N-Kompass magazin

Sabbatical | Zeit ist die neue Währung
Green IT | Umdenken im Büro
Sozialunternehmer | Tue Gutes und verdiene Geld damit
2
2015
www.n-kompass.de
N-Kompass magazin
Nachhaltig wirtschaften im Mittelstand
Nachhaltigkeit ist
unser Geschäft
Der CO2-neutrale Versand
mit der Deutschen Post
Foto: Fotolia | industrieblick
Logistik & Transport
ehmen
Wie wird Ihr Untern
nachhaltiger?
ter
Kostenlose Analyse un
www.n-kompass.de
Nachhaltig wirtschaften mit dem N-Kompass.
Editorial
„Für eine nachhaltige
Zukunft müssen wir
extremer denken.“
Eike Wenzel
Yvonne Buckesfeld, Dipl. Kauffrau (FH)
Leiterin des Fachbereiches Nachhaltigkeit beim NWB Verlag und Produktverantwortliche für den N-Kompass.
Ohne eine funktionierende Logistik wären wir heutzutage aufgeschmissen.
Logistik bedeutet dabei nicht nur Transport und Lagerung unserer Marmelade
bis ins Supermarktregal, sondern auch die Steuerung der dazugehörigen Informationen, die Personal-, Finanz- und Energiebedarfsplanung. Aufgrund steigender Energiepreise ist der effiziente Umgang mit Energie insbesondere für die
Logistikbranche wichtig. Ein Umdenken ist notwendig, um langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu bleiben. Beispiele und Hintergründe finden Sie auf Seite 24.
Auch ein Leben ohne Computer, Smartphones oder andere technische Geräte ist
kaum noch vorstellbar. Die Technik erleichtert uns den Alltag und ist gleichzeitig
extrem schädlich für unser Klima. Einige Unternehmen reagieren bereits und
richten ihr Augenmerk in der IT vermehrt auf die Energiebilanz. Eike Wenzel vom
Institut für Trend- und Zukunftsforschung fordert hier zu einem extremen Umdenken auf. Der Beitrag auf Seite 8 zeigt, wie Unternehmen mit ressourcenschonenden Alternativen, wie zum Beispiel dem Einsatz von Thin Clients, die Energiezukunft aktiv mitgestalten können. Pragmatisch, innovativ und nachhaltig.
Extremer denken, dafür steht auch die AfB (Arbeit für Behinderte). Europas
„erstes gemeinnütziges IT-Systemhaus“ ist wirtschaftlich und ökologisch, aber
vor allem auch sozial, denn jeder zweite Mitarbeiter hat eine Behinderung. Die
Inklusion ist oft einfacher als man denkt, erklärt Geschäftsführer Daniel Büchle
auf Seite 16. Weitere Beispiele für Sozialunternehmen finden Sie auf Seite 28.
Auch Prof. Karin-Simone Fuhs denkt extrem. Ihr liegen die Menschen am
Herzen und sie ist überzeugt, dass man Nachhaltigkeit fühlen kann. Was das
mit Design zu tun hat, erklärt sie im Interview auf Seite 20.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre der aktuellen Ausgabe und freue
mich über Ihre Anregungen.
Hier geht’s direkt
zum N-Kompass.
02.2015
N-Kompass Magazin
Ihre Yvonne Buckesfeld
[email protected]
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08
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Umdenken im Büro
Foto: G2 Baraniak, Hamburg
12
Foto: Fotolia | TTstudio
Inhalt
Foto: iStock | IsaacLKoval
04
28
„Ich wollte irgendwas mit Design
und Ökologie machen.“
Segen und Fluch zugleich. Computer, Server und Co. erleichtern
im Alltag viele Aufgaben und sind vor allem am Arbeitsplatz
kaum wegzudenken. Gleichzeitig zählen sie aber zu den
größten Klimakillern weltweit. Wie Unternehmen ihre IT
ergrünen lassen können lesen Sie in unserem Beitrag.
Prof. Karin-Simone Fuhs erklärt im Interview, warum Design
und Nachhaltigkeit für sie zwei untrennbare Welten sind
und wie sie dazu kam, eine eigene Akademie für Gestaltung
zu gründen.
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Zeit ist die neue Währung
Titelthema: Effizient von A nach B
Eigene Ideen oder Projekte verfolgen, aber wann? Die Motive
und Umsetzungsmodelle für Sabbaticals sind vielfältig. Doch
können Unternehmen einfach auf ihre Mitarbeiter verzichten?
Wir sagen Ihnen, was es bei der Umsetzung zu beachten gibt.
Erst wenn neben der Produktion auch das Transportnetz
nachhaltig arbeitet, kann die gesamte Wertschöpfungskette
nachhaltig sein. Die Logistikbranche hat ihre Rolle verstanden
und stellt sich der besonderen Herausforderung.
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Das Gegenteil von Handicap
Bei der AfB Group (Arbeit für Behinderte) hat jeder zweite
Mitarbeiter eine Behinderung. Für Geschäftsführer Daniel
Büchle ist die gelebte Inklusion ein wichtiger Grund für den
Geschäftserfolg.
Tue Gutes und verdiene Geld damit
Geld verdienen ist Mittel zum Zweck. Sozialunternehmer
wollen mit ihren Geschäftsmodellen Menschen helfen und
die Gesellschaft verändern. Dabei entstehen innovative und
unternehmerische Konzepte, die vorbildlicher nicht sein
könnten.
Am Ende vieler Beiträge finden Sie Hinweise auf unsere N-KompassDossiers in Form einer DokID – z.B. BAAAE-44044. Wenn Sie bei
N-Kompass angemeldet sind, geben Sie die DokID in das Suchfeld
ein und gelangen so direkt zum Dossier. ÿ www.n-kompass.de
N-Kompass – nachhaltig wirtschaften
mit Methode!
Der N-Kompass ist das neue Online-Werkzeug für nachhaltiges Wirtschaften im
Mittelstand. Damit bringen Sie Ihr Unternehmen selbstständig auf
Nachhaltigkeitskurs.
Das Werkzeug bietet Ihnen Analysen und sofort anwendbare Hilfen für die
erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Bereichen Ökologie,
Ökonomie, Soziales ebenso wie im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements.
ÿ www.n-kompass.de
N-Kompass Magazin
02.2015
Big Picture
100 %
natürliche und
nachwachsende
Rohstoffe
Möbel light!
Fotos: ROOM IN A BOX
Die Marke „Room in a box“ bietet seit nunmehr 2 Jahren Pappmöbel,
die sich beliebig und leicht zusammenbauen und per Post verschicken
lassen. Ohne großen Aufwand können sie von einem zum anderen Ort
getragen werden. Mit einem Gewicht von 17 Kilogramm ist zum Beispiel das Bett ein wahres Leichtgewicht. Wie eine Ziehharmonika auf
und zu schiebbar ist es genauso mobil wie seine Besitzer und verwandelt jeden Ort mit ein paar Handgriffen zum Schlafzimmer. Wie ist
das möglich? Die Möbel sind nicht aus Holz, sondern aus Pappe.
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N-Kompass Magazin
10
In
Sekunden
aufgebaut
Doch auch in Sachen Nachhaltigkeit suchen Bett, Hocker und Tisch
aus Wellpappe ihresgleichen. Sie schonen nicht nur den Geldbeutel,
sondern auch die Umwelt: Bis zu 75 Prozent weniger CO2-Emissionen
fallen bei der Rohstoffgewinnung im Vergleich zu anderen Möbeln an,
die Pappe selbst ist zu 85 Prozent aus recyceltem Material und kann
so zu 100 Prozent recycelt werden. Ein Gang zur nächsten Altpapiertonne genügt. Fazit: Nachhaltiges Design, das weder an Qualität noch
an Stabilität einbüßt.
◊
05
Magazin
ÖKO-RANKING
Das neue Öko-Ranking „Forest 500“ listet 500 Institutionen
auf, darunter auch 250 Unternehmen, nach ihrem Beitrag zum
Regenwaldschutz. Nur sieben von diesen 250 Unternehmen
haben den Untersuchungen zufolge auf einer Skala von 0 bis 5
die maximale Punktzahl erreicht und führen damit das ÖkoRanking an.
Zur Erstellung des Öko-Rankings hat die britische Nichtregierungsorganisation „Global Canopy Programme“ öffentlich zugängliche Datenquellen (insgesamt mehr als 40.000 Datenpunkte) aus den jeweiligen Institutionen nach Einzelindikatoren,
z.B. Berichtwesen, Rohstoffpolitik und allgemeine Waldrichtlinien, ausgewertet. Geprüft wurde, wie jede Organisation im Hinblick auf die Nutzung von Wald- und Bodenressourcen handelt.
Dabei wurde die Verwertungs- und Handelskette – angefangen
von den Rohstoffen bis hin zu den Lebensmitteln (z.B. Palmöl,
Leder und Holz) – auf den Prüfstand gestellt.
Laut Rangliste gehören die folgenden sieben Unternehmen
zu den Spitzenreitern unter den Urwaldschützern: Danone-
Gruppe (Frankreich), Kao Corp. (Japan), Nestlé SA (Schweiz),
Procter & Gamble (USA) und die Reckitt-Benckiser-Gruppe (UK),
Unilever (UK) und aus dem Bankensektor der Finanzdienstleister
HSBC (UK). Schlusslichter des Rankings und damit die Urwaldsünder sind rund 30 Unternehmen, viele davon aus Asien und
dem Nahen Osten. Deutsche Firmen, wie Bertelsmann SE & Co.
KGaA oder die REWE Group, schneiden laut des Öko-Rankings im
Schnitt gut ab. „Die nachhaltige Palmölpolitik Deutschlands beispielsweise ist vorbildlich“, so Mario Rautner, Manager des Programms „Divers of Deforestation“.
Allgemeines Fazit des „Forest 500“-Abschlussberichts:
„Einige der Unternehmen machen gute Fortschritte, aber insgesamt liegt die Privatwirtschaft noch deutlich hinter den Zielen
einer Null-Abholzung.“
◊
Weitere Informationen: ÿ http://forest500.org
Foto: Fotolia | sergiy
Neue Rangliste der
Urwaldschützer und -sünder
VERANSTALTUNG
Phantastische Vielfalt auf dem 11. CSR-Forum
Am 20. und 21. April 2015 findet in
Ludwigsburg das 11. CSR-Forum statt.
Auch in diesem Jahr wird auf der europaweit größten Tagung ein reger Dialog
zwischen Wirtschaft und Gesellschaft
über Verhaltensregeln und Chancen für
die Zukunftsfähigkeit der deutschen
Wirtschaft ermöglicht.
In verschiedenen Impulsreferaten
u.a. zum Thema „Bürger-Partizipation“
und „CSR als Erfolgsfaktor“ füllen die Veranstalter des Forums über beide Tage
hinweg ihr Motto „Phantastische Vielfalt“
mit Leben. Zudem erhalten Unternehmen eine Plattform, um ihre Erfahrungen
mit CSR und Nachhaltigkeit mit den Teilnehmern zu teilen.
Besuchen Sie auch uns am N-Kompass-Stand und erfahren Sie mehr zum
Thema nachhaltig Wirtschaften im Mittelstand.
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Weitere Informationen:
ÿ www.csrforum.eu/kongress/2015
N-Kompass Magazin
02.2015
Foto: Fotolia | World travel images
06
Magazin
MANAGEMENTSYSTEME
Die neue Normgeneration
Voraussichtlich im Sommer
2015 erscheint die überarbeitete Umweltnorm ISO 14001
und im Herbst die neue Qualitätsnorm ISO 9001. Es gibt eine
Übergangsphase von ein bis drei
Jahren ab Veröffentlichung. Dennoch sollten sich die Unternehmen
frühzeitig auf die kommenden Änderungen vorbereiten.
Die überarbeiteten ISO-Normen
9001 und 14001 gliedern ihre Kerninhalte entlang der sogenannten High Level
Structure: Diese besteht aus 10 Hauptkapiteln, davon sind drei Kapitel einführender und sieben fordernder Natur. Diese
Struktur soll zukünftig für alle ISO-Managementsysteme gelten und damit die
Integrationsfähigkeit der Normen, z.B. bei
Kombizertifizierungen, erleichtern. Mit
der formalen Standardisierung geht u.a.
eine sprachliche Vereinheitlichung einher: Begriffe werden klar definiert und
gleichbedeutend in allen Systemen verwendet.
Neben dem Risikomanagement wird
in der neuen Normgeneration das Chancenmanagement zu einem weiteren
Grundprinzip. Unternehmen werden somit bei der Umsetzung aufgefordert, entsprechende Mechanismen strategisch
einzusetzen. Um der Tatsache Rechnung
zu tragen, dass das Umfeld einer jeden
Organisation unterschiedlich ist, wird außerdem die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Erwartungen aller Interessengruppen entlang der Lieferkette stärker
gefördert. Darüber hinaus wird mit der
Qualitätsnorm künftig u.a. eine Kompetenzbewertung eingeführt, mit der die
Weichen für ein betriebliches Wissensmanagement gelegt werden. Die Umweltnorm ihrerseits erweitert sich zukünftig z.B. in ihrem Spektrum und bewertet Umweltaspekte entlang des gesamten Lebenszyklus.
◊
Weitere Informationen: ÿ www.dqs.de
PROGNOSEN
Foto: Fotolia | il-fede
Frachtverkehr
löst Passagierverkehr ab
Bis 2050 vervierfacht sich der weltweite Frachtverkehr, mit bedeutenden Folgen für Wirtschaft und Klima. Zu diesem Schluss kommt das „International Transport Forum“ (ITF) der OECD in seinem „Outlook 2015“,
der zu Beginn diesen Jahres in Paris von ITF-Generalsekretär José Viegas
der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Durch neue Handelsströme werden sich die Lieferdistanzen um
rund 12 Prozent verlängern. Dies hat zur Folge, dass die CO2-Emissionen
durch den weltweiten Frachtverkehr bis 2050 um 290 Prozent steigen
werden und somit Fracht den Passagierverkehr als Hauptquelle von CO2Emissionen aus landbasiertem Verkehr ablösen wird. „Eine Vervierfachung der CO2-Emissionen des globalen Güterverkehrs kann die Durchsetzung der Klimaziele ernsthaft untergraben”, fürchtet Viegas und
spricht von einer noch nicht dagewesenen Herausforderung für den globalen Transportsektor.
Das „International Transport Forum“ weist in seinem Bericht auf
vier Handlungsfelder hin, mit denen das Eintreten eines solchen Szenarios verhindert werden könne: 1. Verbessertes Kapazitätenmanagement, 2. Investitionen in alternative und multimodale Verbindungen,
3. Vorbereitung der Infrastruktur auf mehr und größere Frachtschiffe
und 4. Erhöhung der Fahrzeug-Auslastung entlang der globalen Logistikketten und Reduzierung von Leerlaufzeiten.
Tipp: Verkehr und Handel wird Thema des Gipfeltreffens des International Transport Forum vom 27. bis 29. Mai 2015 in Leipzig sein.
◊
Weitere Informationen: ÿ www.internationaltransportforum.org
02.2015
N-Kompass Magazin
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT
Der grüne Presseblog
„Gute Ideen brauchen eine breite Öffentlichkeit.“ Die rasant steigenden Besucherzahlen geben dem „EcoPress“-Portal
Recht. Der grüne Presseblog der Netzwerkagentur „Grüne Helden“ ermöglicht
seit Mitte letzten Jahres die strategische
Kommunikation nachhaltiger Themen.
Auf „EcoPress“ können nachhaltige
und soziale Unternehmen oder Projekte
Pressemeldungen, Pressefotos und weitere Dokumente kostenfrei veröffentlichen und verwalten. Mithilfe der Anbindung an Social-Media-Netzwerke, wie
Twitter und Facebook, können Nachrichten zielgruppengenau verbreitet werden. Ein wöchentlich erscheinender
„EcoPress-Newsletter“ hält Nachhaltigkeitsinteressierte zusätzlich auf dem
Laufenden.
◊
Die Registrierung auf
www.ecopressblog.de
ist kostenfrei.
Weitere Informationen:
ÿ www.gruene-helden.de
07
Green IT
Umdenken im Büro
Büroarbeit frisst jede Menge Strom. Nicht nur Computer und Server sind oft wenig effizient,
auch Mitarbeiter verhalten sich oft gedankenlos und verschlechtern damit die Klimabilanz.
Wie nachhaltig denkende Unternehmer ihre IT ergrünen lassen.
von Marvin Milatz und Josefin Schürmanns
W
ir nutzen täglich ohne groß darüzunehmen. Es sei denn, so die Studie, die
Ein effizienter
ber nachzudenken einen KlimakilDeutschen steigen auf grüne IKT-Lösungen
PC spart
ler: Server-Farmen. Sie bearbeiten
um. Dann könnte der CO2-Ausstoß bis 2020
auf anderen Kontinenten unsere Rechenaufum mehr als die Hälfte reduziert werden.
träge, die wir über das Internet abgeschickt
Bei den Abermillionen Tonnen des TreibStrom.
haben, laufen Tag und Nacht, fressen jede
hausgases, die wir weltweit in die AtmosphäMenge Strom. Ein Beispiel: Eine Google-Suchre pusten, mag das wenig erscheinen. Doch es
anfrage verbraucht etwa 0,3 Wattstunden, bis
ist ein Zeichen, dass langsam ein Umdenken
sie Bruchteile einer Sekunde später Suchergebnisse
stattfindet, meint auch der Zukunftsforscher Eike
liefert. Was nach wenig klingt, macht Google bei mehr
Wenzel. Zudem ist Green IT nicht nur gut fürs Klima,
als dreieinhalb Milliarden Anfragen täglich zu einem der größten
sondern auch für die Unternehmenskasse: Denn wer Strom
Stromschlucker weltweit. Hinzu kommen die Dienste aller andespart, spart Geld. Nachhaltig denkende Unternehmer sollten daren Seiten im Netz. Bereits im Jahr 2007 belastete das Internet
her im Bereich IT die folgenden Stellschrauben neu justieren.
die Umwelt mit so viel CO2 wie der weltweite Flugverkehr.
Und dabei bleibt es nicht: In den Kellern deutscher Betriebe
Rechenzentren besser nutzen
surren häufig altertümliche Server vor sich hin, in den Büros verViele Server sind kaum ausgelastet, bollern aber Tag und Nacht
altete Computer. Mitarbeiter lassen den Computer laufen, weil
wie ein Braunkohlekraftwerk. Hilfe naht aus unerwarteter Riches nervt, ihn herunterzufahren – und das Licht bleibt auch schon
tung: Denn das Internet ist nicht nur ein Klimakiller, es kann
mal brennen, wenn es in die Mittagspause geht. Viel Energie verauch der Schlüssel dazu sein, Rechenzentren energieeffizienter
pufft ungenutzt – in den Server-Farmen von Internetfirmen gezu gestalten. „Nur müssen Unternehmer dafür umdenken und
nauso wie beim Mittelständler in Schwäbisch Gmünd. Wer
in Betracht ziehen, den eigenen Server abzuschaffen“, sagt ISIStrom verschwendet, produziert unnötige Treibhausgase, wenn
Forscher Clemens Rohde.
der Strom etwa aus Kohlekraft stammt.
Denn wenn stattdessen mehrere Unternehmer ein paar PlaSolche Fakten quälen, doch was können wir tun? „Viele
tinen in einem großen Rechenzentrum mieten, ergibt das einen
deutsche Mittelständler haben noch nicht erkannt, welchen Beigroßen, dafür aber besser ausgelasteten Server. Bisher liegt zutrag sie mit moderner IT für den Klimaschutz leisten können“,
dem viel Kapazität brach: Die Server heutiger Rechenzentren
sagt Clemens Rohde, Leiter des Geschäftsfelds Energieeffizienz
sind laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung
oftmals nur zu 10 oder 20 Prozent ausgelastet. Mit einer Server(ISI) in Karlsruhe, das gemeinsam mit anderen Fraunhofer-InstiGemeinschaft – Fachleute sprechen dann von virtuellen Servern
tuten am Thema „Green IT“ forscht.
– ließe sich die Auslastung auf 60 bis 70 Prozent steigern, verHinter diesem Schlagwort steht eine ganspricht das Wirtschaftsministerium. Ein virtueller Server senkt
ze Reihe an Maßnahmen, die Unternicht nur die Stromkosten, Unternehmen sparen auch Geld für
nehmer umsetzen können, um ihre
regelmäßige Wartung und einen eigenen IT-Experten.
Informations- und KommunikatiWer auf den eigenen Server nicht verzichten möchte – etwa
onstechnik (IKT) effizienter und
aus Angst vor Datenklau und Geheimdiensten – sollte zuminklimafreundlicher zu gestaldest dafür sorgen, dass die eigene IT-Infrastruktur optimal geder Unternehmen
ten. Laut der Studie SMART
staltet ist. Clemens Rohde kennt das aus seiner langjährigen For2020 verursachte IKT im Jahr
schungspraxis: Viele Unternehmen schaffen irgendwann den
wissen nicht,
2007
einen
CO
ersten Server an, dann kommt ein weiterer hinzu, später noch ei-Ausstoß
von
wie sie Green IT
2
ner. Wird es im Serverraum zu warm, installieren sie eine Küh23.000
Tonnen
allein
in
umsetzen
lung. „Dabei ist eine ganzheitlich geplante IT-Struktur das A und
Deutschland. Bis zum Jahr
können.
O“, betont Rohde. „Denn nur so lässt sich Energie sparen.“ Genau
2020 wird dieser Wert vorauswie man Zuhause keine Möbel vor die Heizung stellen sollte, dasichtlich um weitere drei Prozent
50-70 %
30 %
N-Kompass Magazin
02.2015
Foto: Fotolia | contrastwerkstatt; Icons: Fotolia | Baum: Happy Art; Kran: motorama; Häuser, Zahnrad: andromina; Chart: raven; Einkaufswagen: WonderfulPixel; Sonne, Weltkugel: RA Studio
08
09
Epeat-Zertifizierung
Die Umweltzertifizierung des Green Electronics
Council hat sich weltweit durchgesetzt und wird zu
einem wichtigen Standard für Unternehmen und
Privatmenschen.
Das Electronic Product Environmental Assessment
Tool (EPEAT) wird mittlerweile in 40 Ländern weltweit genutzt, um Elektronik entlang von insgesamt
23 Kriterien auf ihre Umweltverträglichkeit hin zu
zertifizieren. Dabei werden zertifizierte Produkte in
drei Klassen eingestuft: Bronze, Silber und Gold.
Weitere Informationen: ÿ www.epeat.net
Trendstudie
GREEN IT & KLIMAVERÄNDERUNG
Ich möchte gerne Green IT
unterstützen, bin mir aber
nicht sicher wie, sagen
30 %
aller befragten
Unternehmen.
41 %
Das Thema Klimaerwärmung beeinflusst verschiedene
Bereiche meines Lebens, sagen
35 %
aller befragten
Unternehmen.
47 %
64 %
der Finanz- und
Rechtsunternehmen
der Handelsunternehmen
der Produktionsunternehmen
40 %
53 %
der Handelsunternehmen
der Produktionsunternehmen
36 %
der Bauunternehmen
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N-Kompass Magazin
40 %
Quelle: Trendstudie
Mittelstand 2014
der Bauunternehmen
Green IT
Energieeinsparpotenzial und Materialverbrauch
IT-Arbeitsplätze im Vergleich
1.800
1.600
-55 %
-68 %
-75 %
1.400
1.200
Fax / Scanner
Drucker
Multifunktionsgerät
Monitor
PC / Thin Client / Notebook
Materialverbrauch
1.000
800
600
400
18 kg
16 kg
7,5 kg
200
8,5 kg
*Inklusive Serveranteil
0
Ineffizienter
PC-Arbeitsplatz
Effizienter
PC-Arbeitsplatz
Thin-ClientArbeitsplatz*
NotebookArbeitsplatz
mit sie optimal heizt, gibt es auch Gestaltungsregeln für den
Serverraum. Nur wenn die Großrechner am richtigen Ort stehen
und die Kühlung alle Server gleichermaßen erreicht, kann sie ihre
ganze Leistung erbringen.
Büroarbeitsplätze überholen
Egal ob nachts, am Wochenende oder gar während des Urlaubs
– nicht jeder Angestellte schaltet seinen Computer aus, wenn er
das Büro verlässt. „Und wenn man Pech hat, lässt er auch den
Monitor auf Stand-by geschaltet“, sagt Holger Hänchen von den
Dresdner Stadtwerken Drewag. Diese unnötige Umweltbelastung wollte das Unternehmen vermeiden. In dem Modellversuch
„Adaptive Sense“ entwickelte Drewag gemeinsam mit der TU
Dresden und weiteren Partnern ein von Sensoren gesteuertes
System zum Stromsparen am Arbeitsplatz. Das funktioniert so:
Verlässt der letzte Mitarbeiter das Büro, registriert der Bewegungssensor keine Bewegungen mehr. Ergo schalten sich Monitore, Computer, Drucker und Faxgeräte automatisch ab. Und
nicht nur das: „Wirklich große Einsparungen haben wir erzielt,
indem wir nicht nur Elektrogeräte, sondern auch Beleuchtung
und Heizung über Sensoren steuern“, sagt Hänchen. Die Einsparpotenziale des computergesteuerten Energiemanagementsystems ermittelte ein Student der Technischen Universität Bergakademie Freiberg in seiner Masterarbeit: Adaptive Sense bot in
einem Testfall Einsparungen von 55 Prozent, an dem Testarbeitsplatz sank der Stromverbrauch von insgesamt 10,36 kWh pro
Woche auf 4,72 kWh.
Es muss nicht immer gleich das großangelegte Forschungsgroßprojekt sein. Es kann schon reichen, regelmäßig die Elektrogeräte zu erneuern. „Man muss nicht alle zwei Jahre einen neuen Rechner kaufen“, sagt ISI-Forscher Rohde. Aber zehn Jahre alte
Geräte fressen definitiv mehr Strom als neue. Zudem weist etwa
das Klimaschutzsiegel „Blauer Engel“ besonders sparsame Geräte aus. Eine weitere Alternative ist der Einsatz sogenannter Thin
Clients, sogenannte Mini-Computer, die an einen Server angeschlossen sind: Hard- und Software befindet sich nicht auf dem
PC selber, sondern auf dem zentralen Großrechner. Experten zufolge verbraucht ein Thin Client nur rund ein Zehntel so viel
Strom wie ein voll ausgestatteter PC.
Moderne Kommunikationstechnik einsetzen
Unternehmer können zudem helfen, den CO2-Ausstoß aus dem
Flug- und Straßenverkehr zu senken. Etwa, indem sich Angestell-
Quelle: dena, Borderstep Institut
te ab und zu den Weg zur Arbeit sparen. Schätzungsweise 8,5
Millionen Angestellte in Deutschland pendeln täglich mehr als
eine Stunde zwischen Wohn- und Unternehmenssitz. Für manche ist die Arbeitsstätte sogar nur mit dem Auto zu erreichen. Einige Unternehmer ermöglichen ihren Mitarbeitern bereits ein
bis zwei Tage in der Woche von zu Hause aus arbeiten zu können.
Der Tag im Homeoffice schont nicht nur die Pendlernerven, sondern auch das Klima.
Selbst manch scheinbar unersetzbare Konferenz lässt sich
digital abhalten. Seit drei Jahren nutzt zum Beispiel das Fertighaus-Bauunternehmen Gussek Haus ein Konferenztechniksystem des Herstellers Polycom. Mit diesem System können die
acht Bauleiter ihre wöchentlichen Besprechungen per Videokonferenz vom Bauleiterbüro aus abhalten – und müssen nicht
mehr wie zuvor Jahre lang üblich ins niedersächsische Nordhorn
kommen. Klar, auch die Internetkonferenzen verbrauchen Strom,
aber weil die Bauleiter sonst aus ganz Deutschland, den Beneluxländern und der Schweiz anreisen müssten, fällt heute dennoch viel weniger CO2 an.
„Besonders hilfreich ist, dass wir Bilder, Pläne und Protokolle
digital teilen können”, betont Heinz-Gerd Hollmann, IT-Leiter bei
Gussek Haus. Seit wenigen Monaten führt das Fertighaus-Bauunternehmen zudem interne Schulungen per Videokonferenz
durch. Das erspart den Verkäufern die Fahrerei – und „zusätzlich
tragen wir einen Teil zum Umweltschutz bei, denn der Nachhaltigkeitsgedanke ist auch ein wichtiger Teil unserer Firmenphilosophie“, sagt Hollmann.
◊
Kompass Dossier
Energieeffizienz im Unternehmen
Warum Energieeffizienz ein erster wichtiger Hebel zur Reduzierung
von Emissionen ist und wie Sie Energieeffizienzprozesse in den verschiedenen Bereichen Ihres Unternehmens verankern können, wird
Ihnen in diesem Dossier erläutert.
DokID: BAAAE-43996
Klimabilanz im Unternehmen
Für den Klimaschutz in Ihrem Unternehmen ist die Klimabilanz die
Grundlage für gezielte Maßnahmen, um Emissionen zu reduzieren.
Lesen Sie in diesem Dossier, wie Sie eine solche Klimabilanz in Ihrem
Unternehmen erstellen und einführen können.
DokID: HAAAE-43994
N-Kompass Magazin
02.2015
Foto: Fotolia | shock
kWh/5a
10
Interview
11
20 -60 %
Foto: Eike Wenzel
des Strombedarfs
von Rechenzentren
entfallen
auf die Kühlung
der Server.
Wir
müssen
extremer
denken.
Eike Wenzel ist Gründer und Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung. In seinen
Büchern, wie etwa „Greenomics“ und „LOHAS“ (Lifestyles of Health and Sustainability),
beschäftigt er sich mit der Frage, wie die grüne Revolution der Wirtschaft aussehen könnte.
Im Interview erklärt Wenzel, wie energiesparend IT in den nächsten Jahren eingesetzt werden
kann, und welches Potenzial Green IT schon heute hat.
Herr Wenzel, in den Medien kursieren Horrormeldungen über
die Umweltbelastung von IT. Der CO2-Ausstoß durch IT soll so
groß sein, wie die Emissionen des internationalen Flugverkehrs.
Wie schlimm steht es um unseren Planeten?
Die Umweltbelastung durch den Gebrauch von IT ist sehr hoch.
Das lässt sich nicht abstreiten. Ob Privathaushalte oder Wirtschaftsunternehmen – sie alle verschlingen viel Energie. Allein
die Rechenzentren deutscher Großunternehmen verbrauchen im
Jahr so viel Strom wie tausende Familienhaushalte, trotz energieeffizienter Serverauslastung. Von Internetriesen, wie Google
oder Amazon, wollen wir gar nicht erst anfangen.
Das heißt, wir müssen sofort die Reißleine ziehen, Rechenzentren lahmlegen und Smartphones wegwerfen?
Nein, das würde nicht helfen. Wir können den technischen Fortschritt nicht aufhalten. Green IT ist allerdings ein erstes Indiz dafür, dass sich etwas ändert. Doch der große Green-IT-Masterplan
zur Umweltrettung ist es nicht. Für eine nachhaltige Zukunft
müssen wir extremer denken.
Was schwebt Ihnen vor?
Glaubt man an die Theorie des US-Ökonom Jeremy Rifkin – und
das tue ich sehr wohl – wird in Zukunft ein Unternehmen zum
02.2015
N-Kompass Magazin
Stromselbstversorger. Durch billige Solarenergie oder, je nach
Standort, durch alternative erneuerbare Energien wird zukünftig
jedes Unternehmen für seinen Energieverbrauch selbst aufkommen können. Nehmen wir nun das Mooresche Gesetz hinzu,
eine Art Faustregel für die rasante Entwicklung integrierter
Schaltkreise. Aus ökologischer Sicht besagt dieses im Wesentlichen, dass Computer-Chips trotz steigender Rechenleistung immer weniger Strom verbrauchen werden. Zählen wir eins und
eins zusammen, bedeutet dies, dass Rechenzentren der Zukunft
mit minimalstem Energieverbrauch auskommen werden –
durch intelligente Stromversorgung und den Einsatz öko-effizienter IT.
Glauben Sie, dass Mitarbeiter das Thema Green IT ernst nehmen?
Nicht nur das – sie fordern es sogar ein. Wissensarbeiter wollen
in einem umweltbewussten Unternehmen arbeiten. Die Gruppe
der LOHAS übernimmt Verantwortung für die Umwelt. Wer diesen Trend als Unternehmer verschläft, wird über kurz oder lang
zum unattraktiven Arbeitgeber. Green IT ist von ökonomischen
Aspekten nicht zu trennen.
◊
12
Sabbatical
Ein Sabbatical eröffnet
neue Perspektiven.
Rückkehrer bringen
frische Impulse und
neue Motivation in ihr
Unternehmen.
Zeit
ist die neue Währung
Mal raus aus dem Job, Zeit für eigene Ideen und Projekte – mit der Verheißung des Zeitwohlstands
führen Medienartikel viele Angestellte ins Traumland. Solche Auszeiten, sogenannte Sabbaticals,
seien auch attraktiv für Unternehmen: Die Angestellten kämen mit frischem Blick motiviert in die
Firma zurück und wären ihrem Arbeitgeber dankbar und treu. Doch können vor allem mittelständische Unternehmen einfach mal auf ihre besten Köpfe und Hände verzichten?
von Tina Teucher
N-Kompass Magazin
02.2015
Sabbatical
Mögliche Vorteile:
” Aktive Gesundheitsentlastung
” Rückgang von motivations- und krankheitsbedingten Fehlzeiten
” Angebot von Perspektiven ohne zusätzliche finanzielle Ressourcen
” Arbeitgeberattraktivität
” Stärkere Mitarbeiteridentifikation, -bindung und -motivation
” Zusätzliche Qualifikationen
” Entwicklungsmöglichkeiten für Kollegen
” Entlastung in Krisenzeiten
Mögliche Risiken:
” Verwaltungsaufwand
” Konfliktpotenzial in der Belegschaft
” rechtliche Risiken (Insolvenz, Datenschutz,
sozialversicherungsrechtliche Anforderungen)
” Unproduktivität/Fehlzeitenanfälligkeit
Pro
&
Contra
(„Stunden schinden“)
38 %
aller Beschäftigten
würden für mehr Zeit
sogar auf
Gehalt
verzichten.
Innehaltens zurück. Bereits 2008 ergab eine Forsa-Umfrage, dass
38 Prozent aller Beschäftigten dafür sogar auf Gehalt verzichten
würden. Doch nach dem IW-Personalpanel bietet bisher nur
etwa jedes zehnte Unternehmen in Deutschland Sabbaticals an.
„Es ist ein Henne-Ei-Problem“, hat Daniela Scholl, die die
„Auszeitagentur“ in Frankfurt am Main führt, festgestellt. Oft
gab es noch niemanden, der in der Firma eine Auszeit gemacht
hat. Hinzu kommt: „Der Begriff ‚Sabbatical‘ ist für viele Mittelständler neumodisch und abstrakt“.
Foto: iStock | IsaacLKoval
Motive: Wozu Freizeit im Block?
Z
eit ist der neue Motivationsfaktor. Sie ist „das Wertvollste,
je älter man wird, wenn man einen Job hat und genügend Geld verdient, um nicht an Geld denken zu müssen“,
findet Rüdiger Barth in seinem Weltreise-Buch „Endlich weg“ für
sich heraus. Geld ist zwar wichtig als Grundlage für die Zusammenarbeit, aber kein wesentlicher Motivationsfaktor mehr: Einer
viel zitierten Studie der US-Universität Princeton zufolge steigt
das emotionale Wohlbefinden von Arbeitnehmern nur bis zu einem bestimmten Gehaltsniveau und stagniert danach.
Unternehmen binden ihre Mitarbeiter daher zunehmend
mit flexibler Arbeitszeitgestaltung. Dazu gehört die Möglichkeit
für ein „Sabbatical“, eine berufliche Auszeit. Seine hebräische Begriffsherkunft geht auf das heilige siebte Jahr der Ruhe und des
02.2015
N-Kompass Magazin
Dabei gibt es gute Gründe für Firmen, ihren Mitarbeitern solche
Ruhephasen zu gönnen. Durchschnittlich fehlt jeder Arbeitnehmer 2,5 Tage pro Jahr aufgrund psychischer Belastung – Tendenz
steigend. Je nach Branche und Qualifikation des Mitarbeiters
kostet der Ausfall die Firmen 250 bis 400 Euro täglich. Betriebliches Gesundheitsmanagement und flexible Arbeitszeitmodelle,
wie Sabbaticals, können dem Trend entgegenwirken.
„Ein Sabbatical ist für beide Seiten oft eine Win-win-Situation“, sagt Dr. Alexander Böhne, Referent für betriebliche Personalpolitik bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Zum einen kann das Unternehmen Kosten sparen – etwa, wenn der Mitarbeiter unbezahlten Urlaub nimmt
oder bereits vorher auf Teile seines Gehalts verzichtet. Gerade in
Krisenzeiten kann eine freiwillige Auszeit so vermeiden, Arbeitsplätze zu kündigen und später für viel Geld Ersatz anwerben zu
müssen. Zum anderen entwickeln Menschen in ihrer Zeit woanders neue Talente – sei es mit Sprachen in anderen Ländern,
Teamfähigkeit durch Freiwilligeneinsätze, Konfliktmanagement
durch private Herausforderungen wie Hausbau, Pflege und Kinderbetreuung oder konkrete fachliche Qualifikationen durch
eine Weiterbildung. Auch knüpft der „Ausreißer“ neue Beziehungen, die für das Unternehmen nützlich sein können. Ein so an Erkenntnissen, Erfahrungen und Kontakten gewachsener Mitarbeiter ist meist ein Gewinn für das Unternehmen.
Wer von seiner Firma offiziell Auszeiten bekommt, kann seinen Akku aufladen. „Man kommt mit neuen Ideen, Kraft und Perspektiven zurück“, bemerkte auch Christian Seinsche nach sei-
13
14
Trendstudie
WORK-LIFEBALANCE
Ich habe nicht genug
Zeit für mich /
zur Erholung, sagen
44%
aller
befragten Unternehmen.
der Gastronomieunternehmen
1
50 %
der Handelsunternehmen
60 %
der Beratungsunternehmen
72 %
2
der Finanz- und
Rechtsunternehmen
1. Neue Fähigkeiten und Qualifikationen: Sabbaticals eignen sich
auch zur Weiterbildung.
2. Viele Mitarbeiter nutzen ein
Sabbatical, um mehr Zeit mit
ihrer Familie zu verbringen.
3. Eigene Projekte wie den Hausbau
oder die lange nötige Sanierung
können Mitarbeiter in einer Auszeit
angehen.
Ich würde gerne ein
Sabbatical nehmen,
möchte jedoch nicht
den Anschluss verlieren,
24%
aller
sagen
befragten Arbeitnehmer.
Quelle: Trendstudie Mittelstand 2014
nem eigenen Sabbatical. Er hat die Auszeit vor allem für Weiterbildung, Zeit mit der Familie und Reisen genutzt. Der werteorientierte Personalberater würde das Modell weiterempfehlen:
„Ich glaube, dieses Angebot wird in Zukunft ein Wettbewerbsfaktor sein“. Diesen Effekt konnte auch Sabine Schönberger beobachten. Die Geschäftsführerin des kleinen Unternehmens
Anton Schönberger Stahlbau & Metalltechnik bietet ihren 28
Mitarbeitern umfassende Unterstützung für die Vereinbarkeit
von Beruf und Privatleben – darunter seit den 1990er Jahren
auch Auszeiten. „Der Aufwand ist gering, es geht schließlich darum, dass sich unsere Mitarbeiter wohlfühlen“. Ergebnis: Die
Fluktuationsrate geht gegen null.
Modelle: Sparen oder unbezahlter Urlaub?
Bleibt der Mitarbeiter während seiner Auszeit angestellt, durchläuft er zwei Phasen: In der Ansparphase füllt er sein Arbeitszeit-
konto, indem er außerhalb seiner vertraglich vereinbarten Zeit
arbeitet: Entweder durch Überstunden und Verzicht auf Urlaubstage oder durch Vollzeitarbeit während eines Teilzeitvertrags. Das vorerst nicht ausgezahlte Geld wird auf einem sogenannten Wertguthabenkonto angespart. In Unternehmen mit
eher gleichbleibendem Geschäftsvolumen eignet sich das Teilzeit-Modell besser, während das Stunden-Sparen sich bei volatilen Projektgeschäften lohnt. In der Freistellungsphase nimmt
der Mitarbeiter schließlich seine Auszeit und erhält weiter Lohn
und Sozialleistungen.
Zu beachten sind die gesetzlichen Vorschriften, vor allem die
maximale Arbeitszeit pro Tag und dass Urlaub bis zum 1. April
des Folgejahres in Anspruch genommen werden muss. Früher
wurden die Stunden auf einem Zeitguthabenkonto geführt.
Doch für Zeit gibt es keinen Insolvenzschutz: Wenn das Unternehmen pleiteging, blieb der Mitarbeiter auf seiner zu viel geleisteten Arbeitszeit sitzen. Deshalb verpflichtet seit 2009 das
Flexi-II-Gesetz zur Insolvenzabsicherung der Zeitwertkonten
(§7e SGB IV).
„Für einen überschaubaren Zeitraum wie ein Sabbatical
lohnt sich ein Arbeitszeitkonto schon“, meint Rechtsanwältin
Dr. Annett Böhm. Ein Lebensarbeitszeitkonto, wie es einige größere Firmen anbieten, sei dagegen aufgrund von betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen kaum ratsam.
„Der organisatorisch einfachste und meistgenutzte Weg in
ein Sabbatical ist unbezahlter Urlaub“, sagt Daniela Scholl von
der „Auszeitagentur“. Wer ihn in Anspruch nimmt, muss sich allerdings freiwillig krankenversichern. Nach einer unbezahlten
Freistellung kann es unter Umständen teurer werden, in eine private Krankenversicherung neu aufgenommen zu werden. Für
Unternehmen fällt zudem der Mitarbeiterbindungseffekt geringer aus.
Für viele Mitarbeiterbedürfnisse muss es nicht immer gleich
ein Sabbatical sein: „Früher war die Frage: Sabbatical oder Burnout?“, hat Sabine Schmitt von der mittelständischen IT-Beratung
Conet Group beobachtet. Heute gehen durch die Einführung eines Gesundheitsmanagements mehr Führungskräfte als gutes
Beispiel gegen die Präsenzkultur an: Als Vater nicht in Elternzeit
zu gehen, gilt nahezu als unchic. Durch solche gesellschaftlichen, aber auch gesetzlichen Veränderungen gibt es zahlreiche
Alternativen zum Sabbatical, wie Elterngeld plus, Aufstockung
von Krankengeld wenn das Kind erkrankt, Weiterbildungsförderungen, Pflegezeitgesetz mit zinslosen Krediten oder Homeoffice-Angebote. Personalleiterin Schmitt lotet deshalb mit ihren
Mitarbeitern immer zunächst solche Optionen aus, die gerade in
nicht planbaren Situationen den spontanen Stress verringern.
N-Kompass Magazin
02.2015
Fotos: Fotolia | 1. contrastwerkstatt; 2. itsmejust; 3. Superingo; Segler: goodluz
50 %
3
Sabbatical
Einfach einmal
ausspannen –
davon träumen
viele Arbeitnehmer.
Unternehmen, die
es möglich machen,
stärken ihre Arbeitgeberattraktivität.
Icons: Fotolia| Einkaufswagen: WonderfulPixel; Figuren: andromina; Chart: raven
Sicherheit: Warum man eine Vereinbarung braucht
„Ein Sabbatical sollte man so früh wie nur möglich planen, damit
beide Seiten Zeit haben, sich darauf einzustellen“, empfiehlt
Christiane Flüter-Hoffmann vom IW Köln. Rechtlich handelt es
sich bei der Auszeit um eine einvernehmliche vertragliche Arbeitsbefreiung. Dabei ruht die Pflicht zur Arbeitsleistung für einen bestimmten Zeitraum. Alle Nebenpflichten bleiben weiterhin bestehen. Gibt es in der Branche Tarifverträge, sind diese zu
beachten. „Ein Anwalt, der die Win-win-Situation für beide Parteien im Blick hat, kann helfen eine faire Vereinbarung zu treffen“, empfiehlt Sabbatical-Coach Andrea Oder.
„Eine Sabbatical-Vereinbarung muss schriftlich fixiert werden“, betont Rechtsanwältin Dr. Annett Böhm. Dies erfordert
nicht nur das Sozialversicherungsrecht, auch Behörden wie das
Gewerbeaufsichtsamt oder der Zoll (für die Einhaltung des Mindestlohngesetzes) verlangen schriftliche Verträge bei ihren Betriebsprüfungen. Die Absprache darf zudem nach §7b SGB IV
nicht mit dem Ziel getroffen werden, kurzfristige Arbeitsschwankungen auszugleichen. Böhm empfiehlt daher, in der Präambel
des Vertrags aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer auf eigenen
Wunsch im vereinbarten Zeitraum freigestellt wird.
Um die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen für ein
Sabbatical im Unternehmen transparent und attraktiv zu machen, sollte man klare Regeln schaffen: Wann kann eine Auszeit
in Anspruch genommen werden? Günstige Zeitpunkte für den
Beginn sind bei Veränderungen wie Projektabschlüssen, Umorganisation oder Abteilungswechsel gegeben. Wie lange im Voraus sollte dies angemeldet werden? Es empfiehlt sich dafür ein
Zeitraum zwischen drei und zwölf Monaten, um Aufgaben entsprechend zu planen und eine Vertretung organisieren zu können. Wichtig ist die Transparenz für den Mitarbeiter, dass er bei
seiner Rückkehr eventuell nicht den gleichen Job wieder aufnehmen kann. Gerade für wirtschaftlich schwierige Zeiten sollte sich
der Arbeitgeber ein Widerrufsrecht für das Sabbatical-Angebot
vorbehalten und dies den Mitarbeitern transparent kommunizieren. Die zeitweise freie Stelle lässt sich für die Entwicklung anderer Mitarbeiter nutzen, etwa um ihnen die Einarbeitung in ein
weiteres Thema zu ermöglichen oder sie als temporäre Führungskräfte zu stärken.
Rückkehr: Vom Schock zur neuen Motivation
Wo der Angestellte nach seiner Rückkehr im Unternehmen arbeitet, ist in der Regel dem Arbeitgeber überlassen (§106 Gewerbeordnung). Das sogenannte „erweiterte Direktionsrecht“ gibt
lediglich vor, dass die Aufgabe vergleichbar zur vorigen, gleichwertig zu seinen Qualifikationen und zumutbar sein muss.
02.2015
N-Kompass Magazin
Gedanken sollten sich Arbeitgeber vor allem zur Wiedereingliederung des Angestellten machen. „Für die meisten ist die
Rückkehr ein Kulturschock“, hat Daniela Scholl der „Auszeitagentur“ bei ihren Kunden beobachtet. Oft hätten die Rückkehrer viel
erlebt und kommen in ein Umfeld, wo sich nicht viel verändert
hat. Mitgebrachte neue Ideen stießen dann auf wenig Resonanz.
Unternehmen, die eine offene Dialogkultur pflegen, erleichtern
es Mitarbeitern ihre neuen Ideen gewinnfördernd einzubringen.
Fazit: Wo Wertschätzung ist, ist auch ein Weg
„Ein Sabbatical-Angebot ist personalpolitisch interessant – und
organisatorisch eine Herausforderung“, fasst Dr. Alexander Böhne vom BDA zusammen. Durch den Fachkräftemangel findet
sich schwieriger ein Ersatz für den Auszeitnehmer. Gleichzeitig
machen flexible Arbeitszeitmodelle das Unternehmen für die
begehrten Fachkräfte attraktiver. „Wenn ein Mitarbeiter lange
und gut gearbeitet hat und das Unternehmen ihn halten will,
findet man gemeinsam eine Lösung“, hat Dr. Annett Böhm erfahren. „Ein Unternehmen, das einen Mitarbeiter per se als Menschen sieht und nicht als Nummer oder Kostenfaktor, hat einen
Vorteil“, betont auch Daniela Scholl. Einige Unternehmen verfolgen diese Philosophie: Der Mensch soll hier genauso gern herkommen, wie er auch andere Dinge gern macht. „Ich würde jedem KMU zu Sabbaticals raten“, sagt Mittelständlerin Sabine
Schönberger. „Es ist eine Frage gegenseitiger Wertschätzung:
Unsere Mitarbeiter sind auch immer für uns da. Daher finden
wir es selbstverständlich, dass wir für sie genauso in die Presche
springen“.
◊
Kompass Dossier
Familie und Beruf
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein soziales Schlüsselthema. Erfahren Sie in diesem Dossier, wie Sie mithilfe eines ganzheitlichen Programms eine Work-Life-Balance ermöglichen und Ihre Mitarbeiter an Ihr Unternehmen binden.
DokID: EAAAE-44017
Unternehmenskultur und Mitarbeiterzufriedenheit
Schaffen Sie durch flache Hierarchien und einer Anerkennungs- und
Lobkultur ebenso wie mit gelebter Vielfalt eine positive Führungsund Unternehmenskultur in Ihrem Unternehmen.
DokID: VAAAE-44020
Checkliste Sabbatical-Vereinbarung
” Zeitfenster für die Vorbereitung
” Dauer und Zeitraum des Sabbaticals
” Modell der Zeitansparung
” Einbezug von Entgeltbestandteilen und Einmalzahlungen
(z.B. Weihnachtsgeld)
” Rückkehr zum Arbeitsplatz nach dem Sabbatical
” Ausschluss oder Anrechnung von Krankheitstagen während der
Freistellung (Empfehlung: Erkrankung verlängert die Auszeit nicht)
” Kündigungsverhältnis (Empfehlung: in der Freistellungsphase
kann keine Seite kündigen)
” Vertretungsmöglichkeit
15
16
Inklusion
Das Gegenteil von
Handicap
Tipp
Einsparungen der AfB in 2013
Das UnternehmensForum ist ein Zusammenschluss von mittelständischen Firmen und Konzernen, um die Interessen von Wirtschaft und Menschen mit Behinderungen zusammenzubringen.
” über 10 Mio. Kilogramm Eisenäquivalente
” ca. 25 Mio. kWh Energie
” und über 7 Mio. Kilogramm CO2-Äquivalente
Weitere Informationen: ÿ www.unternehmensforum.org
Quelle: AfB
N-Kompass Magazin
02.2015
17
„Europas erstes gemeinnütziges IT-Systemhaus“ nennt sich das Unternehmen AfB,
das gebrauchte Hardware recycelt und weiterverkauft. Das Besondere: Die Firma engagiert
sich nicht nur für ökologische, sondern auch
für soziale Nachhaltigkeit. Jeder zweite Mitarbeiter hat eine Behinderung.
von Josephine Pabst
W
enn Daniel Büchle über sein Unternehmen spricht,
über die Entstehungsgeschichte und den Gedanken
dahinter, dann wirkt er wie ein ganz normaler Geschäftsmann. Büchle ist Chef von 200 Mitarbeitern und Kopf einer Firma, die europaweit 13 Standorte aufgebaut hat – Tendenz
steigend. Die AfB Group (Arbeit für Behinderte) aber ist anders.
Europas „erstes gemeinnütziges IT-Systemhaus“ setzt auf Nachhaltigkeit: wirtschaftlich und ökologisch, aber vor allem auch sozial. Denn jeder zweite Mitarbeiter hier hat eine Behinderung. In
den kommenden Jahren sollen noch mindestens 400 weitere Arbeitsplätze für gehandicapte Menschen hinzukommen – das ist
die Vision des Unternehmens.
Für den Geschäftsführer ist das Konzept ein Alleinstellungsmerkmal und Erfolgsgarant für sein Unternehmen. Die Mitarbeiter mit Behinderungen sitzen nicht in irgendeinem kleinen Hinterzimmer, sondern sind ganz selbstverständlich in sämtliche Unternehmensbereiche integriert: Sie arbeiten im Außendienst, in
der Warenannahme, der IT-Aufbereitung, im Großhandel, der
Buchhaltung, im Personalmanagement und bei der Software-Entwicklung. „Wir unterscheiden nicht zwischen Menschen mit und
ohne Handicap“, sagt Geschäftsführer Daniel Büchle. „Und das
Konzept funktioniert.“ Für sein umfassendes Engagement hat das
Unternehmen unter anderem 2012 den deutschen Nachhaltigkeitspreis für Deutschlands nachhaltigste Zukunftsstrategie
(KMU) erhalten. Die Kombination eines inklusiven Sozialunternehmens mit dem Thema Nachhaltigkeit in Verbindung mit wirtschaftlichem Erfolg, sozialer Verantwortung und einem schonenden Umgang mit der Umwelt sei vorbildlich, lobte die Jury. Insgesamt hatten sich 680 Unternehmen auf den Preis beworben.
Icons: Fotolia | Figuren: Pathfinder ; Computer: jacartoon
Ökologische Nachhaltigkeit bei AfB
AfB kauft gebrauchte Hardware von großen Firmen und öffentlichen Einrichtungen – das können ausgemusterte Computer,
Handys, Drucker oder Beamer sein. Manche Geräte sind defekt,
andere so gut wie neu. Je nachdem, in welchem Zustand die
Technik ist, kauft das Unternehmen die Geräte oder der Auftraggeber zahlt etwas für die Entsorgung. Manchmal fließt überhaupt kein Geld. Die Hardware wird anschließend fachmännisch
gereinigt, alle persönlichen Einstellungen und gespeicherten Daten werden unwiderruflich gelöscht. So aufbereitet wird ein Teil
der Elektronik an private Nutzer in stationären Geschäften und
Onlineshops weiterverkauft. Erst das, was dann noch übrig
bleibt, wird in seine Einzelteile zerlegt, an Fachunternehmen
zum Recycling weitergereicht oder geschreddert und professio02.2015
N-Kompass Magazin
Bei AfB arbeiten Mitarbeiter mit
Behinderungen engagiert in allen
Bereichen des Unternehmens mit.
nell entsorgt. Mit diesem Verfahren will das Unternehmen einen
Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten: Die Produktion
neuer Hardware ist nämlich außerordentlich CO2-intensiv. Indem sich AfB um die Aufbereitung und Wiederverwertung der
gebrauchten Technik kümmert, lassen sich eine Menge Emissionen einsparen.
Ein erheblicher Teil der Alttechnik geht zudem an soziale
Projekte. AfB unterstützt beispielsweise das Programm „Hardware wie Neu“, das von dem Online-Portal „stifter-helfen.de“ ins
Leben gerufen wurde und generalüberholte Hardware zum
Selbstkostenpreis an gemeinnützige Organisationen, Vereine, öffentliche Bibliotheken oder Museen vermittelt. Ein weiteres Beispiel des sozialen Engagements: das Projekt „Jump“, bei dem
Schulen funktionstüchtige Hardware wie Computer, Drucker
und andere Geräte für wenig Geld kaufen können. Die AfB-Geräte haben immerhin ein Jahr Garantie.
Von der Idee zum Geschäftsmodell
Seit 2004 existiert die gemeinnützige GmbH, und seitdem spielt
Nachhaltigkeit auf allen Ebenen eine zentrale Rolle. „Etwa zehn
Jahre vor der AfB-Gründung waren wir eine ganz durchschnittliche Firma, die sich auf IT-Dienstleistungen spezialisiert hatte“,
erzählt AfB-Geschäftsführer Büchle. Damals gehörten die Wiederverwertung und Entsorgung von Hardware nicht zum Angebot. „Aber wir wurden immer wieder gefragt, ob wir das nicht
einfach miterledigen könnten.“ Bis dato hatten große Konzerne
solche Arbeiten aus Kostengründen häufig in Billiglohnländern
erledigen lassen, in denen allerdings häufig unter sozial denkwürdigen Bedingungen gearbeitet wird.
Schon in den ersten Jahren hatte die AfB-Führung die Idee,
die Behindertenwerkstatt der Caritas Emmendingen in der Nähe
von Freiburg für das Löschen der Daten zu engagieren. AfB-Fachkräfte arbeiteten die Menschen mit körperlichen und geistigen
Behinderung innerhalb weniger Wochen ein und zeigten ihnen,
wie Daten unwiderruflich gelöscht werden konnten. „Das Projekt ist schnell gewachsen, der Bedarf war riesig“, erinnert sich
Inklusion
18
„Wir unterscheiden nicht
zwischen Menschen
mit und ohne Handicap.“
Daniel Büchle, Geschäftsführer AfB
AfB-Tätigkeiten
inkl. Arbeitsaufwand
Tätigkeit
Stunden
Tage
Abholung
2.720
340
Datenlöschung
2.400
300
Gerätetest
4.000
500
Verwaltung
1.200
150
Verkaufszeiten
3.200
400
Zerlegung
4.080
510
Summe
17.600
2.200
Quelle: AfB 2011
Fotos: AfB
AfB bietet
IT-Dienstleistungen
an, schafft
Arbeitsplätze für
Menschen mit
Behinderung und
schont Umwelt
und Klima.
Firmenchef Büchle. „Nach kurzer Zeit haben wir die Hardware
Lkw-weise angefahren.“ Bis die Firma schließlich auf festen Beinen stand, dauerte es trotzdem noch etwa ein Jahr. Dies lag vor
allem daran, dass diverse bürokratische Hürden genommen werden mussten, um schließlich als gemeinnützige GmbH eingetragen werden zu können. Büchle investierte gemeinsam mit zwei
Kollegen 20.000 Euro aus seinem Privatvermögen.
Keine typische Behindertenwerkstatt
Die ersten Mitarbeiter mit Behinderung, die für AfB tätig waren,
zeigten schnell viel Engagement und Spaß, sie blühten bei ihrer
neuen Arbeit förmlich auf, erinnert sich Daniel Büchle. „Vorher
war ihre Arbeit eher eintönig und monoton gewesen. Als das
Projekt einige Wochen lief, haben die Menschen zuhause erzählt,
dass sie jetzt IT-Spezialisten sind“, sagt Daniel Büchle. „Das war
toll, diese Entwicklung zu beobachten. Die Arbeit hat ein ganz
neues Selbstwertgefühl vermittelt.“
Bald mussten eigene Räume her, schon aus Datenschutzgründen. „So eine typische Behindertenwerkstatt ist nicht darauf
ausgerichtet, Hardware mit sehr sensiblen Daten zu beherbergen“, sagt Büchle. „Da ist alles offen, es gibt keinen Schutz vor
Diebstahl. Zudem kann niemand garantieren, dass nichts entwendet wird. Unsere Kunden heute würden die Hände über dem Kopf
zusammenschlagen, wenn wir immer noch so arbeiten würden.“
Die Firma zog also im Jahr 2004 in eine Halle mit modernen
Arbeitsplätzen um, die ganz auf die jeweiligen Bedürfnisse der
Mitarbeiter abgestimmt waren. Alle, die in der Werkstatt der
Caritas bis dahin in Vollzeit an dem Projekt gearbeitet hatten,
wurden abgeworben und bei AfB angestellt. Inzwischen gibt es
deutschlandweit neun Standorte, zwei weitere in Wien, einen in
der Schweiz und einen in Frankreich.
Die Vision geht weiter
Auch in Zukunft will das Unternehmen weiter wachsen. Das Ziel:
Jährlich soll es eine neue Niederlassung und 10 bis 15 neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung geben. Bisher hat
das funktioniert. Ob das rasante Wachstum zukünftig weiter gehen kann, hängt vor allem an neuen Vertragspartnern. Kommt
eine neue, langfristig angelegte Kooperation zustande, baut AfB
in unmittelbarer Umgebung des Vertragspartners eine neue Niederlassung auf. Bisher gehören international tätige Konzerne
wie RWE, REWE, ThyssenKrupp, Bayer oder Adidas schon zum
festen Kundenstamm. Insgesamt hat AfB Verträge mit 400 Unternehmen, die im Verlauf des vergangenen Jahres rund 230.000
gebrauchte Geräte an das Unternehmen übergeben haben.
Für das soziale Engagement muss AfB derweil keinen Cent
mehr investieren als andere Unternehmen: Weil die Firma mehr
als 40 Prozent Mitarbeiter mit Behinderung beschäftigt, erhält
sie – wie jedes andere Unternehmen, das dieses Kriterium erfüllt
– staatliche Fördergelder. Damit kann AfB Sozialarbeiter bezahlen, Büros und Hallen behindertengerecht ausstatten sowie auf
persönliche Bedürfnisse angepasste Arbeitsgeräte anschaffen.
Zudem sind alle Unternehmensbereiche barrierefrei gestaltet.
Mitarbeiter, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, erhalten je
nach Bedarf spezialangefertigte Dienstfahrzeuge oder höhenverstellbare Schreibtische. Es gibt betriebseigene Sozialarbeiter,
die Mitarbeiter mit geistigen Behinderungen betreuen. AußerN-Kompass Magazin
02.2015
19
dem vermitteln sie zum Beispiel, wenn es zu Missverständnissen
mit Vorgesetzten oder anderen Mitarbeitern ohne Behinderungen kommt. Um dies gewährleisten zu können, kommt auf zehn
Mitarbeiter jeweils ein Betriebssozialarbeiter.
In anderen Belangen unterscheidet sich das IT-Systemhaus
AfB übrigens kaum von anderen Firmen: Wie in jedem Unternehmen müssen Mitarbeiter gut zum Betrieb und in ihr Arbeitsumfeld passen. Um das zu gewährleisten, bieten AfB Bewerbern
Praktika an: Motivation, Einsatz und Spaß bei der Arbeit zählen
dabei weitaus mehr als Zeugnisse, Lebensläufe oder andere Formalitäten, die Menschen mit Behinderung oft nicht erfüllen
können, sagt Geschäftsführer Daniel Büchle. „In einem Praktikum bekommt jeder die Chance, zu zeigen, was in ihm steckt.“
Büchle ist von seinem Weg überzeugt. „Ich kann anderen
Unternehmern nur raten, neue und vielleicht auch ungewöhnliche Wege bei den Personalentscheidungen zu gehen“, sagt der
Unternehmer. „Wenn ich sehe, wie viel Einsatz und wie viel Lebensfreude unsere Mitarbeiter mit Behinderung zeigen, dann
motiviert mich das. Und ich bin mir sicher, dass wir genau das
Richtige tun.“ Inklusion ist in der deutschen Unternehmenslandschaft immer noch nicht weit verbreitet – einige Firmen bezahlen nach wie vor lieber Ausgleichsabgaben, anstatt die gesetzlich
vorgegebene Quote zu erfüllen und Menschen mit Behinderung
zu beschäftigen. Dass sich andere Unternehmen mit dem Thema oft schwer tun, erklärt sich Daniel Büchle so: „Große Unternehmen haben bestimmte Strukturen, in die müssen Menschen
mit Behinderung erst integriert werden. Das kann durchaus
schwierig sein.“ Bei AfB sei das anders: Die Arbeitsprozesse seien
von vornherein für gehandicapte Mitarbeiter entwickelt worden.
Einfacher als man denkt
Die größte Schwierigkeit im Alltag sei, so wie bei den meisten
anderen Unternehmen auch, die Akquise und nicht die Inklusion.
„Viele denken ja, dass Mitarbeiter mit Behinderung gar nicht
wirklich gleichberechtigt sind und dass es einen enormen Aufwand erfordert, sie zu integrieren“, sagt Büchle. Diese Vorstellung habe aber nichts mit der Realität zu tun. Wer große Zweifel
hegt, wird deshalb auch gerne mal in eine der Niederlassungen
eingeladen und kann sich dort selbst davon überzeugen, dass Inklusion deutlich einfacher umzusetzen ist, als oft angenommen.
AfB gemeinnützige GmbH
Gegründet:
Hauptsitz:
Mitarbeiter:
Geschäftsführer:
Produkte:
Umsatz:
Homepage:
◊
2004
Emmendingen
200
Daniel Büchle, Paul Cvilak, Alexander Rau
Green IT, IT-Recycling, IT-Entsorgung,
Datenvernichtung
11 Millionen (2014)
www.afb-group.de
Kompass Dossier
Vielfalt und Inklusion
Erfahren Sie mehr darüber, wie Sie Vielfalt und Inklusion für Ihr Unternehmen gewinnbringend ein- und umsetzen und dadurch einen
Wettbewerbsvorteil erlangen können.
DokID: UAAAE-44016
02.2015
N-Kompass Magazin
Öko-Bilanz
Positive Umwelteinwirkungen
Einsparung Ressourcen*
Kategorie
Stück Gewicht (kg)
CO2 (kg) Rohstoffe (kg)
65.240.000
Wasser (l)
PC 3.728
49.146 3.168.800
Notebook 2.821
7.371 1.692.600
737.100 11.284.000
Summe 6.549
56.517 4.861.400
65.977.100 16.876.000
* bezogen auf die eingesparte Produktion von Neugeräten
5.592.000
Quelle: AfB 2011
Durch die Aufwertung
gebrauchter Hardware
wird die CO2-intensive
Neuproduktion und die
Elektroschrottmenge
reduziert.
20
Zur Person
Fotos: Omran Sherzay
Prof. Karin-Simone Fuhs wuchs in Kairo /
Ägypten auf, studierte in Deutschland visuelle
Kommunikation und gründete 1994 die
ecosign / Akademie für Gestaltung in Köln
(www.ecosign.net). Seitdem ist sie Direktorin
dieser u.a. von der UNESCO-Dekade ausgezeichneten Bildungseinrichtung, hält Vorträge
und ist gefragte Gesprächspartnerin bei Podiumsdiskussionen. Ihre Arbeitsschwerpunkte
sind nachhaltiges Design, nachhaltiger
Konsum, Nachhaltigkeit in der Bildung und im
Unternehmensmanagement.
N-Kompass Magazin
02.2015
Interview: Prof. Karin-Simone Fuhs
21
„Ich wollte
irgendwas mit
Design und
Ökologie machen.“
Nach ihrem Design-Studium gründet Prof. Karin-Simone Fuhs
1994 ihre eigene Akademie für Gestaltung. Die Unternehmerin
will mehr als nur Produkte gestalten, die sich vermarkten lassen,
daher lernen Studenten der ecosign, dass Nachhaltigkeit und
Design zwei untrennbare Welten sind.
Mir geht es
vor allem
um den
Menschen.
02.2015
N-Kompass Magazin
Frau Fuhs, Sie haben einen Teil Ihrer Kindheit im Ausland verbracht, bevor Sie mit 12 Jahren nach Deutschland gekommen
sind. Wie hat das Ihren Lebensweg beeinflusst?
Meine Eltern sind Rheinländer, haben jedoch mehrere Jahre im
Iran und in Ägypten gelebt. Ich bin 1968 in Leverkusen geboren,
flog nach nur drei Monaten mit meiner Mutter nach Kairo und
habe dort dann meine Kindheit verbracht. Deutschland habe ich
vorerst als Urlaubsland kennengelernt. In Kairo hatten wir viele
Kontakte zu Deutschen, die aber anders waren als die Menschen
hier: Wer zum Arbeiten ins Ausland geht, ist in der Regel sehr offen. Als meine Eltern zurück nach Deutschland kehrten, war es
für mich ein echter Kulturschock. Ich war überrascht, wie verschlossen und auch distanziert viele Deutsche in ihrem eigenen
Land miteinander umgehen. Ich bin immer wieder erstaunt,
dass viele Menschen in Deutschland nicht wertschätzen, in welchem unermesslichen materiellen Reichtum sie leben.
Ein Grund für die Entstehung von ecosign im Jahr 1994 liegt
in der Tatsache, dass ich einen Ort in dieser für mich fremden
Heimat schaffen wollte, in der die gleiche Offenheit und Toleranz
herrscht, die ich als Kind in Kairo erlebt hatte. Es ist egal, ob ein
Mensch grün, gelb oder kariert angezogen ist – mir geht es vor
allem um den Menschen.
22
Interview
Ecosign ist
auch ein
Ende meines Studiums an der Fachhochschule
Sie haben gerade von dem unermesslichen maund arbeitete schon an der Gründung einer
teriellen Reichtum Deutschlands gesprochen.
Unternehmen, das
neuartigen Designschule, in der Gestaltung
Das trifft das Nachhaltigkeitsproblem im Kern:
wirtschaftlich
und Nachhaltigkeit verbunden werden.
Reichtum hat auch immer etwas mit Verfunktionieren
schwendung zu tun. Nachhaltigkeit ist quasi die
muss.
Aber trotzdem ist Ihre Akademie auch so etwas
Gegenbewegung dazu. Inwieweit hat Sie das Erwie ein Unternehmen, das ein Produkt anbietet,
leben dieses materiellen Reichtums beeinflusst?
das es erfolgreich verkaufen muss.
Nachhaltigkeit bedeutet für mich nicht unbedingt
Ja, ecosign ist auch ein Unternehmen, das wirtschaftlich
eine Reduktion von Wohlstand, wenn man bewährte Löfunktionieren muss, ohne öffentliche Zuschüsse. Aber diese Idee
sungen anwendet. Die Nachhaltigkeitsdebatte ist derzeit von
hatte ich 1992 nicht, weil ich darin eine profitable Geschäftslüdrei strategischen Ansätzen dominiert, die unter den Begriffen
cke sah, sondern weil ich von der Notwendigkeit einer solchen
Effizienz, Konsistenz und Suffizienz bekannt sind. Bei den EffiziAusbildungsstätte überzeugt war. Ich war der festen Überzeuenzstrategien versucht man Wirtschaftswachstum und Naturgung, dass ein revolutionärer Gedanke wie Nachhaltigkeit in den
verbrauch zu entkoppeln, indem man neue Technologien anbestehenden starren Strukturen der Hochschulen nur schwer
wendet. Unternehmen können Geld sparen, indem sie zum BeiPlatz gefunden hätte. Trotzdem musste ich damals erfahren,
spiel leichtere Computer mit einem niedrigeren Rohstoffeinsatz
dass die Gründung einer neuen Schule kein einfaches Vorhaben
produzieren. Verbraucher, indem sie mit einem Drei-Liter-Auto
ist…
fahren. Bei den Konsistenzstrategien, die unter anderem das
Cradle-to-Cradle-Konzept beinhalten, geht es darum Abfall und
Welche Vorstellungen hatten Sie denn, wo lagen die Schwierigumweltschädliche Emissionen zu vermeiden, indem man die
keiten?
Wertschöpfungsketten kreisläufig statt linear gestaltet. Dies ist
Für ein solches Vorhaben braucht man ein erhebliches Startkapider Fall wenn Unternehmen alte oder defekte Produkte zurücktal – ich hatte aber weder reiche Eltern noch einen reichen Mann
nehmen und wiederverwerten, statt diese von ihren Verbrauan der Seite. Ich musste also einen Kredit beantragen – und Banchern entsorgen zu lassen. Bei der Suffizienzstrategie geht es
ken zu überzeugen war eben schwierig. Anfang der 1990er ging
darum, einem Überfluss entgegenzuwirken, vor allem durch
viel Geld in den Osten, weil die Wiedervereinigung finanziert
das miteinander Teilen. Für mich war Glück beispielsweise nie
werden musste. Das größte Problem lag aber darin, dass ich sehr
ein großes Auto oder eine große Wohnung. Natürlich freue ich
jung war und dazu eine Frau. Ich wollte irgendwas mit Design
mich über ein schönes Kleid, ich bin eine Frau und auch ein bissund Ökologie machen und bei vielen Bankmitarbeitern klang
chen eitel. Aber ich brauche keine zehn Kleider im Schrank. Ich
dies wie „Nagelstudio“ und „Birkenstock“: Dafür waren sie nicht
habe ein Besonderes, und das liebe ich sehr: mein kleines
bereit 200.000 DM auszugeben. Nach dem ersten Jahr hätte ich
Schwarzes. Das habe ich, seit ich 20 bin, und seitdem habe ich
fast aufgegeben. Zum Glück fand ich am Ende doch eine Bank
es ein paar Mal umgenäht. Dieses Kleid verändert sich mit mir.
und dies lag definitiv an der Bankberaterin. Zwölf Jahre lang
Und das macht mich immer glücklich, wenn ich es tragen kann.
habe ich den Kredit schließlich abbezahlt. Nun gibt es ecosign
Ich brauche auch kein eigenes Auto, denn ich habe Carsharing:
seit mehr als 20 Jahren.
Immer vollgetankt, immer sauber. Ich finde es toll, dass sich
unsere Gesellschaft gerade dahin entwickelt, mal über diese
Ist der Nachhaltigkeitsbezug das einzige AlleinstellungsmerkFragen nachzudenken und die Qualität des Lebens in den
mal Ihrer Akademie, oder wie haben Sie es geschafft, sich von
Vordergrund zu stellen.
der Konkurrenz abzuheben?
Das Besondere ist, dass wir keine große Universität sind. Wir
Sie sagen Qualität ist Ihnen wichtig. Sie haben selbst Kommunisind nach den ersten vier bis fünf Jahren zwar schnell auf 250
kationsdesign studiert. Wann haben Sie begonnen, sich mit
Studenten gewachsen, haben uns dann aber gefragt, wie sinndem Thema Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Design zu
voll dieses Wachstum ist. Mit 40 Studenten war die Atmosphäre
beschäftigen?
in der Schule noch sehr familiär – vielleicht zu familiär, was pädBevor ich Design studiert habe, habe ich freie Kunst studiert,
agogisch nicht unbedingt sinnvoll ist. Ab 250 Studenten merkund zwar bei einem Beuys-Schüler. Genau diese Auseinandersetten wir, dass sich die Kommunikation zu stark anonymisiert und
zung mit Joseph Beuys hat mich zur Nachhaltigkeit gebracht.
wichtige Qualitäten dadurch verloren gehen. Seitdem ist die
Die Kunst allgemein besteht aber nicht nur aus Beuys und desZahl der Studenten konstant geblieben. Wir haben auf ein quanhalb habe ich dort oft eine stärkere Auseinandersetzung mit
titatives Wachstum verzichtet, um ein qualitatives zu ermöglidem Kontext vermisst. Ich wollte nutzenorientierter arbeiten
chen. Bei ecosign bieten wir ein Umfeld, das Vielfalt und gleichund bin so zum Kommunikationsdesign gekomzeitig eine gute Kommunikation in der Gemeinschaft ermögmen. Auch in diesem Studium habe ich jelicht. Bei einer kleineren Zahl von Studenten ist die Betreuung
doch vieles vermisst. Designer haben
Wir haben
durch die Dozenten intensiver.
sich damals weniger Gedanken darüauf ein
ber gemacht, was Werbung mit dem
Beim Betrieb einer Hochschule hat man es auch mit der Politik
quantitatives
Menschen oder ein Produkt mit der
und Behörden zu tun, vor allem wenn man anerkannte AbUmwelt
macht.
Es
ging
vor
allem
Wachstum
schlüsse anbietet. Wie sehen Sie das?
um
Verkauf
und
Vermarktung.
Daverzichtet, um ein
Wir bieten staatlich anerkannte und gleichzeitig nicht anerkannher bin ich irgendwann einen andequalitatives zu
te Abschlüsse an. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass
ren Weg gegangen: Ich war fast am
ermöglichen.
N-Kompass Magazin
02.2015
23
der Anerkannte doppelt so teuer ist, allein wegen der Verwaltung. Trotzdem haben wir auch bei den nicht-anerkannten Abschlüssen mit einer erheblichen Bürokratie zu tun – und sie fördert nicht unbedingt Kreativität und Nachhaltigkeit in unserer
Gesellschaft.
Gilt das auch für Ihren Lehrbetrieb?
Ich gebe gern ein Beispiel: Vor einigen Jahren haben wir ein neues Gebäude bezogen und wollten eigentlich einen Permakulturgarten im Hof anlegen. Das Gesetz schreibt aber vor, dass jede
Schule über eine Mindestzahl von Autoparkplätzen verfügen
muss. Obwohl wir nachweisen konnten, dass unsere Studenten
und Dozenten vor allem mit dem Fahrrad und der Bahn zur
Schule kommen, mussten wir auf den grünen Hof verzichten,
um Parkplätze zu schaffen: Sie stehen heute meistens leer. Wir
hätten dieses Geld lieber nachhaltig investiert.
Funktionalität und Design scheint heutzutage bei Produkten
nicht mehr zu reichen. Welche neuen Herausforderungen resultieren daraus für Designer?
Die Absolventen, die ihren Abschluss bei ecosign bis zur Jahrtausendwende gemacht haben, hatten es schwer, eine Arbeitsstelle
zu finden, mit der sie sich identifizieren konnten. Alles musste
schneller, größer und breiter sein. Erst die Krise der New Economy und die Terroranschläge am 11. September 2001 haben zu
einem Nachdenken geführt. Heute bekommen die meisten
ecosign-Absolventen ihren Job, weil immer mehr Unternehmen
explizit Designer suchen, die auch im Bereich Nachhaltigkeit
ausgebildet sind. Vor allem im Produktbereich ist dies häufig der
Fall.
Bei vielen Unternehmen sind die eingefahrenen Strukturen
eine besondere Herausforderung. Neue Wege zu gehen, fällt da
nicht leicht. Doch immer mehr Firmen nehmen Kontakt mit uns
auf und erkennen das Potenzial des nachhaltigen Designs.
Sie scheinen Nachhaltigkeit als gelebtes Konzept in Ihrer Akademie zu verstehen. Haben Sie selbst eine Nachhaltigkeitsstrategie für Ihre Schule entwickelt?
Wir leben Nachhaltigkeit bei ecosign als ganzheitliches Konzept
und haben dies unter anderem in die Gestaltung des Schulgebäudes mit einfließen lassen. Unsere Räume sind mit Präsenzund Bewegungsmeldern sowie Regulierungsmöglichkeiten für
die Beleuchtung ausgestattet, um die Strom- und Lichtversorgung optimal steuern zu können. Abends wird über einen Generalausschalter alles abgestellt, sodass wir keinen Standby-Betrieb haben. Dadurch haben wir unseren Stromverbrauch erheblich senken können. Wir beziehen Ökostrom, verfügen über einen Eco-Server, nutzen Recyclingpapier und kaufen ausschließlich bei nachhaltigen Unternehmen ein. Unsere Möbel sind entweder gebrauchte Möbel oder von nachhaltigen Firmen hergestellt. Wir achten nicht nur auf die ökologischen, sondern auch
auf die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit. Zum Beispiel halten
wir die Hierarchien innerhalb der Schule flach, indem wir einen
mitarbeiterorientierten Führungsstil pflegen.
Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass man Nachhaltigkeit fühlen kann. Menschen fühlen beim Betreten von ecosign, dass hier Nachhaltigkeit gelebt wird.
Das Gespräch führten Marie-Lucie Linde und Till Mansmann
02.2015
N-Kompass Magazin
◊
Logistik & Transport
Effizient
von A nach B
Zahlen & Fakten
Logistikdienstleistern bringt es nicht nur ein grüneres Image, wenn sie sich an nachhaltigen Prinzipien
orientieren. Handfeste wirtschaftliche Vorteile
zeigen, dass sich nachhaltiges Wirtschaften für die
gesamte Logistikbranche lohnen kann.
von Klara Walk
” Laut dem Fraunhofer-Institut für Logistik und
Materialfluss (ILM) hat der Bereich Logistik
einen Anteil von deutlich über 5 Prozent an
den weltweiten CO2-Emissionen
” In Warenlagern entfallen durchschnittlich
50 Prozent des Energieverbrauchs auf den
Betrieb von Förder-, Lager und Kommissionierungstechnik und 15 Prozent auf Beleuchtung.
Die restlichen 35 Prozent des Energieverbrauchs werden nach Angaben des ILM für
die Heiz- und Klimatechnik aufgewendet.
Quelle: Bundesvereinigung Logistik (Stand: 2013)
V
or einigen Jahren sorgte die Geschichte mit den Nordsee-Krabben in den Medien für Aufsehen: In der Nordsee gefangen, wurden sie zum Pulen nach Marokko geflogen. Die verzehrfertigen Krabben flogen dann wieder zurück
nach Europa und landeten hier in den Kühlregalen. Die simple
Idee dahinter: Die Arbeitskräfte in Marokko waren billiger, als die
Arbeitskräfte in den deutschen Küstenstädten. So viel billiger,
dass es sich sogar inklusive der Transportkosten noch lohnte, die
Krabben per Luftfracht zum Pulen nach Nordafrika zu transportieren.
Die fliegenden Krabben mögen ein Extrembeispiel sein.
Doch tatsächlich wird kaum noch ein Produkt mit allen Komponenten an einem einzigen Ort hergestellt. Bei
Autos kommt der Motor aus Brasilien, die
Karosserie aus Ungarn, das Getriebe
aus Friedrichshafen. Und zusammengebaut wird alles in WolfsÜber
der
burg, Stuttgart oder München.
Mit anderen Worten: Es bringt
Logistikunternehmen
nichts, wenn nur die Knotenplanen, ihre
punkte eines Warenstrom-NetzEnergieeffizienz zu
werks ressourceneffizient arbeioptimieren.
ten. Wirklich nachhaltig kann die
Produktion von Gütern erst sein,
wenn auch das Transportnetz zwischen
den Produktionsschritten nachhaltig arbeitet. Michael Müller, Geschäftsführer des Logistikunternehmens
„Müller – Die lila Logistik“ bringt es auf den Punkt: „Die Produktion ist eigentlich nur eine kurze Unterbrechung der Logistik.“
Logisch also, dass auch Logistiker einen großen Teil zu mehr
Nachhaltigkeit im gesamten Warenfluss beitragen können. Die
60 %
Frage ist nur: Warum sollten sie das tun – und welche Möglichkeiten hat die Branche?
Transportunternehmen haben ihre Verantwortung durchaus erkannt. Das bestätigt die 2013 erschienene Studie „Nachhaltigkeit – Mit Strategie zu mehr Effizienz“ der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Berater haben
mehr als 100 Führungskräfte international agierender Logistikunternehmen zu ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten befragt. Ein
Ergebnis der Studie: Nachhaltigkeit ist für die große Mehrheit
der Logistiker Chefsache. 70 Prozent der befragten Unternehmen
haben das Thema in Stabstellen bei der Geschäftsführung oder
beim Vorstand angesiedelt. Verglichen mit anderen Branchen
sind die Logistiker sogar Vorreiter, so die Autoren der Studie.
CO2-Emissionen erhöhen den Druck
Bei näherem Hinsehen ist das nicht verwunderlich. Peter Räuchle, bei dem Transport- und Logistikverbund CargoLine unter anderem für Nachhaltigkeitsfragen in den Partnerbetrieben zuständig, begründet das Engagement der Betriebe: „Viele Transportunternehmen sind echte Familienbetriebe und deshalb per
se an langfristigem Wirtschaften interessiert.“ Schließlich sollen
die Betriebe prosperieren und in möglichst gutem Zustand an
die nächste Generation übergehen.
Die Transportbranche verursacht hohe CO2-Emissionen, und
steht deshalb unter besonders hohem Druck, erklärt Prof.
Ingmar Ickerott, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der
Hochschule Osnabrück und Experte für Logistikmanagement:
N-Kompass Magazin
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Fotos: Fotolia | oben: kamonrat; unten: TTstudio
24
Logistik & Transport
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N-Kompass Magazin
25
26
Logistik & Transport
„Die Kunden, der Staat, der Wettbewerb, sogar der Arbeitsmarkt
– von allen Seiten kommt die Forderung nach nachhaltigem
Handeln auf die Logistiker zu.“
Kunden wollen ihre Produktion selbst strenger nach Umwelt- und Sozialstandards ausrichten und verlangen das auch
von ihren Partnern. 59 Prozent der Transportunternehmen waren schon mit Kundennachfragen zum Thema nachhaltige Logistik konfrontiert, hat die PwC-Studie ergeben, Tendenz steigend. Bei einer vorangegangenen Befragung aus dem Jahr 2009
hatten nur 37 Prozent bereits Erfahrung mit solchen Kundenanfragen gemacht. Auch vom Gesetzgeber kommen im Zeichen
des Klimaschutzes immer neue Vorschriften in Sachen CO2Emissionen. Zudem beschäftigt der prognostizierte Fachkräftemangel auch die Logistikbranche: Immerhin 23 Prozent der von
PwC befragten Transportunternehmen geben die Belange der
Mitarbeiter als hauptsächlichen Treiber für mehr Nachhaltigkeit
im eigenen Betrieb an. Hier spielen vor allem soziale Aspekte
eine Rolle: „Mit betrieblichem Gesundheitsmanagement, fairen
Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen versuchen Logistiker,
junge und qualifizierte Leute für ihre Branche zu gewinnen“, so
Logistik-Forscher Ickerott.
Betriebswirtschaftliche Notwendigkeit
Der größte Druck kommt aber aus der Branche selbst. Oliver
Aeuer vom Verband Spedition & Logistik Nordrhein-Westfalen
hält den Wegfall der Tarifbindung im Speditionsgeschäft in den
1990er Jahren für die Geburtsstunde nachhaltiger Logistik: „Von
da an war ein deutlich effizienterer Einsatz von Ressourcen
schon alleine aus betriebswirtschaftlichen Gründen nötig“, sagt
Aeuer. Seitdem ist der Wettbewerb mit jedem Jahr schärfer geworden. Jeder Euro, den Transporteure einsparen können, ist
wichtig für den Unternehmenserfolg. Je höher der Spritverbrauch, desto höher die Kosten – und desto größer das Einsparpotenzial. Wer den Spritverbrauch seiner Lkw-Flotte senkt,
schont also zugleich seinen Geldbeutel und die Umwelt.
Bei Kühltransporten gilt diese Rechnung sogar doppelt.
Denn nicht nur die Fahrzeuge verbrauchen Treibstoff, sondern
auch die meist mit Diesel betriebenen Kühlaggregate. Der Logistiker LIMON Transporte und Logistik
Transportmittel
GmbH, der mit rund 40 Mitarbeitern temperaturgeführte Lebensmitteltransporte durchführt, hat Mittel und Wege gefunden, um den Treibstoffverbrauch und damit gleichzeitig Kosten
und Emissionen zu senken. Über eine Software überwacht der
Fuhrparkleiter, wie spritsparend seine Mitarbeiter fahren. Aufbauend auf diesen Daten hat LIMON ein Bonussystem umgesetzt: Wer wirtschaftlicher fährt, wird belohnt. Zudem achtet
man darauf, immer die neueste Kühltechnik einzusetzen. Neuere
Kühlaggregate verbrauchen weniger Energie, sind dabei sauberer,
leiser und dazu noch leichter. Leichtere Aggregate wiederum bedeuten leichtere Fahrzeuge, die weniger Treibstoff verbrauchen.
Wege analysieren und optimieren
Bei LIMON ist jedes Detail darauf ausgelegt, Energie einzusparen: Fahrzeuge, die auf Routen mit vielen Stopps und kleinteiligen Lieferungen fahren, haben nicht nur große Heckklappen,
sondern verfügen zusätzlich über kleinere Seitentüren mit Vorhängen. So müssen die Fahrer nicht immer die große Heckklappe
öffnen, durch die viel Kälte entweichen kann. Diese Maßnahmen
minimieren den Temperaturverlust und damit den Dieselverbrauch. Dies funktioniert aber nur, wenn die Lkw entsprechend
beladen werden.
Zu einer nachhaltig aufgestellten Logistik gehört für die Verlader immer die Grundsatzfrage: Ist dieser logistische Prozess
überhaupt nötig? Mit solchen Fragen beschäftigt sich der Logistikdienstleister Lila Logistik. Die mit dem Preis für die nachhal-
„Die Kunden, der Staat, der
Wettbewerb, sogar der
Arbeitsmarkt – von allen Seiten
kommt die Forderung
nach nachhaltigem Handeln auf
die Logistiker zu.“
Prof. Ingmar Ickerott, Experte für Logistikmanagement
Kriterien in der Wahl des Transportmittels
Traditionelle Sicht der Logsitik
Kosten
Geschwindigkeit
Neue Sicht der Logistik
Kosten
Geschwindigkeit
Nachhaltigkeit
Quelle: WEF. 2009
N-Kompass Magazin
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Logistik & Transport
Bis zu
27
80 %
des Energiebedarfs
tigste Zukunftsstrategie 2011 ausgezeichnehoch, Schachinger Logistik musste sparen. Also
ten Logistikspezialisten aus Besigheim versteschaute sich die Geschäftsführung an, wo das
entfällt auf die
hen sich nicht als Transporteure, die lediglich
ganze
Geld hängen blieb, und heraus kam: Die
Beleuchtung
eine Ware von A nach B schaffen, sondern kümEnergiekosten waren zu hoch. Die Lkw vervon Lagerhallen.
mern sich um die gesamte Supply-Chain-Optibrauchten zu viel Treibstoff, die Firmengebäude
mierung. „Wir organisieren auch die Transporte“,
zu viel Strom. „Das Nachhaltigkeitsbewusstsein ist
sagt Geschäftsführer Michael Müller. „Aber unser
bei uns im Grunde durch den Leidensdruck entstanKerngeschäft ist die Lieferkettenoptimierung.“ Lila Logistik
den“, sagt Schachinger.
ist damit so etwas wie ein Querdenker unter den LogistikdienstAls eine von vielen Nachhaltigkeitsmaßnahmen ließ Schaleistern. Das Prinzip ist ganz einfach: „Wir versuchen immer, so
chinger das LT1 bauen. Die Lagerhalle, angedockt an bestehende
wenig Ressourcen wie möglich einzusetzen“, sagt Müller. Für ihn
Gebäude in Hörsching, ist komplett aus dem Holz der in Österist Nachhaltigkeit keine Greenwashing-Strategie, sondern im
reich heimischen Arten Fichte und Weißtanne gebaut. LED-BeKern seines Geschäftsmodells verankert. Diese Philosophie brinleuchtung und eine bedarfsorientierte Lichtsteuerung sorgen
gen die Lila-Logistiker auch mit zu den Kunden, deren Warendafür, dass die Hallen angenehm hell und trotzdem energiewirtschaftsprozesse und Lieferketten sie analysieren – und im
effizient beleuchtet sind. 30 Prozent weniger Strom benötigt die
Zweifel auch deutlich verschlanken. Beim Kunden Mercedesintelligente LED-Beleuchtung im Vergleich zu herkömmlichen
AMG bedeutete das: Aus acht Lagern wurde ein einziges, jetzt
Lösungen. Ab Herbst 2015 soll eine Photovoltaikanlage die Enervon Lila Logistik betrieben. Ergebnis: Es müssen deutlich weniger
gie für die Wärmepumpe liefern.
Shuttles zum AMG-Werk pendeln.
Damit die Temperaturschwankungen im Gebäude nicht allViele Logistiker lagern Waren und Güter für ihre Kunden ein.
zu groß werden und der Stromverbrauch damit stabil bleibt, ist
Wer über nachhaltige Logistik nachdenkt, kann deshalb nicht bei
die ganze Halle hermetisch gegen Zugluft abgedichtet. Die EnerSpritverbrauch und Lieferkettenoptimierung stehenbleiben,
giekennzahl des LT1 ist dementsprechend beeindruckend: Nur
sondern muss sich auch um effiziente Gebäudetechnik küm10,3 Kilowattstunden Strom braucht es pro Quadratmeter im
mern. Der österreichische Logistikdienstleister Schachinger LoJahr, um die Temperatur in der Lagerhalle immer zwischen 14
gistik ist hier Vorreiter. Das größte und auch in der österreichiund 18 Grad zu halten. Zum Vergleich: Bei Wohngebäuden
schen Öffentlichkeit meistbeachtete Schachinger-Projekt ist das
spricht man bei einer Energiekennzahl unter 15 Kilowattstun„LT1“ in Hörsching, ein ganz nach Passivhausstandards gebautes
den Strom pro Quadratmeter und Jahr von einem Passivhaus.
Hochregal-Logistiklager. Das Lagerhaus ist temperaturgeführt,
Trotzdem ist das LT1 nur knapp sechs Prozent teurer gewesen als
d.h. dort muss immer eine bestimmte Temperatur herrschen,
die billigstmögliche Bauweise, erzählt Max Schachinger: „In fünf
damit die gelagerten Waren nicht verderben. Hier lagert Schabis zehn Jahren hat sich das für uns amortisiert.“
◊
chinger Waren für einen großen, international agierenden Handelskonzern.
Kompass Dossier
Nachhaltigkeit gehört für den geschäftsführenden Gesellschafter Max Schachinger und seine Mitarbeiter heute zur UnLieferkette
ternehmensphilosophie und in ihre Verantwortung als TransDie Lieferkettensteuerung ist eine zentrale Aufgabe in produzierenden Unternehmen. Dabei spielen nicht nur Kosten, sondern auch
portunternehmer. Der Anstoß, das Unternehmen Schachinger
Service und Nachhaltigkeit eine immer wichtigere Rolle. Erfahren
Logistik konsequent auf nachhaltige Geschäftstätigkeit auszuSie mit diesem Dossier, wie Sie Ihre Lieferkettensteuerung gezielt
richten, kam in der Krise: „Vor etwa zehn Jahren ging es uns wirtoptimieren können.
schaftlich nicht gut“, sagt Max Schachinger. Der Preisdruck war
DokID: TAAAE-68180
LUFT
Charakteristika einzelner Transportmittel
Kosten
teuer
Geschwindigkeit
schnell
CO2-Intensität von Transportmitteln
CO2-Effizienz
Luft – Kurzstrecke
gering
Luft – Langstrecke
STRASSE
Straße – Leichtgut
SCHIENE
Straße – Fernverkehr
Schienenverkehr
See – Kurzstrecke
SEE
See – Langstrecke
günstig
langsam
0
hoch
Quelle: WEF. 2009
02.2015
N-Kompass Magazin
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
Emissionsfaktoren in CO2e kg/Tonnenkilometer
1,2
1,4
Foto: CargoLine; Icons: Fotolia | angelha
Straße – gesamt
28
ÿ
Es werde Licht: das Unternehmen
WakaWaka sorgt mit seinen
LED-Lampen für Licht bei Menschen
ohne Stromversorgung.
ÿ
Im Museum „Dialog im Dunkeln“ in
Hamburg führen blinde Menschen
Besucher durch völlig abgedunkelte
Ausstellungen.
N-Kompass Magazin
02.2015
Soziale Geschäftsmodelle
Tue Gutes
und verdiene Geld damit
Ihre Arbeit zeigt, dass Wirtschaft auch anders gehen kann. Immer mehr sogenannte Sozialunternehmer wollen mit ihren Geschäftsmodellen die Gesellschaft verändern – Geld verdienen ist dabei
Mittel zum Zweck. So bringen sie Licht in Armenviertel, entwickeln Job-Konzepte für Blinde und
resozialisieren ehemalige Straftäter.
von Gaby Herzog
Weltweit
Fotos: oben | G2 Baraniak, Hamburg; unten | Hassan Azmi Hijazi, Esseline van de Sande
I
hre Aufgabe war eigentlich eine Andere. Im
haben
Vorfeld der WM 2010 besuchten Maurits
Groen und Camille van Gestel Südafrika. Die
beiden Lichtspezialisten aus den Niederlanden
an bedürftige Menschen in einem EntwickMrd.
hatten den Auftrag, ein Konzept zu entwickeln,
lungsland gespendet wird.
Menschen
um den FIFA Worldcup mit LED-Technologie
Die Nachfrage ist groß. Dabei ist die Motikeinen Zugang
auszustatten. 2010 sollte alles, was mit Fußball
vation vieler Käufer oft gar nicht, etwas Gutes zu
zu tun hatte, in einem hellen Licht erstrahlen.
tun. Das Produkt erfüllt die hohen Ansprüche der
zu Licht.
Nachhaltig. Zeitgemäß. Grün.
Konsumenten. Die unter kontrollierten ArbeitsbeOft arbeiteten die Beiden bis tief in die Nacht, bedingungen hergestellten Solarlampen gehören zu den
suchten Konferenzen und Meetings. Ihr Weg zurück zum Hotel
effizientesten, die es derzeit auf dem Markt gibt. Das Design
führte sie durch riesige Slums. Nachts versanken diese Siedlunwurde von Studio Kalkwijk entwickelt und gewann 2013 den iFgen im Dunkel der Nacht. Hier und da der Schein ein paar schwaAward. Seit Kurzem werden WakaWakas sogar in den ersten
cher Kerzen, Kerosin- oder Taschenlampen.
Apple-Stores in den USA verkauft.
Die beiden Fachleute fragten sich, wie es eigentlich um die
Lichtversorgung der Menschen bestellt ist, die nichts mit der
Normal aber doch anders
WM und den Hochglanz-Arenen zu tun haben. „Wir fanden her400.000 Lampen wurden mittlerweile produziert. In Holland,
aus, dass viele dieser Leute von gerade einmal zwei Dollar am
Russland und den USA sind 29 Mitarbeiter für WakaWaka tätig.
Tag leben. Rund 25 Prozent ihres Einkommens geben die BewohEiner von ihnen ist Tjebbe Tjebbes. „Wir sind auf den ersten Blick
ner für Beleuchtung aus“, erinnern sich die Beiden. „Es gibt keine
ein ganz normales Unternehmen“, sagt der 27-jährige MarkeStromversorgung. Leuchtmittel wie Kerzen und Öl sind teuer.
tingmanager. „Allerdings unterscheiden wir uns von unserer
Außerdem geht von ihnen eine hohe Brandgefahr aus, Kerosin
Zielausrichtung und Philosophie von anderen. Die Mitarbeiter
entwickelt zudem giftige Dämpfe. Weltweit haben 1,2 Milliarwerden zwar angemessen bezahlt, aber reich wird hier niemand.
den Menschen keinen Zugang zu Licht.“
Nicht die Gewinnmaximierung ist unsere Motivation. Wir wolBei den Lichtspezialisten kippte ein Schalter um. Sie belen ein gesellschaftliches Problem lösen und maximal vielen
schlossen: „Wir müssen das ändern!“ Zusammen mit einem
Menschen Licht bringen.“
Partner in China entwickelten sie eine solarbetriebene LED-LamEtwas Gutes tun – und ein Geschäft daraus machen. Ein Vorpe. „WakaWaka“ tauften sie das neue Produkt. Das heißt auf Sureiter dieser Idee ist der Friedensnobelpreisträger Muhammad
aheli „leuchte hell“. Cooles Design, beste Qualität und natürlich
Yunus aus Bangladesch. 1983 gründete er die Grameen Bank, die
nachhaltig und zeitgemäß. Das Besondere an WakaWaka: Wer
Mikrokredite an Einkommensschwache vergibt. Obwohl sie keihierzulande für 29 Euro eine Lampe kauft (inklusive einem Ladenerlei Sicherheiten vorweisen können, bekommen arme Mengerät kostet es 69 Euro), der finanziert damit ein zweites Gerät
schen auf diese Art die Möglichkeit, sich eine eigene Existenz aufdas, mit Unterstützung von anerkannten Hilfsorganisationen,
zubauen und zahlen dann später das geliehene Geld zurück.
02.2015
1,2
N-Kompass Magazin
29
30
Social
Entrepreneurship
Social Entrepreneurs
Klassische gemeinnützige
Organisationen
Soziale
Rendite
Finanziert
durch
Spenden /
philanthropische
Investments
Hybrides
Modell: Mix
aus eigenem
Einkommen
und Spenden
Eigenes
Einkommen
(selbsterhaltend)
Quelle: Frischen/
Lawaldt (2008)
Beckmann, Professor für
Corporate Sustainability
Social Business
Management an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Sozial verantwortl.
Unternehmen
„Deswegen erlebt das Social
Entrepreneurship
im MoWirtschaftsunternehmen
ment einen regelrechten
Boom. Immer mehr UnternehFinanzielle
Rendite
mer versuchen, gesellschaftliches
Engagement und Ökonomie miteiProfitables
Profitables
Profitables
nander
zu verbinden. Gutes tun und
SozialunterUnternehmen,
Unternehmen
nehmen
sozial motiviert (keine soziale
damit Geld verdienen, sollen sich nicht
(Gewinne
(Gewinne
Ausrichtung)
mehr länger ausschließen.“ Mittlerweile
werden
werden an
reinvestiert)
Investoren
gibt es in Deutschland mehrere Hundert
ausgeschüttet)
solcher Firmen. Von Spenden und Sponsoren
nehmen Sozialunternehmer häufig Abstand, weil
das auch Verpflichtungen mit sich bringt. Sie finanzieren sich in ihrer Startphase meist mit eigenen Ersparnissen
oder Krediten. Zudem gibt es seit einiger Zeit Sozialfonds, die die
nötige Anschubfinanzierung bereitstellen. Auch die Bundesregierung unterstützt Sozialunternehmer inzwischen über die
KfW-Bank.
„Die Hoffnung verlagert sich
auf eine grundlegend
neue Bewegung von sozialen
Innovatoren.“
Dr. Markus Beckmann, Professor für Corporate Sustainability
Management, Universität Erlangen-Nürnberg
2006 startete Yunus das Projekt „Shokti Doi“. Das Ziel: Der
Mangelernährung bei Kindern vor allem in ländlichen Gebieten
in Bangladesch entgegen zu wirken. Auch hier entwickelte der
kreative Wirtschaftsprofessor eine Geschäftsidee, um nicht dauerhaft auf Spenden angewiesen zu sein. In einem Joint Venture
mit dem Lebensmittelkonzern Danone wurde eine Fabrik in der
Stadt Borga gebaut, in der monatlich rund zwei Millionen Becher
Joghurt hergestellt werden. Eine Portion deckt zu 30 Prozent den
Tagesbedarf eines Kindes an Vitamin A, Zink und Jod.
Der Joghurt kostet 6 Cent pro Becher und wird von Kleinunternehmerinnen vertrieben, die mit Kühltaschen von Haustür zu
Haustür gehen. Durch den Verkauf sichern sie ihren Lebensunterhalt. Außerdem werden Bauern ermuntert, sich eine Kuh
anzuschaffen, deren Milch sie dann zu fairen Preisen an die
Joghurt-Fabrik verkaufen können. Danone hat sich verpflichtet,
sämtliche Gewinne in das Projekt zu reinvestieren. Ihr Nutzen ist
das positive Image. „Wenn man die profit-maximierende Brille
abnimmt und zur sozialen Brille greift, sieht man die Welt in einer anderen Perspektive“, sagt Yunus.
Eine neue Bewegung
In Zeiten von Wirtschaftskrisen, Korruptionsskandalen und Klimawandel, empfinden auch hierzulande immer mehr Menschen
das ständige Streben nach immer höheren Profiten zunehmend
als unmoralisch und frustrierend. Schneller, höher, weiter, ohne
Rücksicht auf Umwelt und Mitmenschen. Muss das sein? Oder
kann das nicht auch anders funktionieren?
„Die Hoffnung verlagert sich auf eine grundlegend neue
Bewegung von sozialen Innovatoren“, erklärt Dr. Markus
nach Zielsetzung
und Organisationsform
Innovative Ideen unternehmerisch gelöst
Die meisten Sozialunternehmer sind engagierte, charismatische
Machertypen, in der Regel mit abgeschlossenem Hochschulabschluss. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher der Zeppelin Universität Friedrichshafen in einer Studie zu „Innovativem sozialen
Handeln“. Danach geht es dem Sozialunternehmer nicht um finanzielles Wachstum, sondern um das Wachstum seiner Idee. Er
will Geld verdienen, aber wichtiger sind ihm Sicherheit und
Wandel in der Gesellschaft.
Der wohl bekannteste deutsche Social Entrepreneur ist
Andreas Heinecke. Er gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet.
Der Hamburger ist der Erfinder von „Dialog im Dunkeln“. In seinem Museum in der Hafenstadt führen blinde Menschen Besuchergruppen durch eine völlig abgedunkelte Ausstellung. Durch
diesen Rollentausch, indem Blinde Sehenden bei der Orientierung helfen, wird Verständnis geweckt und auf die besonderen
Talente von Sehbehinderten aufmerksam gemacht. „Heinecke
hat ein gesellschaftliches Anliegen, für das er eine langfristig unternehmerische Lösung gesucht hat“, erklärt Beckmann. „Dafür
hat er ein wirtschaftlich erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt, das ganz ohne staatliche Förderung auskommt. Mittlerweile wurde die Ausstellung in 38 Ländern und 170 Städten
weltweit gezeigt und hatte rund 8 Millionen zahlende Besucher.
Auch sein Dunkelrestaurant ist überaus erfolgreich und hat
schon viele Nachahmer gefunden.“
Seit Neuem bietet „Dialog im Dunkeln“ auch Managementtrainings. Die Seminare, die von blinden oder sehbehinderten
Coaches geleitet werden, stehen im normalen Wettbewerb mit
konventionellen Anbietern und erzielen mit ihrer individuellen
Herangehensweise erstaunliche Resultate. Die Grundidee:
Wenn das Licht ausgeht, werden die Sinne geschärft. Ohne die
Möglichkeit sich mit den Augen zu orientieren, suchen die Teilnehmer schneller Hilfe bei ihren Kollegen. Dadurch klappt das
Teambuilding oft schneller, die Kommunikation untereinander
wird genauer, das Denken klarer und die Kursteilnehmer finden
in der ungewohnten Umgebung neue Denkansätze.
N-Kompass Magazin
02.2015
Soziale Geschäftsmodelle
Die Behinderung als Begabung sehen, das tut auch das Projekt des Gynäkologen Frank Hoffmann. Zur Prävention von Brustkrebs bildet „Discovering Hands“ blinde Frauen als medizinische
Tastuntersucherinnen aus. Die Frauen nehmen sich zum einen
mehr Zeit für die Untersuchungen, außerdem haben sie einen
besseren Tastsinn, als die meisten sehenden Ärzte. Die Kosten
für eine solche Untersuchung werden bereits von einigen Krankenkassen übernommen. Da die sehbehinderten Frauen auch in
Bürotätigkeiten ausgebildet werden, können sie die komplette
Untersuchung und andere Sekretärsarbeiten übernehmen und
sind so für Arztpraxen auch ökonomisch rentabel.
Verschiedene Konzepte, gleiches Ziel
Es gibt viele unterschiedliche Modelle von Social Entrepreneurship. In den Industrienationen konzentrieren sich soziale Probleme mehr auf die Bereiche Bildung, Migration, Arbeitslosigkeit
oder Umwelt. Hier machen es sich Sozialunternehmer zur Aufgabe, Langzeitarbeitslose oder Menschen mit Behinderungen in
Arbeit zu bringen, verhelfen Schulverweigerern zum Abschluss
und resozialisieren Strafgefangene. „Im gemeinnützigen Bereich
herrschte in den vergangenen Jahrzehnten eine Mutter-TeresaEinstellung vor. Für eine Dienstleistung an der Gesellschaft darf
man kein Geld nehmen, da war man sich einig“, sagt
Friedrich Kiesinger. Doch er wollte es anders
Mehr als
50 %
der
Sozialunternehmen
erzielen Einnahmen
von bis zu
250.000 €.
machen. Gemeinsam mit seiner Frau Andrea gründete der Psychologe 1998 die Pegasus GmbH in Berlin. Ihr Ziel war es, Jobs
für sozial Benachteiligte zu schaffen, „und zwar auf dem ersten
Arbeitsmarkt. Wir haben uns ganz bewusst gegen die Gemeinnützigkeit entschieden. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass es
sehr viel schwerer ist, Menschen, die in einem Integrationsunternehmen oder einer Behindertenwerkstatt gearbeitet haben,
später in ein „normales“ Unternehmen zu vermitteln. Sie gelten
als nicht belastbar.“ Pegasus verzichtet auf jede staatliche Vergünstigung. „Wir berechnen 19 Prozent Umsatzsteuer, zahlen
Gewerbe- und Körperschaftssteuer wie jede andere Firma auch.“
Mittlerweile arbeiten 130 Menschen mit psychischen und physischen Handicaps in verschiedenen Firmenzweigen, in den Bereichen Catering, Gartenbau, Gebäudereinigung. Die Mitarbeiter mit Handicap werden individuell ausgebildet und gezielt gefördert. „Die Gesellschaft musste erst lernen, dass es keine
Schande ist, mit normalem wirtschaftlichen Handeln im sozialen Bereich Geld zu verdienen. Wir sind stolz, dass wir uns auf
dem Markt behaupten können und zunehmend Anfragen von
außerhalb Berlins bekommen. Wir freuen uns, dass unser Konzept expandiert.“
◊
Mit wirtschaftlichem
Handeln gesellschaftliche
Probleme lösen.
Im Gespräch mit Professor Markus Beckmann am Lehrstuhl
für Corporate Sustainability Management an der Universität
Erlangen-Nürnberg.
Herr Professor Beckmann, wie definiert man Social Entrepreneurship?
Kurz gesagt, heißt Social Entrepreneurship: für die Gesellschaft
unternehmen. Der erste Begriffsteil, nämlich das „social“, drückt
aus, dass die primäre Motivation für diese Art von wirtschaftlichem Handeln darin liegt, ein gesellschaftliches Problem zu lösen oder Missstände zu verbessern. Es geht in erster Linie also
nicht ums Geld, sondern um eine gute Sache. Der zweite Teil des
Wortes Sozialunternehmer stellt auf das Unternehmerische ab.
Hier geht es darum, wie man ein gesellschaftliches Anliegen verfolgt – nämlich unternehmerisch: also, indem man neue Ideen
entwickelt, diese pragmatisch selbst umsetzt, dafür vielleicht
eine neue Organisation gründet und die nötigen Ressourcen organisiert.
Was ist der Unterschied zwischen Sozialunternehmern, Social
Business und Corporate Social Responsibility?
In allen drei Begriffen taucht mit dem Wort „social“ die gesellschaftliche Dimension auf. Der Fokus ist aber etwas anders. Bei
02.2015
N-Kompass Magazin
Corporate Social Responsibility geht es um klassische gewinnorientierte Unternehmen, die sich der Frage gegenübersehen,
wie sie das Ziel der Gewinnerzielung gesellschaftlich verantwortlich erreichen. Das Ziel bleibt wirtschaftlicher Erfolg, aber
auf dem Weg dorthin wird beispielsweise auf die Arbeitsbedingungen in den Fabriken oder die Umweltauswirkungen der Unternehmung geschaut. Bei Social Business und Social Entrepreneurship ist das Ziel hingegen nicht der Gewinn, sondern die
Lösung eines gesellschaftlichen Problems. Ein Social Business
versucht dabei, alle dafür benötigten Ressourcen als „business“
zu erwirtschaften – also durch Markteinkommen. Damit kommt
ein idealtypisches Social Business komplett ohne Spenden oder
öffentliche Förderung aus. Social Entrepreneure hingegen sind
pragmatischer und nutzen andere Ressourcen, wenn sie dadurch
besser zum Ziel kommen. Im Mittelpunkt steht dann nicht eine
bestimmte Rechts- oder Finanzierungsform, sondern der Fokus
auf eine möglichst wirksame und nachhaltige Problemlösung.
◊
31
N-Kompass intern
Häufig gestellte Fragen
zum N-Kompass
Der N-Kompass unterstützt seit nunmehr einem Jahr mittelständische Unternehmen beim Aufbau
ihres Nachhaltigkeitsprogramms. In dieser Zeit haben wir viele interessante Gespräche mit Nutzern geführt, die Fragen zum konkreten Leistungsumfang des N-Kompass hatten. Die am häufigsten gestellten Fragen und Antworten hat die N-Kompass-Redaktion für Sie im Folgenden zusammengestellt.
Für wen bietet sich ein Einstieg über die kostenlose Basis-Analyse an?
Die kostenlose Basis-Analyse des N-Kompass ist ein guter Einstieg für jeden, der seine eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten
durch einen schnellen Selbsttest überprüfen möchte. Nach Beantwortung weniger Fragen zeigt Ihnen die Basis-Analyse erste
Bereiche auf, in denen Ihr Unternehmen einen Handlungsbedarf
haben könnte. Eine finale, priorisierte Handlungsempfehlung ermitteln Sie in einem zweiten Schritt mithilfe der detaillierteren
Unternehmensanalyse, bei der Ihre Antworten aus der BasisAnalyse berücksichtigt werden.
Muss ich bei der Detail-Analyse alle Bereiche
bearbeiten, bevor ich erste Ergebnisse erhalte?
N-Kompass auf ausgewählte Bereiche konzentrieren. So erhalten
Sie bereits nach wenigen Fragen eine erste Auswertung und erfahren, wo Sie mit Ihrem Unternehmen in den jeweiligen Handlungsfeldern stehen.
Unterstützt der N-Kompass nur bestimmte
Branchen oder Unternehmensgrößen?
Der N-Kompass funktioniert branchenübergreifend, egal ob für
Dienstleister oder produzierende Unternehmen. Er richtet sich
dabei an mittelständische Unternehmen – unabhängig von der
konkreten Mitarbeiter- oder Umsatzstärke. Durch Ihre Branchenangaben zu Beginn der Analyse stellen Sie sicher, dass im Fragebogen die hinterlegten Branchenfaktoren entsprechend berücksichtigt werden.
Wenn Sie zunächst nur einzelne Ergebnisse zu bestimmten
Handlungsfeldern interessieren, können Sie sich mit dem
N-Kompass Magazin
02.2015
Fotos: Fotolia | bahrialtay
32
N-Kompass intern
Kann ich mit dem N-Kompass einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen?
Mit dem N-Kompass können Unternehmen die gesamte Vorarbeit für die Berichterstellung leisten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch noch keinen Bericht erzeugen. Nutzer profitieren
dennoch von einer Vielzahl von Kennzahlenvorschlägen. Anerkannte Standards (z.B. GRI G4) werden dabei berücksichtigt,
auch wenn der N-Kompass grundsätzlich standardneutral ist.
Unser Unternehmen arbeitet bereits seit
20 Jahren nachhaltig. Brauchen wir trotzdem
einen N-Kompass?
Mit dem N-Kompass können Sie Ihre Nachhaltigkeitsleistungen
und sogar Ihr etabliertes Nachhaltigkeitsmanagement zeiteffizient überprüfen. Darüber hinaus bietet der N-Kompass mit seinen umfangreichen Fachinformationen einen ständig aktualisierten Ideenpool, der auch Unternehmen, die schon weit vorangeschritten sind, spannende Impulse liefert. Und auch Mitarbeiter lassen sich durch die vielen Themendossiers und Praxistipps
des N-Kompass systematisch für das Thema Nachhaltigkeit begeistern und damit inhaltlich in die Nachhaltigkeitsstrategie einbeziehen.
Wer hilft mir, wenn ich bei der Unternehmensanalyse oder der Umsetzung bestimmter Maßnahmen Unterstützung brauche?
Bei allen klassischen Anwendungsfragen rund um den
N-Kompass hilft Ihnen das N-Kompass-Team mit einer kostenlosen Hotline jederzeit weiter. Soweit Sie eine fachliche Beratung
oder eine Begleitung bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen
oder einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie wünschen,
vermitteln wir Ihnen gerne Experten und qualifizierte Nachhaltigkeits-Berater aus unserem N-Kompass-Beraternetzwerk.
Wie umfassend sind eigentlich die enthaltenen
Dossiers und Umsetzungshilfen? Brauche ich
darüber hinaus noch weitere Arbeitsmittel?
In der aktuellen N-Kompass-Datenbank finden Sie mehr als 80
Dossiers u.a. auch Fallstudien zu allen relevanten Maßnahmen
und zentralen Nachhaltigkeitsthemen. Über 40 Autoren sorgen
für die nötige Praxisnähe und eine gleichbleibend hohe Qualität
und Aktualität der Inhalte. Damit finden Sie alle erforderlichen
Informationen zentral an einem Ort und von überall erreichbar.◊
Kann man sich den N-Kompass auch persönlich
präsentieren lassen?
N-Kompass – Nachhaltig Wirtschaften
im Mittelstand
Ja. Seit Anfang des Jahres gibt es kostenlose Einführungs-Webinare, um den N-Kompass bequem von jedem beliebigen PC aus
kennenzulernen. In einer individuellen Sitzung zeigen Ihnen Experten aus dem N-Kompass-Team die wichtigsten Funktionen
und beantworten Ihre unternehmensspezifischen Fragen. Auf
Wunsch sind auch persönliche Präsentationstermine in Ihrem
Unternehmen möglich. Sprechen Sie uns gerne an.
Der N-Kompass zeigt Unternehmen mithilfe einer umfassenden
Online-Analyse den aktuellen Status Quo Ihres Nachhaltigkeitsmanagements in den Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Zu allen Handlungsfeldern schlägt der N-Kompass sinnvolle
Maßnahmen vor und bietet praxistaugliche Dossiers und spannende Fallstudien zur Vertiefung an. Zahlreiche Arbeitshilfen,
Checklisten und Kennzahlen helfen dem Unternehmer bei der
praktischen Umsetzung. ÿ www.n-kompass.de
Sie haben Fragen oder Anregungen zum N-Kompass? Dann
kontaktieren Sie uns: [email protected] · 02323-141 900
02.2015
N-Kompass Magazin
33
Schlusspunkt
TIPP
Erstmalig bis zum 5. Dezember 2015 und
danach alle vier Jahre verpflichtet das
Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) mit
seiner Novelle Unternehmen, die nicht
unter die KMU-Definition der EU fallen,
ein Energieaudit durchzuführen.
Foto: istock | valigurski
34
Wer ist betroffen?
Was wird gefordert?
Das geänderte EDL-Gesetz, das voraussichtlich Ende
April in Kraft tritt, verpflichtet Unternehmen, die mind.
250 Mitarbeiter (JAE) beschäftigen, deren Jahresumsatz 50 Mio. Euro oder deren Jahresbilanzsumme
43 Mio. Euro übersteigt, zu einem Energieaudit. Dabei
gelten die Verpflichtungen unabhängig von Rechtsnorm und Branche. In Deutschland werden demzufolge
ca. 50.000 Unternehmen gezählt, die ein Energieaudit
durchführen müssen. Ausgenommen von der Pflicht
sind Betriebe, die bis Ende 2016 nachweisen können,
dass sie zwischen dem 04.12.2012 und dem 05.12.2015
ein Managementsystem nach ISO 50001 oder EMAS
eingerichtet haben. Eine Nichteinhaltung wird als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 50.000
Euro sanktioniert.
◊
Ein Energieaudit – gemäß der vom Bundesrat Anfang
März zugestimmten Gesetzes-Novelle – muss internationalen Normen, wie der DIN EN 16247-1, entsprechen
und mind. 90 % des Gesamtenergieverbrauchs erfassen,
damit Rückschlüsse auf die Gesamtenergieeffizienz
eines Unternehmens möglich sind. Zudem muss das
Audit von einem nach DIN EN 16247-1 qualifizierten
Energieauditoren durchgeführt werden. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das
mit der nationalen Umsetzung der EU-EnergieeffizenzRichtlinie u.a. durch die Auditpflicht beauftragt ist, wird
weitere Konkretisierungen, vor allem hinsichtlich des
sogenannten Multi-Site-Verfahrens zur StandortClusterung, in Merkblättern veröffentlichen.
◊
ÿ www.bafa.de/bafa/de/energie/energie_audit
Impressum
N-Kompass Magazin
Nachhaltig wirtschaften im Mittelstand
Erscheinungsweise:
Sie erhalten das Magazin 4-mal im Jahr kostenlos
im Rahmen des Abonnements N-Kompass
NWB Verlag GmbH & Co. KG
AG Bochum HRA 5124
Geschäftsführer Dr. Ludger Kleyboldt
Eschstraße 22
44629 Herne
Fon 02323.141-900
Fax 02323.141-123
Internet: www.nwb.de
Bankverbindung:
GLS Gemeinschaftsbank e.G.
IBAN: DE65 4306 0967 4082 3335 00
BIC: GENODEM1GLS
Redaktion:
Dipl.-Kffr. (FH) Yvonne Buckesfeld (verantwortlich)
Marie-Lucie Linde, M.A. RWTH
Dipl.-Phys. Till Mansmann
E-Mail: [email protected]
Verantwortlich für Anzeigen:
Andreas Reimann
E-Mail: [email protected]
Druck:
Griebsch & Rochol Druck GmbH & Co. KG, Hamm
Empfohlene Zitierweise:
N-Kompass 1/2015, S. 16
Einzelbezugspreis: € 7,90 (D)
Manuskripte:
Annahme nur von Originalaufsätzen, die ausschließlich dem Verlag zur Alleinverwertung in allen Medien
(einschließlich Datenbanken und Online-Nutzung)
angeboten werden. Das Magazin und alle in ihm
enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich
zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages unzulässig.
Produktion:
Für das N-Kompass Magazin verwenden wir die
Druckfarben Novabord C 990 PROTECT BIO (mineralölfrei, Bindemittel ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen). Der eingesetzte Dispersionslack
entspricht den Vorgaben der Spielzeugnorm EN71-3
(Sicherheit von Spielzeug). Das N-Kompass Magazin
wird klimaneutral gedruckt auf Circlesilk Premium
white, einem Recyclingpapier aus 100 % Altpapier,
das FSC® zertifiziert und mit dem EU Eco Label ausgezeichnet ist.
N-Kompass Magazin
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Veranstalter:
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Tel.: 0711 633 9698-0
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Mitveranstalter:
11. Internationales Forum
für Nachhaltigkeit und
Zukunftsfähigkeit
20. bis 21. April 2015
Ludwigsburg bei Stuttgart
Information und Anmeldung
unter www.csrforum.eu