Der Wertstolz-Brief Erfolgreich und menschengerecht − arbeiten, wirtschaften, leben Februar 201 5 Liebe Leserin, lieber Leser, Inhalt vor ein paar Wochen hat es "kräftig" geschneit in Bonn. Über Nacht bildete sich eine ansehnliche Schneedecke, und tags darauf Editorial 1 nutzten das einige Jugendliche, um eine gewaltige Schneekugel zu Ziele in Verwaltungsorganisationen 1 rollen. Sie hatte einen Durchmesser von 1 ,60 m! Das ist nun schon Einzelhandel und Werte 4 lange her. Mittlerweile hat es getaut, der Schnee ist von den Straßen Sind Sie bereit für die LOHAS? 6 und Feldern verschwunden, die Sonne hat uns schon zweistellige Zum Schluss 8 Temperaturwerte beschert. Alles grünt und sieht nach Frühling aus – Impressum 8 nur die große Schneekugel ist immer noch da. Sie ist ein bisschen geschrumpft, aber sie ragt immer noch imposant aus dem grünen Feld heraus. Warum erzählen wir Ihnen das? Weil an dieser Kugel gut erkennbar wird, was wir im Alltag mitunter vergessen: Dort, wo ein starres Umfeld bestehende Verhältnisse verdichtet, bleiben diese lange Zeit erhalten, auch wenn sich die Zeiten ändern und sich rechts und links die Gesellschaft weiterentwickelt. Es fehlt die Auflockerung, die das Ganze zum schnelleren Schmelzen bringt. Nicht alles muss sich verändern und abtauen. Aber mitunter bleibt zu viel Überflüssiges fest gefroren, weil uns die Zeit oder die Aufmerksamkeit fehlt, um den verdichteten Kern zu lockern. Bei diesem Auflockern von Gedanken und Handlungen möchten wir Sie unterstützen, auch mit diesem Heft. Was in Ihrem Arbeitsumfeld ist zu verdichtet? Wo fehlen auflockernde Fragen, um an den eigentlichen Kern zu gelangen? Lassen Sie sich mit den folgenden Artikeln dazu anregen, sich auf ungewöhnliche Gedankengänge einzulassen. Vielleicht kommt ein spannender Kern zum Vorschein? Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre, Dana Haralambie und Robert Kebbekus Die Entwicklung individueller Ziele in Verwaltungsorganisationen – ein Alleinstellungsmerkmal aus der eigenen Mitte und individuelle Ziele – haben Sie auch erst einmal geschmunzelt? Da scheint doch etwas nicht ganz zusammenzupassen ... Verwaltungsorganisationen sind dazu da, um hochkomplexe Daten in riesigen Mengen zu verwalten, und diese Aufgabe wird ihnen in der Regel von Verwaltungsorganisationen höherer Stelle übertragen. Wo soll da ein Spielraum bleiben für individuelle Ziele? Die Arbeit von Behörden wird von Vorschriften und Gesetzen flankiert und bietet doch keinen Raum für frei entwickelte Zielsetzungen, noch dazu individuell nach Behörde oder Abteilung unterteilt. Wenn Sie Wertstolz schon länger kennen, dann wissen Sie: Wir laden gerne dazu ein, anscheinend Unumstößliches in Frage zu stellen. Das wollen wir auch hier. Wir möchten Sie animieren, sich zu fragen: Woran liegt es, dass Verwaltungsorganisationen nicht so wie andere lebendige Organisationen individuelle Ziele entwickeln und diese als Alleinstellungsmerkmal nutzen? Gibt es Möglichkeiten, diesen Zustand zu ändern? Wer müsste etwas dafür tun? Und was? Warum überhaupt eigene Ziele entwickeln? Ziele sind in der Zukunft liegende und naturgemäß erstrebenswerte Zustände. Damit sind sie eine wichtige Triebfeder für den Menschen: In der Regel haben alle Menschen Ziele. Und diese Ziele helfen uns dabei, uns selbst genauer zu definieren: Das Ziel zeigt uns an, wo wir gerade stehen (nämlich noch nicht am Ziel) und wohin unsere Wünsche zielen (dahin, wo etwas besser sein wird). Ziele zeigen uns und anderen unseren Entwicklungsspielraum. Für die Alltagspraxis bedeutet das auch: • Da, wo Mitarbeiter sich an ihrem Arbeitsplatz, mit ihrem Arbeitsvolumen oder der Ausstattung ihres Arbeitsplatzes nicht wohl fühlen, gibt es Raum für Verbesserungen und damit Raum für individuelle Ziele. Kündigungen; • eine verbesserte Organisationskultur, in der flexibler auf Veränderungen reagiert werden kann; • eine positive Reaktion der externen Nutzer – also beispielsweise der Bürger einer Kommune. Rahmenbedingungen erschweren die Flexibilität In unserer Arbeit mit Verwaltungsorganisationen hören wir immer häufiger Klagen, dass ein wachsendes Anforderungs-, Auflagen- und Regelungskorsett eine individuelle und damit auch kollektive Zielentwicklung behindert. Befragt man Mitarbeiter, erzählen sie über alle Hierarchieebenen hinweg von ständig wachsenden Aufgabenbereichen und immer weniger Zeit, um diese zu bewältigen. Alle Tätigkeiten sollen dabei mit einer immer dünneren Personaldecke erledigt werden. Uns wird berichtet, dass in vielen Fällen die Bürger als „Kunden“ auf der Strecke bleiben und dass der Spielraum für individuelle Entscheidungen nach eigenem Ermessen aus Zeitgründen immer kleiner wird. Bei solchen Rahmenbedingungen ist es verständlich, dass z. B. der Entwicklung individueller Ziele einer Abteilung keine Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet wird. Und das liegt nicht in erster Linie daran, dass Mitarbeiter Angst vor möglichen Veränderungen haben – es ist vielmehr die Sorge, dass eingeleitete Wenn eine Verwaltung also bereit und in der Lage Änderungen noch mehr Aufgaben und somit zusätzliche ist, ihre Mitarbeiter bei der Umsetzung solcher Belastung mit sich bringen. Verbesserungsvorhaben zu unterstützen, wird sie nicht nur ihren Mitarbeitern gerecht, sondern auch den Was sind individuelle Ziele? Kunden (also allen, die ihre Arbeitsergebnisse abrufen, vom einzelnen Bürger bis zur höchsten politischen oder Wenn wir hier von der Entwicklung individueller Ziele gesellschaftlichen Instanz) und letztendlich damit ihrem in einzelnen Abteilungen einer Verwaltung sprechen, Arbeitsauftrag. Die Auswirkungen einer entwicklungs- meinen wir damit nicht die klassischen Zielfreudigen Umgebung in Verwaltungen sind dabei vereinbarungen in der Entgeltpolitik. Vielmehr möchten vielfältig: wir auf die Entwicklung von Zielen eingehen, die • motiviertere Mitarbeiter, die nicht nur ihre Arbeit beispielsweise eine Abteilung selbst formuliert und erledigen, sondern auch verbessern können; umsetzt: nach eigenem Erfahrungsschatz, eigenem • geringere Krankenstände und weniger innere Überblick über die vorhandenen Ressourcen und 2 Wertstolz-Brief 2/201 5 eigener Einschätzung der aktuellen Lage. Und in eigener Verantwortungsregie. Wie sieht das in der Praxis aus? Lassen Sie uns das am Beispiel einer Kommunal verwaltung verdeutlichen: (d) Den gegenseitigen Unterstützungswillen stärken Wenn jedem einzelnen Mitarbeiter klar ist, dass das individuelle Ziel für ihn auch Vorteile bringt, weil es die Arbeit stressfreier gestaltet, sinnvoller oder was auch immer das Ziel anstrebt, dann erhöht es den Willen jedes Mitarbeiters, dieses Ziel als Team zu verfolgen und alle Kollegen / Abteilungen zu unterstützen – denn diese unterstützen ja auch ihn. (a) Die Einbindung aller Sollen individuelle Ziele entwickelt werden, die von allen mitgetragen werden, müssen auch alle dabei sein. Die direkte Einbindung aller Mitarbeiter einer Abteilung ist der erste Schritt zum Erfolg. (b) Übergeordnete Ziele berücksichtigen Die Basis jeder individuellen Zielentwicklung ist die Einbindung übergeordneter, „höherer“ Ziele. Das sind in diesem Zusammenhang Vorstellungen von zukünftigen Entwicklungen, die über die eigentlichen Verwaltungsaufgaben hinausgehen. Ein aktuelles Beispiel ist das langfristige Ziel: „Wir wollen eine Kommune sein, in der für alle Generationen ein lebenswertes und altersgerechtes Umfeld vorhanden ist.“ Dieses Ziel beeinflusst alle Aufgabenstellungen aller Verwaltungseinheiten dieser Kommune. Daher muss es mit einfließen in das individuelle Ziel. Nur wenn beide miteinander vereinbar sind, werden sie lebendig und umsetzbar – und von außen auch für die Bürger erkennbar. (c) Das individuelle Ziel klar benennen Was könnte ein individuelles Abteilungsziel sein? Etwa: „Wir wollen das Spezialwissen einzelner Kollegen besser nutzen.“ Was bedeutet das vor dem Hintergrund des übergeordneten Ziels? Bisher war es so, dass alle Anfragen zum Thema Ehrenamt zu unterschiedlichen Mitarbeitern der Verwaltung weitergeleitet wurden. Da diese Mitarbeiter aber oftmals die Anfragen nicht selbst bearbeiten konnten, wurden die Anfragen an die nächste Kollegin oder den Kollegen weitergeleitet usw. Das ändert sich jetzt mit dem neuen individuellen UND übergeordneten Ziel: Anfragen zum Thema Ehrenamt werden zentral von zwei Personen bearbeitet, die über viele Erfahrungen in dem Bereich verfügen. Im Ergebnis werden fortan die Anfragen zum Thema Ehrenamt zeitnah und kompetent bearbeitet, ohne die anderen unbeteiligten Kollegen zu belasten. 3 Einzelne Schritte zum erfolgreichen Abschluss • Am Anfang steht der Wille der höchsten verantwortlichen Stellen: „Ja, ich unterstütze die Entwicklung von individuellen Abteilungszielen“. • Auf oberster Ebene erfolgt eine klare Festlegung auf wenige verbindliche Oberziele (übergeordnete Ziele) für eine Kommune unter Einbindung aller Beteiligten: Parteien, Verwaltungsspitze usw. • In Workshops mit den weiteren Verwaltungs- und Organisationsebenen werden Unterziele entwickelt (die individuellen Abteilungsziele), die das Oberziel unterstützen und fördern. • Der Startschuss für die Umsetzung der Unterziele erfolgt von höchster Stelle und festigt damit deren Bedeutung. • Die beteiligten Personen werden bei der Umsetzung ihrer Ziele unterstützt durch die Offenlegung von Schnittstellen – beispielsweise Überschneidungen bei der Zielumsetzung einzelner Abteilungen. • Ein gelingender Dialog aller Beteiligten wird durch regelmäßige Treffen zum Erfahrungsaustausch gefördert. • Nach einem Jahr erfolgt eine Präsentation der Ergebnisse untereinander: über alle Ebenen der Hierarchie hinweg. • Die Ergebnisse und die damit gemachten Erfahrungen werden nach außen kommuniziert. Die Bürger dürfen sehen, wie lebendig ihre Kommunalverwaltung ist. Eine beweglich gebliebene – oder wieder beweglich gewordene – Kommunalverwaltung ist viel attraktiver als ein Koloss, der im Kern verdichtet ist und an den Außenrändern spröde handelt – da, wo die Bürger auf ihre Verwaltung treffen. Gerade in der heutigen Zeit, in der Regionen in starkem Wettbewerb untereinander stehen, um Neubürger zu gewinnen, Alteingesessene zu halten und die Lage am eigenen Arbeitsmarkt dadurch zu stabilisieren, sind Alleinstellungsmerkmale besonders wichtig. Die Wertstolz-Brief 2/201 5 Entwicklung einer flexiblen Kommunalverwaltung, die ihre Mitarbeiter durch eigene Gestaltungsmöglichkeiten motiviert und ihre Bürger als Kunden behandelt statt als Bittsteller, ist dabei eine besonders sinnvolle Positionierung, bei der alle nur gewinnen können. Einige Fragen zum Thema: • Haben Sie schon einmal Erfahrungen mit der Entwicklung individueller Ziele in einer Verwaltungsorganisation gemacht? • Konnten Sie etwas daraus lernen? • Ist die Verwaltungsorganisation, in der Sie heute arbeiten, bereit für solch ein Vorhaben? • Wer würde sich dagegen aussprechen? • Wer könnte als Mitwirkende/r gewonnen werden? • Welche Abteilung eignet sich für einen eventuellen Probelauf? • Welche (externen?) begleitenden Unterstützer hätten Sie gerne an Ihrer Seite? • Hätten Sie selbst schon eine Idee für ein solches Ziel? • Oder anders gefragt: Was würde die Arbeit in Ihrer Abteilung verbessern, erleichtern, sinnvoller gestalten usw.? Einzelhandelsunternehmen – Zeigen Sie Ihre Werte-Einstellung Verantwortung gegenüber den Menschen und unserer Umwelt geht uns alle etwas an. Und doch scheuen sich immer noch viele Unternehmen, ihre wahren Werte aufzuzeigen und auch in ihren Produkten umzusetzen. Warum? Manche Unternehmen haben Sorge, dass sie belächelt werden, wenn ihnen ethisches Verhalten wichtig ist. Andere wiederum befürchten, dass sie im heiß umkämpften Kundenmarkt an Boden verlieren, wenn sie „zu weich“ erscheinen. Wir möchten mit diesem Artikel den Fokus auf den Einzelhandel setzen und hier die Verbindung zwischen dem Unternehmensimage und einer gelebten Wertekultur genauer betrachten. Leben Sie Ihre eigenen Werte – und zeigen Sie es! Der Ausgangspunkt all unserer Überlegungen mündet in einem Satz: • Arbeiten und wirtschaften Sie nach den Werten, die Ihnen wichtig sind. Das bedeutet: Sie sollten sich klar darüber sein, welche Werte das sind. Und das wiederum heißt: Nehmen Sie sich die Zeit, Ihren eigenen Werten auf die Spur zu kommen. Nicht nur Sie als Mensch, auch Sie als Inhaber eines Einzelhandelsgeschäftes, einer ganzen Kette oder eines weltumspannenden Unternehmens haben ein Wertefundament, auf dem Sie bauen. Manchmal hat sich im Laufe der Zeit eine Trennung 4 eingestellt zwischen den Werten, die uns auf der einen Seite als Mensch mit Traditionen etc. wichtig sind und die wir auf der anderen Seite als wirtschaftende Person leben. Beispiel: Herr Obst betreibt ein Einzelhandelsgeschäft in dritter Generation. Bereits sein Vater und Großvater hatten großen Wert darauf gelegt, Produkte aus der Region anzubieten. Das ging so weit, dass beide neben Nahrungsmitteln auch Bekleidung im Sortiment führten, die wenige hundert Kilometer vom Familiengeschäft entfernt produziert wurde. Durch den immer stärker werdenden Preisdruck entschloss sich Herr Obst, diese alte Tradition aufzugeben und zentral im Großhandel einzukaufen – wie alle anderen auch. Die damaligen Stammkunden waren enttäuscht und blieben fern. Herr Obst ist mit dieser Entwicklung gar nicht zufrieden: Immer günstigere und anonyme Produkte scheinen ihm nicht der richtige Weg zu sein. Wir möchten Ihnen zeigen, warum diese Furcht vor dem eigenen werteorientierten Handeln unbegründet ist. Es stimmt: Einige Aspekte der positiven Veränderungen, die sich durch die ethische Ausrichtung eines Einzelhandelsunternehmens ergeben können, sind für Inhaber oder Management des Unternehmens auf den ersten Blick nur schwer nachvollziehbar. Die angenehmen Auswirkungen, die ein aufrichtiges und Wertstolz-Brief 2/201 5 werteorientiertes Verhalten auf das Ansehen eines verhilft dem Unternehmen auch zu höheren Unternehmens in der Öffentlichkeit erzeugt, sind Innovationsraten: jedoch gut nachvollziehbar. • Eine ethische Unternehmensausrichtung fördert durch menschengerechtes Personalmanagement Tue Gutes und rede darüber einen größeren Innovationspool: In einer offenen, lernfreudigen und fehlertoleranten Umgebung Wie und warum kann sich das ethische Verhalten einer gelingen häufiger Produkt- oder DienstleistungsFirma positiv auf ihr Ansehen auswirken? Kann es eine Neuentwicklungen aus den Ideen der Mitarbeiter Imagesteigerung erzeugen? Und kann diese dann eine als in einer repressiven hierarchischen Struktur. positive wirtschaftliche Relevanz haben? Oder sind das nur naive Wunschvorstellungen? Alte Kunden halten, neue Kunden gewinnen Eine Unternehmensführung, die sich an ethischen und nachhaltigen Kriterien ausrichtet, kann aus folgenden Immer mehr Verbraucher haben den Wunsch, sich über Gründen ihr Ansehen in der Gesellschaft und bei all die Produktionsbedingungen, die ökologischen Ausihren Stakeholdern deutlich erhöhen: wirkungen und die gesundheitlichen Folgen der • Mitarbeiter, Zulieferer und unabhängige Quellen Inhaltsstoffe von Produkten zu informieren. Sie machen äußern sich positiv über die Praktiken des immer öfter ihre Kaufentscheidung davon abhängig. Unternehmens und bauen auf Basis der Mund-zu- Dafür sind sie auch bereit, für Produkte eines Mund-Kommunikation eine sehr glaubhafte Unternehmens oder einer Handelskette, der sie verReputation auf. trauen können, mehr zu bezahlen. Dass eine umwelt• Positive Medienberichte über eine ethische verträgliche Qualität sich auszahlt, zeigt etwa die Ausrichtung im Umgang mit Mitarbeitern oder Sparte der ökologischen Lebensmittel: Obwohl hochProduktionsstätten, über eine größere preisig, wächst dieser Markt – als einziger in der LeNachhaltigkeit und höhere Qualität der gelisteten bensmittelbranche . Produkte oder über soziale Aktivitäten außerhalb des Unternehmens verhelfen diesem zu einer Ein werteorientiertes Handeln und Wirtschaften nach größeren Bekanntheit ohne zusätzliche den selbst gefühlten und gelebten Werten hat über die Werbemaßnahmen. Jede Form von Anziehungskraft der angebotenen Produkte hinaus Presseberichterstattung, die sich wohlwollend und einen großen Vorteil: Menschen, die ähnliche Werte interessiert mit den Besonderheiten einer haben, erkennen sich und ihr eigenes Streben darin ethischen Unternehmensführung auseinander- wieder. Das Unternehmen wird dadurch „familiärer“, es setzt, ist glaubwürdiger und naturgemäß steht den Verbrauchern gefühlt näher als ein anderes kostengünstiger als die Eigenwerbung. Unternehmen, dessen Werte entweder unbekannt • Die Kommunikation authentisch gelebter und bleiben oder von den eigenen differieren. Authentisch umgesetzter ethischer Werte erzeugt bei umgesetzte Werte binden Menschen mit den gleichen gleichgesinnten Verbrauchern eine höhere Werten: Aufmerksamkeit für Ihre normalen Marketingaktivitäten. Menschen merken sich einfach lieber • Durch eine nachhaltige und sozial verträgliche Informationen, die für sie und ihr Leben von Unternehmensführung können neue Kunden Bedeutung sind. gewonnen und neue Märkte erschlossen werden. Dafür müssen die Kunden aber dem Stärkung der Innovationsfähigkeit Unternehmen vertrauen können – nur ein authentisches Handeln nach eigenen Werten Nur durch kontinuierliche Innovationen kann ein erzeugt dieses Vertrauen. Unternehmen sich erfolgreich am Markt behaupten, • Bestehende Konsumenten werden stärker an das eine starke Marke aufrechterhalten und in umkämpften Unternehmen gebunden. Denn sie werden nicht Märkten konkurrenzfähig bleiben. Soziales und nachnur über die eigentlichen Produkte gehalten, haltiges Engagement stärkt das Markenprofil, und es sondern auch über die gemeinsamen Überzeugungen. 5 Wertstolz-Brief 2/201 5 umweltgerechten Handeln, mit sozialen Arbeitsbedingungen, im gesellschaftlichen Engagement oder in der regionalen Entwicklung: wesentlich bleibt immer, dass Sie die öffentlich gemachten Werte auch selbst fühlen. Das stärkt nicht nur die Kundenbindung, die Mitarbeiterbindung und Lieferantenbindung, sondern auch Ihre eigene Bindung an das Unternehmen und Bekennen Sie Farbe: Nach welchen Werten Sie auch den Stolz aller Beteiligten an der gemeinsamen Arbeit. immer leben – lassen Sie diese erkennen in der Art, wie Sie wirtschaften und welche Produkte Sie anbieten. Ob Sie nun Verantwortung übernehmen wollen im • Gleichgesinnte „sprechen dieselbe Sprache“ und verbleiben leichter miteinander im Gespräch, z.B. durch Blogs oder Kundenbriefe, statt wie üblich nur durch Reklamationen. Dadurch eröffnen sich Chancen für die Früherkennung neuer Trends und Bedürfnisse. Sind Sie bereit für die LOHAS? – von der Randgruppe zur wachsenden Mehrheit Es hat sich gesellschftlich vieles bewegt seit dem Ende der 50er-Jahre. – 50er-Jahre? Wie kommen wir denn jetzt darauf? Das ist doch schon so lange her, es scheint doch fast so, als ob wir von einem historischen Zeitraum reden, der keinerlei Einfluss mehr auf uns moderne Menschen hat. Natürlich stimmt das in gewisser Weise: Nicht nur, dass ein ganzes Jahrtausend zu Ende ging, wir haben uns auch von einer ganzen Reihe von Vorstellungen verabschiedet. Wir haben neue Wünsche entwickelt, uns Jahrzehnt für Jahrzehnt mit anderen Fragen beschäftigt und sind heute an einem Punkt angelangt, an dem es sich lohnt, kurz innezuhalten und zu vergegenwärtigen, wo wir jetzt stehen. Denn das Leben, das mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann, wirkt auch heute noch in uns nach: in unserer Einstellung zur Arbeit und zur Freizeit. Unsere Eltern und die Zeit, in der wir aufgewachsen sind, haben uns geprägt. Und das hat Spuren hinterlassen, z. B. in unserer Einstellung zu Arbeitserfolg, Leistung, finanzieller Sicherheit, Sinn eines gelungenen Lebens, technischem Fortschritt, politischem Interesse, Konsum und vielem mehr. All dies wirkt unweigerlich darauf ein, wie wir uns unser Leben – und auch unser Arbeitsleben – einrichten. Je nachdem, ob wir Kinder der 50er-Jahre sind, der 60er, 70er, 80er oder 90er, sind wir mit einer anderen Weltsicht aufgewachsen, und diese beeinflusst bis heute unser Verhalten – nicht ausschließlich, aber stark genug, um Unterschiede zwischen den Generationen hervorzubringen. 6 Veränderung als Konstante Wenn es etwas gibt, worauf wir uns verlassen können, dann ist es die Tatsache, dass ständig Veränderungen auf unser Leben einwirken. Und so hat sich auch in den vergangenen Jahrzehnten ein Wertewandel vollzogen: • In den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts herrschte die Pflichtkultur vor; die dominierenden Werte des Lebens hießen Staat, Familie und Religion und verhießen Sicherheit. • In den 70er- und 80er-Jahren folgte eine zunehmend hedonistische Kultur; man hatte genug von der Pflicht und ging zur Kür über: Tradierte Werte wurden in Frage gestellt und neue Formen des Individualismus ausprobiert. • Seit den 90er-Jahren erleben wir eine Werte Renaissance: Es erfolgt eine Rückbesinnung auf die Bedeutung von Staat, Religion und Familie für das eigene Leben. Aber mit einem Schuss Individualismus angereichert, also nicht einfach die Wiederbelebung der 50er-Jahre, sondern deren Interpretation aus heutiger Sicht. Was bedeutet das für Wirtschaft und Gesellschaft heute? Um Produkte – ob es nun materielle Dinge oder Dienstleistungen, Unterhaltungsformate oder Verwaltungsformen sind – möglichst passgenau auf die Anspruchsgruppe zuzuschneiden, der diese Produkte angeboten werden, muss man im Auge behalten, Wertstolz-Brief 2/201 5 welche Verbrauchergruppen es derzeit gibt. Das gilt gleichermaßen für Familienunternehmen, für Kommunen wie für Verbände, für Banken wie für den Handel. Werfen wir also einen Blick darauf, ob die gesellschaftliche Veränderung in Richtung einer WerteRenaissance sich auch bei den Verbrauchern wiederfindet. Menschen, auf Tiere, politische Systeme oder auf den Planeten im Gesamten. Dieses Bedürfnis kann von der Wirtschaft als eine Chance gesehen und aufgegriffen werden. In den USA wurde bereits 2007 das potenzielle Umsatzvolumen der LOHAS auf 230 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt. Nicht nur Verbraucher, auch Bürger LOHAS – von der Randgruppe zur Mehrheit Dabei ist es nicht nur die Wirtschaft, die sich Immer mehr Menschen werden immer älter. Das Gedanken machen sollte, um sich auf die LOHAS bedeutet: Die Bürger von heute und damit die heutigen einzustellen. Denn diese sind in erster Linie Bürger. Verbraucher sind eine besonders inhomogene Gruppe. Was bedeutet das? Sie wurden in zwei verschiedenen Jahrhunderten geboren – oder um es etwas dramatischer zu sagen: Bürger sind u. a. sogar in zwei verschiedenen Jahrtausenden. Einige • Verbraucher, die Produkte einkaufen und von ihnen sind mit der Schiefertafel aufgewachsen, Dienstleistungen abrufen; andere mit dem Smartphone. Es gibt also sehr • Wähler, die etwa eine kommunale Verwaltung unterschiedliche Ausrichtungen und Bedürfnisse. Wie wählen; soll man da wissen, für wen man neue Produkte • Kreditnehmer und Geldanleger; entwickelt? Durch die Unterteilung in verschiedene • Arbeitskräfte ; Konsumentengruppen versucht die Sozialforschung, • Familienangehörige usw. dieses Problem in den Griff zu bekommen. Dabei wurde in den vergangenen Jahren eine neue Gruppe Wenn die Zahl der LOHAS beständig ansteigt, lohnt es definiert, die sich von einer anfänglichen Rand- sich, sie auch in ihren anderen Funktionen zu sehen. erscheinung zur Stellvertreterin der neuen Werte- Stellen Sie sich dazu ein paar Arbeitsfragen: Renaissance gemausert hat – und sich nach Meinung verschiedener Soziologen von einer bloßen Zielgruppe Ist Ihre Organisation auf die Anspruchsgruppe der hin zu einer neuen gesellschaftlichen Mehrheit LOHAS eingestellt: entwickelte. Es handelt sich um die so genannten • in ihrer Produktpalette? LOHAS. Dieses Kürzel steht für Lifestyle of Health and • in ihrer Dienstleistungspalette? Sustainability und versucht, die Gesamtheit des Ver• in ihrem Arbeitsplatzangebot? haltens einer Verbrauchergruppe zu beschreiben, die • in ihrer Gesundheitsvorsorge? gerne auch als die neue LifestyleAvantgarde • in der Organisationskultur? bezeichnet wird. Übersetzt bedeutet das: Menschen, deren Lebensstil von Gesundheitsbewusstsein und Beispiele: Nachhaltigkeitsstreben geprägt ist. • Produktpalette: Haben Sie Produktlinien, die z. B. fair gehandelt oder hergestellt wurden? Die aus Was verbindet die LOHAS? nachwachsenden Rohstoffen produziert, recyclebar und auf Langlebigkeit ausgerichtet sind? Verbraucher, die der Gruppe der LOHAS zugerechnet • Dienstleistungspalette: Berücksichtigen Sie die werden, setzen sich gezielt mit Werten auseinander. Bedürfnisse Ihrer Kunden? Nehmen Sie Sie orientieren sich bei der Gestaltung ihres Lebens an möglicherweise einen Mehraufwand in Kauf? Basiswerten wie Authentizität, Lebensqualität, Wert• Arbeitsplatzangebot: Lässt Ihr Unternehmen eine haltigkeit und Wohlgefühl (Wenzel, 2007). Noch eine ausgeprägte Work-Live-Balance-Kultur zu? Besonderheit macht die LOHAS aus: Sie erkennen ihre Lassen Sie Raum für die jeweilige individuelle eigene Verantwortung an – bezogen auf ihr ethisches Enwicklung Ihrer Mitarbeiter? Handeln und auf dessen Wirkung auf andere • Gesundheit: Gibt es für Mitarbeiter die Möglichkeit 7 Wertstolz-Brief 2/201 5 zur gesundheitlichen Vorsorge und Räume zur Entspannung? Gibt es in Ihrer Kantine ein gesundes Mittagessen ? • Organisationskultur: Stimmen Ihre Sprache und Ihr Handeln überein? Oder betreiben Sie lediglich Greenwashing? davon betroffener Arbeitnehmer in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Literatur: Wenzel, E., Kirig, A., Rauch, C.: Zielgruppe Lohas, Zukunftsinstitut GmbH (Hrsg.); ohne Verlag, Kelkheim, 2007. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung wird der Anteil Zum Schluss Nun sind wir am Ende dieses Heftes angelangt. Sie Der nächste Wertstolz-Brief erscheint Mitte März haben vieles gelesen, sich vielleicht schon die eine und wird sich als Themenheft mit dem Wertewandel in oder andere Frage gestellt und eventuell haben Sie unserer westlichen Gesellschaft beschäftigen. auch einen Aha-Effekt beim Lesen gehabt. Vielleicht haben Sie Ähnlichkeiten zu Abläufen in Ihrer eigenen Haben Sie Anregungen oder Fragen dazu? Organisation erkannt? Lassen Sie die Gedanken, die Schreiben Sie uns: [email protected] Ihnen gekommen sind, nicht einfach verstreichen. Machen Sie etwas daraus. Bereits ein einziger Impuls, den Sie wirklich umsetzen, reicht schon aus, um etwas zu verändern. Impressum Wertstolz.de ist eine Kooperation von: Robert Kebbekus – Systemische Managementberatung Erzbergerufer 6, 53111 Bonn Tel.: 0228-41 0969 1 2 Fax: 0228-41 0969 1 3 [email protected] Dana Haralambie – Offen-Sicht-Licht Coaching für Klarheit Margaretenstraße 1 , 531 75 Bonn [email protected] 8 Wertstolz-Brief 2/201 5
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