Ausgabe 1 – 2015 Starkes Team mit sportlichem Ehrgeiz Rund 2000 Fluglotsen arbeiten bei der DFS. transmission hat mit zwei von ihnen gesprochen. Die Frau für besondere Tische Arbeitstische für Fluglotsen sind mehr als Möbelstücke. Isaly Dietrich weiß, worauf es ankommt. Versiert nicht nur beim Kofferpacken Sunjay Dussoye war schon viel unterwegs. Nun ist er in London – mit einem besonderen Auftrag. Auf Zack Berufliche Vielfalt in der Flugsicherung transmission 1 – 2015 2 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, wer an Flugsicherung denkt, dem kommen natür- Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen lich automatisch Fluglotsen vor Radarbildschirmen in den Sinn. Doch bei der DFS arbeiten viele verschiedene Berufsgruppen. Diese Vielfalt spiegelt sehr gut wider, wie komplex das Metier Flugverkehrskontrolle ist. Viele hochqualifizierte Fachleute sorgen tagtäglich dafür, dass die DFS ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen kann: Der sicheren, geordneten, flüssigen und möglichst umweltschonenden Abwicklung des Flugverkehrs in Deutschland. In dieser Ausgabe unseres Magazins transmission stellen wir Ihnen DFS-Mitarbeiter und ihre Tätigkeiten vor. Sie stehen exemplarisch für rund 5800 Frauen und Männer, die bei der DFS aktuell beschäftigt sind. Ob als Tower- oder Centerlotse, als Radaringenieur oder als Informatiker, als Luftraumexperte oder als Kaufmann, in Technik, Verwaltung oder Betrieb – Flugverkehrskontrolle und alles, was damit verbunden ist, ist eine anspruchsvolle und spannende Aufgabe. Es ist für mich immer wieder beeindruckend zu sehen, mit welcher Leidenschaft unsere Mitarbeiter ihre Aufgaben bewältigen. Sie haben einen hohen Anspruch an ihre eigene Leistung – um dem Namen der DFS alle Ehre zu machen, der für Sicherheit im Luftverkehr steht; für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, stets ihr Bestes zu geben. Viele sind auch privat mit Prof. Klaus-Dieter Scheurle der Luftfahrt verbunden, andere haben einfach Freude Vorsitzender der D FS-Geschäftsführung daran, komplexe Aufgaben zu lösen. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital. Der DFS stehen in den kommenden Jahren große Herausforderungen bevor. Wir haben uns vorgenommen, unsere Effizienz und Produktivität konsequent und kontinuierlich zu verbessern und unsere Kosten nachdrücklich zu senken. Denn wir wollen führend in der europäischen Flugsicherungsbranche sein – im Interesse unserer Kunden und Mitarbeiter. Leistungsbereitschaft und Teamgeist sind dabei wichtige Erfolgsfaktoren. Unsere Mitarbeiter wissen das. Und ich weiß, dass ich auf sie zählen kann. 2 transmission 1 – 2015 Inhalt Betrieb 4 Starkes Team mit sportlichem Ehrgeiz Rund 2000 Fluglotsen arbeiten bei der DFS. transmission hat mit zwei von ihnen gesprochen. 8 Von der Logik des Flöhehütens Dr. Kirsten Riechmann leitet ein wichtiges DFS- Projekt – und zerlegt große Probleme in viele kleine. Starkes Team mit sportlichem Ehrgeiz S.4 Technik 11 Der Ingenieur mit dem Überblick Hans-Georg Hauck ist Fachmann für Radaranlagen. Und für ganz spezielle Wendepunkte im Leben. 14 Von Bombenfund bis Wiesenpieper Die DFS will 100 Flugfunkanlagen modernisieren. Julia Manowski und Denis Zrnic bereiten den Weg. 16 Die Frau für besondere Tische Arbeitstische für Fluglotsen sind mehr als Möbelstücke. Isaly Dietrich weiß, worauf es ankommt. Administration 18 POTUS in erfahrenen Händen Die Frau für besondere Tische S.16 Beim Besuch des US-Präsidenten gelten im Luftraum spezielle Regeln. Andreas Miltner kennt sie. 20 Der Hüter der Einnahmen Klaus Schmutzer sorgt dafür, das Geld in die DFSKasse kommt. Und er ist für die Zukunft zuständig. Projekte 22 Versiert nicht nur beim Kofferpacken Sunjay Dussoye war schon viel unterwegs. Nun ist er in London – mit einem besonderen Auftrag. 24 Tower mit Fernbedienung Die DFS will kleine Airports künftig aus der Ferne überwachen. Cengiz Özdemir leitet das Projekt. DFS intern Versiert nicht nur beim Kofferpacken S.22 26DFS-Nachrichten transmission 1 – 2015 3 Betrieb Philipp Anders, Fluglotse im Tower Berlin-Tegel D ass Pilipp Anders einmal Fluglotse werden wollte, das war ihm von klein auf klar. „Ich muss zwölf oder 13 Jahre alt gewesen sein, als ich mit meinem Vater die ILA besucht habe“, erinnert er sich. Andere Kinder verrenkten sich auf der Internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin den Nacken, um die Flugvorführungen zu verfolgen – den kleinen Philipp dagegen faszinierte der Tower-Simulator der Deutschen Flugsicherung, auf dem der Verkehr am Flughafen Stuttgart gezeigt wurde. „Auch wenn sich das wie ein Klischee anhört: Von diesem Moment an stand für mich fest, da will ich mal arbeiten“, grinst er. Ihm zu Füßen liegt der Flughafen Berlin-Tegel: Ein Gewusel aus Flugzeugen, Gepäckwagen, Follow-meFahrzeugen, Flugzeugtechnikern, Reinigungstrupps, Tankwagen. Im Tower des Flughafens, mehr als 40 Meter über dem Boden, arbeitet der 31-Jährige als Lotse. Sein Kindheitstraum ist wahr geworden. Der Flughafen Tegel ist ein ganz besonderer Arbeitsplatz – allein schon deshalb, weil es ihn gar nicht mehr geben dürfte. Der Airport, 1948 von den Franzosen für die Luftbrücke aus dem Boden gestampft und in den 60er und 70er Jahren zum Verkehrsknoten erweitert, sollte mit der ursprünglich für 2012 geplanten Eröffnung des Berliner Großflughafens BER geschlossen werden. Heute ist BER noch immer nicht in Betrieb – und Tegel platzt aus allen Nähten. Der Flughafen mit dem wabenförmigen Terminal ist für sieben Millionen Fluggäste ausgelegt. Starkes Team mit sportlichem Ehrgeiz Fluglotsen sorgen dafür, dass die Flugzeuge immer ausreichend Abstand zueinander haben. Ein verantwortungsvoller Job, der unregelmäßige Arbeitszeiten und Stress mit sich bringt. Kein Wunder, dass viele einen Ausgleich beim Sport suchen. transmission hat einen Towerlotsen in Berlin und eine Center-Lotsin in Karlsruhe besucht. 4 transmission 1 – 2015 2014 wurden in Tegel dreimal so viele gezählt, knapp 21 Millionen. Über 180.000 Flugbewegungen haben Anders und seine Kollegen im Tower kontrolliert, 17 Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. „Wir wundern uns manchmal selbst, wie das geht“, sagt Anders. Viel Verkehr, wenig Platz Alles in Tegel ist klein und beengt. Zwar verfügt der Flughafen über zwei parallel verlaufende Start- und Landebahnen. „Das hört sich erst einmal gut an“, sagt Anders – doch weil die beiden Pisten nur 200 Meter voneinander entfernt sind, kann man die Flugzeuge nicht unabhängig voneinander starten und landen lassen. Ein noch viel größeres Problem ist der fehlende Platz. Zwar wurde das Hauptterminal zu beiden Seiten immer wieder erweitert, zuletzt durch eine Blechhalle, die von Air Berlin genutzt wird – doch das Vorfeld ist dadurch nicht größer geworden. Es gibt nur etwa 50 Parkpositionen, die zu Spitzenzeiten alle belegt sind. Sobald ein Flieger aus seiner Parkposition herausgeschoben wird, steht er sofort im Rollweg. Bleibt ein Schlepper mal liegen oder verhakt sich beim Rangieren, gibt es gleich einen Stau. Hinzu kommt: Viele Flugzeuge sind inzwischen größer, als die Planer des Flughafens das bedacht haben. Sie müssen dann von einem Follow-me-Fahrzeug eskortiert werden, damit sie nirgendwo anecken. „Sobald irgendwo Sand im Getriebe ist, stockt sofort alles“, sagt Anders. Gemeinsam mit seinen Kollegen sorgt er dafür, dass das Getriebe in Tegel so reibungslos wie möglich läuft. Die Lotsen geben den Piloten die Erlaubnis, die Triebwerke anzulassen, sie geben das Signal zum Losrollen und erteilen die Startfreigabe. Bei der Landung übernehmen sie das Flugzeug von der Anflugkontrolle im Center, führen es sicher auf den Boden und führen den Piloten zur richtigen Parkposition. Eine Aufgabe, die höchste Konzentration erfordert – zumal in Tegel noch eine weitere Schwierigkeit hinzukommt. Der Airport ist zugleich Regierungsflughafen, der Nordteil wird militärisch genutzt – zum Beispiel von der Flugbereitschaft der Bundeswehr oder von Flugzeugen mit anreisenden Staatsgästen an Bord. „Regierungsmaschinen haben Priorität, für die müssen wird dann den Weg freimachen“, sagt Anders. An einem Flughafen wie Tegel, wo sich der Verkehr schon an normalen Tagen drängt, eine besondere Herausforderung. transmission 1 – 2015 5 Betrieb Seit achteinhalb Jahren arbeitet Phil- Kein Tag ist wie der andere.“ Seine Freude ipp Anders nun schon als Fluglotse. Seine am Job gibt der Berliner gerne weiter, zum Ausbildung absolvierte er in Langen und Beispiel auf Ausbildungsmessen. „Ich rede dann im Tower Leipzig, seine Frau stu- gerne darüber und freue mich, andere dierte damals in Rostock – „das war eine dafür begeistern zu können“, sagt er. Auch ganz schöne Fahrerei“, erinnert er sich. wenn die Arbeit im Schichtdienst auf die Seit seinem Wechsel in die Hauptstadt ist Dauer ziemlich anstrengend ist. Kristina Grim, Fluglotsin im Center Karlsruhe M anchmal sind es kleine Dinge, die dem Leben eine entscheidende Wendung geben. Bei Kristina Grim war es eine Zeitungs es damit vorbei: Heute kann der gebürtige Berliner mit dem Rad zur Arbeit kom- Zum Ausgleich treibt der 31-Jährige anzeige. „Ein Jahr vor dem Abitur habe men. Gemeinsam mit seiner Frau wohnt regelmäßig Sport: Fitnesstraining, Wind- ich überlegt, was ich später mal machen er unweit des Flughafens, und weil inzwi- surfen, vor allem aber Laufen. Damit hat will“, erinnert sich die 23-Jährige. In einer schen Nachwuchs dazugekommen und er vor acht Jahren angefangen, weil die Abizeitung stieß sie dann auf eine kleine der Platz in der Wohnung knapp gewor- vielen Nachtdienste in Leipzig seinen Bio- Anzeige, in der für den Beruf des Flug den ist, steht Ende des Jahres der Umzug rhythmus so durcheinanderbrachten, dass lotsen geworben wurde. Ein interessan- an. „Aber erst müssen wir noch renovie- er Probleme mit dem Einschlafen hatte. ter Job ohne Studium, das klang span- ren, da wartet noch ein bisschen Arbeit Inzwischen läuft er Halbmarathon, 2011 nend. Also begann Kristina Grim sich zu auf uns“, sagt er. sogar seinen ersten Marathon. „Seit mein informieren, schickte eine Bewerbung an Sohn auf der Welt ist, fehlt mir dafür aber die DFS – und hatte Erfolg: Sie bestand die Zeit“, sagt er. Zumal nicht nur er als das Auswahlverfahren, 2012 startete sie Lotse, sondern auch seine Frau als Kli- ihre Ausbildung. Seit zwei Jahren arbeitet nikärztin unregelmäßige Arbeitszeiten hat. die gebürtige Rosenheimerin nun in der „Ohne die Kinderkrippe und die Großeltern Center-Niederlassung Karlsruhe, von der würde das alles gar nicht gehen“, sagt er. aus ein großer Teil des oberen Luftraums Ich rede gerne über meinen Beruf und freue mich, andere dafür begeistern zu können in Deutschland kontrolliert wird. Grim Und ohne die Kollegen im Tower auch ist für die Sektoren Frankfurt, Fulda und nicht. Wenn die Frau arbeiten muss und Würzburg zuständig – aber aktiv ist sie im Philipp Anders unmöglich gleichzeitig ganzen Land. Denn die 23-Jährige hat ein im Tower sein kann, weil er seinen Sohn Hobby, bei dem sie viel herumkommt: Sie sonst alleine zuhause lassen müsste, ist ist eine der besten Billardspielerinnen der Dass er sich nach der Schule direkt bei er auf Unterstützung angewiesen. „Zum Republik. Ihr bislang größter Erfolg ist eine der DFS bewarb, hat Philipp Anders noch Glück sind die Kollegen sehr hilfsbereit, Goldmedaille bei den Deutschen Meister- keinen Augenblick bereut. „Der Job ist wenn ich mal einen Dienst tauschen will“, schaften im Pool-Billard. zwar stressig, aber er macht immer noch sagt er. Zwei Berufstätige im Schicht- Spaß“, sagt er. „Auch wenn es heute die- dienst, dazu ein knapp zwei Jahre altes Dass es dazu kam, hat Kristina Grim selben Flieger sind wie vor einer Woche: Kind und ein anstehender Umzug – das ist ebenfalls einer kleinen Wendung in ihrem in etwa so wie die 21 Millionen Passagiere Leben zu verdanken, die zehn Jahre für den Sieben-Millionen-Flughafen Tegel. zurückliegt: Ihre Eltern mussten abends Ein bisschen viel vielleicht – aber wenn alle zum Elternsprechtag und baten den Bru- mithelfen, dann klappt es doch irgendwie. der, auf die damals 13-Jährige aufzupassen. Der Bruder, elf Jahre älter, hatte aber keine Lust, mit der kleinen Schwester zuhause rumzusitzen – und nahm sie kurzerhand mit in ein benachbartes BillardCafé. „Mit einem seiner Freunde habe ich dann den ganzen Abend Billard gespielt, das hat total Spaß gemacht“, erinnert sie sich – und da war es passiert: Der Freund war Trainer in einem Verein, einen Tag später war Kristina Grim bereits Mitglied, ein halbes Jahr darauf nahm sie an ihren ers- 6 transmission 1 – 2015 ten Meisterschaften teil. Danach wurde sie um die Koordination mit bayerische Jugendmeisterin und deutsche den Nachbarsektoren. Jugendmeisterin – bis ihr 2013 die große Wie ein riesiges Puzzle Überraschung gelang: Bei den Deutschen ist das gesamte Bun- Meisterschaften schlug sie in einer der desgebiet in einzelne vier Disziplinen – im so genannten 8-Ball Abschnitte unterteilt, die – die haushohe Favoritin und gewann Gold. jeweils von einem Lotsenpaar „Dabei lag mir 8-Ball eigentlich am aller- kontrolliert werden. Karlsruhe ist dabei wenigsten“, sagt Kristina Grim. für alle Flugzeuge zuständig, die in einer Höhe von 24.500 Fuß (rund 7500 Meter) Bei der Flugsicherung war es die Dis- oder darüber fliegen. Alles darunter zählt ziplin Englisch, die ihr beinahe zum Ver- zum unteren Luftraum; für ihn sind die Früher hätte Kristina Grim zu einer hängnis geworden wäre. Weltweit wird Kontrollzentralen Langen, München und absoluten Minderheit gehört, die Flug im oberen Luftraum, unabhängig von der Bremen verantwortlich. Die Flugzeuge sicherung war eine Männerdomäne. Heute jeweiligen Landessprache, auf Englisch werden, ähnlich wie ein Staffelstab, von sind bereits ein Drittel der rund 2000 gefunkt. Deshalb müssen angehende Lot- Sektor zu Sektor weitergereicht. DFS-Lotsen weiblich, Tendenz steigend. sen bereits im Auswahlverfahren nach- Anders beim Billardsport. „In meinem Club weisen, dass sie die Sprache gut beherr- in Rosenheim war ich die einzige Frau, schen. „Das habe ich im ersten Anlauf Fünf Meilen, tausend Fuß leider versemmelt“, erinnert sich Kristina sonst spielten da nur Männer“, erinnert sie sich. Um in Form zu bleiben, spielt Kris- Grim. Nach eineinhalb Monaten Sprach- Kristina Grim und ihre Kollegin lassen tina Grim zwei- bis dreimal in der Woche, kurs in Vancouver war sie dann aber fit den Verkehr auf den Bildschirmen keinen nimmt außerdem an zahlreichen Turnieren für den Job. Moment aus den Augen. Ihre Aufgabe ist teil. Nicht immer ist es einfach, das mit es, dafür zu sorgen, dass die einzelnen dem Schicht-Dienstplan unter einen Hut Die Sprachkenntnisse sind bei den Maschinen immer ausreichend Abstand zu bekommen. „Aber die Kollegen machen Tests aber nicht das Wichtigste. In dem zueinander halten – mindestens 1000 eine Menge möglich. Das ist toll.“ Auswahlverfahren wird außerdem getes- Fuß (ca. 300 Meter) in der Vertikalen, min- tet, ob der Bewerber ein gutes räumli- destens fünf nautische Meilen (etwa neun Nach maximal zwei Stunden am ches Vorstellungsvermögen hat, eine hohe Kilometer) in der Horizontalen. Das Flug- Arbeitsplatz hat Kristina Grim mindes- Konzentrationsfähigkeit mitbringt und mit sicherungssystem unterstützt sie dabei, tens eine halbe Stunde Pause, pro Tag Zahlen umgehen kann. Außerdem muss denn es kann sozusagen in die Zukunft darf sie maximal sechs Stunden vor dem er mehrfach belastbar sein, eigenständig schauen. Auf Basis des Flugplans berech- Radarschirm verbringen – die Bedingun- Entscheidungen treffen und gut im Team net es den weiteren Flugweg und weist gen sind genau festgelegt. Das muss so arbeiten können – alles Fähigkeiten, die dabei auch auf mögliche Konflikte hin, sein, damit sie sich immer voll auf die für den Job wichtig sind. „Vor allem bei der die gelb oder rot markiert werden. Die- Flugzeuge ihn ihrem Sektor konzentrieren räumlichen Vorstellung habe ich als Billard- ses hochmoderne System ist seit 2011 kann – denn Konzentration ist alles, bei spielerin natürlich Vorteile“, sagt Kristina bei der DFS im Einsatz, ein Nachfolgesys- der Flugsicherung ebenso wie am Billard- Grim und packt ihre Sachen. Ihre Pause tem mit noch modernerer Hardware wird tisch. Im Keller der Niederlassung steht ist zu Ende, gleich beginnt ihre Schicht. gerade entwickelt. Es soll nun Schritt für übrigens einer, einen Kicker gibt es auch Schritt an allen Kontrollzentralen der DFS und sogar einen Fitnessraum. „Ich spiele installiert werden. hier aber lieber Doppelkopf, um mich zu An ihrem Arbeitsplatz im Center ist auf einem großen Bildschirm der Flugver- entspannen“, sagt sie. Beim Billard ist sie kehr des Areals dargestellt, für das immer nämlich Tische mit Turniermaß gewöhnt, zwei Lotsen gemeinsam verantwortlich 2,54 mal 1,27 Meter. „Mit dem Tisch hier sind. Sie arbeitet heute als Koordinationslotsin im Würzburg-Sektor – einer der drei Sektoren, für die die 23-Jährige eine Berechtigung erworben hat. Während die Kollegin als Radarlotsin den Piloten Anwei- Die Kollegen machen eine Menge in der Kontrollzentrale komme ich nicht so gut zurecht“, sagt sie. „Der ist mir einfach zu klein.“ möglich. Christopher Belz sungen gibt, kümmert sich Kristina Grim transmission 1 – 2015 7 Betrieb Von der Logik des Flöhehütens Schon als kleines Mädchen hat Dr. Kirsten Riechmann lieber mit Fischertechnik als mit Puppen gespielt. Ihre Leidenschaft für Technik machte sie später zum Beruf. Heute leitet die Physikerin eines der größten betrieblichen Projekte in der DFS. 8 transmission 1 – 2015 D r. Kirsten Riechmann steht kurz gerung hätten wir uns auch nicht erlauben raus.“ Nach der Freude an der Fischertech- vor dem Ende einer Mammut- dürfen, denn die alte Hardware ist jetzt nik folgte die Leidenschaft für Computer: aufgabe. Sie sorgt dafür, dass wirklich am Ende ihres Lebenszyklus ange- Die gebürtige Bonnerin wurde Zweitplat- kommen“, sagt die Projektleiterin. zierte im Bundeswettbewerb Informatik. das Flugsicherungssystem P1/ATCAS, mit dem die meisten Fluglotsen der DFS Als Studium kam für sie dieses Fach dann arbeiten, von der alten Hardware auf neue Die promovierte Physikerin hat in den Hardware übertragen wird. Fachleute nen- 16 Jahren, die sie bei der DFS beschäf- nen diesen Prozess Re-hosting. Kirsten tigt ist, schon einige Projekte erfolg- Riechmann hat mit ihrem Projekt im Jahr reich begleitet. Nach ihrer Promotion 2008 begonnen, inzwischen ist sie fast am Max-Planck-Institut München kam sie fertig – und damit im Zeitplan. „Eine Verzö- eher zufällig zur Flugsicherung. „In einem Physikstudium lernt man vor allem logisch aber nicht in Frage. „Computer sind für mich eher Mittel zum Zweck“, sagt sie. Drei Jahre USA bei der Firma Raytheon zu denken. Es geht darum, ein großes Pro- Die Stelle, auf die sie sich ursprüng- blem in mehrere kleine Probleme aufzutei- lich bei der DFS beworben hatte, war len und dann Schritt für Schritt zu lösen“, dann zwar die einer Programmiererin. sagt sie. Diese Fähigkeit ist in vielen Doch noch während der Bewerbungs- Branchen gefragt. In der komplexen Flug phase tat sich die Möglichkeit auf, im sicherungswelt stehen Physiker beson- Anforderungsmanagement zu arbeiten. ders hoch im Kurs. Weil ihr das mehr zusagte, ergriff sie die Gelegenheit. Unerwartet ergab sich dann auf dieser Stelle die Chance, einen lange Tue das, was dir Spaß macht, denn nur wenn es Spaß macht, kommt etwas Gutes dabei raus gehegten Traum zu verwirklichen: ein längerer beruflicher Aufenthalt in den USA. „Ich hatte schon immer eine Affinität zu den Vereinigten Staaten“, sagt sie. Vom Jahr 2000 bis 2003 war Kirsten Riechmann Vertreterin der DFS bei der US-amerikanischen Firma Raytheon, mit der die Deutsche Flugsicherung damals bei der Entwicklung des Flugsicherungssystems eng zusammenarbeitete. „Meine Aufgabe war es, die Kommunikation zwischen den Unternehmen zu verbessern und auf bei- In ihrer Doktorarbeit hat sich Kirsten Riechmann mit Halbleiterphysik und Teil- den Seiten des Atlantiks die Fäden zusammenzuführen“, sagt die 45-Jährige. chenphysik beschäftigt. Die Tochter einer Apothekerin und eines Mathematikers war Kirsten Riechmann kam ein Jahr vor schon immer begeistert von Themen, die den Terroranschlägen des 11. Septem- man heute unter dem Begriff MINT zusam- ber in Boston an und blieb drei Jahre in menfasst: Mathematik, Informatik, Natur- der Ostküsten-Metropole. „Ich konnte wissenschaft und Technik. Woher diese hautnah miterleben, wie das Land sich Begeisterung stammt, kann sie nicht nach den Anschlägen veränderte“, sagt beantworten. „Wofür hätte ich mich denn sie. Eine spannende Zeit – auch weil sie sonst interessieren sollen?“, fragt sie sich in Massachusetts noch einen weite- zurück. Puppen, Röcke und lange Haare ren Traum erfüllte. In der großen Luftfahrt- seien nie ihr Ding gewesen. „Meine Eltern nation USA machte Kirsten Riechmann haben mich in dem, was ich machte, ihre Privatpilotenlizenz. Am Marlborough immer unterstützt.“ Ihr Motto ist: „Tue Airport, mit seiner nur 506 Meter langen das, was dir Spaß macht, denn nur wenn Piste einer der kleinsten Flugplätze der es Spaß macht, kommt etwas Gutes dabei Vereinigten Staaten. transmission 1 – 2015 9 Betrieb Darmstadt Flying Club Zurück in Deutschland trat die Privatpilotin in den „Darmstadt Flying Club“ ein, der von US-Amerikanern gegründet worden war und am Flugplatz Egelsbach seine Heimat hat. Der Verein besitzt eine Cessna 152 und eine Cessna 172 mit amerikanischer Registrierung, die von Piloten mit amerikanischen Lizenzen in Deutschland geflogen werden dürfen. Kirsten Riechmann hat ihre US-Lizenz nämlich nie in eine deutsche Lizenz umschreiben lassen. Zu umständlich sei das, findet sie. Allerdings wird sie dieses Jahr aufgrund der europäischen Vorschriften nicht mehr darum herumkommen. Das Fliegen ist ihre große Leidenschaft. „Ich bin so oft es geht am Flugplatz in Egelsbach.“ In Dr. Riechmanns Büro hängt ein Foto von ihr am Steuer einer Cessna, und daneben eine Anflugkarte für den neuen Flug- ALBATRHOS Dr. Kirsten Riechmanns Projekt heißt „ATCAS Re-hosting: System Migration“, kurz AlbatRHoS. Sie ist dafür verantwortlich, dass das Flugsicherungssystem ATCAS auf neue Hardware und ein neues Betriebssystem übertragen wird, weil die bisherige Hardware am Ende ihres Lebenszyklus angekommen ist. In der Flugsicherung ist ein Re-hosting keine Seltenheit. Das liegt daran, dass die hochkomplizierten Flugsicherungssysteme lange genutzt werden, länger als die Lebenszeit der ursprünglichen Hardware anhält. Dann muss das System auf neue Hardware übertragen werden. Dieses Übertragen ist ein schwieriger, hochkomplexer Prozess. Erst wenn auf den Test- und Referenzsystemen alles einwandfrei funktioniert, kann die neue Technik in Betrieb gehen. empfunden, das auf die Entfernung zum nächsten Ort verweist. „PSS/Re-hosting long way“ steht dort. PSS (Papierloses Streifensystem) war das Projekt, an dem Kirsten Riechmann vor dem Re-hosting gearbeitet hat. Und ein langer Weg war es von 2008 bis heute in der Tat. Eine Projektleitung, sagt sie, ist wie „Flöhe hüten für Fortgeschrittene“. Was hat welche Konsequenzen? Wer muss wann wozu informiert werden? Nur wenn der Projektleiter immer den Überblick behält, laufen Projekte rund. „Ich muss die Fäden zusammenhalten“, sagt Kirsten Riechmann. Wenn es im Büro mal wieder besonders stressig war, entspannt die Projektleiterin gern bei einem Glas Whisky. Am liebsten trinkt sie den torfig schmeckenden Single-Malt der schottischen Insel Islay. Klar, dass sie auch schon mal auf dem Eiland gewesen ist und die Destillerien dort besichtigt hat. Und klar auch, dass sie von Deutschland mit einem Kleinflug- hafen BER vom Juni 2012. Die Kollegen zeug dorthin geflogen ist. Allerdings nur vom Büro Nachrichten für Luftfahrer hat- als Co-Pilot, ein befreundeter Pilot saß ten die Karten schon fertig, als sich dann Auf einem steht „Kiki’s way or no way“. am Steuer. Zum Whisky gönnt sie sich herausstellte, dass es noch Jahre dauern Kiki, das ist ihr Spitzname. Und das Ein- dann auch gern mal eine Zigarre. In ihrem würde, bis der neue Berliner Flughafen tat- bahnstraßenschild ist eine selbstironische Büro teilt sie sich mit einem Kollegen den sächlich angeflogen werden kann. „Diese Andeutung darauf, dass sie mit ihrer direk- „Diensthumidor“, wie sie ihn nennt. Wer Anflugkarte habe ich mir als eine Art Mah- ten, schnörkellosen Art auch gelegentlich hart arbeitet, muss eben auch genießen nung ins Büro gehängt. Es erinnert mich aneckt. „Ich bin halt ein Freund der klaren können. daran, was passieren kann, wenn man ein Worte“, sagt sie. Eine andere Wanddeko- Projekt nicht ordentlich führt“, sagt sie. ration ist einem Ortsausgangsschild nach- Ihr Büro ist überhaupt eine Fundgrube an witzigen Anspielungen und Schildern. 10 transmission 1 – 2015 Sandra Ciupka Technik Der Ingenieur mit dem Überblick Hans-Georg Hauck ist seit 20 Jahren Fachmann für Radaranlagen bei der DFS. Davor hatte er ein ganz anderes Leben. Zur Flugsicherung brachte ihn ein besonderes Ereignis. D ie Neunkirchner Höhe ragt empor. Schon er von Tipping Points – von weitem ist die Radaranlage auf dem nach dem gleichnami- höchsten Gipfel des Odenwaldes zu sehen. gen Buch Malcolm Glad- In zwölf Sekunden dreht sich die neun Meter hohe wells. Der Untertitel Antenne einmal um die eigene Achse. Es ist eine des Bestsellers der größten Radaranlagen der DFS. Ihr Senderadius lautet: beträgt 150 Nautische Meilen, rund 280 Kilometer. kleine Dinge Sechs Radarantennen dieser Art sowie 24 kleinere Großes Anlagen verteilt im ganzen Bundesgebiet sorgen bewirken dafür, dass die Deutsche Flugsicherung den Flugver- können.“ „Wie kehr zuverlässig orten kann. Und Hans-Georg Hauck und seine 16 Mitarbeiter stellen sicher, dass die Anlagen rund um die Uhr überwacht und gesteuert werden. Störungen sind bei dieser komplizierten Technologie keine Seltenheit. Wenn der Ingenieur morgens um sieben Uhr in die Zentrale Betriebsführung Ortung im Kontrollcenter in Langen kommt, leuchtet fast immer ein rotes Lämpchen auf dem Bildschirm, das ein technisches Problem irgendwo im Bundesgebiet anzeigt. „Natürlich sind die Systeme alle redundant vorhanden, sodass unsere Kunden von diesen Ausfällen in der Regel nichts mitbekommen“, sagt Hauck. Doch repariert werden muss dennoch, so schnell es geht. Vom Arbeitsplatz im Service Management Center werden alle 30 Radaranlagen der DFS überwacht. Regionale Teams kümmern sich dann um die Wartung Hauck meint und Instandhaltung. Alle acht Radaranlagen (inklusive mit Bodenlage Frankfurt und Multilateration), die zum War- Points kleine tungsstützpunkt der DFS-Niederlassung Langen gehö- Ereignisse, die ren, werden von Hauck und seinem Team betreut. seinem Leben die Von Amerika bis Sardinien Tipping entschei- dende Wendung gaben. Wie etwa der Besuch eines Dass sich der gebürtige Franke einmal um Radar- Onkels, kurz vor anlagen kümmern würde, war lange nicht abzusehen. Haucks Wenn Hauck von seinem Werdegang erzählt, spricht Auf dem Gymna- Abitur. transmission 1 – 2015 11 Technik sium in Bad Königshofen hatte der Sohn Es ist noch ein Überbleibsel aus seiner einschließlich Sekretärin sowie 30 Mitar- eines Lehrerehepaares Deutsch als Leis- Zeit beim Militär, dass der Ingenieur heute beiter. Heute ist sie unbemannt, die Inge- tungskurs und spielte mit dem Gedanken, leichten Schrittes die vielen Treppenstufen nieure kommen nur bei Bedarf vorbei. Die Journalist zu werden. Da die Karriere bis zur Spitze des Neunkirchner Radar- Anlage selbst wurde mehrmals moderni- aussichten in dieser Branche aber nicht turms hochsprintet. „Alles eine Frage der siert, heute ist sie auf dem neuesten zum Besten standen, träumte er auch Atemtechnik“, sagt der 52- Jährige. Er Stand der Technik. „Das Faszinierende an davon, Kampfjets zu fliegen. Große Hoff- treibe zwar nicht mehr viel Sport, doch der Radartechnologie ist, dass sie sowohl nungen, dass dies gelingen könnte, hatte eine Grundfitness habe er erhalten kön- Hardware als auch Software beinhaltet“, er nicht. Dann kam eines Tages der Onkel nen. Manchmal erlaubt sich Hauck einen sagt Hauck. Wer daran arbeite, müsse vorbei und ermutigte ihn, sich doch ein- Spaß mit Besuchergruppen, die den Auf- nicht nur sein Gehirn anstrengen, son- fach mal bei der Luftwaffe zu bewerben. zug nicht nehmen wollen und dann hinter dern auch noch richtig körperlich ran, „Wenn dieser Onkel mir damals nicht gut ihm die Wendeltreppe hochkeuchen. Kurz beispielsweise wenn an einem der beiden zugeredet hätte, wäre vermutlich alles vor dem Ende der Stufen behauptet er Antriebsmotoren ein Ölwechsel ansteht anders gekommen“, meint Hauck. dann: „Keine Sorge, wir haben bereits die oder eines der vielen Kabel ausgetauscht Hälfte geschafft.“ werden muss. Vorteil Fernüberwachung und ungeplante Arbeiten zu steuern und Kampfjetpilot ist er zwar nicht geworden, doch Offizier bei der Luftwaffe. An der Bundeswehruniversität in München studierte Hauck Luft- und Raumfahrttech- „Meine Hauptaufgabe ist es, geplante das Personal einzuplanen“, sagt Hauck. nik. Danach war seine Aufgabe die Flug- Die Radaranlage auf der Neunkirchner Der Ingenieur behält also den Überblick abwehr mittels radargelenkter Raketen, Höhe wurde im Haucks Geburtsjahr 1962 darüber, wann wo etwas abgeschaltet wer- seine Ausbildung fand unter anderem in eingeweiht. Da es damals noch keine den muss und stellt sicher, dass immer den USA statt, stationiert war er an meh- Fernüberwachung gab, war die Station ausreichend Radaranlagen für die Arbeit reren Stützpunkten in Deutschland und sieben Tage die Woche, 24 Stunden am der Fluglotsen zur Verfügung stehen. Alle auch auf Kreta und Sardinien. Und weil er Tag besetzt. Es gab einen Stationsleiter Ingenieure, die die Radargeräte warten über den Tellerrand der Luftwaffe schauen und instand halten, brauchen besondere wollte, bat er seinen damaligen Kommo- Berechtigungen, die regelmäßig erneu- dore darum, zusätzlich eine Ausbildung ert werden müssen. Auch Hauck hält eine zum Einzelkämpfer machen zu dürfen. dieser Lizenzen, obwohl er als Teamleiter Das war eigentlich nur für Soldaten des vor allem für die Managementaufgaben Heeres vorgesehen, doch Hauck schloss zuständig ist. den harten Lehrgang erfolgreich ab. Wendepunkt in Australien Als der Ingenieur im Jahr 1994 bei der DFS anfing, war er Inbetriebnahmeleiter in einem großen Radaranlagenmodernisierungsprojekt. Seit 20 Jahren beschäftigt er sich also mit der Ortung von Luftfahrzeugen. Doch bei aller Leidenschaft für Radargeräte, seine eigentliche Berufung sei eine ganz andere, sagt Hauck. Eine, die er außerhalb der Arbeitszeit auslebt. Und die auch der Grund dafür ist, weshalb er seine Offizierskarriere nach zehneinhalb Jahren vorzeitig beendete. 12 transmission 1 – 2015 Was er meint, das hängt mit einem ganz besonderen Tipping Point in seinem Leben zusammen. Hauck war im Urlaub in Australien, als ihn dort Mitglieder der freikirchlichen evangelischen Pfingstgemeinde Pottershaus ansprachen. 1988 war das. Danach war für den Soldat, der bis dahin Katholik gewesen war, alles anders: „Gott kam in mein Leben“, sagt er. Pottershaus hatte damals nur eine Gemeinde in der Bundesrepublik, und zwar in Offenbach am Main. Dort wollte Hauck sich engagieren. In der Gemeinde lernte er auch seine spätere Frau kennen – eine Bayerin, mit der er inzwischen eine Tochter und zwei Söhne hat, das jüngste Kind wird bald 18 Jahre alt. Als nach der Wiedervereinigung die Truppenstärke der Bundeswehr reduziert wurde, nutzte der Offizier die Chance und schied vorzeitig aus dem Militärdienst aus. Er zog nach Offenbach, um nahe bei seiner Gemeinde zu sein. „Als Soldat konnte ich ja nicht frei darüber entscheiden, wo ich eingesetzt werde“, sagt er. Zuletzt war er in Schleswig-Holstein stationiert gewesen. In Hessen angekommen, stieß Hauck in der Zeitung auf die Stellenanzeige der DFS. Der Luftfahrtingenieur setzte sich gegen viele Mitbewerber durch und wurde Fachmann für Radaranlagen. Ein weiterer Tipping Point in seinem Leben. Sandra Ciupka Obwohl es inzwischen auch andere Technologien gibt, bleiben Radaranlagen in Zukunft wichtig für die Ortung von Luftfahrzeugen. Anlagen wie die auf der Neunkirchner Höhe verfügen über Primär- und Sekundärradar. Beim Sekundärradar verarbeitet die Anlage Transpondersignale, die von Bord des Fluggeräts ausgesendet werden. Dank des Primärradars können auch Fluggeräte geortet werden, die selbst kein Signal ausstrahlen, etwa weil der Transponder ausgefallen ist. Primärradar schafft also zusätzliche Sicherheit. Neben der Neunkirchner Höhe verfügt die DFS über fünf weitere große Anlagen, die sowohl Primär- als auch Sekundärradar haben (Surveillance Radar Equipment Modern, SREM). Ihre Reichweite beträgt im Radius rund 280 Kilometer. Dazu kommen 14 kleinere Anlagen für den Flughafennahbereich (Airport Surveillance Radar, ASR). Zehn weitere Radaranlagen der DFS nutzen nur Sekundärradar (Monopulse Secondary Surveillance Radar, MSSR). Eine flächendeckende Radarabdeckung ist auch dann gewährleistet, wenn eine der Anlagen einmal ausfallen sollte. In den Anlagen selbst sind die Systeme und Komponenten ebenfalls redundant vorhanden. Die Radardaten werden im Flugsicherungssystem verarbeitet und am Radarschirm der Fluglotsen dargestellt. transmission 1 – 2015 13 Technik Von Bombenfund bis Wiesenpieper Die DFS rüstet bis 2018 knapp 100 Flugfunkanlagen mit neuer Funktechnik aus. Julia Manowski und Denis Zrnic schaffen dafür die baulichen Voraussetzungen. Sie müssen über Funktechnik ebenso Bescheid wissen wie über Umweltschutz. teilt sind: Die nördlichste Anlage steht in Husum, die südlichste in Kaufbeuren. Die Arbeiten sind Teil des Projekts RASUM 8.33 (Radio Site Upgrade und Modernisation), mit dem die DFS ihre Flugfunkanlagen entsprechend einer EU-Verordnung bis zum Jahr 2018 auf ein neues Kanalraster umstellt. Ziel ist es, die Frequenzknappheit im unteren Luftraum zu beseitigen – anstelle eines 25-KilohertzRasters kommen künftig Geräte mit 8,33-Kilohertz-Funktechnik zum Einsatz. Manowski und Zrnic schaffen mit der B austellen sind Männerwelten, fliesen, schreinern und Mauern setzen, Arbeit in ihrem Teilprojekt die baulichen Frauen sind dort Exoten, daran während einer Praxisphase in ihrem Stu- Voraussetzungen für die flugsicherungs- haben auch Alice Schwarzer dium arbeitete sie 13 Wochen lang auf technische Umrüstung der Anlagen auf und Co. wenig ändern können. Für Julia einer Baustelle bei einem Zimmermann. das 8,33-Kilohertz-Raster. Manowski ist das kein Problem, über man- Sie versteht die Sprache, in der man sich gelnde Akzeptanz oder fehlenden Respekt dort verständigt – es ist eine andere Spra- von Bauarbeitern musste sich die diplo- che, als sie in den Büros der DFS gespro- mierte Architektin noch nie beklagen. Ein chen wird. „Bei einer Besprechung auf Grund dafür ist sicher, dass die 32-Jäh- der Baustelle geht es etwas anders zu Bei der Bestandsaufnahme vor Projekt- rige die Arbeit auf einer Baustelle nicht als bei einem Management-Meeting“, sagt beginn hatte man festgestellt, dass viele nur aus den Lehrbüchern kennt – sie kann Manowski und ein Lächeln umspielt ihre Funkanlagen der DFS von ihrer Größe, Mundwinkel. Was aber macht eine Archi- Bausubstanz und Infrastruktur her für die tektin bei der Flugsicherung? modernen Geräte nicht geeignet sind. Die Jede Anlage ist ein Unikat Folge: 95 der 120 Funkanlagen müssen „Was wir machen, ist klassisches Pro- für die Umrüstung neu gebaut oder kom- jektmanagement“, sagt Manowskis Kol- plett saniert werden, bevor die Funktech- lege Denis Zrnic, als Bauingenieur mit den nik installiert werden kann. Dafür arbei- Gepflogenheiten auf Baustellen ebenfalls ten die Bauspezialisten mit verschiedenen vertraut. Wie Julia Manowski gehört Zrnic Architekturbüros zusammen, von denen zur Abteilung Bauprojekte im Bereich SIS jedes für mehrere Anlagen zuständig ist. (Systems and Infrastructure Services). Die „Wenn es optimal läuft, haben wir mit den beiden managen die infrastrukturellen Um- Handwerkern direkt vor Ort auf der Bau- und Neubauten von etwa 100 Flugfunkan- stelle nicht viel zu tun“, erklärt Zrnic. Die lagen der DFS, die über die Republik ver- Abläufe auf der Baustelle selbst überwacht der Architekt; Manowski und Zrnic erarbeiten die Leistungsbeschreibung, geben die Terminplanung vor, nehmen die Leistungen der Auftragnehmer ab und sorgen dafür, dass die für den Funk zuständigen Kollegen später alles an der Anlage vorfinden, was sie brauchen. Beiden gefällt die Vielseitigkeit ihrer Arbeit: „Man kämpft sich durch viele Themen“, sagt Julia Manowski. „Wenn wir morgens ins Büro kommen, ahnen wir oft 14 transmission 1 – 2015 nicht, welche Überraschungen der Tag stelle zu gelangen. „Damit waren die Lie- stundengenaue Slots, wann wir was tun bereithält“, ergänzt Denis Zrnic. Sie sind fertermine hinfällig“, sagt Julia Manowski. dürfen, um den Flugbetrieb nicht zu beein- die Verbindung zu den Fachabteilungen trächtigen“, erinnert sich die Architektin. in der DFS und haben mit baurechtlichen Themen ebenso zu tun wie mit Vertragsrecht und kaufmännischen Angelegenheiten. Sie müssen über Natur- und Landschaftsschutz Bescheid wissen, sich in Ich mag es, Dinge am Laufen zu halten Julia Manowski und Denis Zrnic sehen sich selbst als Schaltstelle, die dafür sorgt, dass die Zahnräder des GesamtGetriebes planmäßig ineinander greifen. der Flugsicherungswelt auskennen und die „Ich mag es, Dinge zu koordinieren und Arbeitsweise der Kollegen von der Stark- am Laufen zu halten“, sagt Denis Zrnic. und Schwachstromseite verstehen. Und Bei vielen Anlagen wird der Baugrund Für Julia Manowski war schon in der manchmal stehen sie auch mit schmutzi- vorher nach Kampfmitteln durchsucht. Schule klar: „Ich wollten nie einen reinen gen Arbeitsstiefeln in der Baugrube. Am Flughafen Bremen musste der Kampf- Bürojob haben und ich wollte immer mit mittelräumdienst vor Beginn der Arbeiten Menschen zu tun haben.“ Die Aufgabe als Neben all dem brauchen sie diploma- eine Granate aus dem Zweiten Weltkrieg Projektmanager für den Umbau von knapp tisches Geschick, denn bei den Genehmi- sprengen, die sich nicht mehr bergen ließ. 100 Funkanlagen bietet beiden Bau-Spe- gungsverfahren ist jedes Mal eine Vielzahl Am Flughafen Köln mussten die Arbeiten zialisten dafür beste Voraussetzungen. von Behörden beteiligt, von der Bundes- mit dem Flugplan abgestimmt werden, netzagentur über die Oberen Luftfahrtbe- weil der Baukran mit dem Funkmast am hörden der Länder bis zum Umwelt- und Auslegerarm das Landen der Flugzeuge Denkmalschutz. Dort gibt es mitunter auf der Bahn behinderte. „Wir erhielten Holger Matthies Widerstände, die nicht immer rationaler Natur sind. Manche Gemeinden sind dem Luftverkehr nicht wohl gesonnen, entsprechend schwierig gestalten sich die Genehmigungsverfahren. „Jede Anlage ist ein Unikat, jeder Um- und Neubau praktisch ein eigenes Projekt“, sagt Denis Zrnic. „Wir werden häufig mit Fluglärm und Flughafenausbau in Verbindung gebracht“, sagt Architektin Julia Manowski. Auch Kreuzkröte und Wiesenpieper haben bereits die Baustellenplanung beeinflusst. Doch es gibt auch handfestere Herausforderungen. Den Transport der Systemcontainer und der Schleuderbetonmasten für die Antennen beispielsweise: Beides sind Schwertransporte, die vorzugsweise nachts von der Polizei über die Autobahn eskortiert werden müssen. Einmal wies die Polizei einen Transport mit einem Systemcontainer an, nachts auf einer Autobahnbaustelle zwischenzuparken. Am nächsten Morgen hatte man die Baustelle umgebaut und die Durchfahrtsbreite reichte nicht mehr aus, um den Container durchzubringen. Der Riesentransport musste vier Kilometer auf der Autobahn zurücksetzen, um dann über Land zur Bau- Julia Manowski und Denis Zrnic vor dem neu errichteten Antennenmast der Funkanlage Neunkirchner Höhe. Foto: Hans-Jürgen Koch transmission 1 – 2015 15 Technik Die Frau für besondere Tische Arbeitstische von Fluglotsen sind viel mehr als Möbelstücke. Deshalb kann die DFS sie nicht einfach von der Stange kaufen. Isaly Dietrich leitet den Bereich Tischentwicklung und Fertigung. T isch klingt so banal. Vier Beine, gehen kann, wird der Tisch getestet und center in Langen sowie die Entwicklung eine Platte – fertig. Aber Tisch abgenommen. Über 900 betrieblich oder der Konsole für das neue Flugsicherungs- ist nicht gleich Tisch. Der betriebsnah genutzte Arbeitstische gibt es system iCAS. Für das Center Langen hat Arbeitsplatz eines Fluglotsen sieht aus in der DFS. Und ständig wird weiterent- Isaly Dietrichs Team im vergangenem Jahr wie das Cockpit eines Raumschiffs, ein wickelt, angepasst, erweitert, müssen 91 neue Lotsenkonsolen fertigen lassen, hochtechnisches Gerät. Ein Lotsenar- neue Komponenten integriert werden. Mit von Anfang 2016 an werden sie dann im beitstisch besteht aus rund zehntausend diesen Tischen hat es Isaly Dietrich zu tun. neuen Betriebsraum genutzt. Diese Tische Einzelteilen, bei Vollausstattung kostet er dienen auch als Basis für die Konsolen des so viel wie ein Kleinwagen. Er wird jahre- Ihre umfangreichsten Projekte im neuen Flugsicherungssystems iCAS. Bis lang entwickelt, immer in enger Abstim- Moment sind die Einrüstung des neuen Mitte 2017 sollen rund 250 Stück dieses mung mit den Nutzern. Bevor er in Betrieb Betriebsraums im größten DFS-Kontroll- Typs in der DFS bereitstehen. 16 transmission 1 – 2015 Das Know-how vom Markt und unsere interne Kompetenz sorgen für hochwertige, innovative Produkte der ebenfalls bei der DFS angestellt ist, sen, die später daran arbeiten müssen, erzählte ihr dann von der Stelle bei der sind eng in die Entwicklung eingebun- Tischentwicklung und Fertigung. „Er den. Künftig will Isaly Dietrich dafür sor- meinte, die Stellenausschreibung passe gen, dass die Arbeitstische stärker stan- hundertprozentig auf mich.“ dardisiert werden. „Wir wollen Produkte, die trotz der speziellen Anforderungen Dieser Eindruck hat sich im Laufe der flexibel einsetzbar und entwicklungsfähig Jahre bestätigt. Seit 2014 leitet Isaly Diet- sind – das ist auch wirtschaftlich sinnvoll“, rich den Bereich. Inzwischen ist sie zwei- beschreibt sie ihr Ziel. fache Mutter, ihre Töchter sind sechs und acht Jahre alt. Ihre Schwiegereltern hel- Sandra Ciupka fen bei der Kinderbetreuung, ihr Mann hat Zu Isaly Dietrichs Bereich Tischent- seine Arbeitszeit auf 75 Prozent reduziert. wicklung und Fertigung gehört neben der Mitwirkung in Großprojekten auch die In ihrem Team sind mit einer Ausnahme Realisierung von Kleinserien und Sonder- nur Männer – doch als Frau in der Minder- Das beste Arbeitsumfeld lösungen in der DFS-eigenen Werkstatt. heit zu sein, sei sie gewohnt, sagt Isaly Jörg Knodt leitet sie, der Feinwerkmecha- Dietrich. Sie ist auf einem Bauernhof groß Bei der Entwicklung der K onsolen für nikermeister hat sechs Industriemechani- geworden und musste schon als Kind mit ker in seinem Team. In der Werkstatt wird anpacken. „Ich bin so erzogen, dass man gebaut, was die DFS-Konstrukteure ent- mit Zutrauen an eine Arbeit rangeht und wickelt haben. Kleine Stückzahlen – etwa einfach mal etwas ausprobiert“, sagt für die Ausstattung eines Towers – bewäl- sie. Als sie von zuhause auszog, bekam tigt die DFS-Werkstatt weitgehend selbst. sie vom Vater nicht etwa Küchengeräte Müssen ganze Center-Betriebsräume neu geschenkt, sondern eine Bohrmaschine. ausgerüstet werden, arbeitet der Bereich mit Fremdfirmen zusammen. „Das Know- „Wir finden es gut, dass wir eine C hefin how vom Markt und unsere interne Kom- haben, die einen handwerklichen Hinter- petenz sorgen für hochwertige, innovative grund hat“, sagt Werkstattleiter Jörg Produkte“, sagt Isaly Dietrich. Knodt. Isaly Dietrich schaut mehrmals die Woche in der Fertigung auf dem DFS- Insgesamt fünf Mitarbeiter berich- Campus vorbei. Auf die Lotsentische, die ten direkt an die gelernte Schreinerin sie und ihr Team entwickelt haben, ist sie und studierte Innenarchitektin. Zur Flug- stolz. Es seien besonders komplexe und sicherung kam die gebürtige Münster- innovative Produkte – und die DFS in die- länderin im Jahr 2008. Nach ihrer Lehre ser Hinsicht in der Branche führend. Kein und dem Studium in Darmstadt war sie Wunder, dass sich andere Flugsicherun- zunächst bei einem Designer beschäf- gen dafür interessieren. So soll auch tigt und danach bei der Commerzbank in der Tower in Luxemburg mit den Frankfurt im Bereich Raum- und Umzugs- von der DFS entwickelten Tischen planung tätig. Später wechselte sie in ein ausgestattet werden. Fluglotsen müssen die DFS-Fachleute viele F aktoren berücksichtigen. Bei der Flugsicherung sind Ergonomie und die Mensch-Maschine-Schnittstelle (Human-Machine-Interface) wichtige Themen. Nur wenn ein Fluglotse das bestmögliche Arbeitsumfeld hat, kann er sicher arbeiten. Und auch die Technik ist empfindlich. Die zahlreichen Rechner, die die Konsolen beherbergen, müssen gekühlt werden, der Lotse darf aber keiner Zugluft ausgesetzt sein. Das Licht darf nicht blenden und die vielen Monitore müssen gut zu überblicken sein. großes Ingenieurbüro und war im RheinMain-Gebiet Niederlassungsleiterin Innen- Isaly Dietrich und ihr architektur. Nebenbei fing sie ein Studium Team arbeiten bei der der Betriebswirtschaftslehre an. Als 2007 Entwicklung mit vielen ihre erste Tochter geboren wurde, brach Kollegen sie das Studium allerdings nach dem Vor Bereichen zusammen, etwa den diplom ab. „Familie, Beruf und zusätz- Ingenieuren, die die Flugsiche- lich studieren – das war dann doch ein rungssysteme und Installationen bisschen zu viel“, sagt sie. Ihr Ehemann, betreuen. Vor allem die Fluglot- aus anderen transmission 1 – 2015 17 Administration POTUS in erfahrenen Händen Nicht nur beim Besuch von US-Präsidenten gelten im deutschen Luftraum spezielle Regeln. Andreas Miltner ist bei der DFS der Spezialist für alle Fragen zur „Besonderen Nutzung des Luftraums“. I m Juni kommt POTUS, das heißt für Kraft gesetzt. Um den Tagungsort herum Der 45-Jährige ist Sachbearbeiter für Andreas Miltner Stress. Viel Stress. wird ein Flugbeschränkungsgebiet einge- Luftraummanagement und bei der DFS POTUS kommt zum G7-Gipfel nach richtet, in dem im Radius von 30 nauti- Spezialist für das Thema „Besondere Nut- Deutschland, bei dem sich die Staats- und schen Meilen der Flugverkehr untersagt zung Luftraum“, kurz BNL. „Das Thema Regierungschefs der wichtigsten Industrie- ist. Die DFS ist dabei verantwortlich für ist sehr komplex und umfasst jede Art staaten auf Schloss Elmau in Südbayern die luftfahrtrechtlichen Veröffentlichungen von Luftverkehr, der nicht einfach normal treffen. Wenn POTUS, der „President of und die Informationen an die allgemeine von A nach B fliegt“, sagt Miltner, der seit the United States“, Anfang Juni mit sei- Luftfahrt, zudem wird sie die bayerische knapp einem Vierteljahrhundert für die nem Präsidentenflugzeug „Air Force One“ Polizei vor Ort bei der Überwachung des Flugsicherung tätig ist. Seine Laufbahn den Flughafen München anfliegt, sind an Flugbeschränkungsgebietes unterstützen begann er Anfang der 1990er Jahre mit diesem Tag nicht nur dort die normalen – ein Job für Andreas Miltner. der Ausbildung zum Flugdatenbearbeiter. Abläufe und Verfahren zeitweise außer 18 transmission 1 – 2015 Direkt danach wechselte er als Slot-Koor- dinator in die Luftraumnutzungszentrale tionspflicht vorgeschrieben war. Die DFS nen einzigen – ein Beweis für den Erfolg (LRNZ) am Flughafen Frankfurt, arbeitete sorgte dafür, dass die Daten der Zone unserer Neuerung.“ anschließend ein Dreivierteljahr in der in den entsprechenden Luftfahrtmedien Abteilung Gebührenerhebung und Kalku- für alle Piloten rechtzeitig veröffentlicht lation der damaligen DFS-Hauptverwal- wurden. Neben der großen Politik umfasst das Thema BNL viel tägliche Kleinarbeit, tung in Offenbach und war dann im Center Anrufe zu Aufstiegen von Kinderluftballons Frankfurt als einer der ersten Flugdatenbe- und zu den so genannten Himmelslaternen arbeiter auf der Position für die Verkehrs- gehören zum Tagesgeschäft. Zahlreiche flusssteuerung tätig. Lob von der Polizei Seine heutige Aufgabe übernahm Miltner im Jahr 2002 – seitdem ist er auch für In diesem Jahr gab es keinen Eindringling – ein Beweis für den Erfolg unserer Neuerung das Thema BNL zuständig. Das umfasst Fragen betreffen den Betrieb von Flugmodellen und unbemannten Luftfahrzeugen, umgangssprachlich als „Drohnen“ bezeichnet, sowie die Luftraumnutzung von Segelfliegern, Motorfliegern, Kunstfliegern, Gleitschirmfliegern, Hängegleitern, Fallschirmspringern und Wetterballons, die Daten und Fotos aus der Stratosphäre zur beispielsweise Einschränkungen im deut- Erde senden. „So etwas macht heute fast schen Luftraum bei sportlichen Großereig- Ein Pilot, der in diese Zone einflog, jeder bessere Physikkurs“, sagt Miltner. nissen wie der Fußballweltmeisterschaft musste sich auf einer festgelegten und Die Luftverkehrsordnung schreibt dafür 2006 oder während politischer Veranstal- vorher veröffentlichten Frequenz mel- eine Freigabe der Flugsicherung vor. tungen mit wichtigen Teilnehmern wie der den, um der Polizei Ziel und Zweck sei- jährlichen Münchner Sicherheitskonferenz. nes Fluges anzugeben. Hatte ein Flieger Die Vorbereitungen für den Besuch In solchen Fällen sind das Fachwissen und dies vergessen oder die Frequenz nicht von POTUS laufen seit langem, die erste die Kenntnisse von Miltner und seinen eingestellt, startete ein Polizeihubschrau- Besprechung fand bereits im September Kollegen gefragt. Davon profitieren auch ber, auf dessen Rumpf gut sichtbar die des vergangenen Jahres am Flughafen andere Länder: Im Dezember des vergan- Ziffernfolge der Frequenz geschrieben München statt, wo die bayerische Polizei genen Jahres beispielsweise unterstützte war, um den Piloten darauf aufmerksam alle Beteiligten an einen Tisch geholt hatte Miltner gemeinsam mit zwei Lotsen des zu machen. „In den vergangenen Jahren – ein Dreivierteljahr vor dem Ereignis. Fluginformationsdienstes FIS die luftsei- gab es während der Sicherheitskonferenz tige Sicherung des OSZE-Ministertreffens meist zwei bis drei Privatflieger, die sich in im schweizerischen Basel. In der Einsatz- das Flugbeschränkungsgebiet verirrten“, zentrale in Freiburg agierten die drei DFS- sagt Miltner. „In diesem Jahr gab es kei- Holger Matthies Spezialisten Seite an Seite mit der Polizei von Baden-Württemberg, sie waren dort für die technische Bedienung des Luftlagebildes verantwortlich, das mit Hilfe des DFS-Systems PHOENIX dargestellt wurde und den deutschen Teil des um Basel eingerichteten Flugbeschränkungsgebietes zeigte. Für die drei DFSler gab es hinterher viel Lob von der baden-württembergischen Polizei für die professionelle Zusammenarbeit. Für die luftseitige Sicherung der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar wurde in diesem Jahr erstmals um das Flugbeschränkungsgebiet herum noch eine zusätzliche Zone eingerichtet, innerhalb derer für alle Flieger Funkkommunika- transmission 1 – 2015 19 Administration Der Hüter der Einnahmen Klaus Schmutzer und sein Team sorgen dafür, dass Geld in die Kassen der DFS kommt. Doch der Diplom-Kaufmann ist nicht nur für die Rechnungsstellung in der DFS zuständig. Seine Aufgabe erfordert auch die Kunst der Zukunftsdeutung. K laus Schmutzer ist Leiter des Bereichs Gebührenkalkulation. 96 Prozent aller Erlöse der Deutschen Flugsicherung werden über den Gebührenbereich erhoben. Die Gebühren für An- und Abflüge stellt die DFS den Luftraumnutzern selbst in Rechnung, die Streckenflüge fakturiert die europäische Flugsicherungsagentur EUROCONTROL für ihre Mitgliedsstaaten. Die DFS übermittelt dazu alle notwendigen Daten. Doch an diese Daten zu gelangen, ist oft gar nicht so einfach. „Wir nutzen dafür alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, von den Radardatensystemen über die Flugplan datensysteme hin zu den Towersystemen“, sagt Klaus Schmutzer. Jeden Tag laufen so in der DFS 100.000 Meldungen zu Flügen ein. Eine Software analysiert dann, welche Flüge auch tatsächlich stattgefunden haben. Bei den meisten Fällen ist das relativ eindeutig. Manchmal aber gibt es widersprüchliche Angaben. Und dann ist Detektivarbeit angesagt. Schmutzers Kollegen von der Gebühren- und Flugdatenbearbeitung gehen dann auf Spurensuche. Wieso steht abrechnen. Und diese Akribie kommt nach der zurückgelegten Strecke. Über im Flugplan Boeing 777 und die Fluglotsen schließlich auch allen Fluggesellschaften die Hälfte aller Flüge, die die DFS bezie- im Tower sehen einen Airbus A380 lan- zugute. hungsweise EUROCONTROL für die DFS in den? Wieso gibt es die Meldung über eine Rechnung stellen, betreffen Airbus-Flug- Landung in Deutschland, aber keine über zeuge der A320-Familie oder Jets vom den Einflug in den deutschen Luftraum? Was kostet ein Flug? Typ Boeing 737. Im Durchschnitt kosten diese Flüge rund 400 Euro an Flugsiche- Solche Fragen müssen geklärt werden. „Wenn ich über meine Arbeit erzähle, rungsgebühren. Viel mehr Geld in die Kas- Schließlich haben die Luftraumnutzer für wollen immer alle wissen, was ein Flug sen der DFS bringen dagegen Flüge mit jede in Anspruch genommene Flugsiche- kostet“, sagt Klaus Schmutzer. Eine ein- größeren Passagierflugzeugen wie dem rungsdienstleistung zu zahlen. Nur wenn fache Antwort darauf gibt es aber nicht. Airbus A380. „Da betragen allein die An- die Gebührenabteilung gewissenhaft und Die Flugsicherungsgebühr berechnet sich und Abfluggebühren 900 Euro, im Durch- akribisch arbeitet, kann die DFS korrekt nach dem Gewicht eines Flugzeugs und schnitt muss die Airline bei einem solchen 20 transmission 1 – 2015 Flug 2000 Euro an Flugsicherungsgebüh- Seit 2012 unterliegt das Unternehmen ren in Deutschland überweisen“, sagt einer europäischen Regulierung. Früher Schmutzer. wurden die Flugsicherungsgebührensätze bei wenig Verkehr und damit wenigen Ein- Der Kaufmann kam 1993 direkt nach nahmen erhöht. Schließlich muss die Flug- seinem Studium in Frankfurt zur DFS. sicherung alle Dienstleistungen vorhalten, Damals war aus der Behörde BFS gerade auch wenn in der Luft nicht viel los ist. erst die organisationsprivatisierte GmbH Wurde dagegen viel geflogen und es floss geworden. Nach fünf Jahren im Bereich mehr Geld in die Kassen der DFS, gab die Liegenschaften übernahm Schmutzer Flugsicherung dieses Plus an Einnahmen 1997 die Leitung der Gebührenkalku- in Form einer Gebührensenkung an die lation. „In all den Jahren gab es keinen Luftraumnutzer zurück – mit einer zeitli- einzigen Tag, an dem ich nicht gerne zur chen Verzögerung von zwei Jahren. Arbeit gegangen bin“, sagt der Vater von drei erwachsenen Kindern. „Ich konnte von Beginn an mitgestalten und vieles ist mir nosen sind ein wichtiges Mittel zur Steuerung des Unternehmens Die Kartei der Gebührenkalkulation listet derzeit 15.000 aktive Kunden. Darunter sind auch Privatpiloten, die unter Bedingungen fliegen, die der Kontrolle durch die Flugsicherung unterliegen. 65.000 Flugzeuge sind im Bereich registriert, das Team erstellt jährlich 39.000 Rechnungen. allem mit dem größten Kunden der DFS – Für fünf Jahre festgelegt ans Herz gewachsen.“ Die Verkehrsprog- 15.000 Kunden der Deutsche Lufthansa AG – beschäftigt sich Schmutzer intensiv. Auch die Strategie der Low-Cost-Airlines und die Entwick- Wegen der Regulierung hat die Ver- lung der großen deutschen Hub-Flughäfen kehrsprognose einen noch bedeutende- Frankfurt und München hat er immer im ren Stellenwert als früher: Heute werden Blick. Langweilig ist das nie, denn es tut die Gebühren aufgrund einer Verkehrs- sich einiges in der Branche. „Zurzeit beob- prognose festgelegt, und zwar für eine achten wir, dass viele Billigfluggesellschaf- Zeitspanne von fünf Jahren. Wird weni- ten den deutschen Markt erobern wollen“, ger geflogen als in der Prognose ange- sagt Schmutzer. nommen, entsteht ein Minus in der Kasse. Dabei hat die DFS keinerlei Einfluss auf Im Jahr 2015 ist der Luftverkehr bisher die Verkehrsentwicklung. Jede Krise, jeder leicht gewachsen. Für ihn und sein Team Streiktag führt zu Verlusten, die nicht vor- heißt das: Fleißig Rechnungen schreiben. hersehbar sind. „Mit der Regulierung wer- Und weiter in die Zukunft blicken. Es ist nicht nur die Bearbeitung der den wir für etwas in Mithaftung genom- Rechnungen, die die Arbeit für ihn so reiz- men, für das wir nicht verantwortlich voll macht. Interessant sind vor allem die sind“, bemängelt Schmutzer. Sandra Ciupka Verkehrsprognosen, für die er gleichfalls zuständig ist. Er muss ständig im Auge Nach mehr als 20 Jahren in der Flugsi- behalten, wie sich der Markt entwickelt cherung ist er zum wahren Fachmann für und welche Bedeutung diese Entwicklung Luftverkehrsentwicklung geworden. Vor für die DFS hat. „Die Verkehrsprognosen sind ein wichtiges Mittel zur Steuerung des Unternehmens“, sagt Schmutzer. Wie viele Fluglotsen wird die DFS brauchen? Wie viel Geld wird für technische Neuerungen vorhanden sein? Solche Fragen gilt es zu beantworten. „Ich muss die Auswirkungen auf die Zukunft der DFS abschätzen.“ Dabei ist er nicht allein, sondern Mitglied einer Expertengruppe der DFS, die sich monatlich trifft und sich über die Lage austauscht. transmission 1 – 2015 21 Projekte Versiert nicht nur beim Kofferpacken Sunjay Dussoye hat in seinem Leben schon oft den Möbelwagen bestellt. Seine neue Aufgabe als Transition Manager Engineering für die DFS-Gruppe in London-Gatwick ist für ihn eine Rückkehr an seine Ursprünge. I n England Alarmstimmung auszu- als man sich auf der Insel den typischen don ist für ihn eine Rückkehr an seine lösen, war bisher eher eine Sache Deutschen vorstellt: Das ist kein Wunder, Ursprünge – in der Stadt an der Themse der deutschen Fußballnationalmann- denn sein Vater stammt von der Insel Mau- wurde er vor einem halben Jahrhundert schaft als der Deutschen Flugsicherung. ritius im Indischen Ozean, er selbst hat geboren. Dort lernte seine Mutter, die ein Doch als die DFS-Gruppe im vergangenen dort mehrere Jahre seiner Kindheit ver- Jahr als Au Pair in London verbrachte, sei- Jahr die Ausschreibung der Flugsiche- bracht. nen Vater, einen jungen Chemie-Studenten rungsdienste für den Flughafen London- aus Mauritius, kennen und lieben. Gatwick gewann, sorgte das auf engli- „Bei den Engländern kam es positiv an, scher Seite für einige Ressentiments: dass die deutsche Delegation nicht nur Sein Büro hat Dussoye noch in Bre- „Manche Zeitungen schrieben: Jetzt kom- aus Blonden und Blauäugigen bestand“, men bei der DFS, derzeit pendelt er jede men die Deutschen und übernehmen den sagt der Ingenieur der Luft- und Raum- Woche zwischen der Hansestadt und der Luftraum über London“, sagt Sunjay Dus- fahrttechnik. Als Transition Manager Engi- britischen Hauptstadt. Zeit für die Fami- soye. So etwas weckt in England ungute neering ist er für die technische Ausstat- lie ist da zwangsläufig knapp bemessen, Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. In tung der neu gegründeten Air Navigation allzu oft bekommen seine Frau und die solchen Situationen ist es hilfreich, wenn Solutions Ltd. (ANS) zuständig, die im vier Kinder den Familienvater momentan man jemanden wie Sunjay Dussoye mit im kommenden Jahr die Flugverkehrskon- nicht zu Gesicht. Völlig neu ist das für sie Team hat – der so ganz anders aussieht, trolle in Gatwick übernehmen soll. Lon- nicht, Sunjay Dussoye ist schon immer viel 22 transmission 1 – 2015 unterwegs gewesen. Das hängt nicht nur tation unvollendet ließ. „Ich hatte durch die sors zog, organisierten Dussoye und sein mit seiner Familiengeschichte zusammen, Forschungsarbeit die Tools und Methoden Team für Ingenieure und Supervisors ein sondern auch mit einer inneren Unruhe zur Hand, welche die DFS nutzen wollte.“ gemeinsames Grillen – und brachten so und einem produktiven Ehrgeiz, die ihn beide Gruppen, die zuvor nur telefonisch im Laufe seines Berufslebens wiederholt Nach sieben Jahren im Bereich Stra- dazu bewogen haben, sicheres Terrain zu tegie, davon fünf als Leiter, wuchs die verlassen und etwas Neues zu beginnen. Lust auf etwas Neues: Wieder packte Lehrauftrag in Berlin miteinander zu tun hatten, erstmals persönlich zusammen. Es funktionierte. er die Koffer und ging 2006 als Liaison Dass ohne Teamwork nichts funkti- Officer der DFS für ein Jahr zur US-ame- oniert, erlebt der Manager nicht nur im rikanischen Luftfahrtbehörde FAA nach Job, sondern auch zu Hause, wo seine Washington D.C. – mit seiner Frau und den Frau Irina die Hauptlast bei der Erziehung Sein Traum, Pilot zu werden, platzte mittlerweile drei Kindern. „Dort erhielt ich der Kinder trägt und daneben als Inspek- einst wegen einer Sehschwäche. Den unter anderem Einblicke in das Remote- torin im Finanzamt Bremen arbeitet. „Sie Weg in die Luftfahrtbranche ließ er sich Tower-Programm der FAA“, erinnert sich schmeißt zu Hause den Laden allein, weil dadurch nicht verbauen – an der Tech- Dussoye. „Die Amerikaner waren damals der Mann nie da ist. Ohne sie hätte ich das nischen Universität Berlin studierte er auf diesem Gebiet schon weit, hängten alles nicht geschafft.“ Sicher auch nicht Luft- und Raumfahrttechnik mit Schwer- das aber nicht an die große Glocke.“ den Abschluss als Executive MBA an der punkt Flugzeugtechnik. „Auf die flug Nanyang Universität in Singapur, für den sicherungstechnische Seite bin ich erst er im vergangenen Jahr seinen Urlaub und später gewechselt“, sagt Dussoye. Direkt die knappe Freizeit nutzte. Bevor er für nach Ende des Studiums erhielt der frisch gebackene Ingenieur einen Anruf von der Universität Kassel: Ob er sich vorstellen könne, bei einem europäischen Forschungsprojekt für Data-Link-Technik in So etwas schafft man nur gemeinsam mit den Mitarbeitern Flugzeugcockpits mitzumachen. Er packte die Aufgabe in London zusagte, tagte der Familienrat. Auf die gleiche Unterstützung, die er dort erfuhr, hofft er jetzt bei seinen beruflichen Mitstreitern in England. Dort weiß man auch dank Sunjay Dussoye, dass Deutschland heute nicht nur eine modern seine Koffer und zog ins Hessische. Nach spielende Nationalmannschaft hat, son- anderthalb Jahren meldete sich die TU Nach der Rückkehr aus den USA über- Berlin wieder: Man suche einen Ingenieur nahm er in der Kontrollzentrale Bremen mit Praxiserfahrung für die Ausbildung die Leitung des Technikbereichs – wie- der Studenten. Er sagte zu, bestellte den der eine neue Aufgabe, wieder eine neue Möbelwagen und wurde an der TU Berlin Heimat für die Familie. Während seiner Dozent mit Lehr- und Forschungsauftrag; Zeit als Technik-Chef führte Bremen das gleichzeitig begann er dort, seine Disser- papierlose Kontrollstreifensystem PSS tation zu schreiben. Thema war die stra- (Paperless Strip System) und den EoD tegische Planung für Unternehmen, die (Engineer on Duty) ein. Für die Arbeit der sich in einem wirtschaftlich schwierigen Lotsen eine große Umstellung. „So etwas Umfeld behaupten müssen. schafft man nur gemeinsam mit den Mit- dern auch eine weltoffene Flugsicherungsorganisation multinationaler Prägung. Holger Matthies arbeitern“, sagt Dussoye. „Man braucht Ein Thema, das auch die kurz zuvor Leute, die man hinter sich bringt und die organisationsprivatisierte DFS interes- dann andere überzeugen und mitziehen. sierte, die sich stärker in Europa posi- Das kann man nicht verordnen, das funk- tionieren wollte und bei der Dussoye einen tioniert nur freiwillig.“ Sein Rezept dafür: Workshop für den Praxisteil seiner Disser- Glaubwürdig bleiben und nichts verspre- tation absolvierte. Abermals klingelte sein chen, was man nicht halten kann. Telefon: Die DFS bot ihm an, in ihren Strategiebereich zu wechseln. „Die Offerte war Bevor mit der Einführung des EoD der lukrativer als eine Entlohnung mit BAT IIA diensthabende Ingenieur, der bis dahin im öffentlichen Dienst“, sagt Dussoye, der in einem gesonderten Raum Dienst tat, dem Ruf der Praxis folgte und die Disser- in den Kontrollraum neben die Supervi- transmission 1 – 2015 23 Projekte Tower mit Fernbedienung Bislang sitzen an allen 16 internationalen Flughäfen in Deutschland Fluglotsen. Das ändert sich: Künftig will die DFS den Verkehr an den drei kleinsten Airports aus der Ferne überwachen. Cengiz Özdemir leitet das Projekt – und bekommt gerade mehr Aufmerksamkeit, als ihm lieb ist. C engiz Özdemir ist keiner, der im Mittelpunkt stehen muss. Umso ungewohnter ist es, dass sich derzeit alle für ihn interessieren – Hersteller von Flugsicherungstechnik, Flugsicherungen, Airlines, Lokalreporter und Fachjournalisten. „Sogar die New York Times wollte berichten“, sagt der 36-Jährige. Das Interesse ist so groß, weil Özdemir bei der DFS ein Projekt leitet, das die Flugsicherung nachhaltig verändern könnte: Remote Tower Control, kurz RTC. Bislang sitzen an allen internationalen Flughäfen in Deutschland, großen wie kleinen, Lotsen im Tower, die Starts und Landungen kontrollieren. Künftig sollen die drei Airports mit dem wenigsten Verkehr – zunächst Saarbrücken und Erfurt, dann auch Dresden – von Leipzig aus kontrolliert werden. Dass eine solche Fernbeziehung funktioniert, ist bereits erwiesen: Seit April 2015 wird der Flugplatz der kleinen nordschwedischen Gemeinde Örnsköldsvik vom Flughafen Sundsvall aus kontrolliert, etwa 150 Kilometer weiter südlich. Die Fluglotsen dort haben nicht nur alle technischen Systeme zur Verfügung – sie sehen auch, was vor Ort passiert: In Örnsköldsvik sind Kameras installiert, die Bildinformationen werden auf Monitore übertragen. Es ist weltweit das erste zugelassene RTC-System im täglichen Betrieb. Auch die britische Flugsicherung setzt auf das Konzept. Sie betreibt am Flughafen Heathrow einen sogenannten Virtual Tower: eine Contingency-Einrichtung für den Fall, dass der eigentliche Tower einmal ausfallen sollte. Einen Ersatz für den Blick aus den Tower-Fenstern gibt es dort aber nicht. 24 transmission 1 – 2015 Ist RTC also ein alter Hut? Im Gegenteil, tem nachhaltig einführen“, sagt Özdemir. sein – etwa in München, wo wegen Nebels sagt Özdemir: „Unser System wird Dinge Das bedeutet: Die Technik muss fehler- häufig der Verkehr reduziert werden muss. können, die es in dieser Kombination frei funktionieren. Und: Lotsen wie Techni- Und: In einem nächsten Schritt könnte nirgendwo gibt.“ An den drei Flughäfen ker müssen Vertrauen in RTC haben. „Die man das System so weiterentwickeln, Saarbrücken, Erfurt und Dresden werden wichtigste Aufgabe ist, die Mitarbeiter mit- dass ein Lotse nicht nur einen, sondern nämlich nicht nur feste und schwenkbare zunehmen“, sagt der 36-Jährige, der seit mehrere Flughäfen zugleich kontrolliert. Kameras, sondern auch Infrarotsensoren sieben Jahren bei der DFS ist. „Dann hätte man richtig tolle Effekte“, installiert. Damit haben die Lotsen auch bei schlechter Sicht einen Überblick über den Verkehr. Außerdem gehörte es zu den sagt Özdemir – und klingt dabei wie ein Innovatives Projekt stolzer Vater, der davon schwärmt, was der Jüngste schon alles kann. DFS-Anforderungen, dass sich bewegende Objekte nicht nur erkannt und hervorgeho- Dass der Diplom-Informatiker zur Luft- Özdemir selbst hat zwei Söhne, acht ben, sondern automatisch verfolgt werden fahrt kam, ist eher Zufall. Nach der Uni und sechs Jahre alt. „Meine Familie ist können – eine Entlastung für den Lotsen. hatte er gleich vier Jobs zur Auswahl: bei meine Ruhezone, da kann ich am besten Diese Features sind Ergebnis eines lan- einer Bank, bei einem Telekommunikati- abschalten“, sagt er. Klar, für das Pro- gen Auswahlprozesses, bei dem zuletzt onskonzern, bei der Lufthansa – und bei jekt ist er viel unterwegs – in Kanada und drei Anbieter um die beste Lösung wettei- der DFS. Weil er während des Studiums Schweden, Leipzig und Dresden, Saarbrü- ferten. „Wir haben unsere Anforderungen schon beim Frankfurter Flughafenbetrei- cken und Erfurt. Dazwischen ist aber auch immer weiter konkretisiert“, sagt Özde- ber gearbeitet hatte, entschied er sich an immer wieder Zeit für seine Frau und die mir. Das trieb die Hersteller zu Höchstleis- dieser Karriere-Kreuzung für die Luftfahrt. Kinder. „Das Gute bei der DFS ist, dass tungen. „Die haben selbst gesagt: Allein Und weil der Lufthansa-Job eine Menge man Beruf und Familie vereinbaren kann“, durch ihre Ausschreibung hat die DFS Dienstreisen erfordert hätte und er gerade sagt Özdemir und schaut auf die Uhr. Er unsere Remote-Tower-Lösung ein ganzes Vater geworden war, fiel Özdemirs Wahl hat nämlich noch einen wichtigen Termin Stück nach vorne gebracht.“ auf die DFS. „Die Entscheidung war gold- – auf dem Fußballplatz, beim Training sei- richtig“, sagt der 36-Jährige. „Dass ich nes Ältesten. Hier gibt es für den Spezia- einmal ein so innovatives Projekt leiten listen für funktionierende Fernbeziehungen werden, hätte ich mir nie träumen lassen.“ nur einen Ort: ganz nah am Spielfeldrand. Für die Validierung nehmen wir uns viel Zeit. Für die DFS bringt RTC mehrere Vor- Christopher Belz teile. Zwar wird auch in Zukunft jeder der drei kleinsten Flughafen von einem eigenen Lotsen kontrolliert, doch der hat – Den Zuschlag erhielt im März 2015 Fre- anders als heute – nicht nur die Berech- quentis. Der österreichische Anbieter hat tigung für einen Airport, sondern für alle nun damit begonnen, am Flughafen Saar- drei. Dadurch kann die DFS ihr Personal brücken Kameras und Infrarot-Sensoren zu deutlich flexibler einsetzen als derzeit. installieren sowie eine Validierungskonsole Zusätzliche Vorteile ergeben sich dadurch, aufzubauen. Ein Jahr lang soll das Sys- dass die Startfreigaben an den drei Flug- tem auf Herz und Nieren geprüft werden. häfen künftig von einem Lotsen gemein- Parallel zur Validierung wird der Flughafen sam erteilt werden – das sorgt dafür, dass Erfurt ausgerüstet und im Tower Leipzig der Mitarbeiter besser ausgelastet ist. der künftige RTC-Betriebsraum eingerichtet. Sobald die Lotsen geschult sind, soll Doch in RTC steckt noch mehr. So gibt 2017 von hier aus erst Saarbrücken und es die Absicht, in einem späteren Projekt dann Erfurt kontrolliert werden. Anschlie- an den beiden nächstgrößeren Flughäfen ßend ist eine Pause eingeplant, in der die Münster/Osnabrück und Bremen eben- Projektziele überprüft werden. Dann wird falls Remote-Tower-Dienste bereitzustel- RTC auch in Dresden eingeführt. „Für die len. Außerdem könnte die Infrarot-Technik, Validierung nehmen wir uns ganz bewusst die bei RTC eingesetzt wird, auch an gro- sehr viel Zeit, denn wir wollen das Sys- ßen Airports eine wertvolle Unterstützung transmission 1 – 2015 25 DFS intern Umweltpreis für direkte Routen Das Projekt „Free Route Airspace Maastricht and Karlsruhe (FRAMaK)“ ist Gewinner des diesjährigen IHS Jane‘s ATC Awards in der Kategorie Umwelt. Ziel des Projekts war es, die betrieb- ihre Flugstrecken um 1,5 Millionen Nauti- Entwicklungen von der Zeitschrift IHS liche Machbarkeit und die Vorteile grenz- sche Meilen verkürzen. Dadurch können Jane’s Airport Review vergeben. überschreitender Direktrouten und Trajek- bis zu 9000 Tonnen Treibstoff eingespart torien im komplexen und vielbeflogenen und CO2-Emissionen um 30.000 Tonnen „Dass wir diesen Preis erhalten haben, Luftraum über Belgien, Luxemburg, den reduziert werden. Die Fluggesellschaften bestätigt die gute Zusammenarbeit von Niederlanden und großen Teilen Deutsch- können so besser planen, weniger Treib- Flugsicherungsorganisationen und Flug- lands nachzuweisen. Mit insgesamt 466 stoff an Bord nehmen und es gibt weniger gesellschaften bei der Verbesserung der veröffentlichten, grenzüberschreitenden Abweichungen vom Flugplan. Flugeffizienz und der Verringerung von Direktrouten ist das Streckennetz erheb- CO2-Emissionen und das kommt Stake- lich angewachsen. Dies ermöglicht deut- FRAMaK war ein Gemeinschaftsprojekt holdern, Passagieren und der gesamten liche Kosteneinsparungen für Flugge- der DFS, der EUROCONTROL-Kontrollzen- Gesellschaft zugute“, betont DFS-Chef sellschaften und eine Reduzierung des trale Maastricht und der Deutschen Luft- Prof. Klaus-Dieter Scheurle. CO2-Ausstoßes. hansa im europäischen Programm Single European Sky ATM Research (SESAR). Der Gemäß den vom Projekt veröffentlich- ATC Award wird einmal jährlich als Aner- ten Zahlen können die Fluggesellschaften kennung für herausragende Projekte und red Windkraft: Ablehnung kommt sehr selten vor In den Medien wird mitunter der Eindruck erweckt, die DFS und das Bundesamt für Flug sicherung stünden dem Thema Windkraft ablehnend gegenüber. Dabei zeigt ein Blick auf die Zahlen, dass das Gegenteil der Fall ist. Im Jahr 2014 wurden der DFS insge- Bestand zum Jahresende stieg damit auf samt 1349 Anträge zur Begutachtung knapp 25.000 Anlagen mit einer Gesamt- vorgelegt, bei denen eine Windkraftan- leistung von mehr als 38.000 Megawatt. lage innerhalb des Schutzbereichs einer Flugsicherungsanlage errichtet werden Windkraftanlagen können jedoch die sollte. In 92 Prozent aller Fälle hatte die terrestrischen Navigationsanlagen der DFS keine Bedenken, nur acht Prozent DFS stören. Um ein Sicherheitsrisiko aus- der Anträge mussten vom Bundesamt für zuschließen, hat die internationale Zivil- Flugsicherung (BAF) abgelehnt werden. luftfahrtorganisation ICAO einen Schutz- Die Ablehnungsquote der Vorjahre ist ver- bereich festgelegt. Wer innerhalb dieses gleichbar niedrig – und das, obwohl durch Areals eine Windkraftanlage errichten die steigende Zahl der Anlagen die mögli- möchte, braucht dafür die Zustimmung chen Konflikte mit Flugsicherungsanlagen des BAF. In dessen Auftrag erstellt die immer weiter zunehmen. DFS dann gutachterliche Stellungnahmen. Das Oberverwaltungsgericht Lüne- 26 transmission 1 – 2015 Nach Angaben des Bundesverbandes burg hat diese Entscheidungskompetenz Windenergie wurden 2014 knapp 1700 und den Genehmigungsprozess im Dezem- Windkraftanlagen neu installiert, der ber 2014 bestätigt. DFS intern Top bei Sicherheit und Pünktlichkeit Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Vorsitzender der DFS-Geschäftsführung, hat im April die jährlichen Leistungszahlen zu den Themen Sicherheit, Verkehr, Pünktlichkeit und Wirtschaftlichkeit vorgestellt. Insgesamt zog er eine positive Bilanz für das Jahr 2014. Impressum transmission Das Magazin der DFS Herausgeber: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Michael Kraft, Leiter Unternehmenskommunikation Beim Kernthema Sicherheit im deut- Auch die gute Pünktlichkeit der Flug schen Luftraum wurde das hohe Niveau sicherung hat sich mit rund 0,3 Minuten der vergangenen Jahre fortgeführt. Die Verspätung pro Flug und keine durch die unabhängige Expertenkommission APEG Flugsicherung verursachten Verspätungen (Aircraft Proximity Evaluation Group) im An-/Abflug fortgesetzt. Rund 98 Prozent identifizierte im vergangenen Jahr keine aller Flüge waren im Zuständigkeitsbereich Christopher Belz Luftfahrzeugannäherung der Kategorie A der DFS ohne jede Verzögerung unterwegs. Tel.: +49 (0)6103 707-4121 (unmittelbare Gefährdung) und fünf Vor- Redaktion: Sandra Ciupka (verantwortlich) Tel.: +49 (0)6103 707-4122 E-Mail: [email protected] E-Mail: [email protected] fälle der Kategorie B (Sicherheit nicht Das Finanzergebnis des Jahres 2014 gewährleistet), davon zwei mit Beteiligung bezeichnete Prof. Scheurle als „gut“. An der Flugsicherung. Umsatzerlösen wurden 1.105 Millionen Euro erzielt. Als größten Posten mit 693 Holger Matthies Tel.: +49 (0)6103 707-4124 E-Mail: [email protected] Die Verkehrszahlen stiegen im Jahr Millionen Euro und damit 71 Prozent an 2014 zwar leicht an: Mit 2.980.437 Flügen den Gesamtkosten der DFS gab er die nach Instrumentenflugregeln bewegt sich Personalkosten an, mit rund 73,5 Millio- die Anzahl jedoch noch immer unter der nen Euro (nach HGB) den erwirtschafte- Drei-Millionen-Marke und die Rekordzahl ten Jahresüberschuss. Weil die Einnah- Layout und Umsetzung: des Jahres 2008 (3,15 Millionen) konnte mesituation aufgrund der Regulierung bsmediengestaltung, Egelsbach nicht wieder erreicht werden. Am 27. Juni nicht beeinflusst werden kann, hat die DFS www.bsmediengestaltung.de 2014, dem verkehrsreichsten Tag des ein ambitioniertes Fünf-Punkte-Programm Jahres, wurden 10.052 Flüge nach Instru- gestartet, um die Ausgaben zu senken. mentenflugregeln gezählt; der verkehrs- Dazu gehören auch Kürzungen im Perso- reichste Monat war der September. nalbereich: Seit 2014 sank die Zahl der Mitarbeiter um 300 auf heute rund 5800. Rüdiger Mandry (Schlussredaktion) Tel.: +49 (0)6103 707-4195 E-Mail: [email protected] Illustrationen Idee und Umsetzung – bsmediengestaltung Bildnachweis Melanie Bauer (2, 8, 16), Christopher Belz (4), bsmediengestaltung (18, 26), Hans-Jürgen Koch, Holger Matthies (22). Anschrift der Redaktion: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Redaktion transmission Am DFS-Campus 10 63225 Langen E-Mail: [email protected] Nachdruck nur mit Genehmigung. Prof. Klaus-Dieter Scheurle bei der DFS-Pressekonferenz. transmission 1 – 2015 27 Ready for departure: Bestellen Sie die aktuellen Karten 2015! VON NORD NACH SÜD, OST NACH WEST ODER IN DIE NACHBARLÄNDER. Motorflugkarten im Überblick: - ICAO-Karte 1:500.000 Deutschland - ICAO-Karte 1:250.000 Rhein-Ruhr - Europäische Karten der Serie V500: Austria, Switzerland, France NE, Belgium, Netherlands, Denmark, Poland NW + W und Czech Republic Segelflugkarten im Überblick: - ICAO-Segelflugkarte Deutschland - ICAO-Segelflugkarte Rhein-Ruhr - Visual 500 Austria Glider Für Ihre Schulungs- & Vereinsräume auch als ICAO-Wandkarte Deutschland erhältlich. +49 6103 20596 0 www.eisenschmidt.aero facebook.com/eisenschmidt.aero [email protected]
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