51 Tages-Anzeiger – Samstag, 25. April 2015 Sport Pingelig und angriffslustig Fragebogen Christian Kreienbühl Raimondo Ponte ist Aaraus Hoffnungsträger. Nun soll er den Tabellenletzten zum Sieg gegen den FCZ führen. Peter M. Birrer Aarau Ganz am Schluss dringt die Überzeugung durch, Grosses schaffen zu können, vorgetragen mit dem Temperament, das in ihm schlummert. «Jetzt fangen wir erst richtig an», sagt Raimondo Ponte, bevor er zum Morgentraining aufbricht. Es gibt zwar Einfacheres, als den FC Aarau aus seiner Misere zu befreien. Der neue Coach aber verrät Angriffslust: «Ich glaube fest an den Ligaerhalt.» Es ist eine Aufgabe wie gemacht für einen, dem Werbung in eigener Sache nicht schaden kann. 60 ist er am 4. April geworden, er ist der älteste Coach der Liga, einer mit so klangvollem wie polarisierendem Namen und doch nicht mit einer Karriere, die nur im Scheinwerferlicht stattfand. Ponte war von 1991 bis 2000 Sportchef und Trainer beim FCZ, in Luzern war er danach kurze Zeit auch beides. Und dann? Er sagt: «Manchmal passieren in diesem Geschäft Dinge, die man kaum glauben kann.» Ponte verschwand 2002 aus dem Fokus. Bei Carrarese in der Serie C1 erfüllte er sich mit einem Engagement in Italien «einen Herzenswunsch». Danach war er in Wohlen und bei YF Juventus, bevor er das Tessin kennen lernte. Fast fünf Jahre hielt es ihn in Chiasso, er genoss das südländische Flair und seine Freiheiten als Trainer. Das war in Bellinzona anders, als er einem Manager begegnete, der Geld vernichtete, indem er Spielern, die normalerweise 1000 Franken bekamen, plötzlich das Zehnfache versprach. Ponte sah «wahnsinnige Sachen» und «Gangster am Werk». Eine Karriere ohne Manager Nach fünf Spielen brach er die Übung ab. In Lugano, der nächsten Station, erlebte er eine Fortsetzung der Lektion in Bellinzona, er staunte über seltsame Vorgänge im Club. «Der Fussball», sagt er an diesem wunderbaren Morgen im Aarauer Brügglifeld, «der Fussball zieht zu viele Leute an, die nicht vom Fach sind. Ich kann einem Banker nicht vorschreiben, was er zu tun hat, umgekehrt aber soll das erlaubt sein. Jeder meint, er wisse es besser als ein Trainer.» Ponte erlebte bittere Momente, etwa jenen, als Christian Constantin ihn bei Sion im vergangenen Sommer nicht mehr weiterbeschäftigte, obwohl es durchaus sportliche Argumente dafür gegeben hätte. «Ich bin Constantin trotzdem dankbar, dass er mir überhaupt eine Chance gab, wieder einzusteigen», sagt Ponte. In diesem halben Jahr im Wallis hatte er für sich die Bestätigung erhalten: «Ich verstehe doch noch etwas von diesem Sport.» Danach wartete er, hoffte er, dass sich ein Präsident bei ihm melden würde. Es herrschte monatelang Funkstille. Seine Erkenntnis: «Wenn ich mir einen Vorwurf machen muss, dann den, dass ich nie einen Manager hatte, der für mich weibelte.» War er ohne Club, war er nicht automatisch ohne Fussball, weil: Das kann er nicht. Beim FC Windisch, seinem Stammverein, kümmert er sich als Erich Vogel akzeptiert das Urteil Erich Vogel anerkennt den Schuldspruch wegen Gehilfenschaft zu versuchter Erpressung: Er verzichtet darauf, das Urteil des Bezirksgerichts Zürich an das Obergericht weiterzuziehen. Auch seine Anzeige gegen zwei Anwälte von YB-Sportchef Fredy Bickel hat er zurückgezogen. Der frühere GC-Manager Vogel war zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, 2013 dem Spielervermittler Peter Bozzetti beim Versuch geholfen zu haben, Bickel zu erpressen. Das Gericht habe Vogel ein «sehr leichtes Verschulden» attestiert, sagte sein Anwalt. Der Aufwand für ein weiteres Verfahren stehe deshalb in keinem vernünftigen Verhältnis zu einer möglichen vollständigen Rehabilitation. Die Sache ist damit nicht abgeschlossen: Bozzetti zieht seine Verurteilung zu 16 Monaten Haft (6 davon unbedingt) weiter ans Obergericht. Gleiches tut der Staatsanwalt. Er hatte 30 Monate verlangt. (SDA/TA) «Technologie fasziniert mich» Wie sieht Ihr perfekter Tag aus? Viel schlafen, viel laufen, mit den richtigen Leuten zusammen sein – und es geschieht ein Wunder . . . Drei Attribute, die zu Ihnen passen? Zuverlässig, korrekt, ausdauernd. Ihr Lebensmotto? Ich habe keines – und das ist auch eines. Ich hatte nie ein Motto und will mich auch über kein Motto identifizieren und diesem folgen. Welchen Sport, Sportler oder Club verfolgen Sie als Fan? Die kenianischen Marathonläufer. Und die Schweizer Langläufer. Was ist das Schönste an Ihrem Job? Als Marathonläufer, dass ich draussen bin, in der Welt herumkomme, mein eigener Chef bin, dass ich das Hobby zum Beruf machen konnte. Daneben arbeite ich halbtags an IT-Projekten. Technologie fasziniert mich. Das ist eine völlig andere Welt als das Marathonlaufen. Da muss ich auch in der Gruppe harmonieren. Spielen Sie ein Instrument? Als Jugendlicher spielte ich Akkordeon. An Weihnachten nehme ich das Instrument noch immer hervor. Ganz selten spiele ich für mich. Daumen hoch: Aaraus Trainer Raimondo Ponte (60) bleibt optimistisch. Foto: Gian Ehrenzeller (Keystone) Präsident um die Finanzen, es gilt ein Budget von 230 000 Franken zu stemmen. Ponte ist besessen von Fussball, im Fernsehen schaut er nichts anderes. Liga, Land? Egal. Und daheim in Oberrohrdorf hat er im Keller ein umfangreiches Archiv mit Videokassetten angelegt, auf denen besondere Momente seiner eigenen Karriere und viele grosse Spiele der Geschichte festgehalten sind. Alles ist fein säuberlich beschriftet, alles sofort griffbereit. Er sei pingelig, gibt Ponte zu, «sehr pingelig sogar». Und: «Überaus ordentlich.» Er verlangt, dass die Spieler die Kabine in einem anständigen Zustand verlassen, «denn wer Ordnung neben dem Platz hat, hat auch Ordnung auf dem Platz». Gelernt hat er das in seiner Zeit bei GC von strengen Trainern wie Hennes Weisweiler und Jürgen Sundermann. Diese Werte versucht er selber zu vermitteln. Wenn er beim FC Windisch in einer Garderobe dreckige Schuhe entdeckt, wirft er sie in die Mülltonne. «Nur so lassen sich die Jungen erziehen.» Nun ist Ponte also wieder in Aarau, und lange hat er nicht gebraucht, um sich hier zurechtzufinden. Im Stadion sieht alles noch mehr oder weniger gleich aus wie 1970, als er als Junior ins Brügglifeld kam. Er selber aber hat sich geändert, er sei deutlich ruhiger geworden. Früher konnte er angriffig sein und aufbrausend, schroff und direkt; nie versteckte er seinen Ärger, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. «Ich habe gelernt, mich schneller mit Dingen Urs Meier: «Uns fehlt der 12. Mann» Die Sorgen des FCZ Gegen den FC Aarau geht es für den FCZ heute ab 17.45 Uhr darum, nach zuletzt sechs Niederlagen in Serie (Meisterschaft und Cup) den Sinkflug zu bremsen. Doch den Club plagen nicht nur sportliche Probleme. Nach den Randalen in Basel, als Chaoten im Zürcher Sektor Böller, Petarden und Pyros zündeten, droht durch die Disziplinarkommission des Verbandes eine hohe Busse. Präsident Ancillo Canepa rechnet sogar mit einem Geisterspiel zu Hause. Heute in Aarau darf offiziell kein FCZAnhang dabei sein, der Gästesektor bleibt polizeilich gesperrt. «Wir büssen für die schlimmen Vorfälle», sagt Trainer Urs Meier. «Die wahren FCZler dürfen nicht ins Stadion. Uns fehlt der 12. Mann.» Aaraus Trainer Raimondo Ponte verzichtet auf eine Nomination von Sandro Wieser, der am 9. November im Brügglifeld den Zürcher Gilles Yapi bös gefoult und dadurch schwer verletzt hatte. «Ich will ihn schützen», sagt er, «schon das kleinste Vergehen könnte heftige Emotionen auslösen. Dieses Risiko wollen wir nicht eingehen.» (tn/pmb.) Die Südkurve will trotzdem nach Aarau, Seite 3 abzufinden, auf die ich keinen Einfluss habe», sagt er. Das 0:6 bei seinem Einstand in Basel hat er umgehend abgehakt, da habe er «einen Seich» gemacht und meint die taktische Ausrichtung. Das 0:1 gegen Sion war unnötig, lässt sich aber nicht mehr korrigieren. Wenigstens gab es zuletzt ein 2:0 in Vaduz. Es ist ein Hoffnungsschimmer. Ponte und «Herr Hotz» Heute geht es gegen den FCZ, der auch einmal sein FCZ war. Wenn er von diesem Club spricht, fällt schnell der Name von Sven Hotz, des früheren Präsidenten, der für ihn stets «Herr Hotz» geblieben ist und den er als «wahren Ehrenmann» bezeichnet. Mit Hotz steht er regelmässig in telefonischem Kontakt. Mit den aktuellen Exponenten beim FCZ gibt es indes keine Berührungspunkte. Wobei Ponte klarstellt: «In der schwierigen Situation, in der wir uns mit Aarau befinden, kann ich gar nicht an Zürich herumstudieren.» Was danach ist, im Sommer, das lässt er auf sich zukommen. «Wenn es hier weitergeht, dann ist das gut so», sagt er. Und wenn nicht? Er zuckt mit den Schultern: «Dann suche ich eine neue Lösung. Ich bin keiner, der daheim sitzt und tatenlos wartet, bis es Abend wird.» Liveticker Heute Aarau - FCZ, morgen Basel - Luzern und GC - YB fussball.tagesanzeiger.ch Nachrichten Fussball Coltortis Goaliegoal zum 2:1 Fabio Coltorti bescherte Leipzig in der 2. Bundesliga einen Sieg in letzter Minute. Der weit vorgerückte Goalie traf in der 93. Minute nach einem Corner aus kürzester Distanz zum 2:1 über Darmstadt. Coltorti ist der erste Torhüter, der in der 1. oder der 2. Bundesliga aus dem Spiel heraus das Siegestor erzielte. (Si) GC-Captain Pavlovic operiert Daniel Pavlovic wurde in London an der rechten Leiste operiert. Der GC-Captain hatte seit mehreren Wochen über Schmerzen in der Leistengegend geklagt. Er dürfte in anderthalb Wochen wieder vollumfänglich belastbar ist. (Si) 1. Bundesliga: Mainz - Schalke 2:0.– 1.Bayern 29/73. 2.Wolfsburg 29/61.– 6.Schalke 30/42.9.Mainz 30/37. 2.Bundesliga:Leipzig-Darmstadt2:1.Nürnberg-Sandhausen 2:0.Bochum - Kaiserslautern 0:2.– 1.Ingolstadt 29/58.2.Kaiserslautern 30/54.– 5.Leipzig 30/47. Frankreich: Marseille - Lorient 3:5. – 1. PSG 32/65. 2. Lyon 33/65. – 5. Marseille 34/57. 16. Lorient 34/38. Spanien: Cordoba -Athletic Bilbao 0:1.– 1.Barça 32/78. 2.Real32/76.–8.Bilbao33/46.20.Cordoba33/20. Pferdesport Pius Schwizer verliert Toulago Eishockey Eldebrink übernimmt in Rögle Die Wege von Pius Schwizer und Toulago trennen sich. Die Besitzerfamilie Haber hat sich entschlossen, das Spitzenpferd aus Oensingen abzuziehen. (Si) Drei Wochen nach seiner Entlassung als Trainer der Lakers unterschrieb Anders Eldebrink beim schwedischen Aufsteiger Rögle BK einen 2-Jahres-Vertrag. (Si) Ski alpin Joris neuer Slalom-Chef NHL. Achtelfinals. Eastern: Washington - NY Islanders 5:1; Stand 3:2. Detroit -Tampa Bay 2:3 n. V.; Stand 2:2. – Western: Nashville (mit Josi) - Chicago 5:2; Stand 2:3.Vancouver (mit Sbisa,Weber und Bärtschi) - Calgary (mit Hiller/41 Paraden) 2:1; Stand 2:3. Matteo Joris übernimmt die Verantwortung für die Schweizer Slalom-Gruppe. Der 34-jährige Italiener war bereits unter dem nicht mehr erwünschten Steve Locher Trainer der Weltcup-Gruppe 3. (Si) Tennis Barcelona.ATP-Turnier. Viertelfinals: Nishikori (Jap/1) s. Bautista Agut (Sp/7) 6:2, 3:6, 6:1. Ferrer (Sp/3) s. Kohlschreiber (De) 6:3, 7:6 (7:5). Klizan (Slk/14) s. Robredo (Sp/9) 7:6 (7:5), 6:4. Bukarest. ATP-Turnier. Viertelfinals: Gimeno-Traver (Sp) s. Simon (1) 6:7 (5), 6:4, 6:2. Monfils (2) s. Bolelli (It/8)6:3,7:6(4).Vesely(Tsch/7)s.Karlovic(Kro/3)6:4, 6:4.Garcia-Lopez(Sp/5)s.Rosol(Tsch/4)6:4,7:6(7). Stuttgart. WTA-Turnier. Achtelfinal: Suarez Navarro (Sp/8) s. Bencic 6:4, 7:6 (7:1). – Viertelfinals: Halep (Rum/2) s. Errani (It) 6:4, 6:4. Leichtathletik Lex Stepanowa bei «Weltklasse» Doping-Kronzeugen wie die 800-m-Läuferin Julia Stepanowa sollen künftig in Zürich starten dürfen, auch wenn sie gesperrt waren. Sie wären damit von der 2009 beschlossenen Regel ausgenommen, wonach Dopingsünder, die eine Sperre von mindestens zwei Jahren verbüsst haben, nicht mehr eingeladen werden. (Si) Unihockey Euro Tour. Männer (Sandviken/Sd): Finnland - Schweiz 11:4. – Frauen (Wil SG): Schweiz - Schweden 2:4. Die Musiksammlung welches Interpreten würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen? Die von der Band Muse. In welcher Geschichte wären Sie gerne dabei gewesen? In «Asterix bei den Schweizern». Ihr Lieblingsfilm? «2001 – Odyssee im Weltraum» von Stanley Kubrick. Was lesen Sie regelmässig? Schweizer Krimis, etwa von Petra Ivanov oder Sunil Mann. Wie intensiv nutzen Sie Facebook und/oder Twitter? Sehr intensiv. Da entwickelt sich Interaktion. Ich kann über mein Leben berichten, die Feedbacks wiederum nutze ich als Zusatzmotivation. Wie belohnen Sie sich? Vor allem mit Schokolade – oder mit Schlafen. Was zeichnet die Schweiz aus? Trinkwasser ab dem Hahnen, die Sicherheit, die Pünktlichkeit, die direkte Demokratie, die Schokolade, das ÖV-Netz, die Sauberkeit, die Kombination von Seen und Bergen, das frische, knusprige Brot, die vier Landessprachen. Wo würde Ihr Traumhaus stehen? Im Engadin. Die Kombination Wasser und Berge ist dort einzigartig. Was ist Ihr Lieblingsessen? Schon wieder Schokolade. Aber ich mag sehr vieles, ich esse einfach gerne. Sagen wir Ossobuco. Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie? Ein Leopard, weil ich als Kind einen Plüschtier-Leoparden hatte. Sie sind schlau, schnell und schön. Welches Geräusch mögen Sie? Vogelgezwitscher, Kuhglocken-Gebimmel, das Knirschen der Laufschuhe auf Kies. Was denken Sie, wenn der erste Schnee fällt? Ich hoffe, dass der Schnee nicht bleibt, damit ich gefahrlos trainieren kann. Wie sieht Ihr Leben in 20 Jahren aus? Sicher nicht so, wie ich es mir vorstelle. Aber ich will mir dies auch gar nicht vorstellen. (Interview: Jörg Greb) Der Oberländer Christian Kreienbühl (33) läuft morgen den London Marathon. Die Olympialimite liegt bei 2:14:00 Stunden, Kreienbühls Bestzeit steht bei 2:15:35.
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