Das Kino von Hou Hsiao-hsien Hou Hsiao-hsien sowie die Suche nach Heimat und Identität sind universell wie eh und je. Dabei weht durch alle Filme ein nostalgischer Duft, der sich mit persönlichen Regungen vor dem Hintergrund historischer Prozesse mischt. Nachdenkliche Augen verharren im Strom der Zeit, aus flackernden Lichtern entsteht eine poetische Reflektion und, ohne dass man es merkt, hat sich in die alltäglichen Bewegungen ein bewegendes Drama gemischt. Sein vielleicht definitives Werk, wenn es um die Verbindung von persönlichen und historischen Prozessen geht, ist DER MEISTER DES PUPPENSPIELS. Darin lässt Hou den unglaublichen Li Tien-lu, der immer wieder durch die Filme strolcht, furzend oder Feuerwerkskörper werfend, seine wahre Lebensgeschichte als Puppenspieler vor verschiedenen politischen Hintergründen erzählen. Li befindet sich immer am Rand der wechselhaften Geschichte seines Landes und zugleich mitten drin. Taiwan ist durch die Formosastraße vom chinesischen Festland getrennt und wurde in seiner Geschichte von fünf unterschiedlichen Regimes regiert. Die schwierigsten Phasen erlebte das Land während der japanischen Kolonialherrschaft (1895–1945) und 53 hou hsiao-hsien © olivier assayas Hou Hsiao-hsien (Jahrgang 1947) ist einer der bedeutendsten asiatischen Filmemacher. Als Regisseur, Schauspieler, Drehbuchautor und Produzent erforscht er unermüdlich seine eigene Kultur. Wer ihn in HHH – PORTRAIT DE HOU HSIAO-HSIEN von Olivier Assayas erlebt, sieht einen in sich ruhenden und doch neugierigen Geist, der in einer Sekunde gelangweilt wirken kann und in der nächsten mit Inbrunst emotionale Songs beim Karaoke zum Besten gibt. Die Gefühle brodeln unter der scheinbaren Gleichgültigkeit, und ganz ähnlich funktioniert auch sein Kino. Umgeben von einer hochbegabten stock company hat Hou eine völlig individuelle Filmsprache entwickelt. Er ist ein getriebener Perfektionist, der es immer wieder vermag, auf neue und doch unverkennbare Art einen epischen und intimen Film zu drehen. Umso erstaunlicher ist, wie rar die Gelegenheiten sind, sich seinem verwobenen und zugleich vielschichtigen Werk zu nähern. Es ist vor allem deshalb erstaunlich, weil sich die filmische Sprache von Hou bis heute immer weiter verändert und er am Puls der Zeit arbeitet. Seine Fragen an das Erwachsenwerden, die Liebe Hou Hsiao-hsien 54 unmittelbar danach durch die nationalistische Kuomintang Chinas (1949–1992). Als Hakka-Chinese weiß Hou viel über das multikulturelle Taiwan samt all seiner Feindlichkeit und Schönheit aus eigener Erfahrung. In seinen fiktionalen Welten wechseln sich das Chinesische und das Taiwanesische immer wieder ab. Dabei scheut er weder vor überraschenden Sentiments gegenüber Japan, noch vor der Kollision unterschiedlicher Dialekte in seinen Filmen zurück. Hou erzählt von der Identitätssuche eines hybriden Volkes. Historische Filme wie EINE STADT DER TRAURIGEIT, GOOD MEN, GOOD WOMEN oder DER MEISTER DES PUPPENSPIELS zeigen, wie man sich nicht eindeutig ausdrücken kann im Bezug auf die Geschichte. Der Regisseur wird gerne als Chronist seines Landes gesehen, aber in seinen Filmen entdeckt man vielmehr das intime Treiben einer Flucht vor der Geschichte, eine Rückbesinnung auf das Leben selbst, das so viel mehr offenbart als eine Chronologie, nämlich die Geschichten am Rand der Geschichte. Häufig treten die Figuren selbst als Chronisten auf. Sie schreiben Tagebücher oder Briefe und machen Foto- oder Tonaufnahmen. Begonnen hat für Hou alles mit dem sentimentalen Reigen des Mainstreams in Taiwan. Er studierte Kunst an der Nationaluniversität Taiwan, laut eigener Aussage, um Geld zu verdienen und ein einfaches Leben zu haben. Seine ersten Jobs als Assistent und Drehbuchautor absolvierte er im Rahmen des industriellen Filmemachens. Geprägt wurde er dabei vom wenyi pion, dem traditionellen chinesischen Melodram. Frühe Filme wie CHEERFUL WIND zeigen diesen Einfluss deutlich. Es sind gefühlsgeladene Narrative mit bekannten Popstars in den Hauptrollen, die sich irgendwo zwischen progressiven Ansichten zur Gesellschaft, Lyrik und Kitsch entfalten. Sentimentale Spuren finden sich eigentlich in der gesamten Laufbahn von Hou, aber immer mehr gelang es ihm, seine ganz eigene Wahrnehmung der Welt in seine Bildsprache einzuarbeiten. Dramatische Ereignisse wie das Sterben oder das Lieben wurden mehr und mehr in den ruhig fließenden Rhythmus des Lebens eingebettet. Es gibt einige Gründe für diesen Wandel. Zum einen lernte er eine Gruppe anderer Filmemacher kennen, darunter Edward yang. Gemeinsam veränderten sie die nationale (Film-)Kultur. DER SANDWICH-MANN ist ein typisches Beispiel dieses Neuen Taiwanesischen Kinos. Hous Episode sticht heraus aus diesem Omnibus-Projekt, das man durchaus als Manifest einer neuen Filmgeneration sehen kann. Wie im italienischen Neorealismus geht es um einen existenziellen Überlebenskampf im Angesicht prekärer sozialer Umstände. Allerdings sollte Hou schon bald den Filter der Erinnerung auf seine Filme legen. Das lag auch daran, dass er die Drehbuchautorin Chu Tien-wen kennenlernte. Gemeinsam mit ihr begann er eine Serie autobiografischer Kindheits- und Jugenderzählungen wie GROSSE FERIEN, GESCHICHTEN EINER FERNEN KINDHEIT oder LIEBE, WIND, STAUB. Erstaunlich dabei ist, zu welch großartigen Performances Hou seine Laiendarsteller bringt. Der weitestgehende Verzicht auf geschriebene Dialoge trägt maßgeblich dazu bei. Ohne Erklärungen oder Expositionen wird man in eine Welt geworfen, die aus alltäglichen Fragmenten besteht und nicht zuletzt deshalb zugleich real und persönlich wirkt. Obwohl die Filme ein Gefühl von Distanz vermitteln, rühren sie plötzlich zu Tränen und man sitzt zitternd vor der Natur einer wahrgewordenen Menschlichkeit. Es sind unvergessliche Bilder von sitzenden Vätern, schuftenden Müttern, Laternenlichtern oder dem Wind, der die Gräser bewegt. Bei Hou treffen sich Vergangenheit und Vergänglichkeit in einer unvermeidbaren Gegenwart. Dabei sprechen die Filme über die nationale Geschichte aus der Erinnerung einfacher Menschen. Nostalgie und Melancholie übertragen sich in schmerzender Wahrhaftigkeit auf den Zuschauer. Hou ist ein Filmemacher, der das ländliche Leben mit seiner pastoralen Schönheit in den Fokus stellt. Dennoch ist auch die Stadt für ihn von großer Bedeutung. Sei es als Gegensatz zum Land, wie in DIE FERNEN TAGE MEINER KINDHEIT, oder als urbane Entfremdung, die er vor allem in seinem hypnotischen MILLENNIUM MAMBO erforscht. In Letzterem zeigt sich auch, wie stark sich Hou an die Vergangenheit klammert. Der Film hatte im Jahr 2001 Premiere und in eben diesem Jahr spielt er auch, aber die Erzählstimme im Film spricht aus der Zukunft. Es ist ein Verfremdungseffekt, der nicht bloß einer formalen Inspiration folgt, sondern mit Hous Sicht auf das Leben seiner Protagonistin zusammenhängt. Die Filme vermeiden eine simple emotionale Identifikation. Stattdessen verlangen sie die Arbeit des Zuschauers. Dies hängt auch mit der Tradition des liu bai zusammen, einer Strömung der chinesischen Kunst: Dinge werden offen gelassen, um sie der Imagination des Betrachters zu überlassen. Hou findet ein filmisches Pendant häufig in seinen Ellipsen. Er interessiert sich für das, was vor und nach einer dramatischen Handlung passiert. Besonders beeindruckend ist zum Beispiel der Schnitt auf eine Hügellandschaft mit einem kreisenden schwarzen Vogel nach einem Mord in EINE STADT DER TRAURIGKEIT. Ein schwebender Augenblick, der das Leben fort- ners. Was die beiden aber mit Sicherheit eint, ist eine Vorliebe für wiederkehrende Einstellungen, die den Orten und Menschen ein Gefühl von Heimat geben und eine kleine Veränderung im Bild, wie die Abwesenheit einer Person, zu einem großen, stillen Drama werden lassen. Hou ist ein Kinoromantiker, der sich nicht nur zur Vergangenheit Taiwans, sondern auch zu jener des Kinos hingezogen fühlt. Luchino Visconti und Robert Bresson werden in seinen Filmen zitiert, und noch auffälliger ist seine Vorliebe für die phantom rides des frühen Kinos, also Aufnahmen aus fahrenden Zügen. Diese phantom rides machen Zeit und Raum spürbar, sie setzen die Figuren in eine Umwelt, aus der sie nicht entkommen können. Die Züge verbinden Stadt und Land wie in LIEBE, WIND, STAUB oder Zeit und Menschen wie in CAFÉ LUMIÈRE. So fährt auch der Zug von Hou selbst, der eine ganze Generation asiatischer Filmemacher (von Jia Zhang-ke bis zu Tsai Ming-liang) beeinflusst hat und spätestens seit dem Goldenen löwen in Venedig 1989 für EINE STADT DER TRAURIGKEIT einen Stellenwert im internationalen Kino einnimmt wie nur wenige asiatische Filmemacher vor ihm. Hou kann man eigentlich kaum greifen. Man muss ihn fühlen. patrick holzapfel Die internationale Retrospektive »Hou Hsiao-hsien: Also Like Life« wurde organisiert von Richard I. Suchenski (Center for Moving Image Arts at Bard College) in Zusammenarbeit mit dem Taipei Cultural Center, dem Taiwan Film Institute und dem Kulturministerium der Republik China (Taiwan). Eine dazu erschienene englischsprachige Monografie über Hou Hsiaohsien ist zum Preis von 22 € an der Kinokasse erhältlich. Hou Hsiao-hsien fenGGui laiDe Ren (Die feRnen TaGe meineR KinDheiT) setzt, weil es nach und vor dem Sterben weiterfließt, und der einem dennoch das Gefühl gibt, dass die Natur auf uns blickt – und vielleicht auch der Film. Hou entwickelte eine eindrückliche und hochkomplexe Film-Ästhetik. Besonders seine Vorliebe für lange, statische Totalen ist bemerkenswert. Sie bieten ihm die Möglichkeit, sich selbst und die soziale, historische und geographische Umwelt spürbar zu machen. So besteht ein Bild bei Hou fast immer aus tausend kleinen Handlungen, die von ausgeklügelten Bewegungs-Choreographien bis zu einem sensiblen Szenenbild voller narrativer Hinweise stecken. Dabei beschränkt er sich zumeist auf die Zärtlichkeit einer diskreten Beobachtung. Ein gutes Beispiel findet sich in den knisternden Anfangsminuten von THREE TIMES, in denen Hou von einer Nähe zwischen zwei Menschen erzählt, ohne es auszusprechen. Seine Bildgestaltung vermag innere Gefühle wiederzugeben. Vor allem mit den elegischen Schwenks in DIE BLUMEN VON SHANGHAI wird man so in eine unbeschreibliche Trance des Bedauerns, des Liebens und der Sehnsucht geworfen. Die Manipulation kommt bei Hou mit der Zeit, denn ein einzelner Schnitt verbindet manchmal eine ganze Dekade, und als Zuschauer wird man darauf nicht immer vorbereitet. Aufgrund der zum Teil ähnlich anmutenden Einstellungen von Blicken durch Korridore und Türen wird Hou häufig mit dem Japaner Ozu yasujiro verglichen. CAFÉ LUMIÈRE entstand als Hommage an den großen Meister zu dessen hundertstem Geburtstag. Allerdings gibt es bei Hou deutlich weniger Schnitte als bei Ozu, und insbesondere in seinem jüngeren Werk entfernte sich Hou doch deutlich von den Bildikonen des Japa- 55 Fenger ti ta cai (Cheerful Wind) | Taiwan 1981 | R+B: Hou Hsiao-hsien | K: Chen Kun-hou | M: Tso Hung-yuan | D: Kenny Bee, Feng Fei-fei, Anthony Chan | 90 min | OmeU – Erzide dawanou (Der SandwichMann) | Taiwan 1983 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen | K: Chen Kun-hou | M: Wen Lung-chun | D: Chen Po-cheng, yang Li-yin | 33 min | OmeU – CHEERFUL WIND ist ein klassisches Melodram über eine Frau zwischen zwei Männern. Aber nicht nur in den traumartigen Anfangsminuten öffnen sich Pforten zu einer ganz anderen Wahrnehmung der Welt, die in Hous Episode zum Manifest des Neuen Taiwanesischen Kinos, ERZIDE DAWANOU, noch viel deutlicher zum Vorschein tritt. Ein als Clown und menschliche Werbetafel verkleideter Mann kämpft um das Überleben seiner Familie. Hou Hsiao-hsien ▶ Dienstag, 26. Mai 2015, 18.30 Uhr 56 Fenggui laide ren (Die fernen Tage meiner Kindheit) | Taiwan 1983 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tienwen | K: Chen Kun-hou | M: Li Tsung-sheng, J.S. Bach, Antonio Vivaldi | D: Niu Cheng-tse, Tou Chung-hua, Lin Hsiu-ling, Chang Shih, yang Li-yin, Hou Hsiao-hsien | 98 min | OmeU | Ah-Ching und seine drei Freunde leben in einem Fischerdorf im Westen Taiwans zwischen Scooter, Pool und Schlägereien. Das ländliche Familienleben, die Verpflichtungen, die Monotonie: All das gibt Hou den Rahmen für eine persönliche Erinnerung. Die Jungs zieht es nach Kaohsiung, in die Stadt. Sie wagen den Schritt als Trio, denn einer von ihnen wird zum Militär eingezogen. Abschied, Neuanfang, Begierde und Enttäuschung: Die Jugend wird hier schon als ein Verlust gezeigt, die Lebensgeschichten als Geschichten des Verlassens und Sterbens. ▶ Mittwoch, 27. Mai 2015, 18.30 Uhr Dongdong de jiaqi (Große Ferien) | Taiwan 1984 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Hou Hsiao-hsien, Chu Tien-wen | K: Chen Kun-hou | M: Edward yang, Tu Duu-chih | D: Wang Chi-kuang, Li Shu-chen, Ku Chun, Mei Fang, yen Cheng-kuo | 98 min | OmeU | Hou versetzt sich zurück in die Kindheit, in jene Phase, in der alles größer, unheimlicher, besonderer wirkte, eine Zeit, die oft nur einen Augenblick dauert und doch für immer bleibt. Er stellt diese Welt gegen die unverständliche, grausame Ambivalenz der Erwachsenenwelt. Der Film basiert auf den Kindheitserinnerungen der Drehbuchautorin Chu Tien-wen. Wir verbringen zusammen mit Tung-tung und seiner Schwester einen Sommer bei den Großeltern, der trotz der pastoralen Farbpalette immer von einer latenten Bedrohung heimgesucht wird. ▶ Dienstag, 2. Juni 2015, 18.30 Uhr Tongnian wangshi (Geschichten einer fernen Kindheit) | Taiwan 1985 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Hou Hsiao-hsien, Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Wu Chuchu | D: yu An-shun, Tien Feng, Mei Fang, Tang Juyun, Hsiao Ai | 136 min | OmeU | Hier perfektioniert Hou seine Inszenierung einer berührenden Distanz. Wie der englische Titel des Films A TIME TO LIVE AND A TIME TO DIE verrät, geben sich das Sterben und das Leben die Hand, in der atemberaubenden, elliptischen und bedächtig fließenden Schönheit einer Kindheit. Der Film erzählt vom Aufwachsen in einer Familie im ländlichen Taiwan von den 1940er bis zu den 1960er Jahren. In einer poetischen Beiläufigkeit ergeben sich flüchtige und doch ewige Erinnerungsbilder zwischen nostalgischem Lächeln und einem tiefen Bedauern über die Vergänglichkeit des Lebens. ▶ Mittwoch, 3. Juni 2015, 18.30 Uhr Lianlian fengchen (Liebe, Wind, Staub) | Taiwan 1986 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen, Chu Tienwen | K: Mark Lee | M: Chen Ming-chang | D: Wang Ching-wen, Hsin Shu-fen, Li Tien-lu, Chen Shu-fang, Mei Fang | 110 min | OmeU | Auf engen Gleisen beginnt eine erneute Reise in die Vergangenheit. Zunächst kommt ganz langsam ein Licht aus einem Tunnel auf uns zu. Wie so oft ist es ein Zug, der uns in die Geschichte führt, eine Passage. Die Überraschungen des Lebens sind vom Alltag versteckt. Wir sehen sie in der wunderschönen Unbeweglichkeit der Kamera nicht kommen, sondern nur passieren, und das trifft uns umso härter. Episodenhaft erzählt der Film von Wan und Huen, einem Paar, das in die Stadt zieht und sich zu verlieren droht. Auch für Hou ist der Film ein Übergang zwischen seinen Geschichten über das Heranwachsen und seinen Historienfilmen. ▶ Freitag, 5. Juni 2015, 18.30 Uhr The Electric Princess Picture House | Frankreich 2007 | R+B: Hou Hsiao-hsien | K: Mark Lee | 3 min | OmeU – La Belle Epoque | Taiwan 2011 | R+B: Hou Hsiao-hsien | K: yao Hung-i | D: Shu Qi, Mei Fang | 5 min | OmeU – HHH – Portrait de Hou Hsiao-hsien (Porträt Hou Hsiao-hsien) | Frankreich 1997 | R+B: Olivier Assayas | K: Eric Gautier | Mit Hou Hsiao-hsien, Chen Kuo-fu, Chu Tien-wen, Kao She, Lin Giang, Wu Nien-jen | 92 min | OmeU – Olivier Assayas setzte sich als einer der ersten Filmkritiker mit dem Neuen Taiwanesischen Kino auseinander. In diesem Beitrag für die Reihe cinéastes de notre temps lernen wir einen sentimentalen Pragmatiker mit einem ruhigen Schmunzeln kennen und erfahren vom Protagonisten und vom Niluohe nüer (Tochter des Nils) | Taiwan 1987 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Chen Huai-en | M: Chen Chih-yuan, Chang Hung-i | D: yang Lin, Jack Kao, yang Fan, Li Tien-lu, Wu Nien-jen | 92 min | OmeU | Hous erster Ausflug in die Popkultur ist eine Erprobung seiner distanzierten und fließenden Zurückhaltung in einer Überlappung von Fantasien und Realitäten. Dabei gehen wieder Freundschaften und Familien gewaltsam zu Grunde, wie weggespült von einem Leben, das man nicht berühren kann, aber spürt. Eine urbane Entfremdung legt sich über die stillen Beobachtungen, und ganz nebenbei legt Hou damit den Grundstein für das zukünftige taiwanesische Kino und seine eigene Entwicklung in der Auseinandersetzung mit weiblichen Jugendlichen. ▶ Dienstag, 9. Juni 2015, 18.30 Uhr Beiqing chengshi (Eine Stadt der Traurigkeit) | Taiwan 1989 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen, Chu Tien-wen | K: Chen Huai-en | M: Tachikawa Naoki, Chang Hung-i | D: Li Tien-lu, Chen Sung-yung, Jack Kao, Tony Leung, Mei Fang | 158 min | OmeU | Der erste Teil von Hous »historischer Trilogie«. Es geht um die vier Lin-Brüder und ihre unterschiedlichen Schicksale, die mit dem Ende der japanischen Besatzung Taiwans 1945 einsetzen. Anhand von Individuen porträ- ▶ Mittwoch, 10. Juni 2015, 19.00 Uhr Ximeng rensheng (Der Meister des Puppenspiels) | Taiwan 1993 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Wu Nien-jen, Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Chen Ming-chang, Chang Hung-ta | D: Li Tien-lu, Lim Giong, Chen Kueichung, Tsuo Chu-wei, Hung Liu | 142 min | OmeU | Der Film basiert auf der Lebensgeschichte von Li Tien-lu, einem faszinierenden Marionettenmeister, der immer wieder als Darsteller in Hous Filmen auftritt. Hier erzählt er die Geschichte seiner Karriere als Puppenspieler in Taiwan von 1910 bis zum Ende der japanischen Herrschaft 1945. Dabei erscheint sein Leben zwischen den drei kulturellen Identitäten Taiwans in jener Zeit verwoben mit den historischen Prozessen des Landes. Seine persönlichen Erinnerungen werden zur Gegenwart einer Geschichte. Im Handwerk des Puppenspiels findet Hou auf der Suche nach einer verlorenen Kultur eine taiwanesische Identität. Hou Hsiao-hsien ▶ Samstag, 6. Juni 2015, 18.30 Uhr tiert Hou hier das Chaos eines ganzen Landes unter der grausamen Kuomintang-Herrschaft. Viel mehr als von der offensichtlichen Geschichte wird von einem Verlust der Kommunikation in dieser lange unter den Teppich gekehrten Phase der nationalen Geschichte erzählt. Dabei montiert Hou seine präzisen Tableaus mit großer Sensibilität, die eine unendlich reiche Relation zwischen Film und Geschichte eröffnet. ▶ Samstag, 13. Juni 2015, 18.30 Uhr Haonan haonu (Good Men, Good Women) | Taiwan 1995 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Chen Huai-en | M: Chen Huai-en, Chiang Hsiao-wen | D: 57 ximenG RenShenG (DeR meiSTeR DeS puppenSpielS) Film selbst, wie wichtig die Selbstreflektion für das Kino sein kann. Zuvor sind die Episoden zu sehen, die Hou für die Filme CHACUN SON CINÉMA und 10+10 gedreht hat. Annie Shizuka Inoh, Lim Giong, Jack Kao, Vicky Wei, Hsi Hsiang | 108 min | OmeU | In einer virtuosen Verknüpfung von drei verschiedenen Zeitebenen lässt Hou die Vergangenheit erneut nicht los, weil die Vergangenheit ihn nicht loslässt. In diesem Fall sind es vor allem die 1950er Jahre und der »Weiße Terror«, ein besonders dunkles Kapitel der nationalen Geschichte. Im Zentrum stehen zwei Frauen: Chiang, die zusammen mit ihrem Gatten zum Opfer des Kuomintang-Regimes wird, und Liang, die in den Proben für einen Film über das Leben von Chiang steckt und sich mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen muss. Das verdrängte Grauen der Gesellschaft findet bei Hou immer einen Weg zurück in ein persönliches Bewusstsein. Hou Hsiao-hsien ▶ Sonntag, 14. Juni 2015, 18.30 Uhr 58 Qianxi manbo (Millennium Mambo) | Taiwan 2001 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Lim Giong, Hanno yoshihiro | D: Shu Qi, Jack Kao, Tuan Chun-hao, Chen I-hsuan, Takeuchi Jun | 105 min | OmeU | Hypnotische Schwenks über unscharfe Farben und Konturen einer beengenden Welt der Entfremdung. Wir sind so nah, dass wir nichts mehr sehen können. Ein Voice-Over aus der Zukunft leitet diese Geistergeschichte verdrängter Erinnerungen um die Jahrtausendwende ein. Wir begleiten Hous Muse Shu Qi zwischen Männern und Partys, unentschlossen durch das Leben treibend. Elektronische Musik weht durch die Bilder wie der Wind der Zeit. Der Film gliedert sich wundervoll ein in Hous beständige Suche nach einem zeitgenössischen Ausdruck. ▶ Freitag, 19. Juni 2015, 18.30 Uhr Nanguo zaijian, nanguo (Goodbye South, Goodbye) | Taiwan 1996 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee, Chen Huai-en | M: Lim Giong | D: Jack Kao, Hsu Kuei-ying, Lim Giong, Annie Shizuka Inoh, Hsi Hsiang | 112 min | OmeU | Ein spontanes Projekt, fast völlig improvisiert und aus einer wiedergefunden Lust an Leichtigkeit entstanden. Es ist der Beginn einer experimentelleren Phase von Hou und Ausdruck seines beständigen Versuchs, sich neu zu erfinden. Es zieht ihn wieder zurück in die Gegenwart, in der er sich mit Möchtegern-Kleinganoven und ihren Bewegungen im melancholischen Nichts beschäftigt. Dabei wagt er es, die tote Zeit und die Albernheit der bemühten Coolness seines Protagonisten Gao mit Sinnlichkeit zu bereichern. Kohi jiko (Café Lumière) | Japan 2003 | R: Hou Hsiaohsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee | M: Jiang Wenye | D: Hitoto yo, Asano Tadanobu, Hagiwara Masato, yo Kimiko, Kobayashi Nenji | 103 min | OmeU | Zum 100. Geburtstag des großen Ozu yasujiro zollte Hou für die japanische Filmgesellschaft Shochiku dem Meister seinen Tribut. Wie Ozu liebt Hou Züge, die er hier als zwischenkulturelle Verbindungen mit einer ganz eigenen Ästhetik zwischen Erinnerung, Tradition und Gegenwart inszeniert. Die junge Autorin yoko ist in Tokyo auf der Suche nach der Geschichte des taiwanesischen Komponisten Jiang Wen-ye. Es gibt direkte und indirekte Ozu-Zitate und vor allem das betörende Geräusch nie endender Bewegung. ▶ Dienstag, 16. Juni 2015, 18.30 Uhr Samstag, 20. Juni 2015, 18.30 Uhr Hai shang hua (Die Blumen von Shanghai) | Taiwan 1998 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen, nach dem Roman von Han Bang-qing | K: Mark Lee | M: Hanno yoshihiro | D: Tony Leung, Hada Michiko, Carina Lau, Jack Kao, Michelle Reis | 112 min | OmeU | In vier opiumgeschwängerten »Flower Houses« in Shanghai Ende des 19. Jahrhunderts erzählt Hou vom Leben und den Pflichten der Edelprostituierten und deren Kunden. Eine filmische Öllampen-Dekadenz als Rauschzustand, ein weiblicher Schrei nach Freiheit und ein orientalischer Sog, der im fantastischen Realismus der verführerischen Bilder auf die Abgründe menschlicher Zerrissenheit blickt. Dabei verlässt Hou niemals die zerfließenden Räume, sondern schwenkt zwischen den Gesichtern hin und her, die alles über den begonnenen Zerfall der Qing-Dynastie erzählen, ohne dass man diesen jemals sehen müsste. Zuihaode shiguang (Three Times) | Taiwan 2005 | R: Hou Hsiao-hsien | B: Chu Tien-wen | K: Mark Lee | D: Shu Qi, Chang Chen, Mei Fang, Liao Shu-chen, Ti Mei | 136 min | OmeU | Die ersten Minuten brennen sich uns ein in ihrer Schönheit, wie ein ewiges Bedauern über die verlorene Liebe einer Jugend. Hou erzählt mit jeweils denselben Schauspielern drei Liebesgeschichten auf drei Zeitebenen: 1966, 1911 und 2005. Dabei spielen unterschiedliche Formen von schriftlicher Kommunikation, Bewegung und Transport eine entscheidende Rolle. Es geht um den Verlust der Erinnerung und das Wiederkehren vergangener Empfindungen. »Hous Sinn für Film als ein Medium, das die Zeit einfängt, war nie tiefgründiger. Gibt es irgendeinen anderen Filmemacher, der so fließend den Moment ebenso wie eine ganze Zeitepoche zelebrieren kann, und dies in derselben Einstellung?« (Jim Hoberman) ▶ Mittwoch, 17. Juni 2015, 18.30 Uhr ▶ Sonntag, 21. Juni 2015, 18.30 Uhr
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