Romerotag 21.3.2015 Referat: Saatgut konkret: Wir alle sind ZüchterInnen Einleitung: Es freut mich ihnen über meine Tätigkeit als Sortenbetreuerin bei der Pro Specie Rara (kurz PSR) erzählen zu dürfen Übersicht: 1 Wann, wieso entstand PSR 2 Wie kam ich zu PSR 3 Meine Aufgabe als Sortenbetreuerin 4 Pflanzenbeispiele 5 PSR heute 6 Wir alle sind Samenzüchter und –Züchterinnen Bücher zum Thema sind auf dem Tisch 1. Wann, wieso entstand PSR? Gegründet wurde sie 1982 durch Hanspeter Grünefelder in St. Gallen Er arbeitete für den WWF mit bedrohten Wildtieren, merkte dabei, dass auch domestizierte, alte Tierrassen vom Aussterben bedroht sind und dadurch genetisches Erbgut verloren geht. Das gleiche Phänomen sah er später auch bei den Kulturpflanzen. Ich spreche ausschliesslich über den Pflanzenbereich. 2. Wie kam ich zu PSR? Über die Erklärung von Bern (kurz EvB). Sie gab 1987 dieses Kochbuch heraus zeigen Darin fand ich mir bisher unbekannte Gemüsesorten. Als wir ab 1988 einen eigenen Garten hatten, suchte ich in allen Sämereien der Umgebung Kardysamen, fand aber keinen. 1990 las ich über die PSR; da wusste ich sofort: Das ist etwas für mich! Mich interessierten die unbekannten Gemüsesorten, aber der Fokus an der Erbgut-Erhaltung war mir erst noch fremd. So suchte ich aus der Liste jene Pflanzen heraus, die mir ganz unbekannt waren, der Erfolg war entsprechend. Einiges gelang nicht. 3. Meine Aufgabe als Sortenbetreuerin bei PSR In unserm Garten betreue ich aktuell 8 verschiedene Pflanzen. Da sind einmal die Etagen- Winterhecken- und Heilzwiebeln; die haben ihren festen Platz. Dann habe ich Blattgemüse wie gelben Nüsslisalat und die Gartenmelde; sie sind einjährige Samenträger. Dazu gehören auch die Bohnen und Erbsen. Zweijährige Samenträger sind die Kardy-Pflanzen, sie sind verwandt mit der Artischoke; gegessen werden die gebleichten Stiele, Im ersten Jahr wird gesät, im Blattstadium überwintern sie. Im zweiten Jahr entwickeln sich Blüten und Samen; die Pflanzen können auch mehrjährig sein. Die grossen blauen Blütenstände sind eine Augen-und Bienenweide. Bilder Kardyblüte mit Bienen, Kardystaude Samen von 4 Pflanzen stelle ich in den Sortenfinder der PSR, woraus Gönner und Gönnerinnen Sie Samen gratis bestellen können Sortenfinder zeigen PSR gibt jährlich eine rote Liste heraus mit Pflanzen, die unbekannt sind, und/oder von denen nur noch wenige Samen vorhanden sind. Daraus können Sortenbetreuerinnen und -betreuer wählen, welche sie im Garten vermehren möchten. Deren Samen wird in der Regel an PSR zurück gesandt und man kann entscheiden, ob die Pflanze weiter betreut wird oder nicht. Für diesen Sommer erhielt ich eine Bohnensorte aus einem Nachlass; wir wissen nichts über die Bohne ausser ihrem Namen „Rugler.“ Meine Aufgabe ist nun, sie zum Keinem, Wachsen und Reifen zu bringen. Dabei ihre Eigenschaften beschreiben, wie Wachstum, Widerstandsfähigkeit Ertrag und Geschmack. Mal sehen was daraus wird. Eine besondere Beziehung habe ich zu einer Mark-Erbse dem „Bouverli Helmishub“ Samen dieser Erbse erhielt ich vor wenigen Jahren von einer über 80jährigen Bekannten aus dem Thurgau, die sie immer noch aussäte. Schon ihre Grossmutter pflanzte sie im 19. Jahrhundert an, sie nannten sie einfach Bouverli, was vom französischen pois vert (grüne Erbse) stammt. Im Thurgau nannten wir die Auskern-Erbsen so. Ich pflanzte die Samen in unserem Garten; sie überraschten mich mit ihren grossen süssen, grünen Erbsen. Zwei Jahre später stellte ich sie an einem Aktiven-Treffen der PSR vor; nach einem weiteren Versuch wurde sie ins Sortiment aufgenommen und wir konnten ihr einen Namen geben. Meine Thurgauer Bekannte gab ihr den Namen Bouverli Helmishub, nach dem Wohnort ihrer Grossmutter. Bild Erbse Bouverli Wie Pflanzen zu ihren Namen kommen können, möchte ich Ihnen am Beispiel von Bohnen erläutern: Bohnen zeigen herum geben Lilaschecke: violett/weiss gefleckt Bild Chriesistein: kirschsteinähnliche Bohnen Monstranz: monstranzähnliche Zeichnung YinYang Bohne Puffbohne dazu später mehr Die Sortenbetreuenden treffen sich jährlich zur Weiterbildung, zu Fachund Samenaustausch, was immer sehr interessant ist, auch das Kulinarische, denn jede Person bringt etwas Essbares aus ihrem Garten mit. Mit der Samenproduktion entwickelte ich eine neue Beziehung zum Garten. Auch der Gemüsegarten kann blühen und duften. Besonders angetan haben es mir die kaum sichtbaren Blüten der Gänsefussgewächse, wie Randen und Krautstiele; obwohl vom Wind bestäubt haben sie einen, für mich zarten feinen Duft. Bild blühende Randen Blüten und Samenstände ergeben zudem wunderschöne Blumensträusse. Es veränderte sich auch mein Verhalten zur Ernte von Gemüse. Es wirkt fast alt-testamentlich: Für die Samenzucht sollten immer die stärksten, schönsten Pflanzen dienen. Zudem sollten die ersten, schönsten Früchte geerntet werden; diese kommen bei uns nie auf den Tisch. Aus meiner anfänglichen Neugier an ungekannten Gemüsen wie der zwei Meter hohe Baumspinat, die farbigen Tomaten, Kartoffeln und Karotten, bin ich zu einer überzeugten Verfechterin für samenfeste Pflanzen geworden und möchte mich einsetzen für den Erhalt von alten Kulturpflanzen, um die genetische Vielfalt zu erhalten, um auch die Eigenständigkeit im Samenanbau zu sichern. Wenn ich heute noch Samen kaufe, muss er nicht nur biologisch sein, sondern auch „samenfest“. Kataloge für samenfeste Sorten finden sie auf dem Büchertisch; Adresslisten können sie gerne mitnehmen. 4. Pflanzen-Beispiele Bilder von verschiedenen Pflanzen zeigen und kommentieren Spinat kennen wir heute meist im gefrorenen Zustand vielleicht noch frisch vom Markt. Wussten sie dass es einen Baum-, Erdbeer-, Kletter- und Neuseeländerspinat gibt, die gelbe rote, grüne Gartenmelde? Krautstiele in den Farben von weiss bis dunkelrot. Rote gelbe weisse und rotweissgestreifte Randen. Bilder Baumspinat, rote Melde Im Vorfeld für diesen Tag wurde ich gefragt: Gibt es bei uns eine prominente Kulturpflanze, so wie es etwa der Mais in Latein-Amerika ist? Das kann ich so nicht beantworten. Die Puffbohne aber war, bevor die Gartenbohne aus Amerika kam, unser wichtigster Eiweisslieferant, die ältesten Funde datieren auf etwa 6500 Jahre vor Christus, in der Nähe von Nazareth. Am Ende der Bronzezeit kam sie nach Mitteleuropa. Nachdem die Gartenbohne bei uns Fuss fasste wurde die Puffbohne (auch Acker- oder Saubohne) genannt, eher für die Tierfütterung angebaut; heute ersetzt Soja die Puffbohne!!! Neu wird sie vereinzelt wieder in Gärten angebaut. ( In der Jungsteinzeit gab es bei uns Hülsenfrüchte, Gerste, Dinkel, Lein, in der Bronzezeit, dann auch Roggen). 5. PSR heute In ihrem Archiv in Basel liegen über 1500 verschiedene Samen, die für den Erhalt regelmässig ausgesät werden, was die 400 Sortenbetreuenden schweizweit tun. Heute erhält sie vorwiegend Samen aus privaten Nachlässen und von Samenfirmen, die nicht verkaufbare Samen aus dem Handel ziehen. PSR führt verschiedene Kurse, Veranstaltungen und Märkte durch, und sie unterhält Nutz- und Zierpflanzengärten. Der wahrscheinlich bekannteste liegt auf Schloss Wildegg. 2014 lancierte die EvB zusammen mit der PSR eine Kampagne über die bedrohte Vielfalt beim Saatgut und den Einfluss der grossen Saatgutfirmen, (für die Evb läuft sie dieses Jahr noch weiter.) 6. Wir alle sind ZüchterInnen. Die Angebote der PSR Ja, wir alle können unsere eigenen Samen züchten, sofern er von samenfesten Pflanzen stammt. Es dürfen selbstverständlich keine Hybridsamen sein. Einjährige Samenträger, wie Kresse, Tomaten oder Gartenmelde, die Sie mitnehmen können, sind meines Erachtens zum Ausprobieren geeignet. Sie können auch auf einem Balkon gesät werden, es bedingt aber dass jeweils nicht alles geerntet wird. PSR hat für EinsteigerInnen ein Probierset entwickelt mit verschiedenen Samen. Es gibt auch das Stadt-Tomaten Projekt mit Samenaustausch im Herbst. Infos dazu finden Sie auf dem Tisch. Wer Sortenbetreuerin der PSR werden möchten, kann mit einem Probierset beginnen, Erfahrungen sammeln und einen Samen-Anbaukurs besuchen. Habe ich sie anstecken können für den Wert von samenfesten Pflanzen und zum spannenden Ausprobieren dessen, was unsere Grosseltern wahrscheinlich noch konnten? Dann wünsche ich ihnen dabei viel Freude. Ich danke Ihnen.
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