Inklusiver Unterricht: alles für alle? Schulen auf dem Weg zu inklusiver Didaktik und Methodik Wiltrud Thies Inklusion: die Schule steht Kopf! • Inklusive Bildung für alle: Rechtsanspruch UN-BRK, Berichtspflicht, Veränderung... • Die Schule steht Kopf: – – – – – Wie soll das gehen? Wie kann das gehen? Kompetenzen Lehrkräfte? Barrierefreiheit? Haltung: Will ICH mich auf den Weg machen? – Schulentwicklung: Alle!? 23.03.2015 (c) [email protected] Ängste, Fragen und Bedarfe für inklusive schulische Entwicklung • Persönlich: Geht das überhaupt? Wie ändert sich meine Schülerschaft, wie meine Rolle, wie mein Unterricht? Kann ich allen gerecht werden? Will ich das überhaupt? Ändert sich jetzt alles? Muss ICH alles ändern? • Teambezogen: Müssen alle mitmachen? Was tun mit Bremsern, was mit ideologischen Fackelträgern? Wie können wir das Klima verbessern? Wie geht Kooperation? • Ressourcenbezogen: Sind die personellen und sächlichen Rahmenbedingungen vertretbar? Was brauchen wir? Was wünschen wir uns? • Zeit und Reihenfolge: Muss erst der Aufzug her, - oder erst das Kind, das ihn braucht? 23.03.2015 (c) [email protected] Wir brauchen einen Plan! • Vielfältige Ängste bremsen uns – und verändern NICHTS. • Wissen hilft! Wo anfangen??? 23.03.2015 (c) [email protected] Worauf konzentrieren wir unser Handeln? Ebene Ulf Preuss-Lausitz (2011): Möglichkeiten der Gestaltung inklusiver Schulsysteme in Deutschland 23.03.2015 5 Länderübergreifende Bedingungen (KMK, Bund, Stiftungen, Verbände) 4 Zureichende landespolitische Rahmenbedingungen für ein allgemeines Bildungsund Sozialwesen 3 Vernetzung der Schulen (Jugendhilfe, Beratung, Kommune) 2 Inklusives, partizipatives Schulleben (Schulkultur) 1 Guter, lerneffektiver und sozial befriedigender Unterricht (c) [email protected] 2 Aktivitätsebenen für jede Schule... • Wertschätzungskultur – Jede/r ist willkommen. – Jede/r ist selbstverständlicher Teil der Lerngruppe. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse stellt sich die Lerngruppe ein. – Gegenseitiges Helfen und kooperatives Lernen werden besonders gefördert. – Dauerhafte Sondergruppen werden vermieden. – Regeln und Rituale gelten für alle! 23.03.2015 • Guter, lerneffektiver Unterricht – Haltung und inklusives Denken: Anerkennung von Verschiedenheit und Gleichberechtigung – Didaktik für heterogene Gruppen: Wie und was sollen SuS in inklusiven Lerngruppen lernen? – Geeignete Unterrichtsformen – Geeignete Unterrichtsmethoden – Reflexion und Fortbildung für Weiterentwicklung (c) [email protected] Heterogenität als Ausgangspunkt für inklusive Didaktik (Heinzel/Prengel 2014) • Heterogenität in der inklusiven Pädagogik: Es geht um Verhältnisse zwischen Verschiedenen, die einander nicht untergeordnet sind. • Inklusive Didaktik folgt damit Menschenrechts- und Demokratiekonzeptionen, ist den Prinzipien Gleichheit, Freiheit und Solidarität verpflichtet... • Inklusive Lerngruppen: Gruppen aus Verschiedenen und gleichzeitig Gleichberechtigten • Handwerkszeug der Lehrkraft: – Haltung: Wertschätzung von Gleichheit und Freiheit für Vielfalt – passende didaktische, diagnostische und methodische Modelle 23.03.2015 (c) [email protected] Was heißt das für den Unterricht? • Nicht (mehr) möglich: ein einheitlicher, für alle gleicher und gleichzeitig maßgeblicher Lehrplan für alle • Statt dessen: Individuelle Lernentwicklung auf Basis sehr verschiedener Lernausgangslagen • Binnendifferenzierter Unterricht mit passenden Lernmaterialien für individuelles Lernen und Achtung jedes Einzelnen – Immer: Verbindliche Themen müssen für alle Leistungsniveaus stufenförmig aufgefächert werden: jedes Kind der heterogenen Lerngruppe kann einen Einstieg mit passenden Lernmaterialien finden. – Bemühen um die Anerkennung jedes Kindes, verbunden mit der unbedingten Vermeidung von schulüblichen Unterordnungen (also Diskriminierungen und Etikettierungen) 23.03.2015 (c) [email protected] Inklusiver Unterricht bedeutet dann... (Wocken 2011) Vielfalt der Kinder 1.1 1.2 1.3 dass alle Kinder einer unausgelesenen und ungeteilten Lerngruppe Vielfalt des Unterrichts 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4 2.6 2.7 2.8 2.9 sich allgemeine Bildung nach individuellem Vermögen und nach individuellen Bedürfnissen in vielfältigen Lernprozessen mit gemeinsamen und differentiellen Lernsituationen unter Nutzung förderlicher Ressourcen ohne behindernde Lernbarrieren und ohne diskriminierende und exkludierende Praxen sowie mit entwicklungsorientierter Lernevaluation aneignen können, und zwar Vielfalt der Pädagogen 23.03.2015 3.1 3.2 3.3 mit aktiver Unterstützung von kooperierenden Pädagogen und sozialen Netzwerken Puh! Geht es einfacher? Inklusiver Unterricht •ist Unterricht für die heterogene Lerngruppe, •ist der „bessere Unterricht“ für alle Lernenden (weil alle anders verschieden sind und alle von differenzierten Lernangeboten profitieren), •bedient sich bekannter Haltungen und Methoden der Reformpädagogik („vom Kinde aus...“), •ist ein Prozess, mit dem wir jederzeit gezielt und reflektierend beginnen können. Außerdem: •Aufgabe für Schulpädagogik als Wissenschaft: Entwicklung einer zeitgemäßen, auf der Anerkenntnis von Heterogenität fußenden (Fach)Didaktik und Methodik mit konkreten Hilfen für den GU für alle SuS. •Lehrerausbildung vermittelt dann z.T. neue/andere Inhalte u. Methoden. 23.03.2015 (c) [email protected] Merkmale „eines guten GU“ Literaturreview, Preuss-Lausitz 2011 Lernen / Methoden - mit allen Sinnen und durch Handeln - durch Partizipation (Wahlmöglichkeiten) - Kommunikatives Lernen, Peer-to-Peer-Lernen Unterrichtsorganisation - Individuelle Passung, differenzierte Leistungsansprüche (auch lernzieldifferent) - Intensive Nutzung der Lernzeit - Klarheit der Aufgaben - Häufiger Wechsel der Sozialformen - Vielfältige, auch „neue“ Medien - Verantwortungsaufgaben auch für „schwierige“ SuS Arbeiten im Team - Teamarbeit im Raum, - Freundlich-anerkennender, klarer Lehrerstil - Entwicklungsgespräche u. Zielvereinbarungen mit SuS u. Eltern - Kürzere Förderpläne und Überprüfung 23.03.2015 (c) [email protected] Inklusionstaugliche, nicht-ausgrenzende didaktische Konzepte Ansätze aus der Reformpädagogik Einbezug subjektiver Interessen der Kinder, Lebensweltbezug Offenheit u. Lebendigkeit statt Starre Offener Unterricht ohne starre fachwissenschaftliche Grenzen Lernen = Forschen, Lernen als Prozess Interaktionsaspekte vor Sachaspekt, Einbezug von SuS in Planungsphasen des Lernens u. Mitbestimmung des U-Verlaufs Instrumentelles Lernen (Lesen, Schreiben, Rechnen...) im Sinnzusammenhang / Realcharakter 23.03.2015 (c) [email protected] Geeignete Unterrichtsformen Projektorientierter Unterricht Offener Unterricht Schülerorientierter Unterricht Entdeckendes Lernen Erfahrungsbezogenes Lernen Praktisches Lernen Inklusiver Unterricht möglich... Problemlösender Unterricht Imaginatives Lernen ..... Inklusionstaugliche Methoden... • Basis: Anerkennung der gleichwertigen Heterogenität in jeder Gruppe – D.h.: Jede/n Einzelne/n bestmöglich fördern und erkennen: • • • • Alle erzielen Lernfortschritte. Die Lernfortschritte sind unterschiedlich groß. Die Lernfortschritte gehen in die Breite. Heterogenität wird nicht egalisiert, sondern komplexer... • Notwendig: Öffnung des Unterrichts in Bezug auf Ziele, Inhalte, Zeit, Methoden, Lernmaterialien, L-SuS-Beziehung u. spezifische entwicklungsbegleitende Maßnahmen • Binnendifferenzierung als methodisches Fundament eines offenen u. schülerorientierten Unterrichts • Lernen im Unterricht als gemeinsame Tätigkeit (Form gleich, Inhalte variabel) und als Lernen am gemeinsamen Gegenstand in Kooperation aller SuS 23.03.2015 (c) [email protected] Dazu notwendig: eine subjektiven Didaktik (Wilhelm 2014) Objektive Didaktik • Stofforientierung • Der Lernende ist Objekt, wird belehrt • Fremd gesteuert • Passiv • Hohe Kontrolle durch L • Lernen als Abbildung • Vermittlung von Antworten 23.03.2015 Subjektive Didaktik • Lernerorientierung • Der Lernende ist Subjekt – er lernt • Eigenverantwortlich • Aktiv • Selbstkontrolle • Lernen als Konstruktion • Anregung von Fragen (c) [email protected] Geeignete Unterrichtsmethoden Projektlernen Wochenplan Rahmenthema Tagesplan Thematische Einheit Arbeitsplan Methoden des kooperativen Lernens, Freie Arbeit Freies Üben Lernstraße Werkstätten oder z.B. Think-Pair-Share Stationen Gespräch, Reflexion, Präsentation, Gruppenlernen Lernen in und durch Bewegung Methoden im inklusiven Unterricht Forschendes und entdeckendes Lernen ..... Abgucken hilft: 5 Beispiele des Gelingens 23.03.2015 (c) [email protected] 1. Individualisiertes Lernen in der gleichen Unterrichtsform • Arbeiten mit dem Tages- oder Wochenplan – Arbeitszeit und Regeln für alle gleich – Effektivierung des Lernens durch Differenzierung – Individualisiertes Lernen, also Zieldifferenz unproblematisch – Klare Struktur, wiederkehrende Symbolik – selbständiges Lernen – Förderung kooperativen Lernens (peer to peer) - Einsatz auch im Fachunterricht möglich 23.03.2015 (c) [email protected] 2. Lernen am gemeinsamen Gegenstand: Die Thematische Einheit als geeignete Unterrichtsform – Arbeiten in Kleingruppe oder Einzelarbeit in klarem Zeitkorridor über mehrere Wochen – Begleitung und Beratung durch 2 Lehrkräfte – Präsentation der Ergebnisse im Plenum, Präsentation ist Teil des Lernens – Übergreifende, differenzierte Tests sichern den Lernerfolg 23.03.2015 (c) [email protected] Lernen am gemeinsamen Gegenstand: Die Themenmatrix als (L-)Hilfe zur Differenzierung (Sommer 2013) • Idee: SuS lernen auf unterschiedlichen kognitiven Ebenen, daher unterrichtliche Differenzierung nach Quantität, Lernniveaus, Methoden, Themen, Sozialen Kriterien, und benötigten Hilfen. • Stoffliche Differenzierung anhand 5 Stufen der kognitiven Entwicklung (nach Piaget und Kutzer): 1. 2. 3. 4. 5. Anschaulich/praktisch... (praktisches Handeln mit d. Gegenstand) Teilweise vorstellend... (teilweise vorstellender Umgang mit d. G.) Vollständig vorstellend... (vollständig vorstellender Umgang m.d.G.) Symbolische Ebene (Buchstaben, Worte, Zahlen, Abbildungen) Abstrakt (Anwendung der den Lerngegenstand bestimmenden Erkenntnisse) 23.03.2015 (c) [email protected] Themenmatrix Fahrrad 23.03.2015 (c) [email protected] Thema „ Umwelt“ Differenzierungsmatrix Sozialkunde Klimaschutz – der Menschheit bleibt keine andere Wahl Analyse von Schaubildern Globalisierung und umweltgerechte Wirtschaft Arbeit an Karikaturen Planspiel: Arbeitsplätze kontra Umweltschutz symbolische Ebene / Darstellung Nachhaltiges Wirtschaften ist Umweltschutz Erarbeitung eines Leitbildes für Nachhaltigkeit Umweltpolitik auf kommunaler Ebene Internationale ZusammenarbeitAlle müssen an einem Strang ziehen Umweltschutz auf Bundesebene/ Gesetzesgrundlagen Arbeit an einem Beispiel Das Kyoto-Protokoll Vollst. vorstellende Handlung Teilw. vorstellende Handlung Projekt: Thema „ Die Thüringer Waldautobahn“ Wasser eine unserer Lebensgrundlagen Maßnahmen zum Sparen und zum Schutz der Umwelt Was muss erfolgreiche Wirtschaftspolitik für die Umwelt leisten? Das Grüne Herz DeutschlandsDas Bundesland Thüringen / Erarbeiten eines Schaublattes Luftverschmutzung – ein wachsendes Problem u.a. der Treibhauseffekt und seine Auswirkungen Umwelt und Umweltschutz betrifft mich auch zu Hause Abfall – ein Produkt der Wohlstandgesellschaft Mülltrennung / Abfall vermeiden Möglichkeiten des persönlichen Einbringens / Anknüpfen an den vorhergehenden Punkt Arbeit mit dem Abfallkalender / Unterschiede von Stadt und Land Zur Umwelt gehören: Wasser +Luft+Abfall Begriffsarbeit Wohlstand hat seinen Preis ! Konsum und Umweltschutz Arbeit mit Bild-, Karten- u. Diagrammmaterial Abstrakt anschaulich/ praktisch 23.03.2015 Einführung in Kl. 7 Anknüpfen an Erfahrungsschatz aus Heimat- u. Sachkunde + MNT Das Grüne Band – Deutschland / Erarbeitung eines Tourismusflyers (c) [email protected] © RS Rositz, Thüringer Forschungs- und Arbeitsstelle für den Gemeinsamen Unterricht Wirtschaft und Umwelt Nutzungsmöglichkeiten der Matrix – Unterrichtsplanung – Differenzierung – Lernwege darstellen – Lernumgebung gestalten – Förderplanung – Leistungsbewertung – Dokumentation der Lernentwicklung – Lehrer/innen/kooperation – Elternarbeit Mehr Info: www.schulportal-thueringen.de 23.03.2015 (c) [email protected] 3. Gemeinsames naturwissenschaftliches Forschen – Methode aus der modernen Grundschulpädagogik, übertragbar auf Sekundarstufe – Forschendes Lernen an selbst gewählten Forscherfragen in einer vorbereiteten Umgebung – Differenzierte Bearbeitung von Forschungsfragen möglich; alle können forschen! Lesekompetenz nicht Voraussetzung. – Inklusiv: Besonderer Stellenwert des praktischen Lernens, der Reflexion und der Veröffentlichung in der Lerngruppe 23.03.2015 (c) [email protected] Gemeinsames naturwissenschaftliches Forschen: Ausstattung u. päd. Rahmen – Forscherkisten zu naturwissenschaftlichen Themenfeldern – Benötigte Materialien für vorgeschlagene Versuche – Liste zusätzlich benötigter Materialien – Versuchsbeschreibung (In Text und Piktogrammen) – Zusätzliche Materialschränke für Kinder und Erwachsene (Verbrauchs- und Risikomaterial) – Klare Regeln des Ablaufs (immer gleich!) – Forscherführerscheine gegen Gefahrenpotenziale – Flexible Raumnutzung (Forscherwerkstatt, Aula, Außengelände…) 23.03.2015 (c) [email protected] 4. Gruppenlernen: Rituale Montagmorgenkreis in der SSS Gießen: Kultur einüben, Präsentieren, Feiern, Absprechen 23.03.2015 (c) [email protected] Gruppenlernen: Gespräch, Reflexion Morgenkreis in der Lerngruppe der Sophie-Scholl-Schule Gießen: Sich mitteilen, orientieren, planen, reflektieren 23.03.2015 (c) [email protected] Gruppenlernen: Rolle des Gesprächs • Unterrichtsbeginn: Gespräch über das Vorhaben des Unterrichts, die Aufgabe und gewählte Lernform. Ziel: Schüleraktivierung für den je eigenen Lern-Weg. • Unterrichtsende: Reflexion zentral für den Ertrag • Inklusion: Gespräch zudem in der Funktion der Zusammenführung (inhaltlich und sozial) sowie der Wertschätzung und Anerkennung. • Wichtig für den Erfolg: – Zielorientierung – Entwicklungsangemessenheit – sinnvoller Zeitaufwand (Vermeidung von Zeit-Fressern und Routine-Langweilern!) 23.03.2015 (c) [email protected] 5. Ein Wort zum Frontalunterricht... • In der Vielfalt hat prinzipiell auch die frontale Einführung ihren Platz, - wenn auch oft nicht für die ganze Gruppe. • Frontal heißt nämlich: – Darbietung des Themas (problemorientiert, informierend), – Konstruktives Durcharbeiten (unter aktiver Schüler/innen/beteiligung), – Übendes Wiederholen (Sicherung des individuellen Lernerfolgs), – Problemorientierte Anwendung • Auch frontale Phasen sind für kursorientierte Themenbearbeitung in Teilgruppen also durchaus geeignet. 23.03.2015 (c) [email protected] Also alles für alle im inklusiven Unterricht? Unterricht für alle in der Lerngruppe für alle Alle sind unterschiedlich und gleichwertig Inhalte, Ziele und Pensen differieren Methoden erfüllen Kriterien des differenzierten Lernangebotes Umsetzung als individuelles Lernen in der gleichen Unterrichtsform und Lernen am gemeinsamen Gegenstand Besondere Rolle der Anerkennungskultur und des sich-gegenseitig-vermittelnden Gesprächs sowie kooperativer Lernformen und gegenseitigem Helfen 23.03.2015 (c) [email protected] Ein langer Weg ... mit vielen kleinen und großen Schritten, ...die man am besten gemeinsam geht! 23.03.2015 (c) [email protected]
© Copyright 2025 ExpyDoc