geeigneten und verfügbaren Flächen, die auch den qualitativen Ansprüchen der verschiedenen Nachfragergruppen entsprechen. Dies macht einen zeitlichen Vorlauf erforderlich, ggf. auch eine Änderung des
Flächennutzungsplanes. In quantitativer Hinsicht muss das marktfähige Wohnbaulandangebot für die
preisdämpfende Wirkung spürbar höher sein als die zu erwartende Nachfrage inkl. Reserve für künftig
nicht vorhersehbare höhere oder veränderte Nachfrage.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt Jena (Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung)
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das wichtigste Instrument, um auf eine erhöhte Wohnungsnachfrage zu reagieren, ist die Ausweitung
des Angebots. Die Ausweisung von Wohnbauland ist dabei eine notwendige Voraussetzung, insofern ist
das Instrument grundsätzlich sehr gut geeignet, um die Ziele des Handlungsfeldes zu erreichen. Ist das
Angebot groß genug, so stellen sich auch mietpreisdämpfende Folgen ein.
Effekt/Wirkung:
Die bisherige Bauleitplanung der Stadt Jena ermöglicht aktuell ein umfangreiches Angebot an Wohnbauflächen unterschiedlicher Qualitäten. Wie die Prognosen der Wohnbauflächenbilanz jedoch zeigen,
sind aufgrund der wachsenden und sich verändernden Nachfrage mittel- bis langfristig die ausgewiesenen Flächen nicht mehr ausreichend. Die aktuell ansteigenden Grundstückspreise deuten auf Knappheitspreise hin.
Aufgrund der Tallage der Stadt Jena und einer relativ geringen Anzahl an Baulücken kommt bei der
Neubauflächen-Ausweisung vor allem der Umnutzung zum Beispiel von Kleingartenflächen eine große
Rolle zu. Dabei wird allerdings die Entwicklung von Ersatzgartenflächen notwendig, wodurch zusätzliche
Kosten entstehen. Aufgrund der besonderen Topographie Jenas - auf der einen Seite Hochwasserlagen,
auf der anderen Seite Steillagen - stellen die Erschließungskosten neuer Flächen ein erhebliches Vermarktungshindernis dar. Eine umfangreichere Ausweisung auf den Hochflächen und in den ländlichen
Ortsteilen entspricht nicht dem Leitbild einer kompakten Stadt, aber auch nicht dem überwiegenden Teil
13
der zu erwartenden Nachfrage. Zentral ist daher die planungsrechtliche Ausweisung der bereits identifizierten Potenzialflächen. Im Sinne einer offensiven Angebotspolitik sind jedoch langfristig weitere Flächen erforderlich, insbesondere um eine preisdämpfende Wirkung zu erzielen, die wiederum relativ
günstige Neubaumieten bzw. Kaufpreise ermöglicht.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Bezüge zu Potenzialen der Nachverdichtung (HF 1.2) sowie zu Wirkungen weiterer baulandpolitischer
Instrumenten der Erschließung (HF 1.4 und HF 1.5) und Vermarktung (HF 1.7 und HF 1.8)
Zeitlich:
Offensive Ausweisung hat mittel- bis langfristige Wirkungen
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterne, keine externen Kosten, günstige Kosten-Nutzen-Relation
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Deutschlandweit gute Erfahrungen mit Instrument auf Wohnungsmärkten mit Anspannungstendenz
(z. B. Magdeburg, Braunschweig)
Priorität:7
niedrig
7
mittel
hoch
Dieses Instrument ist von besonders hoher Bedeutung, weil es grundlegend für die weiteren Instrumente ist.
14
Aktivierung von Baulücken, Nachverdichtung in Bestandsquartieren
HF 1.2
Art des Instruments:
Schaffung planerischer Voraussetzungen mit Instrumenten der Bauleitplanung (städtebauliche Rahmenpläne, Quartierskonzepte, Bebauungspläne) und konsensuale Verfahren
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel ist es, Wohnungsbauflächen durch Innenentwicklung zu gewinnen. Da teilweise bereits Baurecht
besteht und oft die Erschließung gegeben ist, ist eine rasche und kostengünstige Entwicklung möglich.
Nebenziele sind die Entwicklung städtebaulich kompakter Strukturen, die Verbesserung des Stadtbildes
und die Schaffung eines urbanen Stadterlebnisses.
Voraussetzung:
Um eine stärkere Bodenmobilität bzw. Bebauung zu erreichen, müssen typische Hemmnisse von Innenentwicklungen überwunden werden, wie z. B. nicht wohnbezogene Nutzungsvorstellungen der Eigentümer (Garten oder Parken), überhöhte Kaufpreisvorstellungen der Alteigentümer, Verlust kleinräumiger
Grünbereiche, Auswirkungen auf das Mikroklima, hohe Problemkomplexität (Altlasten, Erschließung,
Nutzungskonkurrenz etc.) oder fehlende Akzeptanz in der Nachbarschaft. Dies macht eine entsprechende Ansprache und Aktivierung von Eigentümern bzw. Investoren erforderlich, verbunden mit einer
positiven Grundstimmung zur Stadtentwicklung.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt Jena (Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung), Wohnungsunternehmen
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Baulücken-Aktivierung und Nachverdichtung sind in Abhängigkeit der vorhandenen Potenziale grundsätzlich gut geeignete Instrumente zur Gewinnung zusätzlicher Wohnbaustandorte, da häufig nach § 34
BauGB bereits Baurecht gegeben ist, was eine Vermarktung erleichtert. Allerdings ist oft auch eine
Änderung des Baurechtes (Baulinien, Bebauungsdichte oder Ähnliches) oder teilweise eine Bodenneuordnung oder auch Anpassung der Erschließung erforderlich. Dies kann mit Instrumenten der Bauleitplanung (insbesondere nach § 13a BauGB "Bebauungspläne der Innenentwicklung") forciert werden.8
Vorteile der Nachverdichtung sind eine bessere Grundstücksausnutzung und Schaffung moderner, nachgefragter Wohnungsstandards und Grundrisse. Geht jedoch die Nachverdichtung mit einer Anpassung
des vorhandenen Bestandes einher, kann dies gerade in ausgeglichenen Wohnungsmärkten problematisch werden, wenn dadurch ein kostenintensiver Freizug erforderlich wird. In der Regel ist dann damit
auch eine Verringerung des preiswerten Wohnraums verbunden.
Die Anwendung bauleitplanerischer Instrumente ist zwar eine notwendige Voraussetzung zur Förderung
von Baulücken-Aktivierung und Nachverdichtung, indem die Rahmenbedingungen für die Bebauung verbessert werden, aber sie ist nicht hinreichend. Wesentlich sind auch kommunikative und wohnungswirtschaftliche Ansätze, die Eigentümer von der Sinnhaftigkeit einer Nachverdichtung zu überzeugen, was
eine entsprechende offensive Information und Beratung seitens der Stadtverwaltung erforderlich macht.
8
Vgl. Forum Baulandmanagement NRW (Hrsg.): Flächenmanagement im Innenbereich, Dortmund 2012.
15
Eine stärkere Aktivierung der Innenbereichspotenziale kann nur durch die Kombination von Planung und
Beratung erreicht werden.
Effekt/Wirkung:
Aufgrund der beschränkten Möglichkeiten der Außenentwicklung von Jena (s. HF 1.1) sowie der negativen Folgen des Landschaftsverbrauchs müssen für die wachsende Nachfrage die Potenziale der Innenentwicklung genutzt werden. Die Aktivierung von Baulücken hat in den vergangenen Jahren marktseitig
bereits in gewissem Maße stattgefunden, Nachverdichtung hingegen weitgehend nicht. Könnten die
Baulücken um ein Drittel stärker aktiviert werden als bisher, würde dies bis 2030 zu einem zusätzlichen
Flächenpotenzial für ca. 150-200 Wohneinheiten führen. Der quantitative Effekt dieses Instruments ist
in Jena also begrenzt, hat jedoch eine hohe strategische Bedeutung.
Potenziale für eine Nachverdichtung bieten vor allem die Siedlungen der 30er- und 60er-Jahre sowie
einige umnutzbare Standorte (u. a. innerstädtische Klinikums-Standorte). Konkret mögliche Volumina
können derzeit jedoch noch nicht benannt werden, weil entsprechende Untersuchungen noch fehlen.
Da dieses Instrument in Jena bisher wenig genutzt wurde, ist die Akzeptanz bei Eigentümern und in
den Nachbarschaften relativ gering. Entsprechend bedarf es hier einer umfassenden Kommunikation
vor allem mit den großen Wohnungsunternehmen zur städtebaulichen und wohnungswirtschaftlichen
Sinnhaftigkeit der Nachverdichtung. Diese muss ab einem gewissen Zeitpunkt auch öffentlich geführt
werden, um Ängste und Befürchtungen der betroffenen Nachbarschaften aufzunehmen.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Baulandkataster (HF 1.8), Kooperation und Kommunikation (HF 7.1)
Zeitlich:
Einerseits kurzfristige Erfolge möglich, da Baurecht vorhanden, andererseits nur langfristige Umsetzung
möglich bei hoher Problemkomplexität
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterne, keine externen Kosten, günstige Kosten-Nutzen-Relation
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
In den vergangenen Jahren hat es bundesweit einen starken Trend zur Nutzung von Innenpotenzialen
gegeben mit entsprechend vielfältigen, gelungenen Beispielen. Die Probleme der Umsetzung sind grundsätzlich ähnlich denen in Jena, die Erfolgsquote ist vor allem abhängig vom Flächenpotenzial und dem
Willen der Akteure.
Priorität:9
niedrig
9
mittel
hoch
Dieses Instrument ist von besonders hoher Bedeutung, weil es grundlegend für die weiteren Instrumente ist.
16
Mittel für die äußere Erschließung von Wohnbauflächen und Baulücken
HF 1.3
Innere Erschließung durch städtischen Projektentwickler
HF 1.410
Art des Instruments:
Angebotsorientierte Projektentwicklung, privatrechtliche oder städtebauliche Verträge
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel ist es, durch die Bereitstellung von Mitteln für die äußere Erschließung von Wohnbauflächen und
Baulücken und/oder die innere Erschließung durch einen städtischen Projektentwickler Wohnbauflächen
zu mobilisieren, die aktuell zwar planungsrechtlich ausgewiesen sind, aber aufgrund der Eigentümerstruktur und/oder fehlender Erschließung nicht vermarktet werden können.
Voraussetzung:
Planungsrechtlich ausgewiesene Wohnbauflächen, personelle und fachliche Kapazitäten für Projektentwicklungen, abgestimmte Entwicklungsziele, Vorfinanzierung
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt Jena (KIJ, KSJ, Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung)
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Die Finanzierung und Herstellung von äußerer und innerer Erschließung von Wohnbauflächen sind eine
typische Aufgabenstellung von Projektentwicklern und Bauträgern. Übernimmt die Stadt oder ihr Eigenbetrieb diese Aufgaben, so tritt sie in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen und kommt
damit in eine kommunalrechtliche Grauzone. Deswegen muss deutlich werden, dass bei einer kommunalen Projektentwicklung die Bedeutung des öffentlichen Interesses die Bedeutung wirtschaftlicher Tätigkeit deutlich übersteigt. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn Flächen seit vielen Jahren
von privater Hand nicht entwickelt wurden, umfangreiche Bodenordnung notwendig ist sowie eine rasche Entwicklung von gesamtstädtischer Bedeutung ist.
Dabei ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob die zu entwickelnden Flächen in kommunaler oder privater
oder in beider Hand sind und ob die Kommune selber entwickeln oder nur einen Anstoß zur Entwicklung
geben will. Vor diesem Hintergrund sind unterschiedliche Handlungsansätze möglich.11 Neben der eigengesteuerten Maßnahme der Kommune, in der sie im Sinne einer Angebotsplanung die vollständige
Erschließung der Fläche betreibt, sind auch kooperative und bilaterale Formen möglich. Hierzu gehören
Kooperationsmodelle, städtebauliche Verträge oder auch die Zusammenarbeit mit einem Projektentwickler-Pool bestehend aus privaten Unternehmen.
Die kommunale Entwicklung von Flächen – die im Bereich der Gewerbeflächen weit verbreitet ist – ist
stets mit einem wirtschaftlichen Risiko verbunden. Wenn nicht ein sofortiger Verkauf absehbar ist, bedeutet Entwicklung stets eine Vorfinanzierung, die mittelfristig im Rahmen des Sondervermögens, eines
10
11
Die beiden Instrumente sind hinsichtlich ihrer Struktur, Handlungsansätze und Ziele weitgehend identisch und werden daher
zusammenfassend behandelt.
Zur Kategorisierung siehe H.-U. Uehlecke: Entwicklung von Brachflächen in Essen, in: Forum Baulandmanagement NRW
(Hrsg.): Flächenmanagement in Nordrhein-Westfalen: Erfahrungen und Perspektiven, Dortmund 2009.
17
Grundstücksfonds oder eines direkten Zuschusses aus dem Haushalt refinanziert werden muss. Auf der
anderen Seite besteht durch die kommunale Entwicklung die Möglichkeit, mit der Erschließung städtebauliche Qualitäten zu schaffen, die mit städtebaulichen oder privatrechtlichen Verträgen nur schwer
erreichbar wären.
Effekt/Wirkung:
In Jena bestehen mit dem Kommunalservice Jena (KSJ) für die äußere Erschließung und den kommunalen Immobilien (KIJ) für die innere Erschließung zwei Institutionen bereit, die die Finanzierung und
Erschließung übernehmen können. Die Schaffung einer eigenen Entwicklungsgesellschaft ist also nicht
erforderlich. Zudem werden aktuell eine Reihe von Standorten in Jena durch private Projektentwickler
vermarktet.
Zusätzliche Erschließungsleistungen durch KIJ bzw. KSJ wären dann sinnvoll, wenn in den übergeleiteten Bebauungsplänen zum Beispiel in Jena-Ost die aktuellen Eigentümerstrukturen eine Entwicklung
verhindern. Solche Standorte wären vorab ebenso zu prüfen wie die Frage, ob Teilleistungen auch in
Kooperation mit Privaten erbracht werden können. Im Ergebnis ist also auch ein Mix aus kooperativbegleitenden und eigenen Maßnahmen denkbar.
Bezug zu anderen Instrumenten:
HF 2 KIJ
Zeitlich:
Kurz- bis mittelfristig
Kosten/Effizienz:
Je nach Umsetzungsgrad hoher personaler Aufwand, großer Finanzierungsbedarf, gewisses wirtschaftliche Risiko, bei Erfolg jedoch günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Vor allem im Bereich Gewerbeflächen in unterschiedlichen Formen weit verbreitet, im Bereich Wohnbaufläche die Ausnahme
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
18
Aktive Liegenschafts- und Bodenvorratspolitik
HF 1.5
Art des Instruments:
Anreizinstrument für eine angebotsorientierte Strategie
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel ist eine aktive und offensive Teilnahme der Kommune am Grundstücksmarkt durch Kauf und Verkauf
von Liegenschaften. Im wohnungspolitischen Sinne steht dabei weniger die Einnahmenerzielung im
Vordergrund als die Steuerung des Grundstücksmarktes zur Verfolgung versorgungs- und stadtentwicklungspolitischer Ziele und Strategien. Ziel ist es hierbei, ein ausreichend großes Angebot vorzuhalten,
um so Bodenspekulation und Knappheitspreise zu verhindern. Neben der Angebotsausweitung kann
also eine dämpfende Wirkung auf die Preisentwicklung erreicht werden, was wiederum günstigere Neubaupreise und günstigere Mieten ermöglicht.
Damit die Kommune auch langfristig handlungsfähig ist, ist eine strategische Bodenvorratspolitik erforderlich, mit der auch für die Zukunft Grundstücke für die Wohnbebauung gesichert werden können.
Dies betrifft insbesondere Grundstücke ohne aktuelles Planungsrecht, die aber langfristig der Stadtentwicklung dienen sollen. Der Ankauf von Flächen kann sowohl mit dem Ziel erfolgen, diese perspektivisch
selber zu entwickeln oder im Sinne eines Zwischenerwerbs später wieder zu veräußern. Dies kann auch
einhergehen mit der Sicherung von Gemeinbedarfsflächen.
Voraussetzung:
Erforderlich sind finanzielle Mittel zur Vorfinanzierung durch die Kommune oder die Etablierung eines
Grundstücksfonds. Notwendig ist eine Abstimmung zwischen Liegenschaftseigentümer und Stadtplanung über die Auswahl der zu entwickelnden Flächen. Diese stellt auch die Grundlage für eine systematische Portfoliobewirtschaftung dar.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt Jena (KIJ, Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung, Fachbereich Finanzen)
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Die planerische Ausweisung von Wohnbauflächen allein garantiert noch keine Marktverfügbarkeit. Indem die Kommune offensiv am Grundstücksmarkt-Geschehen teilnimmt, kann sie diesen stark beeinflussen (mehr Bodenmobilität, Verhinderung von Knappheitspreisen, Anstoß von Entwicklungsprozessen).12 Hierbei geht es nicht um größere Mengeneffekte, sondern um eine strategische Option und mehr
Handlungsspielräume für die Stadtentwicklung. Möglich bzw. notwendig ist die Abschöpfung der Bodenwertsteigerungen zur langfristigen Refinanzierung des Immobilienvermögens.
Effekt/Wirkung:
Vor dem Hintergrund einer aktuell regen Marktsituation mit entsprechender Preisdynamik sowie eines
langfristig nicht ausreichenden Angebotes an ausgewiesenen Wohnbauflächen ist eine aktive Rolle der
Stadt Jena am Grundstücksmarkt sinnvoll. Um diese Rolle dauerhaft ausfüllen zu können, ist eine langfristige Bodenvorratspolitik erforderlich, weil die Stadt derzeit nicht über ausreichend eigene Flächen
12
Vgl. hierzu ausführlich: H. Dieterich: Bauland gesucht - Was kann kommunales Bodenmanagement leisten? in: BundesBauBlatt
1/99, S. 22 ff.
19
verfügt. Hierzu gehört auch der Erwerb von Flächen, die derzeit noch nicht planerischen Prozessen
unterliegen, aber strategisch für die Stadtentwicklung bedeutend werden können.
Um den Haushalt der Stadt nicht laufend zu belasten, sollte die Finanzierung des Grundstücksportfolios
revolvierend erfolgen. Dies setzt zwar eine gewisse Mindestnachfrage am Grundstücksmarkt voraus,
was in Jena jedoch gegeben ist.
Im Sinne einer eher kurzfristigen Bodenpolitik kann der Aufkauf von Potenzialflächen zweckmäßig sein,
die aufgrund von Hemmnissen (Eigentümerstruktur, fehlende Erschließung o. ä.) derzeit dem Markt
nicht zur Verfügung stehen, um diese schneller zu entwickeln und an den Markt zu bringen.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts dürfte aufgrund der rechtlichen Bedingungen (nach §§ 24 und 25
BauGB), die daran geknüpft sind, sowie des vorhandenen Flächenangebotes in Jena nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen, außer in Bezug auf Gemeinbedarfsflächen.
Bezug zu anderen Instrumenten:
HF 1.6 gezielte Vergabe städtischer Grundstücke
Zeitlich:
Mittel- bis langfristig wirksam
Kosten/Effizienz:
Je nach Umfang ist ein hoher finanzieller Mitteleinsatz erforderlich, der jedoch zunehmend refinanziert
werden kann; hierbei besteht auch die Möglichkeit Überschüsse oder strategischen Nutzen (Wohnungsversorgung, Stadtentwicklung) zu erzielen. Es besteht ein gewisses wirtschaftliches Risiko, bei Erfolg
jedoch auch ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis.
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Markantestes Beispiel für kommunale Bodenbevorratungspolitik ist seit über 100 Jahren die Stadt Ulm,
wo aufgekaufte Flächen tlw. erst nach Jahrzehnten an den Markt gebracht werden.
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
20
Gezielte Vergabe städtischer Grundstücke (Konzeptvergabe)
HF 1.6
Art des Instruments:
Angebotsorientiertes Steuerungsinstrument, Vergabeverfahren, städtebauliche Verträge
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Mit der Konzeptvergabe soll ökonomisch weniger potenten Investoren oder Gruppen/Personen die Möglichkeit gegeben werden, städtebaulich oder wohnungspolitisch wichtige Projekte zu realisieren, indem
beim Grundstücksverkauf nicht nur der Kaufpreis, sondern auch das Konzept als Vergabekriterium herangezogen wird.
Voraussetzung:
Transparente Vergabe-Kriterien, die möglichst durch Stadtratsbeschluss bestätigt sind; eigenes Vergabegremium
Zuständigkeit/Akteure:
KIJ, Vergabegremium, Stadtrat, Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung, Fachbereich Finanzen
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das Instrument der Konzeptvergabe ist vor allem in angespannten Wohnungsmärkten oder bei sehr
begehrten Grundstücken sinnvoll, weil hier die ökonomische Konkurrenzsituation am stärksten ist. In
schwachen Märkten haben ökonomisch schwächere Käufer in der Regel weniger Probleme, sich am
Markt zu versorgen.
Konzeptvergabe beabsichtigt keine Subventionierung von Privathaushalten durch verminderte, unter
dem Verkehrswert liegende Verkaufspreise. Konzeptvergabe beinhaltet einen Abwägungsprozess zwischen Verkaufspreis und verschiedenen Bebauungskonzeptionen. Wie z. B. in München oder Hamburg
üblich, erfolgt im Vergabeverfahren eine Bewertung aus Angebotspreis und Konzeptqualität.13 In Freiburg hingegen werden die Grundstücke zu Festpreisen an den Anbieter des besten Konzeptes verkauft,
um so den Investoren eine stabile Kalkulationsgrundlage zu bieten.14
Die Konzeptqualität wird vorab durch Kriterien wie städtebauliche Qualitäten, energetische Standards
oder wohnungspolitische Ziele definiert, die vom Stadtrat beschlossen werden. Die Einhaltung der Konzepte wird durch privatrechtliche oder städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB gesichert.
Das Vergabeverfahren führt zu einem Wettbewerb der Ideen, sodass die für die städtische Entwicklung
beste Variante gewählt werden kann. Damit ist das Instrument gut geeignet, gewollte städtebauliche
Qualitäten zu erreichen oder bestimmten Gruppen wie Baugemeinschaften, Wohnprojekten oder sozialen Initiativen die Realisierung von Bauprojekten zu ermöglichen.
13
14
Hierbei wird ein Kriterienkatalog herangezogen, wobei zum Beispiel in München der Kaufpreis maximal 30 % ausmacht (vgl.
Beschlussvorlage des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung der Stadt München vom 01.02.2012).
Vgl. "Kommunales Handlungsprogramm Wohnen in Freiburg", 2013.
21
Effekt/Wirkung:
Trotz eines aktuell ausreichenden Wohnbauflächenangebotes führt die Nachfrageentwicklung und -erwartung zu deutlich steigenden Grundstückspreisen. Damit kommen Investoren mit geringerer Zahlungsfähigkeit oder -bereitschaft weniger zum Zuge, insbesondere bei begehrten zentralen Grundstücken. Vor dem Hintergrund des relativ aufwändigen Vergabeverfahrens ist zu prüfen, ob insbesondere
für die Realisierung städtebaulicher Vorstellungen nicht auch das Instrument des städtebaulichen Wettbewerbs oder städtebauliche Vorgaben in der Ausschreibung ausreichend sind. Die Förderung einzelner
sozialer Gruppen ist hiermit nur bedingt möglich, dafür ist die Konzeptvergabe das geeignetere Instrument. Hier wäre allerdings vorab zu prüfen, ob es in Jena überhaupt ausreichend Gruppen und Initiativen gibt, die sich solch einem Wettbewerb der Ideen stellen würden. Soll nur eine spezielle Gruppe wie
z. B. Baugruppen – ohne Wettbewerb – gefördert werden, so wäre die Anhandgabe des Grundstücks
das geeignete Instrument, denn Baugruppen benötigen relativ lange Vorlaufzeiten für ihre Projektideen
und zugleich die Sicherheit der Grundstücksverfügbarkeit.15
Bezug zu anderen Instrumenten:
HF 2 KIJ, HF 5.1 Unterstützung von Projekten
Zeitlich:
Kurz- und mittelfristig
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterner Zusatzaufwand durch aufwändigeres Vergabeverfahren, ggf. Einnahmeverzicht
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
In Städten mit stark angespannten Märkten wie Hamburg, München oder Freiburg (Breisgau) wird dieses Instrument umfänglich angewendet
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
im Einzelfall oder als Pilotprojekt anwendbar
15
Bei einer Anhandgabe erhält der künftige Käufer Zeit, notwendige Details zur Bebaubarkeit und Finanzierung seines Vorhabens vor Abschluss des Kaufvertrages zu klären. Zugleich wird das Grundstück innerhalb des Anhandgabezeitraums keinem
anderen Interessenten angeboten. Zu den Spezifika von Baugruppen siehe HF 5.1.
22
Initiative für mehr (geförderten) Neubau
HF 1.7
Art des Instruments:
Information und Beratung, Moderation
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel ist es, die Vermarktung zu verbessern und zu mehr Neubauten anzuregen, um so die erforderlichen
Mengeneffekte zu erreichen. Hierzu sollen die "weichen" Hemmnisse der Wohnbauflächenentwicklung,
die vor allem auf einem Informations- und Entscheidungsdefizit beruhen, abgebaut werden. Dadurch
sollen mehr Fakten und Transparenz zum Wohnungsmarkt und zur Wohnungsbauförderung vermittelt
werden, damit die Investoren auf fundierter und gesicherter Basis entscheiden können. Darüber hinaus
soll angeregt werden, die finanziellen Mittel der sozialen Wohnraumförderung stärker zu nutzen, um so
insgesamt in Jena mehr zu bauen. Im Ergebnis der Beratung können neue Partner für wohnungspolitische oder städtebauliche Projekte gewonnen werden.
Voraussetzung:
Notwendig ist eine kompetente Anlaufstelle für Information und Beratung inkl. der Möglichkeit, Investitions- und Rentabilitätsberechnungen mit und ohne Förderung durchzuführen. Zentral ist eine Förderpolitik des Freistaates Thüringen mit Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, die auch im
Wohnungsmarkt Jena funktionieren (vgl. HF 5.1).
Zuständigkeit/Akteure:
Offen, in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung, Dezernat IV - Team
Wohnen
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Entwicklungen von lokalen Wohnungsmärkten sind auch im Internet-Zeitalter zumeist für die Akteure
nicht ausreichend transparent, hinzu kommen häufig irrationale Einschätzungen und Entscheidungsgründe. Für die Beförderung der Marktmechanismen sind Informationen und Beratung stets von Vorteil.
So sind z. B. Bauleitplanung und Wohnungsmarktmonitoring Instrumente, deren Wirkung wesentlich
gesteigert werden kann, wenn die Erkenntnisse hieraus offensiv und breit kommuniziert werden. Dies
umfasst regelmäßige Information der Marktakteure, direkte Gespräche mit ihnen sowie unterschiedliche
Foren zur Entwicklung von Standorten bis hin zum Initiieren bzw. Begleiten von modellhaftem Bauen
wie z. B. Baugemeinschaften oder -genossenschaften.
Der Kommunikationsprozess besteht dabei aus vier ineinander übergehenden Ebenen, und zwar Information, Beratung, Abstimmung und Kooperation, die von einem zunehmenden Grad des gegenseitigen
Austausches gekennzeichnet sind. Insgesamt ist es für eine aktive Stadtentwicklung grundsätzlich von
Vorteil, so viele verschiedene Akteure wie möglich einzubinden, mit den Ebenen nimmt aber der Zeitund Arbeitsaufwand erheblich zu.
23
Effekt/Wirkung:
In Jena können drei wichtige anzusprechende Gruppen benannt werden16, und zwar
die organisierte Wohnungswirtschaft; hier gibt es bereits seit vielen Jahren den Arbeitskreis Wohnungswirtschaft als Plattform,17
institutionelle Projektentwickler und private Großvermieter; hier hat es in der Vergangenheit lose,
einzelne Kontakte seitens der Stadtplanung gegeben, die zu informellen Runden ausgebaut werden könnten,
private, semi-professionelle Kleineigentümer und Kleinvermieter, die aktuell zum Teil durch Haus
& Grund e. V. vertreten sind.
Empfehlenswert ist es, mit den Gruppen einzeln in Kontakt zu treten, da sie Konkurrenten sind und
unterschiedliche Gesprächskulturen pflegen. In diesen informellen Runden sollte es zuerst um Information und gegenseitigen Austausch zu Wohnbauland- und Wohnungsmarktentwicklungen gehen. Darauf
aufbauend können dann auch Abstimmungen zu Strategien und Zielen bis hin zur Vereinbarung von
Kooperationen erfolgen. Darüber hinaus ist abzuwägen, ob bei den Projektentwicklern und Investoren
die heimischen Ansprechpartner ausreichen, oder ob auch überregionale Akteure angesprochen werden
sollten. Mit den Internetseiten der Stadt Jena zum Thema Leben in Jena/Wohnen und Bauen besteht
bereits eine gute Plattform, die weiter ausgebaut werden kann. Die Ansprache und Initiierung von
Selbstnutzergruppen und Baugemeinschaften wird im Handlungsfeld 5.1 näher angesprochen.
Die Beratungsleistungen können auch Informationen zu den Möglichkeiten der sozialen Wohnraumförderung im Freistaat Thüringen umfassen. Die derzeitigen Förderbedingungen insbesondere für den Neubau sind jedoch problematisch und eher auf die thüringischen Mittelstädte denn auf die Großstädte
zugeschnitten. Dies kann mit der Abbildung vereinfacht verdeutlicht werden, die den Zusammenhang
von Projekten, die sowohl freifinanzierten als auch geförderten Mietwohnungsbau umfassen, darstellt:
So kann in angespannten Wohnungsmärkten eine fehlende Rentabilität bei sozial gefördertem
Neubau durch freifinanzierten Neubau ausgeglichen werden; Investoren sind trotzdem bereit,
geförderten Wohnungsbau zu errichten.
In schwachen Wohnungsmärkten ist frei finanzierter Wohnungsbau nur in Ausnahmefällen rentabel, entsprechend findet Neubau fast nur auf gefördertem Wege statt. Dies ist ausdrückliches
Ziel des Innenstadtstabilisierungsprogramms des Freistaats Thüringen.
In knappen Märkten ist die Rentabilität im frei finanzierten Bereich nicht so groß, dass Förderlücken ausgeglichen werden können. Entsprechend muss in beiden Segmenten eine Rentabilität
erreicht werden, sonst ist keine Gesamtrentabilität gegeben.
16
17
Als vierte wären auch noch Initiativen zu Wohnprojekten und Baugemeinschaften zu nennen, die aufgrund ihrer besonderen
Spezifik im Handlungsfeld 5.1 behandelt werden.
Zu die Möglichkeiten der Weiterentwicklung dieses Gremiums siehe Handlungsfeld 7.
24
Eine Kombination von frei finanziertem und sozial gefördertem Wohnungsbau wird auch gelegentlich,
wie z. B. in Bremen oder Hamburg praktiziert, mit der Konzeptvergabe (s. HF 1.6) gefordert. D. h. mit
der Grundstücksvergabe wird gefordert, dass ein Teil der Wohnungen (z. B. ein Anteil von 20 bis 25 %)
im sozial geförderten Wohnungsbau errichtet werden muss. Dies kann durch den Käufer alleine oder in
Partnerschaft mehrerer Investoren erfolgen. Durch die Mietpreisbindung ergibt sich bei dem geförderten
Wohnraum auf Wohnungsmärkten wie dem in Jena jedoch eine Differenz zwischen Kostenmiete und
Mietobergrenze, die durch die finanzielle Förderung nicht immer ausgeglichen wird. Die Differenz müsste
also durch den freifinanzierten Neubau mit erwirtschaftet werden. In angespannten Märkten wie München mit durchschnittlichen Neubaumieten von 13,50 €/m2 nettokalt funktioniert dies, da die Gesamtrentabilität immer noch attraktiv ist. In Jena (9,50 €/m2) ist hingegen davon auszugehen, dass die
Rentabilität in einen Grenzbereich kommt und somit für die meisten Investoren unattraktiv wird.18
Hinzu kommt das Problem, dass es sich hierbei um zwei verschiedene Geschäftsmodelle handelt. Bau,
Finanzierung und Vermietung/Verkauf von freifinanzierten (Eigentums-)Wohnungen erfordern andere
Erfahrungen als beim sozialen Wohnungsbau. Daher sind Kooperationen wie zum Beispiel im Bremen
zwischen Bauträger und städtischer Wohnungsgesellschaft eine sinnvolle Vorgehensweise.
Als weiteres Hindernis erweist sich des Öfteren die in den Förderrichtlinien auf über acht Seiten ausformulierten technischen Wohnungsbauförderbestimmungen, die beim Bau zu berücksichtigen sind. Für
viele Investoren ist dies eine zu starke Einschränkung.
Eine stärkere Nutzung von Fördermitteln der sozialen Wohnraumförderung – und eine dadurch induzierte stärkere Neubautätigkeit – kann in Jena nur dann Erfolg haben, wenn die aktuellen Förderbedingungen stärker auf die lokale Wohnungsmarktsituation bezogen werden. Hier sollte durch die Stadt eine
entsprechende Initiative beim Freistaat erfolgen.
Bezug zu anderen Instrumenten:
HF 7 Kooperation und Kommunikation, HF 5.1 Unterstützung zielgruppenorientierter Projekte für bezahlbaren Wohnraum
Zeitlich:
Kurz- und mittelfristig
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterne Personalaufwendungen, Effizienz von der Kooperationswilligkeit der Akteure abhängig
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
In zahlreichen Städten liegen Erfahrungen mit runden Tischen, Gesprächsrunden oder lokalen Bündnissen zu Wohnungsmarktentwicklungen vor. Bei sinkendem Problemdruck ist die Akzeptanz oder Langlebigkeit solche Runden geringer.
Priorität:
niedrig
18
mittel
hoch
Da die Förderprogramme keine absolute Obergrenze für die Miete geförderter Wohnungen festlegen, lassen sich nur einzelfallbezogene Rentabilitätsberechnungen erstellen. Überschlägig kann abgeschätzt werden, dass die Rentabilität der geförderten Wohnung ein bis zwei € je m2/Wohnfläche unter der freifinanzierten liegt.
25
Marketing mit dem Baulandkataster
HF 1.8
Art des Instruments:
Bauleitplanung (§ 200 Abs. 3 BauGB), Marketing
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Die katastermäßige Erfassung von Baulücken im Innenbereich dient zum einen als planerische Grundlage und zum anderen als Vermarktungsgrundlage, um so die Bodenmobilität zu erhöhen sowie zu einer
stärkeren Neubaurate anzureizen.
Voraussetzung:
Umfassende Erhebung und Bewertung von potenziellen Baulückengrundstücken im bebauten Zusammenhang, die regelmäßig aktualisiert wird; EDV-seitig aufbereitete Präsentation der Baulücken unter
Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen (u. a. Zustimmung der Eigentümer)
Zuständigkeit/Akteure:
Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
In Verbindung mit dem Handlungsfeld 1.2 (Aktivierung von Baulücken) stellt die Erfassung und fachliche
Bewertung von Baulücken sowie ihrer Bebaubarkeit bzw. Mobilisierungshemmnisse ein wesentliches
Instrument für eine strategische Innenentwicklung dar. Sehr wichtig ist dabei eine regelmäßige Aktualisierung.
Darauf aufbauend ist eine offensive und regelmäßige Informationspolitik der Stadtverwaltung sinnvoll
zu mehr Informationen über den Grundstücks- und Wohnungsmarkt. Ein öffentlich einsehbares Baulückenkataster - zum Beispiel im Internet – stellt ein geeignetes Instrument dar, Anbieter und Nachfrager
schneller zusammenzubringen. Die Wirksamkeit ist allerdings zum einen dadurch begrenzt, dass mit
dem Kataster nur Informationen gegeben werden dürfen, nicht jedoch aber eine aktive Vermittlung, da
dies eine für die Kommune nicht erlaubte Makler-Tätigkeit wäre. Zum anderen bedarf es bei Veröffentlichungen grundsätzlich der Zustimmung der Eigentümer, was in der Regel dazu führt, dass das veröffentlichte Baulückenpotenzial wesentlich kleiner ist als das tatsächliche. Das Baulückenkataster kann
auch als Basis für ein aktives Zugehen auf die Eigentümer dienen.
Effekt/Wirkung:
Seit 2011 wurde in Jena das Baulückenkataster sukzessive aufgebaut und 2014 online gestellt. Mitte
2014 wurden 500 Baulücken erfasst, auf denen theoretisch 1.250-1.666 Wohneinheiten errichtet werden können. Aufgrund unterschiedlicher Mobilisierungshemmnisse (anderweitige Nutzung, unterschiedliche Eigentümerinteressen etc.) wird das bis 2030 mobilisierbare Potenzial auf 468-631 Wohneinheiten
geschätzt.19 Öffentlich angeboten wurden mit Beginn der Internet-Präsenz 89 Flächen, derzeit sind es
etwas über 50 Flächen. Dies verdeutlicht zum einen die hohe Zurückhaltung der Eigentümer und zum
anderen bereits einen gewissen Vermarktungserfolg, wobei es zu einer laufenden Nachfrage durch private Eigentümer wie auch professionelle Entwickler kommt. Bei einer standortkonkreten Überprüfung
19
Vgl. Analyse & Konzepte: Wohnbauflächenentwicklung in der Stadt Jena 2014.
26
insbesondere hinsichtlich der Erschließungshemmnisse könnte die Zahl veröffentlichungsfähiger Flächen
noch steigen. Sinnvoll ist die Internet-Präsenz auch, weil sich so insbesondere Interessenten von außerhalb Jenas einfach informieren und einen Überblick verschaffen können.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Handlungsfeld 1.2 (Aktivierung von Baulücken)
Zeitlich:
Kurzfristig
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterner Aufwand für Personal und EDV, die derzeit gute Kosten-Nutzen-Relation nimmt bei
sinkender Anzahl an Baulücken ab
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Nicht häufiges, aber relativ gängiges Instrument in einer Reihe von Städten
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
27
Fazit Neubau- und Baulandpolitik
Das Handlungsfeld Neubau- und Baulandpolitik umfasst verschiedene Instrumente der angebotsorientierten Planung, des Anreizes und der Kommunikation, sowohl bezogen auf den Innen- als auch den
Außenbereich, sowie der Ausweisung, Mobilisierung, Entwicklung und Bebauung von Wohnbauflächen.
Die dargestellten Instrumente stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzen sich in unterschiedlicher Weise. Für die Stadt Jena kommt es also vor allem auf den Instrumenten- und Strategiemix an. Ausgangspunkt sollte ein kommunaler Grundsatzbeschluss zur Baulandentwicklung sein,
in dem die Ziele und Strategien, die anzuwendenden Instrumente sowie die dafür erforderlichen Organisationsstrukturen benannt werden.
Aus Sicht der Gutachter kommt dabei der angebotsorientierten Neuausweisung eine zentrale Bedeutung
zu, die wiederum – wenn sie nachhaltig sein soll – einer aktiven Liegenschafts- und Bodenvorratspolitik
bedarf. Ergänzt werden sollte dieser Ansatz um Überplanungen im Innenbereich.
Bei der Entwicklung dieser Flächen sollte eine zweigleisige Strategie verfolgt werden, und zwar zum
einen eine Aktivierung und Entwicklung in eigener Regie (KIJ, s. HF 2), die sich vor allem auf Flächen
mit problematischer Eigentümer- und/oder Erschließungsstruktur bezieht und zum anderen kooperative
Formen mit privaten Entwicklern.
Es ist dabei unabdingbar, mit dem Grundsatzbeschluss und für die einzelnen Instrumente eine umfassende und breite Information der Öffentlichkeit vorzunehmen. Diese sollte Sinn und Notwendigkeit der
Maßnahmen darstellen, aber auch den Zielkonflikt zwischen einer wachsenden Stadt und den Beharrungstendenzen nachbarschaftlicher Einzelinteressen thematisieren. Eine stärkere Beteiligung der wohnungspolitischen Akteure kann zu einer rascheren und umfangreicheren Wohnungsbautätigkeit führen.
HF 1
Neubau- und Baulandpolitik
1.1
offensive Ausweisung von Wohnbauflächen
1.2
Aktivierung von Baulücken, Nachverdichtung
1.3
äußere Erschließung von Wohnbauflächen
1.4
innere Erschließung durch städtischen Projektentwickler
1.5
aktive Liegenschafts- und Bodenvorratspolitik
1.6
Gezielte Vergabepolitik städtischer Grundstücke
1.7
Initiative für mehr (geförderten) Neubau
1.8
Marketing mit dem Baulandkataster
Priorität
28
Handlungsfeld "Kommunale Immobilien Jena"
HF 2
Der Eigenbetrieb Kommunale Immobilien Jena (KIJ) stellt ein zentrales Instrument städtischer Politik
dar. Da KIJ ein breites Aufgabenspektrum wahrnehmen kann, entspricht dies dem Charakter eines
Handlungsfeldes, so dass im Folgenden Instrument und Handlungsfeld zusammengefasst sind.
Wesentlicher Zweck des Eigenbetriebes ist die Bewirtschaftung und Entwicklung von Immobilien. Hierzu
gehört insbesondere die Verwaltung und Sanierung der Bildungs- und Verwaltungseinrichtungen der
Stadt, aber auch Neubau sowie Grundstücksverkauf und -entwicklung.
Im bundesweiten Vergleich gibt es für dieses Aufgabenspektrum eine relativ typische Organisationsstruktur:
a) Das Unternehmen ist eine reine Objektverwaltung, die Instandhaltung und Sanierung der kommunalen Immobilien übernimmt. Diese sind zumeist als Eigenbetrieb organisiert (z. B. Rostock, Potsdam).
b) Verwaltung und Verkauf von Grundstücken erfolgt häufig durch das Liegenschaftsamt, teilweise ist
dies in eine eigene Gesellschaft (GmbH) ausgegliedert.
c) Die Entwicklung von Grundstücken bis hin zum Hochbau erfolgt ganz überwiegend in Form von Gesellschaften (GmbH wie z. B. LESG Leipzig). Besonders verbreitet ist dies bei der Entwicklung von Gewerbeflächen.
Faktisch gibt es auch Mischformen oder im Laufe der Zeit sich wandelnde Aufgabenstellungen. War
beispielsweise der Liegenschaftsfonds Berlin GmbH & Co KG anfänglich nur für den Kauf und Verkauf
von Grundstücken zuständig, so übernimmt er nun auch Entwicklungsaufgaben.
Die Gründe für diese unterschiedlichen Strukturen liegen in der personellen Ausstattung bzw. Verbindung zur Stadt, der Art der Steuerung des Unternehmens, der Finanzierung und insbesondere in der
Absicherung des wirtschaftlichen Risikos.
Der ursprüngliche Aufgabenschwerpunkt von KIJ entspricht dem unter a) beschriebenen Typ, in den
vergangenen Jahren sind jedoch zunehmend Leistungen aus b) und c) hinzugekommen. Im Folgenden
gilt es auszuloten, ob eine Verstetigung oder ein Ausbau dieser Leistungen für die Stadt Jena im wohnungspolitischen Sinne sinnvoll ist.
Verkaufs- und Vergabepolitik
Als Ausgangsbasis verfügt KIJ derzeit über einen Teil des Grundstücksvermögens der Stadt Jena. Verkäufe dienen dabei in erster Linie der Einnahmenerzielung. Der Zweck der Einnahmen ist dabei vielfältig:
Gewinnerzielung für andere Aufgabenbereiche, Rückflüsse in den städtischen Haushalt, Überschüsse für
Bildung von Grundstücksvermögen etc. Neben der Einnahmenerzielung können mit dem Verkauf aber
auch weitere Zielstellungen verbunden sein, wie z. B. städtebauliche Ziele, wohnungspolitische Ziele,
ökologische Ziele, kulturelle Ziele oder Vermögensbildung. Hierzu gehört auch die Konzeptvergabe gemäß Handlungsfeld 1.6.
Entscheidend ist hierbei, dass aus kommunalrechtlicher Sicht die Preisbildung, von einigen Ausnahmen
abgesehen, an den Verkehrswert als Mindestpreis gebunden ist und aus kaufmännischer Sicht am Maximum des am Markt erzielbaren. Die Abwägung der genannten verschiedenen Ziele kann jedoch dazu
führen, dass die Preisbildung sich nicht an dem am Markt erzielbaren Preis orientiert, sondern zugunsten
29
der anderen Zielstellungen Erlösschmälerung in Kauf genommen werden. Dieser Abwägungsprozess
kann jedoch im Sinne einer Stadtrendite (s. Kasten) sinnvoll erfolgen, was letztendlich auch den Vorrang
kommunalwirtschaftlichen Handelns gegenüber einem privatwirtschaftlichen rechtfertigt.
Wichtig ist hierbei eine "transparente Liegenschaftspolitik" wie sie z. B. der Liegenschaftsfonds Berlin
wie folgt definiert hat: "Mit dem Konzept der "Transparenten Liegenschaftspolitik" hat Berlin umfassende
Leitlinien für den Umgang mit landeseigenen Immobilien definiert. Ziel ist eine nachhaltige Stadtentwicklungspolitik, die neben fiskalischen vor allem auch wirtschafts-, wohnungs-, kultur- und stadtentwicklungspolitische Schwerpunkte setzt."
Stadtrendite
Der Begriff der Stadtrendite tauchte vor gut zehn Jahren in der Debatte um die
Privatisierung kommunaler Wohnungsunternehmen auf. Er stellt die Gegenthese zu
der Behauptung auf, private Wohnungsunternehmen würden eine höhere Rendite
erzielen als kommunale. Diese These stellt dar, dass Kommunalunternehmen in aller
Regel zusätzliche Kosten – und damit eine niedrigere Rendite – haben, weil sie zusätzliche Aufgaben übernehmen im Bereich sozialer, kultureller und städtebaulicher
Leistungen, mit denen die Lebensqualität und die Lebenschancen in einer Stadt und
ihre Attraktivität steigen würden. Dieser Zusatznutzen wird als Stadtrendite bezeichnet. Nicht gemeint ist hingegen unwirtschaftliche Verlustprojekte durchzuführen und
auf Rendite zu verzichten. Mit diesem Zusatznutzen wird das Vorhandensein und
wirtschaftliche Handeln kommunaler Unternehmen begründet.
Ankaufspolitik
Sollen die Verkäufe nicht nur eine kurzfristige Verwertungsstrategie darstellen, so ist auch eine Ankaufspolitik erforderlich, und zwar zum einen kurzfristig bei akutem Handlungsbedarf und zum anderen langfristig als aktive Bodenbevorratungsstrategie, die Bauland und Bauerwartungsland umfasst.
Die Aufgabe einer aktiven Liegenschafts- und Bodenvorratspolitik – wie in Handlungsfeld HF 1.5 beschrieben – erfordert ein langfristig orientiertes, strategisches Flächenmanagement. Dies ist für Gemeinbedarfsflächen unabdingbar, kann aber auch auf Wohnbauflächen angewendet werden. Im Sinne einer
Portfoliosteuerung muss geklärt werden, welche Flächen können kurzfristig verkauft werden, bei welchen sind noch Vorleistungen erforderlich, wie viele Flächen können zeitgleich auf den Markt gebracht
werden, welche Flächen werden langfristig benötigt, welche können entwickelt werden. Gekauft werden
sollten Flächen für kommunale Nutzungen, aber auch als Zwischenerwerb. Damit wird deutlich, dass
Ankäufe nicht immer aktuell zweckgebunden sein müssen, sondern auch strategisch angelegt sein können, ohne dabei spekulativ zu werden. Dies erfordert eine enge Abstimmung mit dem Fachbereich
Stadtentwicklung/Stadtplanung.
Eine strategische Ankaufspolitik erfordert für KIJ einen breiten Handlungsspielraum, um sowohl bei
Handlungsbedarf als auch bei "günstiger Gelegenheit" rasch reagieren zu können, denn bei Grundstücksgeschäften ist auch langer Atem erforderlich. Darüber hinaus sollte über Art und Zweck der Grundstücksankäufe Vertraulichkeit herrschen, um Blockaden oder Spekulationen zu verhindern. Somit ist
auch für die Ankaufspolitik ein nicht-grundstückskonkreter kommunalpolitischer Grundsatzbeschluss erforderlich.
30
Um eine langfristige Bodenbevorratung vornehmen zu können, bedarf es entsprechender Finanzierungsmöglichkeiten. Dadurch, dass der Eigenbetrieb ein Sondervermögen der Stadt darstellt, ist hiermit bereits ein Weg der Finanzierung aufgezeigt. Ein zweiter Weg ist die Refinanzierung aus den Verkäufen.
Denkbar wäre auch die Gründung eines eigenen Grundstücksfonds als eigenes Sondervermögen. Dieser
hätte den Vorteil einer zweckgebundenen Mittelverwendung, was aber zugleich auch sein Nachteil ist,
da innerhalb der KIJ flexibler gesteuert werden kann.20
Eigene Projektenwicklung
Soll KIJ in stärkerem Umfang selber Wohnbauflächen erschließen und entwickeln (s. Handlungsfeld 1.3
und 1.4), so entsteht zur Privatwirtschaft eine deutlich stärkere Konkurrenzsituation. Entsprechend ist
eine Begründung für das kommunale Handeln besonders wichtig. Auch hier sollte das Prinzip der Stadtrendite angewendet werden, d. h. gegenüber dem privatwirtschaftlichen Bauträgergeschäft muss ein
Zusatznutzen erkennbar sein. Dieser kann zum Beispiel darin liegen, dass kommunalpolitisch gewünschte städtebauliche oder ökologische Anforderungen von Privaten nicht realisiert würden oder dass
Flächen aufgrund zersplitterter Eigentümerstruktur oder divergierender Eigentümerinteressen nicht auf
dem Markt kommen und dass das Flächenangebot daher zu knapp werden könnte.
Damit die Projektentwicklung kostengünstig durchgeführt werden kann, benötigt KIJ Personal mit entsprechender Qualifikation bzw. muss über gute Kooperationen zu privaten Unternehmen verfügen. Damit entsprechende Erfahrungen und auch Auslastungen erzielt werden können, bedarf es einer relativ
regelmäßigen Projektentwicklung – alle paar Jahre nur ein Projekt zu realisieren, ist nicht ökonomisch.
Des Weiteren setzt Projektentwicklung ein hohes Maß an Steuerung und Kontrolle der Prozesse voraus.
Hierzu gehört auch ein Risikomanagement, da die mitunter sehr hohen Entwicklungskosten, die stets
Vorfinanzierungen darstellen, Kostenrisiken darstellen und Vermarktungsrisiken nicht ausgeschlossen
werden können.
Priorität:
niedrig
20
mittel
hoch
Zu den verschiedenen Möglichkeiten der (Re)Finanzierung siehe ausführlich: Forum Baulandmanagement NRW (Hrsg.): Arbeitshilfe Baulandbereitstellung: der Zwischenerwerb als Weg des Baulandmanagements; Dortmund 2002; vgl. auch Forschungsprojekt "Praktizierte Flächenmanagement in der Region Freiburg", Freiburg 2010.
31
Handlungsfeld "Altersgerechte Anpassung des Bestands und Quartiers"
HF 3
Im Selbst- und Außenbild ist Jena eine junge Stadt, vor allem geprägt durch die Hochschulen. Auch
faktisch ist der Anteil an Senioren (65 Jahre und älter) im Vergleich zu anderen ostdeutschen Städten
mit 21% unterdurchschnittlich. Nichtsdestotrotz sind Senioren eine wichtige Nachfragergruppe, vor allem wird laut Bevölkerungsprognose 2014 ihre Zahl bis 2030 um rd. 15% oder 3.200 Senioren zunehmen.
Entscheidend ist jedoch, dass dieser Anstieg ausschließlich im Bereich der älteren Senioren ab 80 Jahren
stattfindet. Hier steigt die Zahl von 5.200 (2013) auf rund 8.500 im Jahr 2030 an. Dies ist insofern von
Bedeutung, weil in dieser Altersgruppe die Pflegebedürftigkeit erheblich zunimmt. So ist ausgehend von
aktuell rd. 2.000 pflegebedürftigen Senioren 2011 (ambulant und stationär, ohne Pflegegeld) ein Anstieg
bis 2030 um rd. 1.000 zu erwarten.21 Rd. 60% werden davon zu Hause gepflegt, entsprechend wird das
altersgerechte Wohnen eine wichtige Aufgabe werden.
Es muss aber nicht erst zum Pflegefall kommen, sondern es können auch einfache körperliche Einschränkungen sein, die den Alltag und das Verbleiben in der eigenen Wohnung stark einschränken bzw.
unmöglich machen können. Viele – aber bei weitem nicht alle – Senioren benötigen also altersgerechten
Wohnraum. Altersgerecht meint dabei ein barrierearmes Wohnumfeld, wobei sich barrierearm nicht nur
auf Schwellen und Stufen bezieht, sondern auch Orientierung und Sicherheit erleichtern soll. Damit soll
eigene Mobilität ebenso ermöglicht werden wie soziale Teilhabe und wohnortnahe Versorgung. Es bedarf also einer altersgerechten Wohnung und eines altersgerechten Umfeldes, das somit "vom Bad bis
zum Bahnhof" reicht.22
Für die Schaffung altersgerechten Wohnraums ergeben sich drei Handlungsansätze:
Der wichtigste Ansatz ist die Anpassung des vorhandenen Wohnungsbestandes, und zwar zum
einen, weil die Bewohner ganz überwiegend in ihrer bisherigen Wohnung oder in ihrem bisherigen
Wohnquartier verbleiben wollen. Zum anderen können bauliche Maßnahmen auch sehr kleinteilig
und individuell angepasst und damit relativ kostengünstig vorgenommen werden. In der Praxis
bewährt haben sich hierfür die technischen Mindeststandards der Kreditanstalt für Wiederaufbau,
die auch ihrem Förderprogramm zu Grunde liegen.23
Ist die altersgerechte Wohnraumanpassung aus bautechnischen Gründen besonders ungünstig
oder teuer, so kann es sinnvoll sein, in Quartieren, in denen viele Senioren wohnen, ergänzend
altersgerechten Neubau zu errichten. Dies kann auch durch Nachverdichtung erfolgen (s. HF 1.2),
ein gutes Beispiel hierfür bietet die Gewoba Bremen.
Da sich auch bei den Senioren zukünftig die Wohnungsnachfrage weiter differenzieren wird, zeigen die Vermarktungschancen für neue, zusätzliche und/oder innovative Wohnformen. Sie reichen vom Service-Wohnen über die Seniorenresidenz bis hin zum Mehrgenerationenwohnhaus.
21
22
23
Zur Herleitung vergleiche den Wohnstadt-Ordner Kapitel B 4.2.
Vgl. hierzu ausführlich: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): "Altersgerecht umbauen – Mehr
Lebensqualität durch weniger Barrieren", Berlin 2013.
S. Anlage zum Merkblatt der KfW Förderprogramme Altersgerecht Umbauen, Kredit (159) und Investitionszuschuss (455) Technische Mindestanforderungen, Stand 20/2014.
32
Alle zusammen stellen eine sinnvolle Bereicherung des Wohnungsangebotes dar, müssen hinsichtlich der tatsächlichen Nachfrage jedoch als Nischenprodukte aufgefasst werden.
Diese Handlungsansätze und die Thematik des altersgerechten Wohnens lassen sich mit einer Reihe in
diesem Gutachten dargestellter Instrumente umsetzen, wenn diese jeweils auf die Zielgruppe der Senioren bezogen werden. Hierzu gehören insbesondere
die Nachverdichtung in Bestandsquartieren (s. o., HF 1.2),
die Konzeptvergabe für Wohnprojekte (HF 1.6),
altersgerechter Neubau und Bestandsentwicklung als Geschäftsfeld von jenawohnen (HF 6).
Grundsätzliches Problem ist, dass die altersgerechte Ausstattung oder Anpassung mit Mehrkosten verbunden ist, die finanziert bzw. über eine höhere Miete refinanziert werden müssen. Dies wird insbesondere dann problematisch, wenn höhere Wohnkosten auf eine steigende Gruppe armutsgefährdeter Seniorenhaushalte treffen. Schätzungen für Jena gehen von einem Anstieg bis 2030 um ca. 3.200 Senioren
aus. 24 Dieser Zuwachs ist zum einen demographisch bedingt, zum anderen treten derzeit Langzeitarbeitslose zukünftig in die Rentenphase ein. Sie beziehen dann statt der ALG-II-Leistungen (SGB II)
Leistungen der Grundsicherung im Alter (SGB XII), wobei die Übernahme der Bedarfe für Unterkunft
und Heizung gleich bleibt. Hinzu kommen Senioren, die erst mit dem Eintritt in die Rente zu Niedrigeinkommensbeziehern werden.
In der folgenden Abbildung werden die verschiedenen Seniorengruppen noch einmal differenziert:
A. Dieses ist die größte Gruppe unter den Senioren in Jena, sie haben keinen akuten Bedarf an
besonderen altersgerechten Wohnungen und können sich finanziell am Wohnungsmarkt
selbstständig versorgen.
B. Diese Gruppe benötigt gleichfalls akut keinen altersgerechten Wohnraum, ist aber auf preiswerten Wohnraum angewiesen ähnlich wie andere einkommensschwache Gruppen, entsprechend treffen für sie die Instrumente aus den Handlungsfeldern 4, 5 und 6 zu.
C. Diese Gruppe benötigt altersgerechten Wohnraum und ist aufgrund ihrer Haushaltseinkommen in der Lage, entsprechende Mieten für altersgerechten Wohnraum zu bezahlen bzw. KfWKredite dafür in Anspruch zu nehmen.
D. Diese kleine Gruppe stellt wohnungspolitisch die problematischste dar, denn sie benötigt altersgerechten Wohnraum, der für sie aufgrund ihrer niedrigen Einkommen überwiegend jedoch nicht bezahlbar ist. Ein guter Teil dieser Gruppe dürfte Leistungen der Grundsicherung
im Alter (SGB XII) erhalten, die Richtlinien zur Festlegung der Angemessenheit der Bedarfe für
Unterkunft und Heizung müssten jedoch entsprechende Mehrbedarfe zulassen bzw. ein entsprechendes Verfahren im Einzelfall regeln. Darüber hinaus könnten mit der Modernisierungsförderung des Freistaates Thüringen (ThürModR) bauliche Anpassungen mit entsprechenden
24
Vgl. Wohnstadt-Ordner Kap. B 4.2, S. 8.
33
Mietpreis-und Belegungsbindungen geschaffen werden, auch wenn diese Richtlinie nicht ausdrücklich auf diesen Zweck ausgerichtet ist.
Außerdem sollte die Kommune das Bewusstsein für die Notwendigkeit, aber auch Möglichkeiten der
altersgerechten Anpassungen stärker öffentlich thematisieren. Ansatzpunkte hierfür wären eine offensive und zugehende Beratung von einzelnen Eigentümern – denn der Anpassungsbedarf ergibt sich auch
in den Einfamilienhausgebieten – als auch Vermietern und hier insbesondere den großen Wohnungsunternehmen.25 Ein wichtiges Instrument hierzu können Quartierskonzepte sein, in denen die verschiedenen Anpassungserfordernisse von Wohnung und von Wohnumfeld eigentümerübergreifend aufeinander
abgestimmt werden. Da es hier auch um öffentlichen Raum und Infrastruktur geht, wäre die Kommune
damit zum einen selber Akteur, zum anderen übernimmt sie aber auch eine koordinierende Funktion
zwischen den Einzeleigentümern.
Die immer wiederkehrende Idee vor allem alleinstehende Seniorenhaushalte mit einer Umzugsprämie
dazu zu bewegen, preisgünstigen Wohnraum für andere Haushalte freizumachen, scheitert in aller Regel. Die Gründe liegen vor allem darin, dass die Senioren ihre gewohnte Wohnsituation ungern aufgeben
und/oder dass die neue Wohnung nicht nennenswert günstiger ist. Förderlich sind dabei Angebote desselben Vermieters – sowie aktuell von der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss eG angeboten – nennenswerte Effekte lassen sich aber nur mit dem Angebot altersgerechter Wohnungen erzielen.
Zeitlich:
Die Maßnahmen sind kurz- und mittelfristig umsetzbar, der akute Handlungsdruck wächst jedoch nur
sukzessive, weil der Alterungsprozess relativ langsam verläuft. Ausnahme sind Quartiere, in denen in
den nächsten Jahren der Anteil der über 80-Jährigen deutlich steigen wird.
Kosten/Effizienz:
s. jeweilige Handlungsfelder, Kosten für Beratungsleistungen und Quartierskonzepte
Priorität:
niedrig
25
mittel
hoch
Ein gutes Beispiel für die Vielfalt an Beratungsmöglichkeiten bietet der Landkreis Osnabrück: https://www.landkreis-osnabrueck.de/bildung-soziales/hilfen/wohnberatung.
34
Handlungsfeld "Mietenpolitik"
HF 4
In Jena hat sich der Anstieg der Mieten nach einer längeren Phase fehlender und geringer Zuwächse in
den letzten Jahren beschleunigt. Grundsätzlich ist ein Anstieg der Mieten im Rahmen von Wohnungsmarktentwicklungen ebenso wie ein allgemeiner Anstieg der Lebenshaltungskosten (Inflation) nichts
Ungewöhnliches und kein Grund für ein wohnungspolitisches Eingreifen. Vielfach ist ein gewisser Anstieg
der Mieten für eine ordentliche Bewirtschaftung der Wohnungsbestände notwendig. Er steht auch zum
Teil in Zusammenhang mit wachsenden Ansprüchen der Wohnungssuchenden an die Qualität der Wohnung, die Wohnwertverbesserungen erforderlich machen. Wenn die Mieten jedoch über längere Zeit
von einem sehr hohen, weit über der Inflationsrate liegenden Anstieg geprägt sind, wird diese Entwicklung meist von einer Überforderung der Haushalte durch einen starken Anstieg der Mietbelastung und
von Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt (Preisverzerrungen, Behinderung von Umzugsprozessen
durch Belastungssprünge etc.) begleitet. Solche Entwicklungen sind möglichst zu vermeiden und erfordern ein wohnungspolitisches Eingreifen.
Für die Bewertung der Mietenstruktur in Jena ist eine Betrachtung von Preissegmenten auf dem Mietwohnungsmarkt von Bedeutung. Als Ergebnis aktueller Analysen zu den Bestands- und Angebotsmieten
lassen sich für Jena bei den Nettokaltmieten drei Preissegmente abgrenzen (zum Teil mit Überschneidungsbereichen):
preiswertes Segment
(3,50 – 5,00 €/m²),
mittelpreisiges Segment
(5,00 – 7,50 €/m²),
höherpreisiges Segment
(7,00 – 9,50 €/m²).26
Bezogen auf die Art der Eigentümer und der Wohnungsbestände ist die Mietenstruktur von Jena durch
eine deutliche Zweiteilung geprägt. Zum einen wird der Jenaer Wohnungsmarkt von den eher niedrigen
bis mittleren und sich moderat erhöhenden Mieten der Mietwohnungsbestände der großen kommunalen
und genossenschaftlichen Wohnungsanbieter geprägt, bei denen es sich vor allem um industriellen
Wohnungsbau aus DDR-Zeiten handelt. Zum anderen existiert in Jena ein umfangreicher Mietwohnungsbestand privater Mieter, der zumindest in Teilen ein höheres Mietenniveau und eine höhere Mietendynamik aufweist, wobei hierfür auch steigende Qualitäten eine Rolle spielten. Hierbei handelt es sich
überwiegend um Altbau und ab 1990 errichtete Bestände.
Neben dem oberen Segment war auch im von privaten Eigentümern gehaltenen unteren Segment eine
spürbare Mietendynamik festzustellen. Diese wurde dort vor allem durch das Zusammentreffen der auf
dieses Segment angewiesenen Nachfragergruppen mit der studentischen Nachfrage hervorgerufen. Die
sehr unterschiedliche Entwicklung der Mieten in Jena hat zu einer spürbaren Spreizung der Mieten geführt.
Der starke Anstieg in Teilbereichen des Jenaer Wohnungsmarkts hängt damit zusammen, dass hier
aufgrund von Engpässen beim Wohnungsangebot Knappheitspreise entstanden sind, die Vermietern
erlauben, deutlich höhere Mieten zu verlangen. Da in Jena mit künftig steigender Nachfrage weiterhin
Druck hinsichtlich einer zusätzlichen Erhöhung von Mieten besteht, ist es sinnvoll, Einfluss zu nehmen
und extreme Entwicklungen so weit möglich zu beschneiden.
26
Vgl. Wohnstadt Jena 2014, Kapitel A 1.3, S. 15.
35
Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten:
a) Zum einen können angebotsorientierte mietenpolitische Instrumente zum Einsatz kommen, bei denen
die allgemeine Mietenentwicklung mit einer Erweiterung des Wohnungsangebots durch Neubau, mit
dem die vorhandene und künftig steigende Nachfrage gedeckt wird, gedämpft wird.
b) Zum anderen können regulierende mietenpolitische Instrumente Anwendung finden wie die abgesenkte Kappungsgrenze und die Mietpreisbremse. Dabei handelt es sich jedoch nicht um kommunale
Instrumente, sondern solche des Landes. Für ihre Anwendung müssen von der Thüringer Landesregierung die Voraussetzungen für Jena hinsichtlich der Einstufung als angespannter Wohnungsmarkt geschaffen werden.
Bei der Kappungsgrenze geht es um eine Absenkung der bei Bestandsmietverhältnissen zulässigen Erhöhung der Nettokaltmiete innerhalb von drei Jahren von 20% auf 15%. Die Mietpreisbremse befindet
sich noch im Gesetzgebungsverfahren des Bundes und zielt nach dem vorliegenden Gesetzentwurf vom
September 2014 auf eine Begrenzung der Nettokaltmiete bei Wiedervermietung von Wohnungen auf
10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete (Ausnahmen Neubau und umfassende Modernisierung).
Ein weiteres mietenpolitisches, jedoch kein regulierendes Instrument ist der durch die Kommune zu
erstellende qualifizierte Mietspiegel. Der qualifizierte Mietspiegel bezieht sich auf Bestandsmietverhältnisse und wird für Wiedervermietungen in Jena nur dann Bedeutung haben, wenn dort die von der
Bundesregierung geplante Mietpreisbremse Anwendung findet.
Die Regelungen der Bedarfe der Unterkunft (vormals Kosten der Unterkunft bzw. kurz KdU) sind kein
mietenpolitisches Instrument, sie sind jedoch für die Höhe der Mieten der Teilgruppe an Haushalten von
Bedeutung, die Anspruch auf diese Transferleistungen haben.
Des Weiteren wird das Mietenniveau und die Mietenentwicklung in Jena maßgeblich durch die Wohnungen, die einer Mietpreis- und Belegungsbindung (aufgrund von Förderung) unterliegen, sowie durch die
Wohnungen in der Hand von großen Vermietern wie dem kommunalen Wohnungsunternehmen und
den Genossenschaften, mit denen Vereinbarungen getroffen werden können, mitbestimmt (siehe Handlungsfelder 5 und 6).
36
Dämpfung der Mietenentwicklung durch Angebotserweiterung
HF 4.1
Art des Instruments:
Es handelt sich um ein marktorientiertes Instrument, das auf die Angebots- und Mietenentwicklung auf
dem gesamten Jenaer Wohnungsmarkt ausgerichtet ist und nicht nur auf die Mietenentwicklung für
bestimmte soziale Zielgruppen. Das Instrument zielt vor allem auf freifinanzierten Wohnungsbau, der
Bau von geförderten Sozialwohnungen kann jedoch ebenfalls (in bescheidenerem Umfang) zur Angebotserweiterung und somit zur Dämpfung der Mietenentwicklung beitragen.
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel des Instruments ist, mit einem ausreichenden Neubau an Wohnungen die künftige zusätzliche Nachfrage (Zuwachs an Haushalten, zusätzliche Nachfrage im Eigentumsbereich etc.) zu decken und hiermit
eine Dämpfung der Mietenentwicklung auf dem Jenaer Wohnungsmarkt zu erreichen. Mit der Vergrößerung des Wohnungsangebots sollen Entlastungswirkungen erzielt und bei den Mieten der verschiedenen Teilsegmente Knappheitspreise und damit ein stärkerer Mietanstieg verhindert werden.
Voraussetzung:
Ausreichend geeignetes und relativ preisgünstiges Bauland sowie weitere günstige Voraussetzungen für
bauwillige Investoren (möglichst einfaches und zügiges Genehmigungsverfahren; Beratungsangebote
u. a. zu Förderung).
Zuständigkeit/Akteure:
Marktakteure/Investoren, Stadt Jena (Fachbereich Stadtentwicklung/Stadtplanung, Baugenehmigungsbehörde)
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Aufgrund der wachsenden Nachfrage und des künftig höheren Wohnungsbedarfs in Jena ist das Instrument grundsätzlich geeignet, die intendierten Wirkungen in Form von Entlastungseffekten zu erzielen.
Effekt/Wirkung:
Eine künftig zu geringe Angebotserweiterung durch Neubau hätte in Jena zur Folge, dass sich die auf
das obere Segment (siehe oben bei der Einführung in das Handlungsfeld 4) gerichtete Nachfrage dort
nur unzureichend mit Wohnraum versorgen könnte und in der Folge zum Teil auf das mittlere Segment
ausweichen und auf dieses zusätzlichen Nachfragedruck ausüben würde. Weil es in der Folge dieses
zusätzlichen Nachfragedrucks auch für die auf das mittlere Segment gerichtete Nachfrage schwieriger
wird, sich dort zu versorgen, würde diese wiederum zum Teil auf das untere Segment ausweichen und
dort zusätzlichen Druck ausüben. Eine entstehende Knappheit im oberen Segment führt demnach zu
Nachfrage- und Knappheits-Kaskaden in die jeweils darunter liegenden Segmente und auch dort zu
Knappheitspreisen. Eine künftig zu geringe Angebotserweiterung durch Neubau hätte demnach nicht
nur Auswirkungen in Form von (durch Knappheit hervorgerufenen) Mietsteigerungen im oberen, sondern im mittleren und unteren Segment des Jenaer Wohnungsmarkts.
37
Eine Angebotserweiterung entsprechend der laut Prognose27 erforderlichen Neubauwerte von 1.450
Wohnungen bis 2022 bzw. 2.650 Wohnungen bis 2030 wird zu einer Deckung der auf das obere Segment gerichteten künftigen Nachfrage führen. Zugleich wird sie durch Verhinderung der oben beschriebenen Knappheits-Kaskaden Entlastungswirkungen für das mittlere und untere Segment mit sich bringen und den Preisdruck dort vermindern.
Ein künftig ausreichender Neubau kommt demnach zwar in erster Linie einer Verbesserung der Wohnungsversorgung im oberen Segment zu Gute, zugleich hat er jedoch auch indirekt dämpfende Wirkung
auf die Mietenentwicklung in den anderen beiden Segmenten bzw. auf den gesamten Wohnungsmarkt.
Über Sickereffekte, die auf den durch den Neubau hervorgerufenen Umzugsketten beruhen, kann sich
zusätzlich die Wohnungsversorgung im mittleren und unteren Segment verbessern. Eine aktuelle Untersuchung zu Hamburg weist die durch den Neubau hervorgerufenen Sickereffekte und die Verbesserung der Wohnungsversorgung in anderen Segmenten nach, der verwendete empirische Ansatz konnte
jedoch deren genaue Reichweite nicht ermitteln.28
Die Ergebnisse einer jüngst durchgeführten Untersuchung zu Umzugsketten in Jena (s. Anhang) hat
gezeigt, dass von dem Neubau, der in den Jahren 2012 bis 2014 in Jena stattgefunden hat, spürbare
Entlastungs- und Sickereffekte ausgegangen sind, die sich ausgehend vom oberen Preissegment in das
mittlere und untere Preissegment hinein erstreckten. Hierdurch wurde neben dem Wohnen in den Ortsteilen auch das städtische Wohnen entlastet.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Die Wirkung des Instruments ist in Zusammenhang mit weiteren mietenpolitischen Instrumenten zu
betrachten, die sich auf das preisgünstige Segment bzw. die soziale Wohnungsversorgung beziehen (HF
5.2 Übertragung von Belegungs- und Mietbindungen und HF 5.3 Kooperationsverträge).
Zeitlich:
Angebotserweiterung hat kurzfristige Wirkung auf Nachfragedeckung, Dämpfung Mietenentwicklung eher mit verzögerter/mittelfristiger Wirkung
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterne, keine externen Kosten, günstige Kosten-Nutzen-Relation
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Deutschlandweit gute Erfahrungen mit Instrument auf Wohnungsmärkten mit Anspannungstendenz
Priorität:
niedrig
27
28
mittel
hoch
Vgl. Wohnbauflächenentwicklung in der Stadt Jena 2014, Studie von Analyse & Konzepte im Auftrag der Stadt Jena, 2015.
Vgl. Beitrag des Wohnungsneubaus zur Wohnungsversorgung in Hamburg, Gutachten von F + B Forschung und Beratung
im Auftrag der Hansestadt Hamburg, Hamburg 2014.
38
Anwendung von abgesenkter Kappungsgrenze und Mietpreisbremse
HF 4.2
Art des Instruments:
Beides sind mietpreisregulierende Instrumente.
Abgesenkte Kappungsgrenze:
Rechtliches mietenpolitisches Instrument mit Zuständigkeit beim Land auf Grundlage von § 558 BGB.
Das Land Thüringen hat von dessen Anwendung (per Verordnung) bisher nicht Gebrauch gemacht. Eine
Anwendung würde dazu führen, dass in Jena bei Bestandsmietverhältnissen die Nettokaltmiete, die
aktuell innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20% steigen darf, innerhalb dieses Zeitraums nur
noch um maximal 15% angehoben werden kann. Das Instrument wäre bei seiner Anwendung auf den
gesamten Jenaer Wohnungsmarkt ausgerichtet und nicht nur auf eine bestimmte soziale Zielgruppe.
Vorgesehen ist eine zeitliche Befristung auf fünf Jahre.
Mietpreisbremse:
Rechtliches mietenpolitisches Instrument mit Zuständigkeit beim Land auf Grundlage eines Bundesgesetzes, das bisher als Entwurf vorliegt.29 Eine Anwendung würde dazu führen, dass bei der Wiedervermietung von Wohnungen die Nettokaltmiete nicht mehr als 10% über der Vergleichsmiete liegen darf
(Ausnahmen siehe unten). Das Instrument ist auf den gesamten Jenaer Wohnungsmarkt ausgerichtet
und nicht nur auf eine bestimmte soziale Zielgruppe. Vorgesehen ist eine zeitliche Befristung auf fünf
Jahre.
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Abgesenkte Kappungsgrenze:
Ziel ist die Vermeidung hoher Mietsteigerungen bei sehr niedrigen Bestandsmieten innerhalb kurzer Zeit
sowie indirekt eine generelle Dämpfung der Mietenentwicklung bei Bestandsmietverhältnissen.
Mietpreisbremse:
Ziel ist die Vermeidung der Vereinbarung von Wiedervermietungsmieten, die deutlich (mehr als 10%)
über der Vergleichsmiete liegen sowie eine generelle Dämpfung der Mietenentwicklung bei Wiedervermietungen und indirekt bei den Vergleichsmieten. Ausgenommen von der Mietpreisbremse sind die erste
Wiedervermietung nach umfassender Modernisierung und die Erstvermietung bei Neubau (Wohnungen,
die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet werden).
Damit richten sich abgesenkte Kappungsgrenze und Mietpreisbremse auf den generellen Schutz von
Mietern vor hohen Mietforderungen und schnell steigendem örtlichen Mietenniveau, sie zielen nicht
speziell darauf ab, für weniger zahlungskräftige Mieter die Mieten auf eine konkrete für sie tragbare
Höhe zu begrenzen.
Voraussetzung:
Abgesenkte Kappungsgrenze:
Voraussetzung für die Anwendung ist die Einordnung von Jena im Rahmen einer (Kappungsgrenzen-)Verordnung des Landes Thüringen als Gemeinde, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen insgesamt oder in einem Teil der Gemeinde
29
Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG),
Fassung vom 26.09.2014.
39
besonders gefährdet ist. Durch § 558 BGB werden die Landesregierungen ermächtigt, diese Gebiete
durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.
Mietpreisbremse:
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vom September 2014 werden "die Landesregierungen ermächtigt, Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten durch Rechtsverordnung für die
Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten liegen
vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder
einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist."30 Eine Rechtsverordnung nach Satz 1 muss spätestens am 31. Dezember 2020 in Kraft treten. Sie muss begründet
werden. Aus der Begründung muss sich ergeben, aufgrund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem
angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Ferner muss sich aus der Begründung ergeben,
welche Maßnahmen die Landesregierung in dem … "durch die Rechtsverordnung jeweils bestimmten
Gebiet und Zeitraum ergreifen wird, um Abhilfe zu schaffen".
Zuständigkeit/Akteure:
Bund/Land, Stadt Jena (Bewertung des Bedarfs für die Anwendung der Instrumente)
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Abgesenkte Kappungsgrenze:
Das Instrument ist geeignet für angespannte Wohnungsmärkte mit hoher Mietendynamik bei bestehenden Mietverhältnissen (Erhöhungen bei laufenden Mietverträgen, ohne Wiedervermietungen). In Jena
weisen große Teile dieser Mietverhältnisse, insbesondere die bei der institutionellen Wohnungswirtschaft, keine auffällig hohe Dynamik auf: Laut der von Analyse & Konzepte ausgewerteten Daten der
Wohnungsunternehmen erfolgte bei laufenden Verträgen von 2010 bis 2013 ein Anstieg um 6,4% (von
4,81 auf 5,12 € pro m²), was einem jährlichen Anstieg von etwa 2,1% und damit der Größenordnung
der Inflationsrate entspricht. Eine auf 15% abgesenkte Kappungsgrenze wäre demnach in Jena in erster
Linie geeignet, im privaten Mietwohnungsbestand Erhöhungen bei Bestandsmieten zu begrenzen.
Mietpreisbremse:
Das Instrument ist geeignet für angespannte Wohnungsmärkte mit häufig und deutlich über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Wiedervermietungsmieten (außer bei umfassenden Modernisierungen und beim Neubau). Inwiefern diese Voraussetzungen in Jena gegeben sind, lässt sich nicht genau
sagen. Jena weist zwar beim Mietspiegel 2013 in den meisten Tabellenfeldern sehr große Spannen auf
(z. B. von 5,80 bis 7,62 € pro m² bei Wohnungen in guter/mittlerer Lage sowie mit 50m² bis 80 m²
Wohnfläche und mit Baujahr bis 1949), was ein Indiz für hohe, über der ortsüblichen Vergleichsmiete
liegende Wiedervermietungsmieten sein könnte. Allerdings ist zu vermuten, dass sich hinter diesen breiten Spannen im Wesentlichen Qualitätsunterschiede zwischen den Wohnungen verbergen.
30
Anders als bei der abgesenkten Kappungsgrenze bzw. § 558 BGB wird dies bei dem Gesetzentwurf zur Mietpreisbremse
folgendermaßen näher spezifiziert und ergänzt: "Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn 1. die Mieten deutlich stärker
steigen als im bundesweiten Durchschnitt, 2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt, 3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder 4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.
40
Effekt/Wirkung:
Abgesenkte Kappungsgrenze:
Eine Anwendung der abgesenkten Kappungsgrenze wird in Jena nur bei relativ wenigen Erhöhungsfällen
Wirkung entfalten. Sie ist nur bei den Fällen von Bedeutung, bei denen von den Vermietern ohne eine
Anwendung Erhöhungen von Bestandsmieten von mehr als 15% (und bis zu 20% bei nicht abgesenkter
Kappungsgrenze) vorgenommen werden würden. Anhand der Daten der Jenaer Wohnungsunternehmen
zu einem Teilmarkt, der nach Kriterien des Mietspiegels abgegrenzt wurde (Baujahre 1963 bis 1990,
Wohnfläche 50 bis 80 m²), lässt sich der Wirkungsbereich der abgesenkten Kappungsgrenze prinzipiell
darstellen. Aus der Abbildung unten wird deutlich, dass nur ein relativ kleiner Teil der Mieten (rund 6%
der Mieten des Teilmarkts, Bereich zwischen 4,21 und 4,39 € pro m²) in den potenziellen Wirkungsbereich dieses Instruments fällt und das Instrument nur dann dort zur konkreten Anwendung kommt,
wenn einzelne dieser Mieten innerhalb von drei Jahren um mehr als 15% angehoben werden sollen.
Dass sich die Bestandsmieten in Jena in den letzten Jahren überwiegend gering erhöht haben (siehe
oben), macht deutlich, dass die große Mehrheit der Erhöhungen in Jena ohnehin deutlich unterhalb von
15% innerhalb von drei Jahren liegt. Eine abgesenkte Kappungsgrenze würde in Jena daher nur sehr
wenig Auswirkungen auf die Entwicklung des gesamten Bestandsmietenniveaus (im Sinne einer Dämpfung) haben, sie würde jedoch einzelne wenige Mieter vor spürbaren Erhöhungen von mehr als 15%
schützen. Diese Einschätzung eher geringer Auswirkungen einer Absenkung der Kappungsgrenze für
Jena wird durch die Ergebnisse einer Mitte der 1990er Jahre durchgeführten deutschlandweiten Untersuchung zur damaligen Absenkung der Kappungsgrenze (seinerzeit von 30% auf 20%) gestützt.31
Abbildung: Darstellung der Wirkungsbereiche der abgesenkten Kappungsgrenze und der Mietpreisbremse anhand der Verteilung der Nettokaltmieten eines Wohnungsteilmarktes in Jena (Datengrundlage: Daten der Jenaer Wohnungsunternehmen)
31
Auswirkungen mietrechtlicher Regelungen auf die Mietenentwicklung und Wohnungsversorgung; Gutachten des IfS Institut
für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Berlin 1996.
41
Mietpreisbremse:
Eine Anwendung der Mietpreisbremse in Jena würde sich im Wesentlichen auf die Erhöhungen bei der
Wiedervermietung von nicht umfangreich modernisierten Bestandswohnungen (Vermietungen bei Neubauten und nach umfassender Modernisierung sind ausgenommen) erstrecken. Betroffen wären Erhöhungen, die ohne eine Mietpreisbremse zu einer Nettokaltmiete von mehr als 10% über der ortüblichen
Vergleichsmiete von vom Wohnwert vergleichbareren Wohnungen führen würde. Lagen Mieten beim
Vormieter bereits bei mehr als 10% über der ortüblichen Vergleichsmiete, dürfen sie bei der Wiedervermietung zwar nicht erhöht, sie müssen aber auch nicht (bis zur Grenze) abgesenkt werden.
In der Abbildung oben wird zusätzlich zur abgesenkten Kappungsgrenze der Wirkungsbereich der Mietpreisbremse anhand der Daten der Jenaer Wohnungsunternehmen zu einem Teilmarkt, der nach Kriterien des Mietspiegels abgegrenzt wurde (Baujahre 1963 bis 1990, Wohnfläche 50 bis 80 m²), dargestellt.
Die Vergleichsmiete dieses Teilmarkts liegt bei 5,05 €/m², die um 10% über der Vergleichsmiete liegende Grenze für die Mietpreisbremse beträgt 5,56 €/m². Das bedeutet, dass alle oberhalb dieser
Grenze liegenden Nettokaltmieten (rund 18% der Mieten des Teilmarkts) bei einer Wiedervermietung
nicht erhöht werden können und bei unterhalb der Grenze liegenden Mieten Erhöhungen in den Bereich
über 5,56 €/m² nicht möglich sind (Ausnahme: umfassende Modernisierungen).
Die für diesen Teilmarkt dargestellte Wirkungsweise der Mietpreisbremse gilt im Grundsatz für alle anderen Teilsegmente des Wohnungsmarkts von Jena und ihre jeweilige Vergleichsmiete als Bezugsgröße
ebenso. Auch im unteren Segment, das von einem niedrigen Mietenniveau und entsprechend niedrigen
ortsüblichen Vergleichsmieten geprägt ist, kommt die Begrenzung auf 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete ebenso zum Tragen wie im oberen Segment mit hohem Mietenniveau und hoher ortsüblicher Vergleichsmiete. Die Mietpreisbremse verhindert demnach nicht nur im oberen Segment hohe Mieten, sondern wirkt in allen Segmenten ähnlich begrenzend.
Da die Mieten der Wiedervermietungen neben denen der Bestandsmietverhältnisse (jeweils der letzten
vier Jahre) Grundlage der Berechnung der im Mietspiegel ausgewiesenen ortsüblichen Vergleichsmieten
sind, ergeben sich aus der Deckelung durch die Mietpreisbremse nicht nur Auswirkungen für die Erhöhungen bei Wiedervermietungen, sondern für alle Erhöhungen bzw. das gesamte Mietpreisniveau im
nicht preisgebundenen Wohnungsbestand von Jena.
Die Mietpreisbremse wird nicht nur Auswirkungen auf das Mieterhöhungsverhalten von Vermietern bei
Wiedervermietung, sondern auch bei Bestandsmietverhältnissen haben. Viele Vermieter (vor allem genossenschaftliche und kleinere private Vermieter) führen bei Bestandsmietverhältnissen erfahrungsgemäß eher selten oder gar keine allgemeinen Erhöhungen der Nettokaltmiete (abgesehen von Modernisierungen) durch und vollziehen Mieterhöhungen im Wesentlichen bei Wiedervermietungen. Durch die
Begrenzung der Mieterhöhungen bei Wiedervermietung ist bei solchen Vermietern zu erwarten, dass sie
zusätzliche Mieterhöhungen bei bestehenden Mietverhältnissen durchführen, um die benötigten bzw.
angestrebten Mieteinnahmen zu erzielen. Eine geringere Belastung von neu eingezogenen Mietern
würde in diesen Fällen zu Lasten der vorhandenen Mieter gehen, die höhere Mieten zu zahlen haben.
Einen ähnlichen mietenpolitischen Eingriff bei den Wiedervermietungen, wie er mit der Mietbremse geplant ist, hat es seit Bestehen des Vergleichsmietensystems in Deutschland noch nicht gegeben, sodass
keine Erfahrungen zu den Wirkungen und insbesondere zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen vorliegen.
Unklar ist aufgrund dieser bisher fehlenden Erfahrungen mit einem solchen Instrument beispielsweise,
42
welche Auswirkungen die Mietpreisbremse auf das Investitionsverhalten und die Investitionsmöglichkeiten der Vermieter im Wohnungsbestand (z. B. bei Instandhaltung und Instandsetzung; Verlagerung hin
zu mietpreisrelevanten Modernisierungen) hat. Bei der Entscheidung über die Einführung der Mietpreisbremse sollte daher in jedem Fall in Betracht gezogen werden, dass ein erhebliches Risiko unerwünschter Nebenwirkungen (Verlagerungseffekte in Form häufigerer oder höherer Mietanhebungen innerhalb
der Kappungsgrenze bei laufenden Verträgen; verändertes Investitionsverhalten der Vermieter) besteht.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Qualifizierter Mietspiegel, Kosten der Unterkunft (HF 4.3), Kooperationsverträge mit Wohnungsunternehmen (HF 5.3)
Zeitlich:
Abgesenkte Kappungsgrenze:
Die Anwendung einer abgesenkten Kappungsgrenze hat geringe und mit zeitlicher Verzögerung eintretende Auswirkungen auf die allgemeine Mietenentwicklung in Jena.
Mietpreisbremse:
Die Einführung der Mietpreisbremse hätte eine kurzfristige Wirkung in Form der Deckelung von Wiedervermietungsmieten zur Folge. Sie hätte jedoch mit zeitlicher Verzögerung auch Auswirkungen auf die
ortsübliche Vergleichsmiete bzw. Mietspiegelmiete, da die gedeckelten Wiedervermietungsmieten der
letzten vier Jahre in die Berechnung der Mietspiegelmieten einfließen und deren Erhöhung hierdurch
ebenfalls gedämpft wird. Über die ersten vier Jahre nach Einführung der Mietpreisbremse wird bei der
Berechnung der Mietspiegelmiete die Zahl der gedeckelten Wiedervermietungsmieten zunehmen bzw.
an Gewicht gewinnen und den Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete sukzessive stärker dämpfen.
Kosten/Effizienz:
Beide Instrumente: Verwaltungsinterne, keine externen Kosten. Bei Mietpreisbremse ggf. Folgekosten/-aufwand durch notwendige zusätzliche Förderung.
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Derzeit liegen aufgrund der kurzen Dauer der Anwendung (z. B. in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Berlin) noch keine grundlegenden Erfahrungen mit der auf 15% abgesenkten Kappungsgrenze
vor. Untersuchungen zu früheren Absenkungen der Kappungsgrenze haben jedoch gezeigt, dass sich
die Änderungen eher auf Einzelfälle von Mieterhöhungen als auf die Entwicklung des gesamten Mietenniveaus auswirken. Zur Mietpreisbremse liegen derzeit ebenfalls noch keine Erfahrungen vor, da sie vom
Bund voraussichtlich im Frühjahr 2015 beschlossen wird und anschließend noch Verordnungen der Länder für ihre Anwendung notwendig sind.
Priorität:
Abgesenkte Kappungsgrenze:
niedrig
mittel
hoch
mittel
hoch
Mietpreisbremse:
niedrig
43
Qualifizierter Mietspiegel der Stadt Jena
HF 4.3
Art des Instruments:
Mietrechtliches Instrument mit gesetzlicher Grundlage in den §§ 558a, 558c und 558d des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB)
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
"Mietspiegel sind Übersichten über die üblichen Entgelte für Wohnraum in einer Gemeinde. Mietspiegel"
… "setzen Mieter und Vermieter in die Lage, sich auf einfache und übersichtliche Weise Kenntnis über
die in Mieterhöhungsverfahren wichtigen Daten zu verschaffen. Sie schaffen Markttransparenz und leisten einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten zwischen Vertragspartnern."32 Ihr Hauptanwendungsfeld ist das gesetzliche Mieterhöhungsverfahren (§ 558 BGB). Mietspiegel sind nicht als Instrument zur Beeinflussung der Mietenentwicklung oder des Mietenniveaus vorgesehen.
Ein qualifizierter Mietspiegel muss gegenüber einem einfachen Mietspiegel folgende zusätzlichen Anforderungen erfüllen: Er muss nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt sein und er muss
von der Gemeinde oder von Interessensvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden sein.
Qualifizierte Mietspiegel haben Rechtsfolgen beim gesetzlichen Mieterhöhungsverfahren (Mitteilungspflicht) und vor Gericht (Vermutungswirkung).
"Mit dem Mietrechtsänderungsgesetz vom 11. März 2013 wurde klargestellt, dass auch energetische
Merkmale zu den Beschaffenheits- und Ausstattungsmerkmalen von Wohnraum gehören und bei der
Ermittlung der Vergleichsmiete zu berücksichtigen sind."33 Insofern sind diese Merkmale bei einer Neuerstellung des qualifizierten Mietspiegels von Jena zu berücksichtigen.
Voraussetzung:
Mietspiegel erfüllen ihre Funktion in jeder Wohnungsmarktlage. Bei einer dynamischen Mietenentwicklung kommt ihnen besondere Bedeutung dahingehend zu, dass sie in einer von Unsicherheit über die
Höhe der ortsüblichen Vergleichsmieten geprägten Situation Markttransparenz herstellen.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt Jena sowie Verbände von Mietern und Vermietern, Wohnungswirtschaft (Arbeitskreis Mietspiegel)
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Ein neu erstellter qualifizierter Mietspiegel für Jena ist geeignet, Vermietern und Mietern die in Zusammenhang mit Mieterhöhungsverfahren benötigten Informationen zu verschaffen und für Markttransparenz zu sorgen.
Effekt/Wirkung:
Von einem neu erstellten qualifizierten Mietspiegel für Jena ist zu erwarten, dass er vor dem Hintergrund
der derzeitigen Mietendynamik aktualisierte Informationen zu den Vergleichsmieten (unter zusätzlicher
Berücksichtigung energetischer Wohnwertmerkmale) für Mieter und Vermietern zur Verfügung stellt und
32
33
Vgl. Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.), Berlin,
2002, S. 9.
Vgl. Hinweise zur Integration der energetischen Beschaffenheit und Ausstattung von Wohnraum in Mietspiegeln, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.), Berlin, 2013.
44
für Markttransparenz sorgt. Er trägt damit zur Konfliktvermeidung zwischen den Vertragsparteien auf
Vermieter- und Mieterseite bei. Zusätzliche Bedeutung wird dem qualifizierten Mietspiegel im Falle einer
Einführung der Mietpreisbremse in Jena zukommen, da für deren Anwendung (Begrenzung von Mieterhöhungen bei Wiedervermietung auf 10% über der Vergleichsmiete) Informationen zur Höhe der jeweiligen Vergleichsmiete benötigt werden. Hervorzuheben ist, dass der qualifizierte Mietspiegel nach den
gesetzlichen Vorgaben die Funktion der Verbesserung der Information hat und nicht als Instrument zur
Beeinflussung des Mietenniveaus vorgesehen ist.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Bedarfe für Unterkunft und Heizung (siehe Kasten unten)
Zeitlich:
Ein qualifizierter Mietspiegel entfaltet unmittelbar nach dessen Inkrafttreten Wirkung. Er ist spätestens
nach zwei Jahren fortzuschreiben und nach vier Jahren neu zu erstellen, sonst verliert er seine Eigenschaft "qualifiziert".
Kosten/Effizienz:
Kosten/Aufwand für Erstellung des Mietspiegels bei der Stadt und bei mitwirkenden Akteuren. Hoher
Nutzen für Mieter und Vermieter, weniger Aufwand für alle Beteiligten durch Vermeidung von Konflikten
und Gerichtsverfahren.
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Qualifizierte Mietspiegel sind in vielen deutschen Städten und Gemeinden mit überwiegend guten Erfahrungen verbreitet. In einigen Städten existieren Erfahrungen zu Mietspiegeln mit Berücksichtigung
energetischer Wohnwertkriterien. Diese sind von unterschiedlichen methodischen Ansätzen zur Ermittlung von energetischen Wohnwertunterschieden und sowie unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich
eines bereits bestehenden Einflusses energetischer Kriterien auf die Höhe der Vergleichsmiete geprägt.
Hierbei handelt es sich offensichtlich um "Neuland" und es hat sich noch kein Königsweg für den Umgang mit energetischen Wohnwertmerkmalen herauskristallisiert.
Priorität:
Niedrig
mittel
hoch
Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vormals Kosten der Unterkunft - KdU).
Seit Januar 2005 wird das System der Mindestsicherung in Deutschland in drei Rechtskreisen geregelt,
und zwar in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), der Sozialhilfe (SGB XII) und dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Ein wichtiger Bestandteil ist hierbei die Anerkennung der Bedarfe
für Unterkunft und Heizung (KdU). Diese setzen sich zusammen aus den Kosten für die Grundmiete,
den kalten Betriebskosten sowie den Kosten für Heizung und Warmwasser.
Anerkannt werden für Bedarfsgemeinschaften die tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung,
jedoch nur bis zur Höhe der "angemessenen" Kosten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Eine Definition dessen,
was unter "angemessen" zu verstehen ist, muss unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten
vor Ort von den jeweiligen kommunalen Trägern durch ein sogenanntes "schlüssiges Konzept" festgelegt werden. Mit dem schlüssigen Konzept müssen Mietpreisrichtwerte rechtskonform, transparent und
45
realitätsgerecht unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze ermittelt werden
(vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R). Es ist dabei ausdrücklich zulässig,
hierfür auf die Daten der Mietspiegelerhebung zurückzugreifen, da diese den relevanten Wohnungsmarkt repräsentativ und empirisch valide abbilden.
Die Frage, inwieweit ein Konzept tatsächlich schlüssig ist, unterliegt dabei der richterlichen Kontrolle.
Entscheidend ist, dass die angemessenen Mietwerte - analog den Berechnungen für die Regelsätze der
Mindestsicherung - nicht willkürlich oder aus politischen Gründen festlegt oder verhandelt werden dürfen. Insofern sind die Richtwerte für angemessenen Wohnraum als Teil der Existenzsicherung kein wohnungspolitisches Instrument, mit dem gesteuert werden kann, sondern sie geben ähnlich wie ein Mietspiegel die Wohnungsmarktsituation für Bedarfsgemeinschaften wieder.
Allerdings hat die Festlegung von angemessenen Mietpreisen eine deutliche Auswirkung auf die Mietenstruktur des Gesamt-Wohnungsmarktes, denn sie wirkt wie eine Mietpreisregulierung des preiswerten
Segments. Wie umfangreiche Untersuchungen nachgewiesen haben, orientieren sich Vermieter an diesen Werten, indem sie in der Regel weder teurer noch billiger vermieten.34 Werden die Mietobergrenzen
nicht marktkonform abgeleitet, so kann dies – wie in Jena in den vergangenen Jahren geschehen – zu
deutlichen Mietpreissteigerungen am Wohnungsmarkt führen.
34
Vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): "Kosten der Unterkunft und die Wohnungsmärkte"
(= Forschungen H. 142), Bonn 2009, S. 93 ff.
46
Fazit zum Handlungsfeld "Mietenpolitik"
Die Überlegungen zu den Wirkungen der untersuchten Instrumente des Handlungsfeldes "Mietenpolitik"
haben gezeigt, dass der Angebotserweiterung zur Deckung der künftigen Nachfrage eine Schlüsselfunktion zur Dämpfung der Mietenpolitik in Jena zukommt, da dieses Instrument nicht nur im oberen, sondern auch im mittleren und unteren Preissegment dazu beiträgt, Knappheitspreise zu mindern oder zu
verhindern). Die auf 15% abgesenkte Kappungsgrenze wird gegenüber der bestehenden Kappungsgrenze von 20% für Mieterhöhungen innerhalb eines Zeittraums von drei Jahren generell und auch Jena
sich nur für einen sehr kleinen Teil der Mieten auswirken und im Wesentlichen einen Schutz für einzelne
Mieter mit laufenden Verträgen vor starken Erhöhungen bieten. Ihr Einfluss auf die Entwicklung des
gesamten Mietenniveaus von Jena wird sehr gering sein. Ein deutlich weitgehenderer und mehr Wohnungen als die abgesenkte Kappungsgrenze betreffender mietenpolitischer Eingriff stellt die vom Bund
vorgesehene Mietpreisbremse dar. Sie wird umfangreichere Wirkung auf die Entwicklung des Mietenniveaus in Jena haben, es sind jedoch Verlagerungswirkungen in Form von mehr Erhöhungen bei laufenden Verträgen zu erwarten und es bestehen generell erhebliche Risiken für weitere unbeabsichtigte und
unerwünschte Nebeneffekte wie zum Beispiel beim Investitionsverhalten im Wohnungsbestand.
HF 4
Mietenpolitik
4.1
Dämpfung Mietenentwicklung durch Angebotserweiterung
4.2
Anwendung von abgesenkter Kappungsgrenze und
Mietpreisbremse
4.3
Qualifizierter Mietspiegel
Priorität
Der qualifizierte Mietspiegel ist kein Instrument zur Beeinflussung des Mietenniveaus, sondern lediglich
eine Übersicht über die ortsüblichen Vergleichsmieten. Damit hat er jedoch eine erhebliche Wirkung zur
Herstellung von Markttransparenz und zur Vermeidung von Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern (Priorität: hoch). Auch die Bedarfe für Unterkunft und Heizung (vormals Kosten der Unterkunft KdU) sind kein Instrument zur Beeinflussung des Mietenniveaus, ihre Ableitung aus Mietendaten hat
jedoch Auswirkungen auf die Mieten für Transfergeldempfänger und damit indirekt auf den gesamten
Jenaer Wohnungsmarkt. Da die Festlegung notwendig ist, erfolgt keine Einordnung der Priorität.
47
Handlungsfeld "soziale Wohnraumversorgung/preisgünstiger
Wohnraum"
HF 5
Haushalte mit geringem Einkommen und Problemen, ihre Kosten für die Miete aufzubringen, werden in
erheblichem Maße durch Subjektförderung (Wohngeld, KdU) staatlich unterstützt. Dennoch gibt es in
Jena in größerem Umfang soziale Gruppen, die Schwierigkeiten haben, sich auf dem Wohnungsmarkt
ohne weitere Unterstützung mit bezahlbarem und angemessenem Wohnraum zu versorgen. Die Schwierigkeiten rühren daher, dass sie
entweder Zahlungsprobleme mit der Höhe der Miete
oder aus anderen Gründen Zugangsprobleme zu Wohnraum auf dem Wohnungsmarkt haben.
Diese Haushalte gehören zu den Zielgruppen der sozialen Wohnungsversorgung, die u. a. im Thüringer
Wohnraumförderungsgesetz (§ 2 ThürWoFG) näher benannt sind. Sie sind darauf angewiesen, Zugang
zu Wohnungen mit Belegungs- und Mietbindungen (mittels Wohnberechtigungsschein) zu erhalten.
Hierbei handelt es sich insbesondere um Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehen und
Lebenspartnerschaften, Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende,
Wohnungslose und sonstige hilfsbedürftige Personen.35
Wichtig ist bei der Versorgung dieser Zielgruppen, eine hohe Konzentration zu vermeiden und für eine
ausreichende soziale Durchmischung der Stadtteile sowie für die Erhaltung und Schaffung stabiler Bewohnerstrukturen zu sorgen. Die Probleme mit "überforderten Nachbarschaften" haben gezeigt, dass
es notwendig ist, solchen Entwicklungen durch breit gestreute Belegungsmöglichkeiten entgegenzuwirken. Wo eine Konzentration und einseitige Belegungsstrukturen bereits entstanden sind, sind Interventionen notwendig, wie sie durch das Programm "Soziale Stadt" unterstützt werden.
In Jena wird künftig die Zahl der insgesamt auf Belegungs- und Mietbindungen angewiesenen Zielgruppen nicht zurückgehen. Dabei ist nicht auszuschließen, dass es künftig auch zu einem Anstieg kommen
kann. Hierfür sprechen der anhaltende Zuzug aus dem Ausland und die Erhöhung des Anteils der aus
dem Ausland Zugezogenen an der Bevölkerung sowie insbesondere die zu erwartende steigende Altersarmut. Insofern ist künftig in Jena zumindest eine gleich hohe Zahl an Wohnungen mit Belegungs- und
Mietbindungen notwendig wie heute.
Bereits in der Vergangenheit ist der Bestand an Wohnungen mit Belegungsbindungen spürbar von 3.556
im Jahr 2005 auf 2.088 im Jahr 2012 zurückgegangen. Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl drastisch bis
auf 565 Wohnungen zurückgehen, wenn es nicht gelingt, anders als in der Vergangenheit die Verluste
durch im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung geförderten Neubau und Modernisierung oder auf
anderem Wege zu kompensieren. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass die nicht preisgebundenen
Wohnungsbestände mit relativ niedrigen Mieten (unteres Segment) künftig durch Mietsteigerungen und
Aufwertungen zahlenmäßig schrumpfen und in geringerem Umfang zur Versorgung von darauf angewiesenen Zielgruppen zur Verfügung stehen werden. Daher besteht die Notwendigkeit des Ersatzes
wegfallender und der Schaffung neuer Bindungen.
35
Vgl. Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der Linken zur Wohnsituation und Stadtentwicklung in Jena vom
30.04.2013, S. 15.
48
Hierfür bestehen folgende Möglichkeiten:
Zusätzliche Mietpreis- und Belegungsbindungen werden bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln der sozialen Wohnraumförderung durch bauwillige Investoren geschaffen.
Die Stadt kann Projekte für die Schaffung und Erhaltung zielgruppenorientierten bezahlbaren Wohnraums, für die Fördermittel des sozialen Wohnungsbaus in Anspruch genommen
werden, unterstützen.
Ein Weg, bei Investoren die Akzeptanz für die Inanspruchnahme der Fördermittel der sozialen Wohnraumförderung zu erhöhen, ist der Ansatz mittelbarer bzw. der Übertragung von
Mietpreis- und Belegungsbindungen. Dabei wird auf die Mietpreis- und Belegungsbindungen
in dem geförderten Neubauprojekt verzichtet, wenn der Investor dafür Mietpreis- und Belegungsbindungen in seinem vorhandenen Wohnungsbestand einräumt.
Die Kompensation künftig wegfallender Mietpreis- und Belegungsbindungen kann dadurch
erfolgen, dass von der Stadt Jena Kooperationsverträge mit Wohnungsunternehmen geschlossen werden, in denen diese für bestimmte Gegenleistungen Belegungsrechte einräumen.
Eine zusätzliche Möglichkeit ist der Erwerb von Belegungsrechten durch die Stadt.
Ein weiterer Ansatz zielt auf die Stabilisierung von Problemquartieren, indem diese im Rahmen von Programmen der Städtebauförderung (v. a. Soziale Stadt, Stadtumbau Ost) weiterentwickelt und begleitet werden.
Da sich der Wohnbedarf von Studierenden und Auszubildenden hinsichtlich Größe, Standard
und Preis überwiegend von dem anderer Haushalte unterschiedet, ist sinnvoll, für diese
Gruppen geeigneten Wohnraum zu identifizieren und ihnen den Zugang zu erleichtern. Hierfür existiert in Jena bereits eine zwischen dem Studentenwerk und Vermietern eingerichtete
Plattform.
Leitziele des Handlungsfelds sind demnach zum einen die Bereitstellung eines in Standard und Preis
ausreichenden Wohnungsangebots für Gruppen, die Schwierigkeiten haben, sich frei auf dem Jenaer
Wohnungsmarkt mit bezahlbaren Wohnraum zu versorgen. Zum anderen wird mit der sozialen Wohnungsversorgung eine ausreichende soziale Durchmischung der Stadtteile sowie die Erhaltung und
Schaffung stabiler Bewohnerstrukturen angestrebt.
Ergänzender Hinweis: Die bauliche Anpassung des Bestands für die Wohnungsversorgung Älterer wird
im Handlungsfeld HF 3 "Anpassung des Wohnungsbestands" abgehandelt.
49
Unterstützung zielgruppenorientierter Projekte für bezahlbaren
Wohnraum
HF 5.1
Art des Instruments:
Das Instrument basiert auf Projekten, mit denen
Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung im Mietwohnungsbau,
Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung im Eigentumsbereich (z. B. Selbstnutzer mit
Wohnberechtigung im Sinne des ThürWoFG),
sonstige Zielgruppen für stadtentwicklungspolitisch bedeutsamen Wohnungsbau (Baugemeinschaften ohne Wohnberechtigung) unterstützt werden.
Der Ansatz beruht auf der Beratung und Begleitung von Projekten, bei denen im Rahmen des Neubaus
(oder ggf. der Modernisierung/Umnutzung vorhandenen Wohnraums) zum einen Mietwohnungen geschaffen werden, die der Versorgung folgender Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung dienen:
(junge) Haushalte mit Kindern, ältere Haushalte mit geringem Einkommen (Altersarmut), Menschen mit
Behinderungen, Alleinerziehende, aus dem Ausland Zugezogene oder andere Haushalte mit Zugangsproblemen sowie Wohnungslose. Zum anderen soll Selbstnutzergruppen (mit oder ohne Wohnraumförderung) ermöglicht werden, sich mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Bei Letzteren liegt der
Schwerpunkt der Unterstützung auf gemeinschaftlichen Bau- und Wohnformen und Selbstnutzer-Initiativen. Zusätzlich stellt die Bereitstellung von Grundstücken (s. Instrument HF 1.6 Konzeptvergabe) einen
weiteren Ansatz der Unterstützung solcher Projekte dar.
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel ist zum einen die Möglichkeit der Versorgung von Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung mit
Mietwohnungen. Das Ziel und die intendierte Wirkung lassen sich im geförderten Mietwohnungsbereich
insbesondere in Verbindung mit der Nutzung des Instruments der Übertragung der Belegungs- und
Mietbindungen von Förder- und Ersatzwohnungen verfolgen bzw. erreichen (Näheres s. HF 5.2).
Weiteres Ziel ist die Verbesserung der Wohnungsversorgung und Förderung der Bildung von Wohneigentum durch Haushalte/Familien, insbesondere solcher, die ohne staatliche Unterstützung hierzu nicht
in der Lage sind, sowie die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen (§ 2 ThürWoFG).
Bezogen auf Selbstnutzer besteht das generelle Ziel in der Förderung und Herstellung von Interesse für
spezielle Formen des Wohnens, insbesondere des bewohnerorientierten und gemeinschaftlichen Bauens
von Wohngebäuden (z. B. Selbstnutzerinitiativen bzw. Baugruppen). Darüber hinaus sollen zusätzliche
Nachfragergruppen durch die Nutzung der mit Baugruppenprojekten verbundenen Kosteneinsparungspotenziale erschlossen werden. Erreicht werden soll die Verknüpfung der Interessen von Selbstnutzerinitiativen hinsichtlich des Wohnstandorts und der Bauform mit den Zielen der Stärkung der Innenstadt.
Weiteres Ziel ist eine stärkere Diversifizierung des Jenaer Wohnungsangebots.
Voraussetzung:
Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung:
Wesentliche Voraussetzung für die Unterstützung von Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung ist,
dass sich mit der sozialen Wohnraumförderung des Landes Neubauprojekte realisieren lassen. Die Mietwohnungsförderung (ISSP) und die Wohneigentumsförderung des Landes (WEP) weisen diese Voraussetzung nicht auf, weil sie sich in der derzeitigen Ausgestaltung der Konditionen (Darlehenssumme,
50
Einkommensgrenzen und maximale Belastung) für Interessenten in Jena sehr selten rechnen und daher
keine bzw. zu geringe Anreizwirkungen für Investoren im Mietwohnungsbau, für Selbstnutzer allgemein
und speziell für Baugruppen entfalten. Insgesamt sind die Förderzahlen der Thüringer Wohnraumförderprogramme wegen fehlender Anreize jüngst stark eingebrochen. Das Eigentumsprogramm wird in
den Medien als "Ladenhüter" bezeichnet.36 Insofern sind die notwendigen Voraussetzungen für eine
Unterstützung von Investoren von geförderten Mietwohnungen und von selbstnutzenden Zielgruppen
der sozialen Wohnraumförderung derzeit in Jena sehr selten gegeben. Bei einer möglichen künftigen
Änderung der Förderkonditionen (z. B. höhere Darlehenssummen, ggf. ergänzende Zuschüsse, veränderte Einkommensgrenzen) sind die Voraussetzungen neu zu bewerten.
Selbstnutzende Zielgruppen außerhalb der sozialen Wohnraumförderung:
Die Erfahrungen aus anderen Städten, in denen gemeinschaftliche Bauformen durch Baugruppen realisiert wurden, zeigen drei wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung:
das Angebot eines geeigneten Grundstücks, möglichst seitens der Stadt, und dessen ausreichend lange Verfügbarkeit vom Gründungsprozess der Baugruppe bis zum Kauf des
Grundstücks,
das Vorhandensein erfahrener/professioneller Initiatoren von Baugruppen, die mit ihrem
speziellem Know-how für die Baugemeinschaft als Betreuer und Moderatoren fungieren und
die Organisation der Gruppe, die Klärung der Finanzierung und die Steuerung des Bauprojektes übernehmen (die Selbstgründung von Baugemeinschaften ohne frühzeitige Unterstützung durch eine externe professionelle Betreuung ist meist zum Scheitern verurteilt),
die Gewinnung einer ausreichenden Zahl von Interessenten für gemeinschaftliche Bauprojekte durch die Initiatoren mit Unterstützung der Stadt.
Eine Anlaufstelle mit einem Beratungsangebot für Baugemeinschaften wurde bei der Stadt Jena eingerichtet und ist mittlerweile beim Dezernat IV – Familie, Bildung und Soziales, Team Wohnen angesiedelt,
das auch bereits Informationsveranstaltungen zum Thema Baugemeinschaften durchgeführt hat und
Informationen für diese Zielgruppe im Internetauftritt bietet.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt, Team Wohnen (Internetauftritt und mündliches Beratungsangebot, u. a. für Baugemeinschaften),
Stadt/KIJ (Grundstückvergabe), erfahrener Initiator von Baugemeinschaften
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Die grundsätzliche Eignung des Instruments ist bezogen auf geförderte Projekte derzeit nur sehr selten
gegeben (siehe oben).
Bezogen auf Baugruppen (ohne Förderung) muss die grundsätzliche Eignung des Instruments noch
überprüft werden. Sofern das Instrument geeignet ist, lassen sich in gewissem Umfang verschiedene
für Jena wichtige wohnungs-, sozial- und stadtentwicklungspolitische Ziele kombiniert verfolgen (siehe
oben). Große Mengeneffekte sind nicht zu erwarten.
36
http://www.mdr.de/thueringen/nachfrage-nach-eigenheimfoerderung-eingebrochen100.html
51
Effekt/Wirkung:
Die zu erwartenden Wirkungen bezogen auf geförderte Projekte sind unter den derzeitigen Rahmenbedingungen der Wohnungsbauförderung aufgrund sehr eingeschränkter Realisierungschancen generell
als sehr gering zu bewerten. Im Mietwohnungsbereich muss daher vor allem auf eine Versorgung der
Zielgruppen im vorhandenen gebundenen bzw. preisgünstigen Wohnungsbestand gesetzt werden.
Bezogen auf Baugruppen generell ergeben sich folgende Einschätzungen: Bisher ist es trotz des Beratungs- und Betreuungsangebots durch die Stadt nicht gelungen, Projekte mit Baugruppen zu realisieren.
Wesentliche Hemmnisse liegen in dem Fehlen eines als Motor wirkenden erfahrenen Initiators und der
fehlenden Verfügbarkeit und dem fehlenden Angebot von geeigneten Grundstücken seitens der Stadt
und deren ausreichend langer Reservierung während der Gewinnung und des Gründungsprozesses von
Baugruppen. Die Erfolgschancen des Instruments sollten zunächst durch einen (in anderen Städten)
erfahrenen Initiator hinsichtlich der Bewertung der Realisierungschancen von Baugruppen in Jena geprüft werden. Bei positiver Bewertung sollte dieser/ein Initiator gewonnen und mit einem bereitgestellten städtischen Grundstück ein Pilotprojekt zur Gewinnung von Interessenten durchgeführt werden.
Für eine erfolgreiche Umsetzung des Instruments bzw. von Projekten wären demnach verbesserte Voraussetzungen bei der Grundstücksbereitstellung durch die Stadt notwendig. Wesentliche Impulse könnten zusätzlich von einer Verbesserung der Konditionen der Wohnraumförderung des Landes ausgehen,
wenn diese den Verhältnissen von Städten wie Jena gerecht werden und dort Anreize für bauwillige
Selbstnutzer entfalten würden.
Von einer erfolgreichen Umsetzung des Instruments bzw. von solchen Projekten sind im Wesentlichen
mehrere positive Auswirkungen für Jena zu erwarten: Neben einem Beitrag zur allgemeinen Angebotserweiterung (Entlastungseffekte, Dämpfung Mietenentwicklung) wird ein Beitrag zur Wohneigentumsbildung insbesondere für solche Haushalte geleistet, die ohne die mit Baugruppenprojekten verbundenen Kosteneinsparungsmöglichkeiten (inkl. zusätzlicher Möglichkeit zu Eigenleistungen) nicht dazu in
der Lage wären. Darüber hinaus tragen die Projekte an geeigneten Standorten zur baulichen und sozialen Stabilisierung und Belebung der Jenaer Kernstadt sowie der Auslastung vorhandener Infrastruktur
bei. Schließlich werden junge Haushalte an Jena gebunden, die andernfalls ggf. gezwungen wären,
außerhalb von Jena nach Wohn- oder Baumöglichkeiten zu suchen.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Nachverdichtung in Bestandsquartieren, Aktivierung von Baulücken (HF 1.2), aktive Liegenschafts- und
Bodenvorratspolitik (An- und Verkauf) (HF 1.5), Gezielte Vergabepolitik städtischer Grundstücke (Konzeptvergabe) (HF 1.6), Initiative für mehr geförderten Neubau / verstärkte Information/Beratung von
Bauherren/Investoren über Förderung und Flächen (HF 1.7), Mietpreisdämpfung durch Angebotserweiterung (HF 4.1)
Zeitlich:
Das Instrument entfaltet mittel- bis langfristige Wirkung
Kosten/Effizienz:
Baugruppen: Verwaltungsinterne, keine externen Kosten (Initiator wird vom Projekt bezahlt), bei zu
erwartender schwieriger Erschließung von Selbstnutzergruppen und Baugrundstücken aufgrund des Beratungs- und Betreuungsaufwands ggf. nur mittleres Kosten-Nutzenverhältnis; ggf. Einnahmeverluste
aufgrund zur Realisierung notwendiger verbilligter Grundstücksvergabe
52
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Baugruppen: Die Unterstützung von Baugruppen und Selbstnutzerinitiativen durch Städte hat längere
Tradition. Nach einer vom Bundesverband Baugemeinschaften e.V. 2011 durchgeführten Umfrage zum
Thema Baugemeinschaften gibt es in zwei Dritteln der knapp 50 befragten Städte (ab 100.000 Einwohner und Studentenstädte) Baugemeinschaften und mehr als die Hälfte unterstützen Baugemeinschaften
aktiv (http://www.bundesverband-baugemeinschaften.de).
Priorität:
Bei derzeitigen Konditionen der Wohnungsbauförderung
niedrig
mittel
hoch
Bei verbesserten Förderkonditionen
niedrig
mittel
hoch
53
Übertragung der Belegungs- und Mietbindungen von Förder- und
Ersatzwohnungen
HF 5.2
Art des Instruments:
Förderrechtliches Instrument, öffentlich-rechtlicher Vertrag
Grundlage für das Instrument der Übertragung von Belegungs- und Mietbindungen von Förder- auf
Ersatzwohnungen (auch "mittelbare Belegungs- und Mietbindungen" genannt) beinhaltet das Thüringer
Wohnraumfördergesetz (ThürWoFG). Der § 23 sieht eine Vereinbarung zwischen der (für die Förderung)
zuständigen Stelle und dem Vermieter vor, mit der die Belegungs- und Mietbindungen von Förderwohnungen auf Ersatzwohnungen des Vermieters übertragen werden.
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Die Übertragung der Belegungs- und Mietbindungen von geförderten Wohnungen (Neubau, Modernisierung) auf Ersatzwohnungen innerhalb des Bestands des Vermieters soll der Schaffung oder Erhaltung
sozial stabiler Bewohnerstrukturen dienen oder aus anderen Gründen der örtlichen wohnungswirtschaftlichen Verhältnisse erfolgen. Die ursprünglich geförderten Wohnungen werden hierzu von den Bindungen freigestellt und die Ersatzwohnungen erhalten den Status einer geförderten Wohnung mit deren
Belegungs- und Mietbindungen. Neben den auf die Belegung gerichteten Zielen werden durch das Instrument indirekt Anreize für mehr geförderten Wohnungsbau gesetzt, weil das Bauen für den Investor
durch die freie Vermietbarkeit des hochwertigen Neubaus (trotz der Gegenleistungen) an Attraktivität
gewinnt.
Voraussetzung:
Voraussetzung für die Übertragung von Bindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen sind Vermieter,
die geförderte Neubau- oder Modernisierungsmaßnahmen durchführen und über einen größeren Bestand an geeigneten Ersatzwohnungen verfügen, der eine räumliche Verteilung der Bindungen im Stadtgebiet zulässt. Weitere Voraussetzung ist, dass die Eigentümer gemeinsam mit der Stadt die Strategie
der Verhinderung einseitiger Bewohnerstrukturen bzw. der Herstellung sozialer Durchmischung verfolgen und daher ein Interesse an solchen Vereinbarungen haben.
Fördertechnische Voraussetzung für das Zustandekommen einer Vereinbarung ist die Bezugsfreiheit der
Ersatzwohnung zum Zeitpunkt der Übertragung der Bindungen. Zusätzlich notwendig ist die Gleichwertigkeit von Förderwohnungen und Ersatzwohnungen unter Berücksichtigung des Förderzwecks oder im
Falle von Vereinbarungen mit Veränderungen der Belegungs- und Mietbindungen zwischen Förder- und
Ersatzwohnungen (insbesondere bezogen auf deren Anzahl, Dauer, Art und Höhe), dass diese nicht zu
einem wirtschaftlichen Vorteil des Vermieters führen.
Die Anwendung des Instruments wird derzeit dadurch verhindert, dass es das ThürWoFG zwar vorsieht,
es im Rahmen der Förderung des Landes jedoch nicht praktiziert wird. Auch für den Fall einer Praktizierung würde die Anwendung dadurch behindert, dass die Konditionen der Mietwohnungsförderung dazu
führen, dass sie in Jena sehr selten in Anspruch genommen wird, weil sie sich nicht rechnet.
Zuständigkeit/Akteure:
Landesverwaltungsamt als zuständige Stelle der Wohnraumförderung, Stadt Jena, Vermieter bzw.
sonstige Verfügungsberechtigte
54
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das Instrument mittelbare Belegung bzw. Übertragung von Bindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen ist für Jena grundsätzlich geeignet, weil mehrere größere Vermieter in der Stadt vorhanden sind, in
deren Beständen sich geeignete Ersatzwohnungen für eine mittelbare Belegung bzw. die Übertragung
von Bindungen finden lassen und die möglicherweise Interesse an einer mittelbaren Belegung haben.
Effekt/Wirkung:
Mit dem Instrument der mittelbaren Belegung bzw. der Übertragung von Bindungen von Förder- auf
Ersatzwohnungen lässt sich eine Flexibilisierung der Belegung und eine größere Streuung von sozialen
Zielgruppen der Förderung über das Stadtgebiet erzielen. Die erzielte Wirkung des Instruments, die
Schaffung oder Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, dürfte sowohl im Interesse der Stadt als
auch der Wohnungswirtschaft sein. Zusätzlich werden Impulse für mehr geförderten Mietwohnungsbau
und die Schaffung neuer Bindungen im Wohnungsbestand in Jena gesetzt, weil das Bauen für Investoren aufgrund der freien Vermietung des Neubaus attraktiver wird. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass
die mietpreisverzerrende Wirkung (Neubau zu ähnlich günstigen Mieten wie in älteren Wohnungen)
durch die mit der Übertragung der Preisbindungen verbundenen niedrigen Mieten auf den älteren Wohnungsbestand vermindert wird. Damit wäre die Übertragung von Bindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen sozial gerechter als eine Mietbindung beim Neubau.
Wesentliches Hemmnis für die Anwendung des Instruments in Jena ist, dass die Mietwohnungsförderung des Landes (ISSP) in der derzeitigen Ausgestaltung der Konditionen (Darlehenssumme, Einkommensgrenzen und resultierende Belastung durch die Miete) sich in Jena für Investoren sehr selten rechnet und daher kaum Mietwohnungsprojekte der sozialen Wohnraumförderung realisiert werden. Ähnliches gilt für die Modernisierungsförderung. Im Falle einer Verbesserung der Konditionen der Wohnraumförderung des Landes, sodass sie für Investoren in Jena attraktiv genug sind, könnte das Instrument der Übertragung der Belegungs- und Mietbindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen (mittelbarer Belegungs- und Mietbindungen) zusätzliche Anreize insbesondere für größere Eigentümer setzen,
wieder vermehrt geförderten Mietwohnungsbau zu betreiben.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Das Instrument der Übertragung von Bindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen steht in engem
Zusammenhang mit den Zielen und Wirkungen, die mit weiterreichenden Kooperationsverträgen mit der
Wohnungswirtschaft verfolgt werden (s. HF 5.3).
Zeitlich:
Das Instrument hat mittel- bis langfristige Auswirkungen auf die Belegungsstruktur des Wohnungsbestands und die Stabilität der Bewohnerstruktur in Jena.
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterne, keine zusätzlichen externen Kosten, günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
In mehreren Bundesländern und Kommunen erfolgreich angewandtes Instrument
55
Priorität:
Bei derzeitiger Praxis und derzeitigen Konditionen der Wohnungsbauförderung
niedrig
mittel
hoch
Bei geänderter Praxis der Wohnungsbauförderung und verbesserten Förderkonditionen
niedrig
mittel
hoch
56
Kooperationsverträge mit den Wohnungsunternehmen
HF 5.3
Art des Instruments:
Rechtliches Instrument, öffentlich-rechtliche Verträge nach ThürWoFG zwischen Kommunen, Eigentümern (Wohnungsunternehmen) und ggf. weiteren Beteiligten
Grundlage für öffentlich-rechtliche Kooperationsverträge ist § 8 des Thüringer Wohnraumfördergesetzes
(ThürWoFG): "Kooperationsverträge sind öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Gemeinden oder Gemeindeverbänden und dem Vermieter oder sonstigen Verfügungsberechtigten von Wohnraum und der
zuständigen Stelle. Weitere öffentliche und private Partner können beteiligt werden. Sie bedürfen des
Einvernehmens der zuständigen Stelle."
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel von Kooperationsverträgen ist die Verbesserung der Wohnraumversorgung, des Wohnumfelds und
des Wohnquartiers durch die Zusammenarbeit … "der Beteiligten, insbesondere im Rahmen integrierter
Quartiersmaßnahmen." Das ThürWoFG sieht zudem vor, dass zusätzlich zu den in ihm geregelten Fördergegenständen und Gegenleistungen weitere Vertragsgegenstände vereinbart werden können, wenn
diese den Zielen der Wohnraumförderung entsprechen.
Das ThürWoFG räumt demnach den Vertragspartnern von Kooperationsverträgen die Möglichkeit ein,
Vereinbarungen zu einem sehr breiten Spektrum an Maßnahmen und Gegenleistungen zu treffen, die
sich auf die Versorgung von Zielgruppen, die sich am Wohnungsmarkt nicht angemessen mit Wohnraum
versorgen können, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, Quartiersmaßnahmen bis hin zu Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Stadtentwicklungspolitik erstrecken (vgl. § 2 ThürWoFG).
Das ThürWoFG benennt keine konkreten Gegenstände der Verträge, sondern nur die Ziele. Welche
Gegenstände Kooperationsverträge haben können, wird in § 15 des Wohnraumförderungsgesetzes
(WoFG) des Bundes aufgeführt:
die Begründung oder Verlängerung von Belegungs- und Mietbindungen,
die Übernahme von Bewirtschaftungsrisiken,
die Aufhebung oder Änderung von Belegungs- und Mietbindungen,
die Übernahme von wohnungswirtschaftlichen, baulichen und sozialen Maßnahmen, insbesondere von solchen der Verbesserung des Wohnumfelds, der Behebung sozialer Missstände und der Quartiersverwaltung,
die Überlassung von Grundstücken und Räumen für die mit dem Kooperationsvertrag verfolgten Zwecke.
Voraussetzung:
Wesentliche Voraussetzung für den Abschluss von Kooperationsverträgen ist eine Einigung der Partner
über die Handlungsfelder und Gegenstände, die vertraglich geregelt werden sollen, und ein Verfahren,
mit dem Fördervorteile und Gegenleistungen ausgewogen bewertet und gegeneinander abgewogen
werden.
Ein ausgefeiltes und erprobtes Instrumentarium zur Verfolgung kombinierter Ziele der sozialen Wohnungsversorgung und Quartiersentwicklung im Rahmen von Kooperationsverträgen existiert im Land
57
Schleswig-Holstein, das in Lübeck und Flensburg erfolgreich angewandt wurde.37 Eine detaillierte Beschreibung der in Schleswig-Holstein angewandten Verfahren zur Bewertung der zwischen den Kooperationspartnern ausgetauschten Leistungen und deren wirtschaftlicher Gleichwertigkeit ist in der von
der für die Vergabe der Wohnungsbauförderung zuständigen Investitionsbank Schleswig-Holstein
(IB.SH) herausgegebenen Broschüre "Arbeitshilfe Kooperationsvertrag" dargestellt.38
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt, Wohnungsunternehmen, Landesverwaltungsamt als zuständige Stelle der Wohnraumförderung,
weitere Partner
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das Instrument erscheint grundsätzlich geeignet für Jena, da mit den größeren kommunalen und genossenschaftlichen Vermietern Partner vorhanden sind, mit denen bereits zusammengearbeitet wird
und deren Bestände für die mit Kooperationsverträgen verfolgten gemeinsamen Ziele geeignet sind.
Zwischen der Stadt und jenawohnen existiert schon seit 2005 ein Kooperationsvertrag, der mehrmals
den geänderten Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt angepasst wurde. Die aktuell gültige Fassung
(auf Grundlage von § 14 und § 15 WoFG) stammt aus dem Jahr 2011 und bezieht sich im Wesentlichen
auf die Zusage von jenawohnen, Wohnungssuchende mit Wohnberechtigungsschein (WBS) in ihren
Beständen, die vorrangig den aktuellen Maßgaben der Kosten für Unterkunft entsprechen, unterzubringen und dabei im Rahmen gegenseitiger Absprachen das Ziel stabiler Bewohnerstrukturen zu verfolgen.
Für die Stadt Jena sind (abgesehen von dem mit jenawohnen bestehenden) grundsätzlich insbesondere
auch Kooperationsverträge geeignet, die weiterreichende Ziele verfolgen (siehe unten).
Effekt/Wirkung:
Kooperationsverträge, die weiterreichende Ziele der sozialen Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung verfolgen, stellen für die Stadt Jena einen geeigneten Ansatz dar, die bereits bestehende Zusammenarbeit mit der örtlichen Wohnungswirtschaft zu vertiefen und anhand konkretisierter gegenseitiger
Leistungen vertraglich zu regeln und zu verstetigen.
Von Seiten der Stadt kann in den Leistungsaustausch eingebracht werden:
Bereitstellung von Fördermitteln (Modernisierung, Mietwohnungsneubau, Städtebauförderung),
Vergabe von Grundstücken (Konzept- oder Verbilligungsansatz),
Die Einräumung des Übergangs von Belegungs- und Mietbindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen sowie Einigung auf ein Belegungskonzept,
Abstimmung von Quartiersmaßnahmen und deren Finanzierung.
37
38
Vgl. hierzu die Erfahrungsberichte zu Kooperationsverträgen des Innenministeriums Schleswig-Holstein, des Selbsthilfe Bauvereins eG Flensburg und des Lübecker Bauvereins eG unter http://www.haufe.de/immobilien/wohnungswirtschaft/bezahlbares-wohnen/bezahlbares-wohnen-schleswig-holstein_260_186488.html.
Investitionsbank Schleswig-Holstein: Arbeitshilfe Kooperationsvertrag – Hinweise für Kommunen und Wohnungsunternehmen, Kiel 2013 (www.ib-sh.de).
58
Von Seiten der Wohnungsunternehmen kann als Gegenleistung eingebracht werden (u. a. als Ausgleichsmaßnahme für die durch den Übergang von Belegungs- und Mietbindungen auf Ersatzbestände
gewonnenen Mietvorteile):
(Energetische) Modernisierung von Ersatzwohnraum
(preisgünstige) Versorgung besonderer Zielgruppen mit Wohnraum,
Quartiers- und Wohnumfeldmaßnahmen (Quartiershäuser, Sozialmanagement, Veranstaltungen),
besonderes Umzugsmanagement,
Kinder-, Jugend- Altenhilfe.
Die erzielte Wirkung eines solchen Kooperationsvertrags liegt in einer Flexibilisierung der Belegung von
Wohnungen mit Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung. Zusätzlich hat er die Aufgabe, diese
zielgruppenbezogenen Maßnahmen mit investiven und betreuenden Maßnahmen für die soziale Stabilisierung und bauliche Weiterentwicklung von Quartieren zu verknüpfen. Solche Maßnahmen stellen zugleich einen möglichen Baustein für ein kommunales Bündnis Wohnen (s. HF 7.1) dar.
Die Anwendung und Wirksamkeit von Kooperationsverträgen nach ThürWoFG wird in Jena derzeit durch
die dargestellte fehlende Attraktivität der Förderkonditionen und die dadurch hervorgerufene geringe
Inanspruchnahme der Mietwohnungsförderung eingeschränkt. Hinzu kommt, dass die Übertragung von
Belegungs- und Preisbindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen nicht praktiziert wird. Die Nutzung
von Förderung und die Möglichkeit der Übertragung von Belegungs- und Preisbindungen von Förderauf Ersatzwohnungen stellen wichtige Grundlagen für die Vereinbarung von Leistungen und Gegenleistungen in Kooperationsverträgen dar.
Neben Verträgen auf der Grundlage des ThürWoFG, die in Verbindung mit der Nutzung von Instrumenten der sozialen Wohnraumförderung geschlossen werden, können auch "normale" Kooperationsverträge zwischen der Stadt und Wohnungsunternehmen geschlossen werden, mit denen sich ebenfalls
Leistungen bezogen auf die Belegung oder soziale und investive Maßnahmen vereinbaren lassen, wenn
diese außerhalb der Nutzung von Förderung erfolgen. Hierzu zählt beispielsweise die Unterbringung von
Problemgruppen durch Wohnungsunternehmen bei gleichzeitiger Kompensation der damit verbundenen
zusätzlichen Kosten (z. B. Mietausfälle, Behebung von Schäden).
Bezug zu anderen Instrumenten:
Übergang der Belegungs- und Mietbindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen (HF 5.2), kommunales
Bündnis Wohnen (HF 7.1)
Zeitlich:
Das Instrument ist mittelfristig bis langfristig angelegt und entfaltet eine entsprechende zeitliche Wirkung.
Kosten/Effizienz:
Verwaltungsinterne, keine zusätzlichen externen Kosten, günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis, anfänglicher Entwicklungs-/Abstimmungsaufwand
59
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Kommunen und Wohnungsunternehmen mit guten Erfahrungen, u.a. die oben genannten Beispiele
Flensburg und Lübeck, Vorliegen von nutzbaren Arbeitshilfen für Kooperationsverträge (IB.SH) und
möglicher Rückgriff auf Erfahrungen
Priorität:
Bei derzeitigen Konditionen der Wohnungsbauförderung und fehlender Möglichkeit der Übertragung von
Bindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen
niedrig
mittel
hoch
Bei verbesserten Förderkonditionen und der Möglichkeit der Übertragung von Bindungen von Förderauf Ersatzwohnungen
niedrig
mittel
hoch
60
Erwerb und Nutzung von Belegungsrechten
HF 5.4
Art des Instruments:
Finanzinstrument im Rahmen der Wohnraumförderung
Grundlage für den Erwerb von Belegungs- und Mietbindungen beinhaltet das Thüringer Wohnraumfördergesetz (ThürWoFG). In § 6 wird als möglicher Fördergegenstand "der Erwerb von Belegungs- und
Mietbindungen an bestehendem Wohnraum" aufgeführt.
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Ziel des Instruments ist es, einen Ausgleich für das Entfallen bestehender Bindungen zu schaffen oder
die Zahl der zur Verfügung stehenden Belegungsbindungen für die Zielgruppen, die sich am Wohnungsmarkt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können, zu erhöhen.
Voraussetzung:
Voraussetzung ist ein bestehender Bedarf für Wohnungen mit Belegungs- und Mietbindungen sowie ein
unzureichendes aktuelles oder künftig sich abzeichnendes Angebot an geeigneten gebundenen Wohnungen, das so umfangreich und räumlich gestreut ist, dass sich bei den Zielgruppen der sozialen
Wohnraumförderung einseitige Sozialstrukturen verhindern und eine stabile Bewohnerstruktur erreichen
lassen. Weitere wichtige Voraussetzungen sind, dass Eigentümer mit geeigneten Beständen vorhanden
sind, für die die Förderkonditionen attraktiv sind und die Willens sind, für ihren Wohnungsbestand Belegungs- und Mietbindungen einzugehen.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt, institutionelle Vermieter, ggf. kleine Privatvermieter
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Die Förderung des Erwerbs von Belegungs- und Mietbindungen ist im Thüringer Wohnraumförderungsgesetz (ThürWoFG) zwar als möglicher Fördergegenstand aufgeführt, eine entsprechende Förderrichtlinie existiert auf Seiten des Landes jedoch nicht. Der finanzielle Aufwand für ein Förderprogramm für
den Erwerb von Belegungs- und Mietbindungen müsste demnach von der Stadt Jena selbst getragen
oder könnte durch eine Initiative beim Land ermöglicht werden. Abgesehen von der Frage, ob dies
überhaupt möglich wäre, ist aufgrund der Erfahrungen mit einem solchen Förderinstrument in anderen
Ländern oder Kommunen (siehe unten) fraglich, ob dieser Ansatz erfolgversprechend wäre und andere
alternative Instrumente der Belegung und Mietgestaltung nicht effizienter und vorzuziehen wären.
Effekt/Wirkung:
Bisherige Förderprogramme für den Erwerb von Bindungen wurden auf Landesebene (z. B. NordrheinWestfalen) oder auf kommunaler Ebene (z. B. München, Frankfurt am Main) meist als flankierendes
Instrument zu anderen Fördermaßnahmen der sozialen Wohnraumförderung eingesetzt. Die Erfahrungen mit den Förderprogrammen zeigen, dass trotz hohem vorgesehenen Mitteleinsatz39 überwiegend
keine ausreichenden Anreizeffekte für Vermieter erzielt wurden und die Förderzahlen insgesamt und
39
Die Stadt Frankfurt am Main gewährt in ihrem Programm "schlauvermieter.de" für Belegungs- und Mietbindungen über einen Zeitraum von 15 Jahren bei einer 75 m² großen Wohnung und einer Absenkung der ortsüblichen Vergleichsmiete von
7,02 € pro m² um monatlich 2,02 € pro m² auf 5,00 € pro m² eine Fördersumme von 38.520,00 €.
61
insbesondere bei der Gewinnung privater Vermieter meist bescheiden ausfielen. Eine Untersuchung zu
einer Fördermaßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen zeigte, dass die geringe Resonanz darauf zurückzuführen war, dass viele Vermieter in ihren Beständen aufgrund der damit verbundenen Risiken
(Mietausfälle, Schäden, Störung und Destabilisierung der Mieterschaft) keine (erneuten oder erstmaligen) Bindungen eingehen wollten und Wert auf eine weiterhin freie Auswahl bei der Mieterschaft legten.40
Wo in nennenswertem Umfang Belegungs- und Mietbindungen angekauft werden konnten, waren die
Hauptadressaten der Förderung die örtliche Wohnungswirtschaft, auf die die Kommune aufgrund der
Eigentumsverhältnisse oder über Kooperationsverträge bereits Einfluss hat (kommunale Wohnungsunternehmen) oder mit der sie ohnehin auf andere Weise zusammenarbeitet (sonstige größere Vermieter).41 Für die Zusammenarbeit mit diesen Vermietergruppen erscheinen die mittelbare Belegung und
insbesondere Kooperationsverträge, bei denen Fragen des Umgangs mit Belegungs- und Mietbindungen
in einem größeren Zusammenhang gelöst werden, der bessere Ansatz zu sein.
Kleine private Vermieter wurden nur selten erreicht. Insofern ist das Instrument wenig geeignet, diese
Vermietergruppe einzubeziehen. Das erscheint vor allem angesichts des hohen finanziellen und organisatorischen Aufwands und der vorhandenen kostengünstigeren und effizienteren Alternativen "Kooperationsverträge (HF 5.3)" und "Übertragung von Bindungen (HF 5.2)" auch gar nicht als notwendig.
Die für Jena zu erwartenden Effekte und Wirkungen eines solchen Förderprogramms wären demnach
insgesamt gering bei zugleich hohen Kosten pro einzelnem Förderfall.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Kooperationsverträge (HF 5.3), Übertragung von Belegungs- und Mietbindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen (HF 5.2), jenawohnen (HF 6)
Zeitlich:
Wirkungen lassen sich allenfalls langfristig erzielen.
Kosten/Effizienz:
Hohe Kosten bei geringer Effizienz im Vergleich zu anderen Instrumenten
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
siehe oben unter Effekte/Wirkung
Priorität:
niedrig
40
41
mittel
hoch
Chancen des Erwerbs von Bindungen im Bestand, Studie des IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH im
Auftrag des Ministeriums für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen, Berlin 1998.
In Frankfurt am Main wurden im Jahr 2013 insgesamt 204 Belegungsrechte erworben, die sich über 52 Frankfurter Stadteile
verteilen. Davon wurden Vereinbarungen für 124 Wohnungen mit der ABG Frankfurt Holding, die alle kommunalen Wohnungsunternehmen der Stadt Frankfurt am Main managt, und für 68 Wohnungen mit der Nassauischen Heimstätte (im
Wesentlichen ein Unternehmen des Landes Hessen und von verschiedenen Kommunen) geschlossen. Nur für 12 Wohnungen wurden Vereinbarungen mit privaten Eigentümern getroffen (vgl.: Stadt Frankfurt am Main, Tätigkeitsbericht 2013 des
Amts für Wohnungswesen, Frankfurt am Main 2014, S. 47).
62
Weiterentwicklung, Begleitung und Stabilisierung von Problemquartieren
HF 5.5
Art des Instruments:
Einsatz von Mitteln der Städtebauförderung und ggf. weiterer Fördermittel für soziale und bauliche
Quartiersmaßnahmen
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Wesentliches Ziel des Instruments ist die Fortführung und Verstetigung der Maßnahmen der sozialen
Stabilisierung und Weiterentwicklung sowie städtebaulichen Erneuerung der Großsiedlungsquartiere Lobeda und Winzerla. Mit der Fortführung der Maßnahme der je 8 Handlungsfelder der integrierten Entwicklungskonzepte für Jena-Winzerla42 und Jena-Lobeda43 soll der einseitigen Konzentration sozialer
Gruppen entgegengewirkt und eine verstärkte soziale Durchmischung erreicht werden.
Voraussetzung:
Voraussetzung ist die Verfügbarkeit von Fördermitteln durch Einbeziehung von Jena bzw. der Gebiete
in die Gebietskulisse der Programme Soziale Stadt und Stadtumbau Ost. Weitere Voraussetzung ist die
Einbindung der Gebietsakteure und deren Mitwirkung an den Maßnahmen.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt, in Gebieten vertretene Wohnungswirtschaft/Vermieter und weitere Stadtteilakteure
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Die Fortführung der Maßnahmen auf Grundlage der Handlungskonzepte und der in den beiden Gebieten
gewonnenen Erfahrungen ist gut geeignet, um die oben genannten Ziele zu verfolgen.
Effekt/Wirkung:
Die Großsiedlungen Lobeda und Winzerla sind diejenigen Stadtteile Jenas, mit dem größten Anteil an
preiswertem Wohnraum. Entsprechend sind die Anteile einkommensschwacher Haushalte und Transferleistungsempfänger hier am höchsten. Lobeda weist zudem die höchste Zahl an Arbeitslosen und aus
dem Ausland Zugezogenen auf. Zudem ist der Alterungsprozess der Bevölkerung in Lobeda bereits weit
fortgeschritten – der höchste Seniorenanteil in Jena –, Winzerla wird in den nächsten Jahren folgen. Die
adäquate Wohnraumversorgung für diese Gruppen ist jedoch nur ein Aspekt, weitere ergänzende Komponenten sind erforderlich, die mit den Stichworten gleiche Bildungschancen, soziale Teilhabe, Integration, positive Image-Entwicklung sowie Interventionen bei Konflikten und Krisen benannt werden können. Hierfür sind entsprechende soziale Maßnahmen und kulturelle Angebote erforderlich, damit diese
Stadtteile von gesamtstädtischen Entwicklungen nicht sozial abgekoppelt werden. Das Instrument Soziale Stadt ermöglicht die notwendigen Einrichtungen wie Stadtteilbüro, unterstützt Projekte und Initiativen, ermöglicht soziale und kulturelle Angebote sowie Betreuungsleistungen.44
42
43
44
Integriertes Entwicklungskonzept Jena-Winzerla – Programmgebiet der Sozialen Stadt, Weeber+Partner im Auftrag der
Stadt Jena, Berlin 2009.
Integriertes Entwicklungskonzept Jena-Lobeda – Programmgebiet der Sozialen Stadt, Weeber+Partner im Auftrag der Stadt
Jena, Berlin 2009.
Vgl. GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (Hrsg.): Erfolgsfaktoren sozialer Quartiersentwicklung, Berlin 2010.
63
Der weitere Einsatz der Förderinstrumente und der begleitenden Maßnahmen dient dazu, in den beiden
Großsiedlungsgebieten die erreichten Erfolge zu sichern und Tendenzen einer sozialen Destabilisierung
der Gebiete zu verhindern. Insbesondere sind die Instrumente notwendig, um den Zuzug und die Konzentration von weniger zahlungskräftigen sozialen Gruppen aufzufangen und mit geeigneten Stabilisierungsmaßnahmen das Absacken der Gebiete zu verhindern.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Einbindung wohnungswirtschaftlicher Akteure u. a. über Kooperationsverträge (HF 5.3) und ein kommunales Bündnis für Wohnen (HF 7.1)
Zeitlich:
Mittel- bis langfristige Wirkungen
Kosten/Effizienz:
Bei Städtebauförderung aufzubringender Eigenanteil der Stadt, ansonsten verwaltungsinterne Kosten,
mittleres bis günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis; keine Alternativen
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Insgesamt gute Erfahrungen laut Evaluierung der Bund-Länder-Programme Soziale Stadt und Stadtumbau Ost
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
64
Zugang zu Wohnungen mit einfachem Standard für Studenten
HF 5.6
Art des Instruments:
Beratungs- und Vermittlungsfunktion für die Identifizierung und Zugangserleichterung zu Wohnungen
mit einfachem Standard für Studenten. In Jena existiert eine Vermittlungsplattform des Studentenwerks
Thüringen in Zusammenarbeit mit kommunalen, genossenschaftlichen und privaten Vermietern (studenten-wohnen-jena.de).
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Beratung und Vermittlung von geeignetem Wohnraum für wohnungssuchende, insbesondere neu in
Jena ankommende Studenten, Abfederung des insbesondere zum Beginn des Winter- und Sommersemesters auftretenden Nachfrageschubs und schnelle Auflösung des Wohnungssuchstaus unter den Studenten
Voraussetzung:
Vermittelnde Institution, kooperationsbereite Vermieter
Zuständigkeit/Akteure:
Studentenwerk Thüringen, kooperationsbereite Vermieter
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das Instrument ist geeignet, die Probleme des insbesondere saisonal auftretenden Mangels an geeignetem studentischem Wohnraum in Jena zu mildern und ganzjährig zu einer verbesserten Unterbringung von Studenten beizutragen.
Effekt/Wirkung:
Die Zahl der Studenten hat sich in Jena bis zum Jahr 2011 nach und nach spürbar erhöht, was zu
zunehmenden Versorgungsproblemen geführt hat, die sich vor allem zu Semesterbeginn (insbesondere
Wintersemester mit ca. 4.000 neuen Studenten) in einem großen Stau an wohnungssuchenden Studenten niederschlugen. Die Situation auf dem studentischen Wohnungsmarkt hat sich seither aus zwei
Gründen etwas entspannt. Zum einen ist seit dem Wintersemester 2011/2012 ein Rückgang der Erstsemester-Studentenzahlen zu verzeichnen. Zum anderen hat die Vermittlungsplattform des Studentenwerks Thüringen in Zusammenarbeit mit kommunalen, genossenschaftlichen und privaten Vermietern
(studenten-wohnen-jena.de) erheblich dazu beigetragen, dass der temporäre Stau der wohnungssuchenden Studenten schneller abgebaut wird. Mit dazu beigetragen hat auch, dass die Problematik des
studentischen Wohnungsmarkts in Jena bekannt gemacht und ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht wurde. Die Öffentlichkeitswirkung hat mit dazu beigetragen, dass von Vermieterseite mehr für
Studenten geeigneter Wohnraum angeboten wird und vermittelt werden kann. Da studentisches Wohnen auch zukünftig ein zentrales wohnungspolitisches Thema bleibt, ist es sinnvoll die Arbeit mit diesem
Instrument fortzusetzen.
Bezug zu anderen Instrumenten:
keine
65
Zeitlich:
kurzfristige Wirkung
Kosten/Effizienz:
Vermittlungsaufwand, günstige Kosten-Nutzen-Relation
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Ähnliche Erfahrungen anderer Studentenstädte
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
66
Fazit zum Handlungsfeld Soziale Wohnraumversorgung/preisgünstiger
Wohnraum
Die Bewertung der Wirkungen der untersuchten Instrumente des Handlungsfeldes "Soziale Wohnungsversorgung/preisgünstiger Wohnraum" hat gezeigt, dass es kein einzelnes Instrument gibt, mit dem die
Versorgung von Zielgruppen, die Probleme auf den Jenaer Wohnungsmarkt haben, sich mit angemessenem und für sie tragfähigem Wohnraum zu versorgen, künftig gesichert und verbessert werden kann.
Notwendig hierfür ist vor allem ein Ersatz der künftig wegfallenden Belegungs- und Mietbindungen und
ausreichender sonstiger preisgünstiger Wohnraum, der diesen Gruppen zur Verfügung steht. Die Schaffung und Erhaltung neuer Bindungen ist grundsätzlich mit mehreren der bewerteten Instrumente möglich. Hierzu zählen die Unterstützung von zielgruppenorientierten Projekten für bezahlbaren Wohnraum
(u. a. durch Inanspruchnahme von Fördermitteln des sozialen Wohnungsbaus), Übertragung von Belegungs- und Mietbindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen, Kooperationsverträge mit Wohnungsunternehmen und Erwerb von Bindungen.
Die Wirksamkeit der ersten drei dieser vier Instrumente für Jena wird jedoch wesentlich dadurch beeinträchtigt, dass die Konditionen der Thüringer Wohnungsbauförderung zu wenig Anreize für Investoren
bieten, in Jena sozialen Wohnungsbau durchzuführen. Dies ist wesentlicher Grund, weshalb diesen Instrumenten unter derzeitigen Bedingungen keine hohe Priorität eingeräumt wird. Mittlere Priorität bei
der Unterstützung zielgruppenorientierter Projekte (HF 5.1) bzw. hohe Priorität bei der Übertragung von
Bindungen (HF 5.2) und Kooperationsverträgen (HF 5.3) wäre erst dann gegeben, wenn die Wohnungsbauförderung des Landes verbesserte Konditionen aufweist, die Übertragung von Bindungen von Förder- auf Ersatzwohnungen praktiziert werden kann und damit auch eine verbesserte Grundlage für ein
breites Bündel an Maßnahmen und für umfassende Kooperationsverträge mit Wohnungsunternehmen
zur Verfügung steht. Daher wäre zu prüfen, ob eine Initiative gegenüber dem Land Thüringen zur Änderung der Förderpraxis und Förderkonditionen sinnvoll und erfolgversprechend ist.
Aus den oben genannten Gründen ist in Jena derzeit notwendig, auf Maßnahmen zurückzugreifen, die
im Wesentlichen ohne Wohnungsbauförderung des Landes auskommen. Hierzu zählen Maßnahmen wie
Beratung und Moderation von Investoren, Unterstützung der professionellen Initiierung von Baugruppen, Vermittlung von Studenten und Vereinbarungen mit Vermietern. Zusätzlich ist die Fortführung von
Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung sinnvoll, die auf die Stabilisierung und Weiterentwicklung von Quartieren in Winzerla und Lobeda zielen.
67
Handlungsfeld "jenawohnen"
HF 6
Bei der jenawohnen GmbH handelt es sich um ein kommunales Wohnungsunternehmen, das die Besonderheit aufweist, dass die Stadt Jena an ihm nicht mehrheitlich direkt als Eigentümer beteiligt ist.
Vielmehr handelt es sich bei jenawohnen mehrheitlich um eine indirekte Beteiligung der Stadt. Die
Stadtwerke Energie Jena-Pößneck halten als zwischengeschalteter Eigentümer 94% der Anteile der
jenawohnen GmbH. Die Stadt Jena, zugeordnet dem Sondervermögen "KIJ – Kommunale Immobilien
Jena", ist direkt nur mit 6% der Anteile an jenawohnen beteiligt.45 Auch als kommunales Wohnungsunternehmen, an dem die Stadt Jena als Eigentümer im Wesentlichen indirekt beteiligt ist, stellt jenawohnen mit ihren rund 14.000 Wohnungen ein wichtiges Instrument städtischer Politik dar.
Bewertung der Bedeutung kommunaler Wohnungsunternehmen/-bestände und des Handlungsbedarfs in kommunalen Aufgabenfeldern46
Für eine nähere Einordnung der Rolle von jenawohnen für die Stadt Jena ist von Interesse, welche
Aufgaben kommunale Wohnungsunternehmen im Allgemeinen übernehmen. Wie zwei vom Bundesbauministerium herausgegebene Studien47 zeigen, wird den kommunalen Wohnungsunternehmen von
den Kommunen in Deutschland ein breites Spektrum an wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen
Aufgaben übertragen. Die aus einer der beiden Studien übernommene Abbildung zeigt, dass für die
meisten Kommunen die größte Bedeutung der kommunalen Wohnungsunternehmen in den Feldern
45
46
47
Wohnen für Jena – Geschäftsbericht 2013 der jenawohnen GmbH, S. 29.
Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.): Strategien der Kommunen für ihre
kommunalen Wohnungsbestände - Ergebnisse der Kommunalbefragung, Forschungen Hefte 145, Berlin 2010, S. 48.
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.): Strategien der Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände - Ergebnisse der Kommunalbefragung, Forschungen Hefte 145, Berlin 2010 sowie Strategien der
Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände - Ergebnisse der Fallstudien und Gesamtergebnis, Forschungen 151,
Berlin 2011. Bearbeitung: IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH, Berlin.
68
soziale Wohnungsversorgung und Mietenpolitik/preisgünstige Wohnungen liegt, dass jedoch auch andere Themenbereiche wie Stadtquartiere, soziale Brennpunkte, Stadtumbau, kommunale Infrastruktur,
energetische Erneuerung, Integration häufig von großer Bedeutung sind.
Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist, dass kommunale Wohnungsunternehmen dann den größten
Nutzen für die Kommune (finanziell und indirekt im Sinne einer Stadtrendite) entfalten, wenn ihnen
Aufgaben in verschiedenen Handlungsfeldern bzw. von verschiedenen Ressorts übertragen werden, die
jedoch strategisch aufeinander abgestimmt sind und sich vom Umfang an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren. Dabei geht es oftmals in den Kommunen um die Frage, ob das Wohnungsunternehmen der Stadt in erster Linie finanzielle Erträge für die Entlastung des kommunalen Haushalts
oder/und durch die Übernahme von Aufgaben indirekten Ertrag (in Form von Stadtrendite) erbringen
soll.
Unter den in den Studien untersuchten Fallbeispielen lässt sich das Beispiel Potsdam nennen, bei dem
zwischen Stadt und dem kommunalen Unternehmen Pro Potsdam im Jahr 2010 die Übernahme vielfältiger konkret bezifferter Aufgaben für einen Zeitraum bis 2019 (unter anderem Festlegung des Umfangs
des Neubaus, der energetischen Sanierung des Bestands, der Wohnungen mit Belegungsrechten und
mit Mietbeschränkungen) vereinbart wurde. Der Vereinbarung war ein Balanced-Scorecard-Verfahren
vorausgegangen, in dessen Verlauf die wirtschaftlichen Potenziale von Pro Potsdam von einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen erfasst und die Aufgaben neu gewichtet wurden. An dem Verfahren waren
verschiedene Bereiche der Verwaltung der Stadt und des Wohnungsunternehmens und im weiteren
Verlauf weitere örtliche Akteure beteiligt.48
Aufgaben der PRO POTSDAM49
Das kommunale Unternehmen jenawohnen übernimmt in Jena ebenfalls vielfältige Aufgaben wie
Unterbringung von Haushalten mit WBS im eigenen Bestand auf Grundlage des Kooperationsvertrags mit der Stadt,
48
49
Vgl. Pro Potsdam: Jahresbericht 2011/2012, S. 8.
Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.): Strategien der Kommunen für ihre
kommunalen Wohnungsbestände - Ergebnisse der Fallstudien und Gesamtergebnis, Forschungen 151, Berlin 2011, sowie
ursprünglich Landeshauptstadt Potsdam/IfS: Stadtentwicklungskonzept Wohnen, 2009, S. 202.
69
Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Städtebauförderprogramme Stadtumbau Ost und Soziale
Stadt,
Neubau hochwertiger Wohnungen zur Diversifizierung des eigenen und des Wohnungsbestands
in Jena,
Mitwirkung in der AG Wohnungswirtschaft, Unterstützung der Wohnungsmarktbeobachtung mit
Daten.
Neubau im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung fand in den letzten Jahren nicht statt, aktuell ist
jedoch ein geförderter Neubau mit 45 Wohnungen vorrangig für Obdachlose und von Obdachlosigkeit
Bedrohte geplant.
Der Unterschied zu dem dargestellten Beispiel Pro Potsdam besteht darin, dass die Zielabsprachen der
Stadt gegenüber jenawohnen wesentlich allgemeiner bzw. weniger operationalisiert sind und die konkrete Umsetzung der Ziele stärker in der Hand von jenawohnen liegen. Dies hat zur Folge, dass das
Unternehmen innerhalb des Handlungsrahmens relativ eigenständig darüber entscheiden kann, welche
Investitionsvorhaben aus Unternehmenssicht wirtschaftlich sinnvoll und auf Dauer tragfähig sind. Dies
schlägt sich auch in den in den letzten Jahren stetig steigenden Jahresüberschüssen von jenawohnen
nieder. Im Jahr 2013 betrug der Jahresüberschuss 17,2 Mio. €, während er im Jahr 2010 noch bei 14,4
Mio. € und im Jahr 2007 bei 8,7 Mio. € lag.50
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Überschüsse von Pro Potsdam über einen Zeitraum von
zehn Jahren ausschließlich für wohnungs- und sozialpolitische Zwecke eingesetzt werden. Potsdam ist
sicherlich ein Beispiel für eine besonders konsequente und operationalisierte strategische Ausrichtung
des kommunalen Unternehmens auf wohnungs- und sozialpolitische städtische Ziele, es ist jedoch nicht
die einzige Stadt in Deutschland, der Stadtrendite wichtiger ist als direkte finanzielle Erträge.51
Das Beispiel Potsdam und der Verweis auf die Praxis in anderen deutschen Städten soll im Rahmen
dieser Studie bzw. Instrumentenbewertung Handlungsspielräume und das mögliche Handlungsspektrum
für die Stadt Jena in Bezug auf ihr kommunales Wohnungsunternehmen aufzeigen. Eine Bewertung der
Frage, ob es sinnvoll ist, jenawohnen durch die Stadt Jena stärker im Sinne einer Stadtrendite auszurichten, kann hier nicht fundiert beantwortet und konkretisiert werden. Hierzu wäre eine intensivere
Auseinandersetzung bzw. eine eigene Untersuchung für dieses Thema notwendig. Neben sachlichen
Erwägungen handelt es sich dabei vor allem auch um eine politische Frage.
Es soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass der jenawohnen im Rahmen eines kommunalen Bündnisses Wohnen mit konkreter gefassten Zielen und höherer Verbindlichkeit eine maßgebliche Rolle zukommen wird. Ähnliches gilt insbesondere auch für die Instrumente der sozialen Wohnungsversorgung
bzw. der Kompensation wegfallender Bindungen, sei es über verstärkte Neubau- und Modernisierungsinvestitionen unter Inanspruchnahme der (ggf. vom Land verbesserten) Wohnungsbauförderung, sei es
über weitergehende Vereinbarungen mit der Stadt im Rahmen von Kooperationsverträgen.
Priorität:
niedrig
50
51
mittel
hoch
Wohnen für Jena – Geschäftsbericht 2013 der jenawohnen GmbH, S. 57.
Zu Definition und Prinzip der Stadtrendite s. HF 2.
70
Handlungsfeld "Kooperation und Kommunikation"
HF 7
Kommunale Wohnungspolitik ist in hohem Maße eine Frage der Kommunikation zwischen den verschiedenen Wohnungsmarktakteuren vor allem in Bezug auf Problemsichten und Handlungsansätze, aber
auch gegenüber der Öffentlichkeit. Zahlreiche Ziele lassen sich zudem nur in Kooperation verwirklichen,
wobei in Jena auf vorhandene Strukturen aufgebaut werden kann.
In diesem Handlungsfeld werden zwei Instrumente hinsichtlich ihrer Wirkungen bewertet:
Fortsetzung der Wohnungsmarktbeobachtung, Fortführung der AG Wohnungswirtschaft und ein
Kommunales Bündnis für Wohnen,
fortgesetzte Abstimmung mit Umland-/Nachbargemeinden im Rahmen der Bauleit- und Regionalplanung.
71
Wohnungsmarktbeobachtung, AG Wohnungswirtschaft und kommuHF 7.1
nales Bündnis für Wohnen
Art des Instruments:
Instrument der Information, Kommunikation und von Vereinbarungen.
Die Wohnungsmarktbeobachtung hat in Jena lange Tradition, ebenso die Arbeit der AG Wohnungswirtschaft. Ein kommunales Bündnis für Wohnen führt zusätzlich zu einer Operationalisierung der Ziele und
zu Vereinbarungen über die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele.
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Die mit dem Monitoring zum Stadtumbau erfolgende Wohnungsmarktbeobachtung hat das Ziel, Transparenz für den gesamten Wohnungsmarkt und die Teilmärkte in Jena herzustellen und die hierfür entscheidenden Komponenten auf der Angebots- und Nachfrageseite aufzuzeigen. Wesentliche Aufgabe
der Wohnungsmarktbeobachtung ist, den Akteuren des Wohnungsmarkts und der Wohnungsversorgung
eine Informationsbasis zu verschaffen, die den Vorteil hat, dass alle Akteure auf die gleichen Informationen zurückgreifen und Uneinigkeit über die Grundlagen gemeinsamer Entscheidungen vermieden
wird. Durch die Verbesserung der Informationsgrundlagen besteht für die Akteure die Möglichkeit, Entscheidungen sachgerechter bezogen auf die speziellen Verhältnisse des Jenaer Wohnungsmarkts zu
treffen als ohne solche Grundlagen. Zudem bietet die Wohnungsmarktbeobachtung eine Basis für die
Evaluierung von wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen.
Die AG Wohnungswirtschaft hat sich in Jena Anfang der 2000er-Jahre zusammengetan, um in Fragen
der Konzeptentwicklung und Umsetzung von Maßnahmen des Stadtumbaus in Zusammenhang mit dem
Bund-Länder-Programm Stadtumbau Ost zusammenzuarbeiten. Neben der Stadt Jena sind die kommunale, genossenschaftliche und private Wohnungswirtschaft, die Stadtwerke sowie weitere Institutionen
vertreten. Während anfänglich Themen des Stadtumbaus im Vordergrund standen, hat die AG Wohnungswirtschaft mittlerweile die Funktion einer Plattform für einen generellen Austausch der Wohnungsmarktakteure zu verschiedenen Themen des Wohnungsmarkts und der Stadtentwicklung erhalten.
72
Ziel eines kommunalen Bündnisses für Wohnen, das auf den Instrumenten "Wohnungsmarktbeobachtung" und "AG Wohnungswirtschaft" aufbaut, ist, unter den Wohnungsmarktakteuren zu einer Verständigung über die wesentlichen Ziele und Maßnahmen zur Bewältigung künftiger Herausforderungen in
Jena zu kommen, sich auf eine Aufgabenverteilung zu einigen und über Absprachen oder geschlossene
Vereinbarungen insgesamt eine starke Verbindlichkeit und Verstetigung der Zusammenarbeit herzustellen. Wichtig für ein Bündnis wäre, zu Anfang der Konzeptentwicklung zusätzlich die politische Ebene
einzubinden. Grundlage eines kommunalen Bündnisses könnten die Ziele und Maßnahmen sein, die in
dem vorgesehenen Handlungskonzept Wohnen der Stadt Jena festgelegt werden.
Voraussetzung:
Wichtige Voraussetzungen für ein kommunales Bündnis Wohnen sind die Erkenntnis der Beteiligten über
den zusätzlichen Nutzen, die Einigung über die Ziele, Maßnahmen und Aufgabenverteilungen sowie die
Bereitschaft, diese verbindlich zu vereinbaren. Zunächst muss unter den beteiligten Akteuren geklärt
werden, ob die Voraussetzungen bzw. die grundsätzliche Bereitschaft aller Beteiligten hierfür vorliegen.
Anschließend muss eine Einigung über konkrete Themen erfolgen, denen sich das Bündnis widmet.
Wenn dies der Fall ist, sollte eine neutrale, am besten externe Organisation und Moderation für das
Bündnis eingesetzt werden, die Aufstellung eines Fahrplans und die inhaltliche Steuerung des Prozesses
übernimmt.
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt, Wohnungswirtschaft, weitere Akteure/Institutionen, Politik, Moderation
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das Instrument eines kommunalen Bündnisses für Wohnen ist grundsätzlich dafür geeignet, für Jena
wichtige aktuelle Probleme und Zukunftsaufgaben gemeinsam mit verschiedenen Akteuren anzugehen.
Effekt/Wirkung:
Die Wirkungen können nur sehr allgemein bewertet werden und hängen wesentlich von der Mitwirkungsbereitschaft der Beteiligten ab. Ein Kommunales Bündnis für Wohnen (aufbauend auf der bisherigen Arbeit der AG Wohnungswirtschaft) bietet für alle Beteiligten die große Chance, aus der intensivierten Zusammenarbeit erheblichen Mehrwert zu gewinnen. Der Mehrwert entsteht aus der koordinierten
und effizienteren Bewältigung von Aufgaben, die für Jena vor dem Hintergrund des demographischen
Wandels, der zu erwartenden Veränderung der Nachfrage nach Wohnraum, der zu lösenden städtebaulichen Probleme und der Ziele bezogen auf Energieeffizienz und Klimaschutz von großer Bedeutung sind.
Auch wenn der Nutzen nicht für alle Beteiligten unmittelbar sichtbar ist und daher das Eingehen von
verbindlichen Arbeitsteilungen gescheut wird, sollte die Erkenntnis im Vordergrund stehen, dass vom
zusätzlichen Gesamtnutzen für Jena letzten Endes alle Akteure profitieren werden.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Einzelne zwischen der Stadt und der Wohnungswirtschaft auf Grundlage des ThürWoFG geschlossene
Kooperationsverträge (HF 5.3) können wichtige Bausteine einer umfassenderen Zusammenarbeit im
Rahmen eines Bündnisses für Wohnen darstellen. Ähnliches gilt für weitere Instrumente der Handlungsfelder 1, 2, 3 und 6, die hier nicht im Einzelnen ausgeführt werden sollen.
73
Zeitlich:
Ein kommunales Bündnis für Wohnen zielt auf mittel- bis langfristige Wirkungen.
Kosten/Effizienz:
Interner Koordinations- und Entwicklungsaufwand für die Beteiligten, günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Auf Bundes- und Landesebene wurden Bündnisse für Wohnen initiiert. Kommunale Bündnisse, die meist
in Zusammenhang mit Handlungskonzepten Wohnen stehen, sind in mehreren Ländern (NRW, BadenWürttemberg) geschlossen worden.
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
74
Fortgesetzte Abstimmung mit Umland-/Nachbargemeinden im Rahmen der Bauleit- und Regionalplanung
HF 7.2
Art des Instruments:
Abstimmung zwischen Gebietskörperschaften, regionale Entwicklungsplanung
Ziel des Instruments/intendierte Wirkung:
Herstellung von Konsens über Entwicklungspfade bei Bevölkerung und Wohnungsbau zwischen Jena
und Umland-/Nachbargemeinden, Vermeidung kontraproduktiver Konkurrenz, die zu unnötigen Belastungen und Folgekosten führt und der Gesamtregion schadet
Voraussetzung:
Bereitschaft der Zusammenarbeit, Problemdruck aufgrund der Verflechtungen/Konkurrenzsituation
Zuständigkeit/Akteure:
Stadt Jena, Nachbar-/Umlandgemeinden
Wertung in Bezug auf Jena
Grundsätzliche Eignung:
Das Instrument ist grundsätzlich geeignet, bei bestehenden oder sich abzeichnenden Problemen und
daraus resultierendem Handlungsbedarf mit den Nachbar-/Umlandgemeinden eine Abstimmung und
Kooperation über die gemeinsame Entwicklung im Rahmen der Bauleit- und Regionalplanung herzustellen. Die Kooperation bezieht sich auf Entwicklungen im Geschosswohnungsbau (Mietwohnungen) und
im Eigentumsbereich.
Bereits verfolgte Ansätze, Wohnraum für Jenaer Studenten in Nachbarstädten anzubieten, haben sich
aufgrund fehlenden Interesses seitens der Studenten und deren Präferenz, in Jena zu wohnen, als nicht
geeignet erwiesen. Deshalb und weil sich die Situation auf dem studentischen Wohnungsmarkt in Jena
etwas entspannt hat, wird dieser Ansatz nicht weiterverfolgt.
Effekt/Wirkung:
Insgesamt lässt sich feststellen, dass Jena bezogen auf den Mietwohnungsmarkt kaum mit dem Umland
verflochten ist, was sich auch an den teilweise vorhandenen Leerständen in den Umlandgemeinden
zeigt. Beim Eigentum existieren zwar Verflechtungen mit Nachbarstädten, die vor längerer Zeit noch zu
Einwohnerverlusten Jenas führten. In jüngster Zeit sind die Verluste für Jena sehr gering. Nach den
Ergebnissen des Monitorings 2014 besteht in Jena, was die Abwanderung von Bevölkerung ins Umland
angeht, kein sehr großer Problemdruck. Auch aufgrund der erfolgten Eingemeindungen ist der Wanderungssaldo mit dem Umland etwa ausgeglichen, sodass kaum Handlungsbedarf besteht.
Das Instrument könnte jedoch perspektivisch an Bedeutung gewinnen, wenn die Verflechtungen beim
Eigentum stärker zu Lasten Jenas gehen sollten (z. B. aufgrund von Knappheit an vorhandenem Bauland) und zu Abwanderung von Bevölkerung führten, an deren Verbleib Jena Interesse hat. Sollte diese
Situation eintreten, kann Jena darauf mit diesem Instrument sowie mit anderen Instrumenten (z. B.
eigene Angebote an neu erschlossenen Flächen für Umzugswillige) reagieren. In diesem Falle wäre eine
Abstimmung und forcierte Kooperation mit Nachbar-/Umlandgemeinden geboten, die dann in die Bauleit- und Regionalplanung einfließt. Gegenstand der Abstimmung sind dann die Festlegung von für die
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gesamte Region verträglichen Entwicklungszielen und deren ausgewogene Aufteilung auf die Stadt Jena
und die Nachbar-/Umlandgemeinden.
Bezug zu anderen Instrumenten:
Zeitlich:
Mittel- bis langfristig
Kosten/Effizienz:
interner Aufwand, keine externen Kosten, mittleres Kosten-Nutzen-Verhältnis (unklarer Erfolg)
Vergleichende Einordnung/Erfahrungen anderer Kommunen:
Bei Gemeinden mit Problemdruck gute Erfahrungen (z. B. Schwerin und Umland)
Priorität:
niedrig
mittel
hoch
Fazit zum Handlungsfeld Kooperation und Kommunikation
Bei der Wohnungsmarktbeobachtung und der AG Wohnungswirtschaft handelt es sich um bewährte
Instrumente, die durch ein kommunales Bündnis für Wohnen erweitert und hinsichtlich der zu verfolgenden Ziele und Maßnahmen qualifiziert werden sollten. Für eine fortgesetzte Abstimmung mit Umland-/Nachbargemeinden im Rahmen der Bauleit- und Regionalplanung besteht derzeit aufgrund fehlenden Handlungsdrucks kein Bedarf, sie gewinnt aus Sicht von Jena erst dann wieder an Bedeutung,
wenn sich die Verflechtungen verstärken und zu spürbarer Abwanderung von Bevölkerung aus Jena
führen.
HF 7
7.1
7.2
Kooperation und Kommunikation
Wohnungsmarktbeobachtung, AG Wohnungswirtschaft,
Kommunales Bündnis für Wohnen
Abstimmung mit Umland-/Nachbargemeinden
Priorität
76
Anhang
Vertiefende Untersuchung
der Zuzüge in Neubauten
Eine Analyse des Fachbereiches Finanzen – Team Statistik der Stadt Jena in Zusammenarbeit mit
Tobias Jacobs, Wohn- und Stadtraumkonzepte
Text: Tobias Jacobs, Grafik: Lutz Krenkel
77
Woher kommen die Bewohner neu errichteter Wohnungen?
Zusammenfassung
Eine Analyse der Einwohnermeldestatistik verdeutlicht die Wirkung von Neubau auf den Wohnungsmarkt. So wird der Neubau von Häusern mit ein oder zwei Wohnungen, von Familien bevorzugt und
entlastet vor allem die Nachfrage im städtischen Marktsegment. Neue Häuser mit drei und mehr Wohnungen verbessern gleichfalls das Angebot im städtischen Marktsegment. Dadurch verringert sich der
Druck auf das preiswerte Segment, jeder fünfte Neubau führt sogar direkt zu einer freien Wohnung im
preiswerten Segment.
Die Frage, woher die Bewohner neu errichteter Wohnungen kommen und welche Schlüsse für die Neubauflächenpolitik der Stadt Jena zu ziehen sind, sollte mit einer kleinen Untersuchung empirisch fundiert
werden. Hierzu wurden die Einwohnermeldestatistik und die Baufertigstellungsstatistik der Stadt Jena
gesondert untersucht. Herangezogen wurden in den Jahren 2012-2014 neu errichtete Wohnungen und
analysiert, woher die gemeldeten Bewohner kamen. Insgesamt wurden 386 Adressen mit 1.077 Wohnungen und 2.301 gemeldeten Bewohnern ausgewertet. 112 Bewohner wurden in der neuen Wohnung
geboren, was verdeutlicht, dass Familiengründung ein wichtiger Umzugsgrund ist. 55 % der Bewohner
wohnen in Häusern mit drei und mehr Wohnungen, 45 % in Häusern mit ein oder zwei Wohnungen.
Diese beiden Gruppen wurden jeweils getrennt untersucht.
Zuzüge in Häuser mit ein oder zwei Wohnungen
Insgesamt kann festgestellt werden, dass durch den Neubau von Häusern mit ein oder zwei Wohnungen
vor allem Wohnungen im Marktsegment des städtischen Wohnens und dem mittleren und höheren
Preissegment frei werden. Darüber hinaus gibt es eine nennenswerte Nachfrage nach Neubauten in den
ländlichen Ortsteilen durch Bewohner eben dieser Ortsteile. Dies lässt sich an folgenden Zahlen verdeutlichen:
15 % der zugezogenen Bewohner kommen von außerhalb Jenas
Zwei Drittel der Zugezogenen sind Haushalte mit Kindern
60 % der Zuzüge gehen in das suburbane Marktsegment
Die Zuzüge kommen aus fast allen statistischen Bezirken der Stadt, wobei ein Sechstel bereits in
den ländlichen Ortteilen gewohnt hat.
Über die Hälfte der Zuzüge kommt aus dem Marktsegment des städtischen Wohnens, 60 % von
ihnen bevorzugt als Ziel die ländlichen Ortsteile.
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Zuzüge in Häuser mit drei und mehr Wohnungen
Der Neubau von Häusern mit drei und mehr Wohnungen, die zumeist als Mietwohnungen fungieren,
stellt zuerst einmal eine Angebotserweiterung dar, wodurch im jeweiligen Marktsegment Bestandswohnungen frei werden. Dadurch reduziert sich der Nachfragedruck auf andere Marktsegmente. Es gibt
aber auch direkte nennenswerte Sickereffekte, indem durch den Neubau preiswerte Wohnungen frei
werden. Die Ergebnisse im Einzelnen:
Ein Drittel der in den Neubau gezogenen Bewohner kommen von außerhalb.
Drei Viertel der Zuzüge sind 1- oder 2-Personen-Haushalte.
Ein Fünftel der Zuzüge befindet sich im Haushaltsgründungsalter (18 bis unter 27 Jahre), hierbei
kann es sich auch um Studenten handeln.
40 % der Zuzüge bleiben in ihrem angestammten Marktsegment.
Über die Hälfte der Zuzüge bevorzugt das städtische Wohnen. Dabei wohnte die Hälfte bereits
zuvor in der Kernstadt und kommt tlw. aus der direkten Nachbarschaft.
Ca. ein Fünftel der Zuzüge kommt aus Stadtteilen mit überwiegend preiswertem Wohnraum.
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Zuzüge in die Kernstadt:
Zuzüge nach Lobeda:
Eine Besonderheit stellt der Planungsraum Lobeda dar. Diejenigen, die in Lobeda – oder genauer in
Lobeda-Altstadt – in einen Neubau gezogen sind, kommen zu 80 % aus Lobeda und haben dort preiswerten Wohnraum freigemacht.