Ausgabe 1/2015 - die Fleckenbühler

D 14248 F
die Fleckenbühler
die 
Fleckenbühler 
e.V.
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Fleckenbühl 
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Cölbe
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Telefon 
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1. 
Ausgabe 
2015
FOTO: PATRICK CLAYTON
Sie wissen, was sie können – Sicherheit durch Qualitätsmanagement.
Qualität in der Suchtselbsthilfe
Zertifiziert seit zwölf Jahren
Anfang Dezember 2014 fand zum vierten Mal in Fleckenbühl ein Systemaudit statt. Das bedeutet, dass wir seit
zwölf Jahren in Fleckenbühl ein zertifiziertes Qualitätsmanagement nach DIN ISO haben. Das Qualitätsmanagement
erstreckt sich über den kompletten Suchthilfebereich und
einzelne ausgewählte Zweckbetriebe, wie zum Beispiel der
Bereich Transporte und Umzüge.
Zusätzlich zum Qualitätsmanagement haben wir uns zum Bildungsträger nach der AZWV
(Anerkennung und Zulassungsverordnung Weiterbildung) zertifizieren lassen. Das ist die Voraussetzung, dass wir im schulischen
und beruflichen Bereich für die
Arbeitsbehörde Ausbildungsmaßnahmen anbieten und durchführen können. Beide Verfahren
beschreiben umfänglich und ver-
bindlich sämtliche Prozesse und
Maßnahmen, die der Erreichung
unserer Ziele, wie sie in unserem
Leitbild und unseren Qualitätszielen beschrieben sind, dienen.
Bei Einführung unserer Qualitätssicherung ging es uns nicht zuerst darum, externen Anforderungen – die es für uns seinerzeit
nicht gab – nachzukommen, sondern wir hatten im Sinn, ein prak-
Danke!
Wir danken herzlich allen Spenderinnen
und Spendern, die unserer Bitte um Unterstützung gefolgt sind. Es ist uns eine
große Freude und Hilfe, dass es so viele
Menschen gibt, die uns seit Jahren treu
sind. Ihnen und unseren Fördermitgliedern, die uns mit regelmäßigen Beiträgen unterstützen, möchten wir ganz besonders danken.
www.facebook.com/diefleckenbuehler
tikables Verfahren zu finden, um
die Erfahrungen und Kompetenzen, die wir in vielen Jahren der
Suchtselbsthilfe erworben hatten,
zu beschreiben und zu sichern,
um bei einer hohen Fluktuationsrate unserer Bewohner und Mitarbeiter nicht ständig wieder bei
Adam und Eva anfangen zu müssen. Die ersten Schritte zu einem
Qualitätsmanagement bestanden
also darin, unsere Arbeit detailliert zu beschreiben und zu dokumentieren.
Mittlerweile gehören wir – was
das Qualitätsmanagement betrifft
– zu den alten Hasen. Wir waren
unter den ersten E
­ inrichtungen,
die sich nach DIN ISO zertifizieren ließen. Diese Tatsache hat uns
später, bei der Einführung der
Hartz 4-Gesetzgebung sehr geholfen, den dann geltenden Anforderungen der Arbeitsverwaltung
zu entsprechen. Die Einführung
der neuen Hartz 4-Gesetzgebung
brachte für uns den Vorteil mit
sich, dass ­u nsere ­B emühungen
und Aufwendungen im Zusammenhang mit der beruflichen
Qualifizierung und Ausbildung
Anerkennung fanden. Denn
schon immer waren wir der Auffassung, dass es nicht reicht,
einen süchtigen Menschen zu
befähigen ohne Drogen zu leben,
sondern um in u
­ nserer Gesellschaft zu überleben, muss man
eben auch in der Lage sein, sich
seinen Unterhalt selbst zu verdienen. Dazu braucht es eine qualifizierte Ausbildung. L
­ eider ist
festzustellen, dass nach einem
Jahrzehnt Hartz 4 gerade im
Bereich der Langzeitarbeits­losen,
zu denen die Süchtigen ­gehören,
an allen Ecken und Enden gespart
wird.
Eine Rechnung, die zumindest im
Suchtbereich nicht aufgeht. Ganz
im Gegenteil wäre es sinnvoll,
die Suchthilfeeinrichtungen, die
im Bereich der Beschäftigungsförderung tätig sind, auskömmlich auszustatten, damit sie ihrer
Aufgabe, süchtige Menschen zu
befähigen in dieser Gesellschaft
zurechtzukommen, weiterhin
qualifiziert nachkommen können.
■ RONA LD MEY ER
MENSCHEN
Lernen und Feiern
Seite 3
HAUS UND HOF
Rezept und Ziegen
Seite 4
HAUS UND HOF
Flohmarkt
Seite 5
MENSCHEN
Gunther
Seite 6
JUGENDHILFE
Lernen lohnt sich
Seite 7
Viele Missverständnisse entstehen dadurch,
dass ein Dank nicht ausgesprochen,
sondern nur empfunden wird.
Ernst Reinhold Hauschka
2
INFORMATIONEN
DIE FLECKENBÜHLERER1. AUSGABE 2015
GEDANKEN
Das war los – Dezember 2014 bis Februar 2015
Er ist’s
2. bis 5. Dezember 2014
Rezertifizierungsaudit in allen
Fleckenbühler Häusern (siehe Artikel auf der Titelseite).
19. Dezember 2014
Die Sparkasse Marburg-Biedenkopf bedenkt uns mit einer Weihnachtsspende.
3. Dezember 2014
50 junge Erwachsene aus dem
Bistum Limburg, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren,
kommen in unser Haus Frankfurt
zu einer Informationsrunde.
24. Dezember 2014
Pastoralreferent Hans-Peter Labonte von der katholischen Kirche Mutter zum Guten Rat hält
um 24 Uhr auf dem Hof unseres
Frankfurter Hauses eine Andacht
für Fleckenbühler und Gäste.
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
EDUARD MÖRIKE
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Fördermitglieder spenden uns regelmäßig per Einzugsermächtigung.
Der Beitrag liegt bei 60 € jährlich, mehr darf es gerne sein. Sie erhalten ein kleines Begrüßungsgeschenk, einmal im Jahr unser Jahrbuch
und nehmen exklusiv an der Tombola bei unserem Jahresfest teil.
HABEN SIE FR AGEN? UNSERE ANSPRECHPARTNERIN FÜR DEN FÖRDERKREIS:
Helga Meyer ∙ Telefon: 069 677354-130 ∙ [email protected]
4. Dezember 2014
Das Klarinettenensemble „Clarinets for you“ mit den jungen Musikern Jonathan Groß, Julia Gauly, Tanja Gerblinger und Eszter
Hoffmann gibt ein wunderbares kleines Konzert in unserem
Frankfurter Haus. Ermöglicht
wurde es wieder durch Live Music Now.
15. Dezember 2014
Mitgliederversammlung des „die
Fleckenbühler e.V.“ mit Vorstandswahl. Die Vorstandsmitglieder
sind wie zuvor Ronald Meyer (1.
Vorsitzender), Rolf Sterk und Erik
Sander. Nicht stimmberechtigte Vorstandsmitglieder sind Helga
Meyer und Dagmar Feist. Ingrid
Kaftan schied nach langer Zeit der
Vorstandsarbeit aus dem Vorstand
aus.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK Hessen spenden
für ein Schlauchboot und Ausrüstung für die Fleckenbühler
Kinder.
18. Dezember 2014
Die Firma Madro EDV-Organisation aus Stahnsdorf spendet für
ein Zelt und Schlafsäcke für die
Fleckenbühler Kinder.
19. Januar 2015
Vier Fleckenbühler bestehen
die Prüfung zum Hauptschulabschluss.
20. Januar 2015
Die Bundestagsabgeordnete der
SPD für den Wahlkreis 183 der
Stadt Frankfurt, Ulli Nissen, besucht unser Frankfurter Haus
und zeigt sich sehr beeindruckt
von unserer Arbeit.
31. Januar bis 7. Februar 2015
Naikan auf Hof Fleckenbühl mit
vier Teilnehmern.
Vier fleißige Schüler
Hauptschulabschluss – und es geht weiter
12. Februar 2015
Adriane Chraplewski hält im Rahmen einer Vortragsreihe, die von
Menschen aus unserem Dorf
Schönstadt organisiert wird, auf
Hof Fleckenbühl einen Vortrag
zum Thema „Soziale Landwirtschaft – Exkursion nach Portugal“.
14. Februar 2015
Karnevalsfeier für alle Fleckenbühler in unserem Frankfurter
Haus. Das Motto: Märchen.
Nüchterne Geburtstage
Dezember 2014
bis Februar 2015
36Jahre – Janos
31. Januar 2015
Der kleine Lejan kommt nach einigen Monaten Trennung zu seiner Mutter auf Hof Fleckenbühl.
MENSCHEN 3
8. Februar 2015
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft tagt auf Hof
Fleckenbühl.
37Jahre – Klaus
24. Januar 2015
Neujahrsempfang des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Hermann Schleicher und Dagmar
Feist nehmen daran teil.
1. AUSGABE 2015RDIE FLECKENBÜHLER
21Jahre – Hermann
20Jahre – Nour-Edine
18Jahre – Amrei
15Jahre – Monika
13Jahre – Patrick
19Jahre – Marlene, Uwe,
Adriane
17Jahre – Ursula, Rita,
Angélique
16Jahre – Florian, Manfred
15Jahre – Achim, Berthold
14Jahre – Robert, Merlin
13Jahre – Frank
12 Jahre – Nicolas, Torsten,
David, Rico
11 Jahr – Claudia, Antony,
Elias, Paul, Dirk, Tillmann,
Michael, Halim, Enis
FOTO: PATRICK CLAYTON
Enis, Marcel, Mevlid und
Reza haben sich seit Februar
2014 auf ihre Hauptschulabschlussprüfung vorbereitet
und konnten nun im Januar
ihre Prüfung vor dem Staatlichen Schulamt erfolgreich
ablegen.
Zuvor haben die Prüflinge je dreimonatige Kurse in Mathematik,
Deutsch und Allgemeinbildung
belegt, um sich auf die Prüfungen
vorzubereiten.
Der erste Teil der Prüfung bestand
­­­
aus der Projektprüfung: Die Prüflinge sollten in einer Gruppe innerhalb einer Woche eine Präsentation zu einem selbst gewählten
Thema vorbereiten.
Die Gruppe wählte sich als Thema die fachgerechte Aufarbeitung
eines großen Holz-Esstisches aus
dem Speiseraum auf Hof Fleckenbühl. Dazu holten sie sich Informationen über die Ausbildung
und die Tätigkeit von Restaurato-
ren und über die Geschichte und
Bedeutung der Tischkultur in verschiedenen Ländern ein. Weitere
Inhalte der Präsentation waren die
Darstellung verschiedener Arten
von Holzverbindungen, wie sie
von Tischlern und Zimmerleuten
verwendet werden, sowie verschiedener Möglichkeiten der abschließenden Bearbeitung mit Lacken
und Lasuren. Das handwerkliche
Ergebnis sowie das angeeignete
Fachwissen wurden der Prüfungskommission präsentiert und vom
Schulamt mit „sehr gut“ bewertet.
Enis kann besonders stolz sein:
Sein Zeugnis besteht nur aus Einsen. Doch auch die Zeugnisse von
Marcel, Mevlid und Reza können
sich sehen lassen.
Für die sich anschließenden
schriftlichen Prüfungen in Mathematik, Deutsch und Biologie gab
es zusätzlich zum Unterricht eine
gezielte Prüfungsvorbereitung. Im
Dezember mussten sich die Schüler
den landeseinheitlichen Prüfungsaufgaben stellen. Nach den Weihnachtsferien gab es zum Abschluss
eine mündliche Prüfung, die ebenfalls wieder vor dem Staatlichen
Schulamt abgelegt wurde.
■ BA RBA R A SCHEFFER
Eine der drei Lehrerinnen von Arbeit
und Bildung, Marburg, die auf Hof
Fleckenbühl unterrichten.
Karneval in Fleckenbühl
Hofnarren, Frau Holle und seine Majestät himself beim bunten Treiben im Frankfurter Haus
BIO-QUALITÄT AUS
DER FLECKENBÜHLER VOLLKORNBÄCKEREI
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Das Bilderbuch der Fleckenbühler 2014
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Seiten im Format 297 x der
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Gestaltet hat das Buch ein Freund
des Hauses, der uns seit unseren
Anfängen verbunden ist, der Gra-
fiker Peter Klassen aus Wuppertal. Hauptsächlich ihm ist es zu
verdanken, dass das Buch – wie
wir finden, und nicht nur wir –
sehr schön geworden ist. Peter
hat uns seine Arbeit geschenkt.
Das Buch ist eine fadengeheftete Broschüre im DIN-A-4-Format
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ALLE FOTOS: PATRICK CLAYTON
In unserem neuen Buch finden Sie viele Fotos von Fleckenbühl und Fleckenbühlern, kurze prägnante Texte,
die einen Einblick in unser
Zusammenleben und unsere
Philosophie geben und durch
das Buch hindurch läuft ein
Zeitstrahl, der alles, was
sich über den Tag bei uns abspielt, abbildet. Sie müssen
nicht befürchten, auf ermüdende Lobreden zu stoßen.
4 HAUS UND HOF
DIE FLECKENBÜHLERER1. AUSGABE 2015
1. AUSGABE 2015ERDIE FLECKENBÜHLER
HAUS UND HOF 5
Ideal und Wirklichkeit
Weihnachtlicher Flohmarkt
Gesunde Ernähung und wie man sie umgehen kann
Von der hoffnungslosen Liebe zu einer Nashorn-Porzellantasse
Wir, die Fleckenbühler,
­haben irgendwann mal beschlossen, dass wir keine Gifte mehr zu uns nehmen wollen. In ­erster Linie
sind damit natürlich Drogen,
Alkohol und Zigaretten gemeint, doch die gesunde Lebensweise verbietet eigentlich auch Nahrungsmittel
wie Zucker, Cola, Süßigkeiten, Fastfood und Co.
Dies ist eine freiwillige Einschränkung, ­keine Regel, sie wird in unserer Großküche eingehalten und
ansonsten empfohlen. Cola, Zucker
usw. wollen wir aber in unseren
Häusern eigentlich nicht sehen. Wie
das nun mal so ist, das was nicht
erlaubt ist, wird plötzlich besonders
interessant.
Auffallend wenige M
­ itbewohner sitzen an vegetarischen Tagen in unserem Speiseraum, d
­ afür macht der
Döner-­Verkäufer im nahe gelegenen
Cölbe den Umsatz der Woche an
einem Tag.
Speiseraum auf Hof Fleckenbühl.
Beim Abendbrotbuffet muss man
zwangsläufig an eine Raubtierfütterung denken. Wir haben die Sitte,
pünktlich um 18 Uhr mit dem
Abendbrot anzufangen. Den „Startschuss“ gibt einer der langjährigen
Mitbewohner, indem er „Guten
Appetit“ sagt – innerhalb von drei
Minuten ist der Buffettisch leergefegt und alle Mitbewohner sitzen
kauend mit ihrer Beute am Tisch.
Besonders begehrt sind die R
­ este
des aufgewärmten Mittagessens
oder eines Buffets. Vollwertkost in
Verbindung mit unglaublichen
Mengen ergibt eine sehr schnelle
REZEPT AUS DER
FLECKENBÜHLER KÜCHE
FOTO: RONALD MEYER
Nachwuchs im Ziegenstall
Gewichtszunahme, hier auch
„Demetermorphose“ genannt.
Wir haben hier das beste Demeterund Bio-Essen, dennoch landen
immer wieder mit Wachtumshormonen und Geschmacksverstärkern „verseuchte“ Speisen auf
unserem privaten Speiseplan.
Begründet wird das damit, dass
man zwischendurch einfach mal
was Ungesundes essen muss, um
die körpereigene Immunität gegen
„böse“ Stoffe zu stärken.
Fünfzig muntere Lämmchen
So ein Flohmarkt fordert allen Beteiligten das Äußerste ab, an
kaufmännischem Talent, Humor und Kreativität. Ist er dann
auch noch eingebettet in ein größeres Ganzes, wie z.B. den
Fleckenbühler Weihnachtsmarkt, ist zudem ein gesegneter Appetit unerlässlich, um sich durch das gesamte Spektrum der
angebotenen Köstlichkeiten futtern zu können.
Als absolutes Flohmarkt-Greenhorn erschien ich tatendurstig
bereits zwei Tage vor der Veranstaltung, um Adriane beim Aufbau der Stände helfen zu können. Ich traf Adriane am Ort der
Veranstaltung inmitten unzähliger Kisten voller Merkwürdigkeiten und bereits in einem Stadium
leichter Verzweiflung. Ihr Gemurmel, man müsse dringend eine Vorauswahl treffen und offensichtlich
Unverkäufliches aussortieren, ließ
in mir den Gedanken aufblitzen,
einen großen Container zu bestellen, das ganze Zeug da hineinzuschmeißen und lieber den Kollegen
am Waffelstand beim Backen zu­
­helfen. Zu scheußlich erschien mir
der Inhalt der Kisten: Vasen, Krüge, B
­ ierseidel, Zinnteller und jegliche Form von Nippes, bei dessen
Anblick sich selbst meine Großmutter naserümpfend abgewendet hätte
– dachte ich.
In diesem Sinne: Auf geht´s zum
Hähnchen-Grill!
■ A DRI A NE CHR A PLEWSKI
Boh
n
S U P en
PE
1 Stange Porree
Tomatenmark
1 Speckschwarte
Balsamico
100 g kurze Nudeln
1 Bund Petersilie
3 Knoblauchzehen
Parmesan
Olivenöl
Salz und Pfeffer
Zubereitung:
Die Bohnen über Nacht in Wasser einweichen. Die Bohnen abgießen und das Wasser
aufheben. Eine Möhre, eine Stange Lauch
und ein Stück Sellerie zerkleinern, in wenig
Öl anschwitzen, mit dem Bohnenwasser ablöschen und dann bei milder Hitze eine halbe
Stunde köcheln lassen. Dies ist die Grundlage
für die Gemüsebrühe. Das Gemüse abgießen
und die Flüssigkeit auf 700 ml mit Wasser
auffüllen.
Zwiebel, Möhre und Sellerie fein gehackt in
wenig Öl glasig anbraten. Tomatenmark und
die Schwarte hinzugeben und mitrösten, mit
Balsamico ablöschen und so lange kochen, bis
der Balsamico fast vollständig verdampft ist.
Die Bohnen hinzugeben und auf milder Hitze
etwas mitkochen. Die aus dem Bohnenwasser
hergestellte Brühe hinzugeben. Nach Geschmack würzen.
Zugedeckt so lange köcheln lassen, bis die
Bohnen weich sind (etwa eine Stunde). Etwa
zehn Minuten vor Ende der Kochzeit die
Nudeln hinzugeben und mitgaren. Mit Salz
und Pfeffer ergänzend würzen.
Petersilie und Knoblauch fein gehackt in
Olivenöl etwa fünf Minuten braten und noch
heiß in die Suppe geben.
Lauwarm servieren und großzügig Parmesan
darauf streuen. Geröstetes Knoblauchbrot
passt ausgezeichnet dazu.
FOTO: PATRICK CLAYTON
Zutaten für vier Personen:
200 g getrocknete Bohnen
700 ml Gemüsebrühe
2 Zwiebeln
2 Möhren
Sellerie
FOTO: INGRID KAFTAN
Nein! Die Kätzchen geben wir nicht her!
Ja, ja, der Frühlingsanfang
steht vor der Tür. Pünktlich
zum letzten Wochenende im
Januar erschienen die ersten
Vorboten. Mittlerweile springen an die fünfzig aufgeweckte Ziegenlämmer durch das
helle Stroh.
Odin, der Ziegenbock, dessen männlicher Geruch weit über sein Gehege
hinaus zu riechen war, ist der Vater
der fröhlichen Lämmerschar.
ein, am Stall vorbeizuschauen. Die
Kinder schauen beim Tränken der
Lämmchen zu und überfallen die
Stallburschen mit ihren vielen Fragen.
Die hofeigene Käserei wartet zu dieser Zeit vergeblich auf die charaktervoll schmeckende Ziegenmilch
und stellt die Produktion von Ziegenkäse ein. Jedoch hat der hofeigene Laden weiterhin Ziegenkäse aus
dem Reifekeller im Sortiment.
■ SV EN
Natürlich lädt das junge Leben viele Eltern mit ihren Kindern dazu
Mit zerzausten Haaren, über und
über mit Staub bedeckt und unter
Ausrufen wachsender Verzweiflung
begann Adriane zäh und unbeugsam unseren Bestand nach ­Farben
und Größen zu sortieren. Und zu
meiner Überraschung wandelte
sich unter ihren Händen der ganze Krempel in ein überaus ansprechendes Angebot – von einigen meiner Ansicht nach unverkäuflichen
Scheußlichkeiten abgesehen, wie
einer unvorstellbar hässlichen Nashorn-Porzellantasse und einer martialischen Lederpeitsche.
Am Veranstaltungstag feierten wir
gleich nach der Eröffnung u
­ nseres
Standes einen ersten, allerdings
nur scheinbaren, Erfolg: Das ganze Sortiment wirklich schöner
Porzellanbecher wurde von zwei
Damen aufgekauft, die uns auch
noch die Lederpeitsche abnahmen. Doch was wir zunächst als
gutes Omen werteten, stellte sich
kurz darauf als − nun − „kaufmännische F
­ inesse“ zweier Betreiberinnen eines konkurrierendes Standes heraus, die unsere Tassen kurz
darauf an ihrem Stand verkauften,
zu einem Preis, der ihren Einkaufspreis bei Weitem überstieg. Wir trugen es mit Humor. Was hätten wir
auch anderes tun können?
Kurz darauf erregte eine ­junge
Dame meine Aufmerksamkeit, die
sorgfältig unser Angebot prüfte und
schließlich versonnen lächelnd die
Nashorn-Porzellantasse an ihr Herz
drückte. Ich sah die einmalige Gelegenheit gekommen, das scheußliche Teil l­oszuwerden, machte ein
unwiderstehliches Angebot und
versuchte, sie in ein Verkaufsgespräch zu verwickeln. Aber sie stellte die Tasse traurig und fast zärtlich wieder zurück und kaufte
stattdessen praktische Küchenutensilien. Mittlerweile war sie mir
so ans Herz gewachsen, dass ich
ihr diese Nashorn-Tasse sogar als
kostenlose Zugabe mitgeben wollte. Aber sie verneinte und meinte
mit ernsthaftem Bedauern, sie habe
schon zu viele Dinge und ein ande-
rer Kunde würde dieser wunderschönen Tasse sicher die ihr gebührende Ehre zukommen lassen – was
ich still bezweifelte.
Im Laufe des Tages verkauften wir
viele Dinge, bei denen ich ­gewettet
hätte, dass wir sie wieder einpacken müssen, nur die Nashorntasse wollte keinen Abnehmer finden
und ich erwog schon ernsthaft, das
Ding zuhause in meine Regalwand
zu stellen. Da stürmte eine ­Gruppe
munterer Kundinnen kurz vor
„Geschäftsschluss“ unsere Räumlichkeiten und dezimierte unser
ohnehin bereits stark ausgedünntes Angebot. Ihr Beutezug verlief in
insgesamt drei Wellen, weil sie sich
nach heißen Diskussionen stets zu
weiteren Käufen entschlossen. Und
dann, als wir die Tür schon fast
geschlossen hatten, stürmte eine
der Damen noch einmal herein und
kaufte glücklich meine Nashorntasse, obwohl ich einen eher unverschämten Einstandspreis nannte
und mich auch nicht nennenswert
herunterhandeln ließ. Traurig blickte ich ihnen nach, der Dame und
meiner Tasse; nie würde ich sie wiedersehen.
Beim Wiedereinräumen der verbliebenen Gegenstände in die Kisten,
prüften wir noch einmal, was auszusortieren wäre, konnten uns aber
nicht dazu durchringen, auch nur
eines von den Teilen aus diesem
Sammelsurium zu opfern, das uns
mittlerweile als Kollektion einzigartiger Kleinodien erschien.
■ CL AUDI A ZELLER
VORGESTELLT
FOTO: MARCUS HEIL
Ein Beispiel: Vor meiner Fleckenbühler Zeit habe ich Getränke wie
Tee oder Kaffee niemals gesüßt. Seitdem ich allerdings auf dem Hof
lebe, n
­ utze ich fast jede Gelegenheit,
um meinen Kaffee mit Zucker anzureichern. Ein seltsames Verhalten,
das ich mir selbst nicht plausibel
erklären kann.
Meine Mitbewohner scheinen allerdings ähnlich zu ticken. Da werden
zum Beispiel die verachteten Yum
Yum Süppchen (mit lauter leckeren
Glutamaten) spätabends heimlich
im Töpferei-Ofen zubereitet, Agaven-Dicksaft wird in einem ausrangierten Kühlschrank an der Getreidereinigung der Landwirtschaft
gebunkert, bei Nacht und Nebel
werden kiloweise Süßigkeiten in
die Zimmer geschmuggelt.
Jonas Siedler wurde 1982 in
Berlin geboren und wuchs
auch dort auf.
Zehn Jahre lang besuchte
er die Waldorfschule, dort
kam er mit Drogen in Kontakt.
2002 war Jonas das erste
Mal in Fleckenbühl, allerdings nicht freiwillig, nach
neun Tagen zog es ihn wieder nach Berlin. Dort machte er in den nächsten fünf
Jahren eine Schulung zur
Sicherheitsfachkraft sowie
eine Ausbildung zur Fachkraft für Gastronomie.
Gegen Ende der Ausbildung
rutschte er wiederholt in
die Drogen- und Glücksspielsucht ab. Deshalb kam
Jonas 2008 zum zweiten
Mal nach Fleckenbühl.
Er arbeitete zunächst in verschiedenen Bereichen, entschied sich dann aber für
eine kaufmännische Ausbildung in der Verwaltung.
Seine Aufgaben sind unter
anderen der Telefondienst
und die Organisation von
Informationsveranstaltungen. Gerne und oft macht er
die Informationsgespräche
selbst, weil er ein überzeugter Fleckenbühler ist und das
auch gut vermitteln kann.
Mittlerweile ist Jonas schuldenfrei, hat seine Berufsausbildung abgeschlossen
und hat einen Führerschein
der Klasse B erlangt.
In seiner Freizeit trainiert
Jonas Karate in Marburg
oder geht mit seiner Freundin spazieren.
6 MENSCHEN
DIE FLECKENBÜHLERER1. AUSGABE 2015
1. AUSGABE 2015ERDIE FLECKENBÜHLER
JUGENDHILFE 7
Gunther
Ein Bericht aus der Jugendhilfe
Neustart mit 40
Vom Räuber zum Koch
Seit seiner Jugendweihe trinkt
er Alkohol, das Trinken mit den
Arbeitskollegen nach Feierabend
ist normal und kein Problem. Er
treibt viel Sport, Leichtathletik,
Wintersport und zehn Jahre lang
spielt er Fußball. Seine zweite Frau
bringt ein Kind mit in die Ehe. Er
zieht von Ostberlin nach Erfurt zu
ihr. Bald wird sein Sohn geboren.
Als sein Sohn ein Jahr alt ist, hört
er auf Wunsch seiner Frau mit
der Montage auf und beginnt eine
Arbeit, mit der er wesentlich weniger verdient als zuvor. Er zieht mit
einem Handwagen durch Erfurt
und erledigt kleinere Reparaturen. Er schämt sich, dass seine
Frau besser verdient als er. Er wird
unzufrieden. Sein Trinkverhalten
ändert sich, „es kippte“.
im Keller seines Elternhauses. Mit
seiner Mutter und seinem Bruder
kommt es zum Zerwürfnis, Rückfall auf Rückfall folgt.
Er versucht es noch einmal in einer
weiteren Einrichtung. Dort feiert er seinen 40. Geburtstag. Seine Mutter besucht ihn, mittlerweile
hat sie sich mit seiner Schwester kundig gemacht, wo Gunther
langfristig leben könnte. Sie stoßen auf Fleckenbühl und ­fahren
mit ihm dorthin. „Jetzt oder nie“,
denkt Gunther. Aber während der
Fahrt hat er nur die Flasche im
Kopf, er fährt wieder mit zurück.
Immer wieder bekommt er Hilfe
und Unterstützung von seiner ExFrau. Es dauert ein w
­ eiteres Jahr,
bis Gunther den Weg nach Fleckenbühl findet. Er ist total fertig,
kann kaum noch laufen, schafft
keine Treppe mehr. Er wird für
den Abwasch eingeteilt und wird
sprichwörtlich „mit den H
­ änden
nüchtern“. Er wohnt in einem
Gemeinschaftszimmer.
Mit Ahmad, dem Küchenchef, versteht er sich gut, er hilft gerne und
oft in der Küche und arbeitet bei
den Buffets mit. Er hilft bei den
Bauarbeiten für den Neubau auf
Hof Fleckenbühl.
te. Dazu kommt es nicht, Elke geht
fort. Das ist viele Jahre her.
Er findet Freunde, die Freundschaften halten bis heute: Hans-Willi,
Annerose, Bernd und Dieter. Nach
zwei Jahren fragt Dieter ihn, ob
er in der Landwirtschaft a­ rbeiten
möchte. Er nimmt das Angebot an,
zu Hause hatte er etwas Viehzeug
und ein wenig Landwirtschaft.
Gunther eckt oft mit seinen Mitarbeitern an: „Es war keine leichte Zeit.“ Sein Spitzname ist „Eisenbieger“, weil er in der Anfangszeit
an den großen landwirtschaftlichen Geräten Schäden verursacht.
Oft setzen sich die Landarbeiter
zusammen und klären ihre Schwierigkeiten miteinander.
Ein großer Anreiz für ihn ist der
Neubau des Kuhstalls. „Gunther,
du bleibst doch noch ein bisschen,
können wir mit dir rechnen?“ wird
er gefragt.
Gunther ist nun „Bereichsleiter in
der Landwirtschaft außen“. Sein
Steckenpferd ist das Bauen. Er
hat tatkräftig beim Wiederaufbau
der abgebrannten Scheune geholfen und den Boxenauslauf für das
Milchvieh gebaut. Seinen Wohnbereich hat er ausgebaut mit Wandschrank und Kochnische, hat
Stauraum geschaffen und den Fußboden erneuert. Er fühlt sich dort
sehr wohl.
Er hat Elke, seine Freundin. Sie
möchte eine begrenzte Zeit in Fleckenbühl bleiben, insgeheim rechtet er sich aus, dass er nach fünf
Jahren Fleckenbühl eine gemeinsame Zukunft außerhalb der
Gemeinschaft mit ihr planen könn-
Er bittet mich, im Artikel besonders seine Schwester zu erwähnen,
die immer ein Auge auf ihn hat:
„Gunther, mach bloß keinen Mist
mehr.“ „Wenn die nicht gewesen
wäre …“ sagt er.
Jetzt will Gunther auch dem Fleckenbühler Verein beitreten: „Ich
habe mich ein bisschen vor der Verantwortung gedrückt“, sagt er. Er
möchte aktiv bei der Vereinsarbeit
mitwirken und die Zukunft Fleckenbühls mitgestalten.
■ A NSELM
Es ist manchmal kaum zu fassen, wie schnell die Zeit vergeht. Mir kommt es vor, als hätte ich erst gestern m
­ eine
Ausbildung bei den Fleckenbühlern begonnen und heute
halte ich schon mein Prüfungszeugnis in der Hand! Nach
zwei Jahren habe ich die Ausbildung zur Bürokauffrau erfolgreich beendet!
Sein Verhalten wurde immer auffälliger, zu Hause wie auch in der
Öffentlichkeit. Der Hauptschule wurde er endgültig während der
Abschlussprüfungen verwiesen.
Trotz fehlenden Schulabschlusses
fand er durch glückliche Fügung
eine Ausbildung zum Hotelfachmann, der Betrieb entließ ihn allerdings schon nach zwei Monaten.
Damit war bei den Eltern das Maß
voll und sie baten ihn, sein Glück
woanders zu suchen. Plötzlich
stand er auf der Straße. Seine einzigen Habseligkeiten waren die Kleider am Leib und ein Berg voller
Anzeigen, so war das nicht geplant!
Gunther hat gut lachen: Seit 17 Jahren lebt er nüchtern auf Hof Fleckenbühl.
Er will den Realschulabschluss
machen, so gut wie er es nur hinbekommen kann. Enis‘ Traum ist
es, 2017 mit seiner Freundin in
die erste gemeinsame Wohnung
zu ziehen. Seine Ausbildung zum
Koch wird er da nämlich abgeschlossen haben. Zu Beginn ­h atte
er unter Wut zu leiden, doch mittlerweile konnte er sie hier erfolgreich in Wille umwandeln. Er
wird seine Ziele erreichen, und
jeder von uns hier wird auf ­s eine
Art sein Bestes tun, um Enis zu
helfen.
Jasmine hat’s geschafft
Enis ist 17 Jahre alt. Er begann im Alter von 14 ­Jahren
zu kiffen. Es folgten mit 15
Jahren erste Erfahrungen mit
chemischen Aufputschmitteln und er rauchte täglich
viel Marihuana. Schnell wurde der Konsum zur täglichen
Gewohnheit.
Es folgen Auszug aus dem Haus seiner Familie und zwei weitere Therapien, weitere Rückfälle und die
zweite Scheidung: „Weil ich meine Alkoholsucht nicht in den Griff
gekriegt habe. Meine ­ehemalige
Frau hat eigentlich, bis heute,
immer zu mir gehalten.“ „Wenn du
trocken bist, kannst du gerne die
Kinder sehen“, sagt sie. Aber die
Tage, an denen er nicht trinkt, sind
selten.
Seine Ziele für die Zukunft:
Enis hat in der Fleckenbühler
Jugendhilfe bereits seinen ersten
Cleangeburtstag gefeiert, er lebt
jetzt schon seit mehr als einem
Jahr ohne Drogen. Er hat hier seinen Hauptschulabschluss nachgeholt und mit einem Notendurchschnitt von 1,0 bestanden!
Außerdem befindet er sich bereits
im zweiten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Koch. Da beweist
er großes Talent. Er hat seit fast
zehn Monaten eine Freundin
und ist sehr glücklich mit ihr.
Sie besucht ihn regelmäßig und
verbringt ihre Schulferien mit
Enis in der kleinen, aber feinen
Lebensgemeinschaft Leimbach.
■ DAGM A R FEIST
FOTO: PATRICK CLAYTON
Musterschüler beim zweiten Anlauf.
Er trinkt immer mehr „zu d
­ ieser
Zeit ging es richtig bergab“. Er
unternimmt einen Selbstmordversuch mit Tabletten und Alkohol.
Bewusstlos findet man ihn an einer
Bushaltestelle auf.
Ein Jahr später:
Ausbildung bei den Fleckenbühlern
Super, Gunther, wir freuen uns auf dich.
FOTO: PATRICK CLAYTON
Bei einer betrieblichen Reihenuntersuchung fällt sein Zustand
der Betriebsärztin auf und sie
fragt ihn, ob er trinkt und ob seine Frau davon weiß. Gunther berät
sich mit seiner Frau, sie leitet seine erste Therapie in die Wege. Aber
„ich stehe es nicht durch“. Er verliert seine Arbeit. Wieder sorgt seine Frau dafür, dass er eine Therapie beginnt. Sie besucht ihn mit
den Kindern, er verlängert seinen
Therapieaufenthalt und geht in ein
betreutes Wohnen. In der Nähe der
Nachsorge will er sich eine Arbeit
suchen, als das nicht klappt, wird
er rückfällig. „Wieder waren die
anderen schuld. Ich bin bequem,
suche keine andere Arbeit, trinke
wieder und gebe mich auf.“
In der dritten Therapie tut er sich
mit einer Frau zusammen: „Das
war der Anfang vom Ende.“ Mittlerweile ist er ganz unten, schläft
Gu nther ist ein großer FußballFan, er spielte acht Jahre in der
„Fleckenbühler Bunten Liga“. In
seiner Freizeit besucht er mit seinem Sohn Fußballspiele.
Gunther freut sich immer sehr auf
seinen Urlaub. Nach der Erntezeit
sucht er sonnige Ziele und bucht
mit Lothar und Jürgen preiswerte
Pauschalreisen ans Meer, im Reisebüro kennt man ihn schon lange.
Er ist begeisterter Wintersport-Fan
und fährt zum Biathlon nach Oberhof und seit 13 Jahren jedes Jahr
zum Ski-Springen nach Willingen.
Bei großen Festen hilft er der Hausleitung (mir), beide sind wir impul-
sive Charaktere, da knallt es schon
mal, wenn wir unterschiedliche
Ansichten haben, aber da wir uns
schon so lange kennen, vertragen
wir uns anschließend schnell wieder mit einer festen Umarmung.
Fleckenbühl ist Gunthers Zuhause,
spätestens nach 14 Tagen, so sagt
er, fängt er an, es zu vermissen.
Um durchzukommen, suchte er
sich den Intensivstraftäter seines
Vertrauens und schloss sich ihm
an – vier Augen und Ohren sehen
und hören mehr und vier Hände
kriegen mehr zu fassen als zwei.
Die „Kollegen“ waren Tag für Tag
unermüdlich „im Einsatz“ und
klauten bei jeder sich bietenden
Gelegenheit. Kokain wurde konsumiert und sorgte für die „klare Sicht der Dinge“. Ein teurer
Spaß allerdings, und Geld wollte gemacht sein, wenn es schon
nicht verdient werden konnte.
Also machten die beiden ernst.
Sie nötigten, erpressten alsdann
und stiegen ungebeten in Wohnungen ein, wo sie stets weniger
zurückließen als sie vorgefunden
hatten. Der Rubel rollte auf diese Weise etwa zwei Monate lang
ziemlich zuverlässig, doch irgendwann wurde Enis auf frischer Tat
ertappt. Seine Taschen e­ nthielten
Geld, Gold und Schmuck, was
auch in diesem Fall nicht der Ort
war, wo die Dinge hingehörten.
Inzwischen waren er und die Polizei alte Bekannte und die Anklagen summierten sich auf zweiunddreißig.
Dies stellte einen Wendepunkt dar
in Enis‘ jungem Leben, denn ein
Umdenken war unausweichlich
notwendig, wenn er nicht für mindestens zwei Jahre einen sicher
gebuchten Zwangsaufenthalt in
einer Jugendhaftanstalt haben
wollte, mit einer, aller Voraussicht
nach, absolut mäßigen Zukunftsperspektive.
Er hatte also die Wahl zwischen
einem jahrelangen Gefängnisaufenthalt oder einer Hilfsmaßnah-
me, die ihm einen Neustart ermöglichte, und zwar hier in Leimbach
mit gründlicher Kernkompetenzvermittlung und schulischem
sowie beruflichem Bildungsangebot in Verbindung mit vielen Gelegenheiten, den eigenen Weg selber
aktiv mitzugestalten.
Enis sagt dazu: „Mein Jugendgerichtshelfer hat mehrere Wochen
lang erfolglos versucht mich zu
erreichen, um mir, so gut es geht,
den Arsch zu retten, auf deutsch
gesagt. Doch ich meldete mich
nicht, bis die Polizei mich aufgriff.
Für den 19. Dezember 2013 war
ich bei der ­Polizei meiner Stadt
vorgeladen. Ich kam zehn Minuten zu spät, zum Glück bin ich
erschienen, denn der Kriminalpolizist war gerade schon dabei, den
Haftbefehl zu beantragen. Nach
sechs Stunden Vernehmung brachte mich der Beamte persönlich zu
meinem Jugendgerichtshelfer, der
mir klar machte, dass ich sofort
in eine Einrichtung verschwinden soll, ansonsten kommt spätestens bei der Gerichtsverhandlung
die Haftstrafe. Somit bot er mir die
Jugendhilfe Leimbach an. Ich habe
sofort zugestimmt, wurde zu meinem damaligen Zuhause gebracht
und habe meine Sachen gepackt.
Am nächsten Tag hat mich mein
Jugendgerichtshelfer nach Leimbach gebracht.“
FOTO: MARCUS HEIL
57 Jahre ist er alt, unser
Gunther. Seit 17 Jahren gehört er zur Fleckenbühler Familie. Er war zweimal
verheiratet und wurde zweimal, wie er betont, „ohne
Rosenkrieg“ geschieden. Er
besucht die Polytechnische
Schule in der ehemaligen
DDR und macht eine Ausbildung zum Gas-Wasser-Installateur. Mit 23 Jahren
heiratet er, seine Tochter
wird geboren. Er fährt zur
Montage und ist selten zu
Hause, nach drei Jahren
trennen sich Gunther und
seine Frau.
Ich habe die Zeit sehr genossen,
auch wenn es nicht immer einfach war. Die Fleckenbühler sind
kein „normaler“ Ausbildungsbetrieb, denn man lernt hier viel
mehr als nur theoretische Inhalte und Arbeitsabläufe. Man lernt,
auf andere Menschen einzugehen und ihnen zuzuhören, einfühlsam, geduldig und flexibel
zu sein. Kurz, Kompetenzen, die
nicht nur im Berufsleben wichtig sind, sondern auch im Privatleben.
letzten zwei Jahren erfahren durfte. Ein besonderer Dank geht an
die Abteilungsleiter Marcus, Torben, Jürgen und Ludwig sowie
an Stefan, der mich vor allem am
Anfang intensiv begleitet hat. Vielen Dank dafür!
Daher möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich für die viele Unterstützung und Hilfsbereitschaft bedanken, die ich in den
(Jasmine kam als externe Auszubildende zu uns und wir freuen
uns, dass sie bei uns ist.)
Übrigens wurde ich zu meiner
großen Freude direkt nach der
bestandenen Prüfung übernommen und freue mich nun auf die
weitere Zusammenarbeit!
JA SMINE
Kreuzworträtsel
Die Lösung senden Sie bitte an: die Fleckenbühler e.V., Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe
oder per E-Mail an [email protected] .
Einsendeschluss ist der 30. April 2015. Drei Gewinner werden unter den richtigen Einsendungen ausgelost. Die Gewinner erhalten ein Exemplar unseres neuen Buches über
Fleckenbühl. Die Namen der Gewinner veröffentlichen wir in der nächsten Ausgabe.
Waagerecht
1) Krankheitsbestätigung 5) Statt Ereignis sagt man so 9) Geht Tack voraus 12) Fast jedes ist von
Andrew Lloyd Webber 16) Aber ich weiß, dass mein… lebt (Buch Hiob) 19) Die 20) Lösung
21) ist 23) Unser Satellitengirl 24) Hautfarbe, amerikanisch 25) So tanzbar wie lumpig 26) Abgekürzte Gesetzliche Krankenversicherung 28) Insolvenz 29) Zartes, beflügeltes Wesen 31) Zwischen
Herzog und Köhler 32) Abgekürzte Abgabenordnung 33) Kfz-Kennzeichen für Auerbach (in Sachsen) 34) Sowas wie mulmig, im Magen verortet 36) ein 40) Zitat 42) Die… nimmt alles auf, was sie
hervorgebracht hat (Lukan) 43) Er-/Aufklärung, kurz 44) Festliche Amtstracht 45) Amerikanischer
Freund 46) Zuflucht 48) Der … hat den Mund zu halten, wenn sein Werk den Mund auftut (Friedrich Nietzsche) 51) des 53) unvergleichlichen 55) Dichters 56) Wilhelm 57) So manches Treiben
und Herbstlaub ist das 59) Was ist denn eigentlich um diese Stadt herum? 61) Energiebeförderungsweg 64) Kfz-Kennzeichen von Eisenach 65) Flüssigkeitsleitungen 67) Das lieb Heimatland wurde
damit verabschiedet 69) Desoxyribonukleinsäure, abgekürzt 71) Er war Jurij (Schiwago) 73) Greg
meinte, dass Idioten nichts Besseres zu tun haben, als ihn zu… 75) Busch 77) James Joyce war einer
von ihnen 79) Aus einem gleichen sich Zwillinge ungeheuer 80) Wo du hörest hohe Schwüre steht
sie vor der Türe (Sprichwort) 81) Wenn sie kommen sollte, weiß man wahrscheinlich nicht, was man
sich wünschen soll 82) Woran Lance Armstrong teilnahm 83) Das Ziel der Wissenschaft ist es immer
gewesen, die Komplexität der Welt auf simple… zu reduzieren (Benoît Mandelbrot)
Senkrecht
1) Sozusagen der Selfmademan 2) Blechblasinstrument, tief 3) Mit Hufen ausgeführt bei Ungeduld 4) Inbegriff der russischen Weite 6) Wo man für sein Geld irgendwas bekommt 7) Abgekürzte Niederlande 8) So würde kein Hundehalter seinen Liebling nennen 9) Fast so altmodisch
wie Fernsprecher 10) Pfennignachfolger 11) Wo Petersilie, Schnittlauch und Co. zu finden sind
13) Manchmal will man ihn nicht gern dazu gegeben haben 14) In die gegangen, orientierungslos
15) Schuppenkriechtier 17) Kfz-Kennzeichen von Rottweil 18) Woran wir mit Haken und Tod im
Nacken hingen 22) Abgekürzter Industriepark 27) DDR-Polizist, kurz 30) Nichts mehr drin
33) Ringförmiges Korallenriff 35) Ein… ohne guten Sold macht Diebe (Christoph Lehmann)
37) Sein Leben – verfilmt von Monty Python 38) Paradies 39) Englisches Verstecken 40) Oft mit
echt und Alter kombiniert 41) War das der Vorname und Hari der Nachname? 45) Der kürzeste
von zwölf 46) Auf den genommen, zwecks Verunsicherung 47) 0,9144 Meter 49) Womit umsorgen
anfängt 50) Eins englisch 52) Finnland für die Finnen 54) Sich so gemacht, schnell verschwunden
58) Dort die Porta Nigra 60) Was wir vor Madagaskar taten 62) Englische Wut 63) Straußenähnlicher Laufvogel 66) Kfz-Kennzeichen für den Landkreis Harz 68) … ist mein ganzes Herz 70) Meereslebewesen 72) Kains Bruder 74) Jetzt von oben und unten 76) Elektrokonzern 78) Kfz-Kennzeichen von Rendsburg 81) Chemisches Zeichen für Eisen
1
2
12
13
29
37
38
42
52
53
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28
33
79
18
48
70
75
83
Die Gemeinschaft organisiert und verwaltet sich selbst. Wer ein Suchtproblem hat – Alkohol, Drogen, Medikamente – und den Wunsch nüchtern zu
leben, kann sofort zu uns kommen. Auf den Hof Fleckenbühl oder in unser
Haus in Frankfurt am Main.
Die Türen sind jederzeit – Tag und Nacht – für Hilfesuchende geöffnet. In
einem persönlichen Gespräch werden wir gemeinsam klären, ob Fleckenbühl der richtige Platz ist. Eine Anmeldung oder eine Kostenzusage werden
nicht benötigt. Die Aufenthaltsdauer ist grundsätzlich unbeschränkt.
Man bleibt so lange, wie man es selbst für richtig hält.
Es gelten für alle Bewohner drei verbindliche Regeln:
1. Keine Drogen, Alkohol oder andere Suchtmittel
2. Keine Gewalt oder deren Androhung
3. Kein Tabak, wir rauchen nicht
TERMINE AUF HOF FLECKENBÜHL
35091 CÖLBE-SCHÖNSTADT
Offenes Haus
30. Mai 2015
15.00 bis 18.00 Uhr
27. Juni 2015
Landwirtschaftliche Themen
und Attraktionen
Feste und Märkte
22. März 2015
11.00 bis 18.00 Uhr
Aktion in der Töpferei
Ostermarkt
TERMINE IM HAUS FRANKFURT
KELSTERBACHER STR. 14, 60528 FRANKFURT
Feste und Märkte
10. Mai 2015
13.00 bis 18.00 Uhr
Frühlingsmarkt
IMPRESSUM
Herausgeber:
die Fleckenbühler e.V., Fleckenbühl 6, 35091 Cölbe
V.i.S.d.P.: Ronald Meyer
www.diefleckenbuehler.de, [email protected]
Redaktion:
Helga Meyer
Gestaltung + Satz: die Fleckenbühler · Grafik, Druck & Medien
Druck:
www.dierotationsdrucker.de, Esslingen
Versand:
Lahn-Werkstätten, Marburg
die Fleckenbühler e.V. ist darauf angewiesen, dass Menschen von außen die Arbeit durch
Sach- und Geldspenden unterstützen. Spenden sind steuerlich absetzbar.
Spendenkonto:
die Fleckenbühler e.V.
IBAN DE87 4306 0967 6003 0367 00
BIC GENODEM1GLS
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung. Beiträge mit vollem Verfassernamen müssen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion entsprechen.
35
41
49
63
71
Mehr als nötig leidet, wer leidet, bevor es nötig ist
Baruch de Spinoza
Die Gewinner des letzten
Kreuzworträtsels waren:
Marleen Abe, Irmgard Emrich, Hildegard Schäfer
50
56
64
72
76
80
Die Fleckenbühler sind seit 1984 eine offene, konsequent nüchterne Gemeinschaft, die Menschen in jeder Lebenssituation aufnimmt
und ihnen – gestützt auf ­frühere ­­Suchterfahrungen der ­Mitglieder
– dabei hilft, durch Selbstreflexion, Lernbereitschaft, ­Ehrlichkeit,
Geborgenheit und Arbeit dauerhaft suchtfrei zu leben und in
Zukunft ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Lösung des letzten
Kreuzworträtsels lautete:
34
62
69
82
11
23
40
55
74
10
44
47
61
68
9
21
43
46
8
17
32
54
59
7
39
45
51
5
20
25
30
36
4
14
19
24
3
DIE FLECKENBÜHLER
81
G A L A N T A D A MOH A L B
A M E N U E S A T I R E N I E
M E H R A L S NO E T I GN R
M I R U N L A E N G S T S O N
E S L E C I M B E E T O T L S
L E I D E T W E R L E I D E T
N F N E P T U N B D I T R U E
A R G J A L T A L I L O OM I
B E V O R E S NO E T I G A N
R U E J A E H S C H U L E N K
E N R O L L E T H E R A P I E
I D E A L L O O P I NG I S T
S T I L E A R S I M E E R A T
E I N F L U G S C H N E I S E