MZ-Titelseite zum Tag der Befreiung

Ü B E R PA RT E I L I C H & U N A B H Ä N G I G
Erste Wohnung mit
helfenden Gedankenstützen
für Demenzkranke Seite 7
Erzieherstreik legt
für drei Tage 29 Kitas in
der Stadt lahm. Seite 9
HALLE
Zweckverband
will die Wasserpreise nicht
vor 2016 ändern. Seite 13
HALLE
WETTIN
Tag der Befreiung
HEUTE IN DER MZ
REISE
IRLAND
Cottage-Urlaub:
Nur drei Meter
bis zum
Atlantik
DIE THEMEN
06 ZEITGESCHICHTE Niemals satt
im Hungerwinter 1946/47
16 SPORT Verwirrung um die
Bundesliga-Lizenz für den MBC
18 KINDERSEITE Vor
70 Jahren
endete der Zweite Weltkrieg
19 WIRTSCHAFT Ungewisse
Zukunft für Waschmittelwerk
26 KULTUR Der Jazz-Pianist
Keith Jarrett wird 70
27 MEDIEN 3sat-Doku beleuchtet
die dunkle Seite von Red Bull
28 PANORAMA Künstlerin knetet
sich ihre Promis
Übergewicht Warum Diäten
langfristig nichts bringen
www.mz-web.de/gesundheit
Mobil Sonne oder Regen:
So wird das Wetter heute!
www.mz-web.de
Ein Großfoto vor dem Brandenburger Tor in Berlin zeigte 2005 am Pariser Platz die Zerstörungen zu Kriegsende.
FOTO: IMAGO
„Sieg der Menschlichkeit
über die Barbarei“
„Aus Feinden
wurden Freunde“
VON WLADIMIR M. GRININ
VON JOHN B. EMERSON
GE DA N K E N ZU M T A G
„Es genügt nicht,
entschlossen anzufangen,
man muss auch
entschlossen fortfahren.“
Johannes Paul I.
(1912 - 1978)
Papst
IN KÜRZE
KRIMINALITÄT
Polizei gibt Suche nach
Fünfjähriger im Wald auf
- Für die Polizei wird immer wahrscheinlicher, dass die vermisste Fünfjährige aus Schönebeck Opfer
eines Verbrechens wurde. Gestern beendeten die Ermittler
die Suche nach dem Mädchen
in einem Waldstück bei Stendal.
Seit Samstagabend fehlt von
dem Kind jede Spur.
Seite 2
WILHELMSHOF/MZ
I
n der Nacht vom 8. auf den 9. Mai feiern wir den 70. Jahrestag des Lebens
ohne Weltkriege. 54 Millionen ins Verderben gezogene Opfer kostete der 2. Weltkrieg die Menschheit. Unser Land war von
diesem Vernichtungskrieg besonders betroffen. Enorme Verwüstungen, enormes
Leid und 27 Millionen Menschenleben.
Verschiedene Nationen haben sich damals
zusammengetan, um der Nazi-Maschinerie ein Ende zu setzen und ihren Nachkommen das Möglichsein einer Zukunft überhaupt sichern zu können.
Doch dieser Sieg war nicht der einer militärischen Koalition über die andere. Das
war auch nicht der Sieg über das deutsche
Volk. Das war der Sieg der Menschlichkeit
über die Barbarei. Der Freiheit über die
Sklaverei. Des Lebens über den Tod.
Zwischen damals und heute liegen sieben Jahrzehnte. Doch dieser lange Zeitabschnitt ist machtlos gegenüber dem Geist
der Brüderschaft und des Friedens, der damals den ganzen Globus zu erfassen
schien. Aus diesem Geist entstanden die
Vereinten Nationen, die Organisation, der
im Rückblick auf Schrecken und Leiden
des Zweiten Weltkriegs die große Vision
vom gegenseitigen Respekt, Verständnis
und Vertrauen zugrunde gelegt wurde.
Nicht immer hat diese im späteren Verlauf der Geschichte angemessene Umsetzung gefunden. Die einen Konfrontationslinien wurden verwischt, die anderen neu
gezogen. Der große Traum vom internationalen Einvernehmen lebt aber weiter. Dessen Erfüllung anzustreben ist unsere
Pflicht. Nicht nur der Kriegstoten willen,
sondern auch und vor allem um der lebenden und nachkommenden Generationen
willen.
Es ist nicht zu übersehen, wie kompliziert die heutigen Zeiten sind. Darüber
hinaus sieht sich die ganze Welt derzeit
gemeinsamen Herausforderungen gegenüber. Dennoch hoffe ich, dass wir imstande sind, diese Turbulenzen zu überwinden, wenn wir die Ursachen und Folgen
der damaligen Katastrophe nicht vergessen. Wir alle von dem Krieg Betroffenen le-
ben in einem euroatlantischen Raum. Und
in unserem Land, das entsprechende Lehren aus dem 2. Weltkrieg gezogen hat,
wünschen sich die Menschen, dass in diesem Raum sich eine nachhaltige, gleiche
und unteilbare Sicherheitsordnung etabliert und ein normales partnerschaftliches Verhältnis praktiziert wird.
Wir müssen uns an das Vermächtnis der
Soldaten der Anti-Hitler-Koalition halten:
„Nie wieder Krieg“. Denn dann waren ihre
Opfer nicht umsonst.
KRIEGSENDE
70 Jahre nach dem Tag
der Befreiung hat die
MZ die Botschafter
Russlands und der USA
gebeten, Gastbeiträge
zu schreiben.
Wir veröffentlichen
sie ungekürzt.
RUS S L A ND
Wladimir M. Grinin
60
Millionen Menschen hatten bis
zum Tag des Sieges der Alliierten in Europa in einem der
grausamsten Zeitabschnitte der Geschichte ihr Leben gelassen, an den Stränden der
Normandie, in den Konzentrationslagern
der Nazis, vor den Toren Moskaus und an
zahllosen anderen Orten. Hinter diesen gewaltigen Zahlen verbergen sich Millionen
unbeschreibliche Tragödien. Für die Überlebenden würde das Leben nie wieder so
sein wie zuvor. Ich habe ihre Geschichten
in Buchenwald und Dachau, in Berlin und
Torgau gehört. In der bisherigen Geschichte gibt es nichts, das mit der Unmenschlichkeit und Tragik des 2. Weltkriegs vergleichbar wäre.
Als sich heute vor 70 Jahren die Nachricht von der Kapitulation Nazi-Deutschlands verbreitete, ging eine Welle der Erleichterung und Freude durch Europa und
die Vereinigten Staaten. Doch die Freude
wurde durch den Schmerz über die ungeheuerlichen Verluste getrübt. In der Sowjetunion war jeder achte Staatsbürger ums
Leben gekommen.
Wenn wir heute derer gedenken, die im
2. Weltkrieg gelitten und gekämpft haben,
müssen wir uns auch zu Frieden, Freiheit
VE R EI N IG T E S T AA T E N
John B. Emerson
Der erfahrene russische Diplomat WladiDer Wirtschaftsanwalt John Bonnell
mir Michailowitsch Grinin (67) ist seit
Emerson (61) repräsentiert seit 2013 die
2010 Botschafter der Russischen FöderaUSA in Deutschland. Er war Partner einer
tion in DeutschKanzlei und späland. Zuvor war er
ter Präsident eiBotschafter in Ösner Investmentterreich, Finnland
gesellschaft sound Polen. In den
wie Beamter im
1970er
und
Weißen
Haus.
1980er Jahren arBarack Obama
beitete er bereits
berief ihn 2010
in der BRD sowie
zum
Berater.
in der DDR. Er ist
Emerson ist ververheiratet und hat Die beiden Botschafter Wladimir M. Grinin (l.) und heiratet und hat
eine Tochter.
drei Töchter.
John B. Emerson im Gespräch FOTO: DPA
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und Gerechtigkeit bekennen. Aus den
Trümmern des 2. Weltkriegs wurde eine
transatlantische Gemeinschaft geschmiedet, die in gemeinsamen Institutionen verankert ist. Sie haben Europa eine Ära des
Friedens, des Wohlstands und der Stabilität gebracht. Aus Feinden wurden Freunde, die lernten, zusammenzuarbeiten. Das
Bedürfnis nach Einigkeit und Entschlossenheit besteht nach wie vor. Denn wir stehen auch heute noch vor Herausforderungen, die eine globale Zusammenarbeit und
globale Lösungen erfordern: Konflikte,
Terrorismus, Intoleranz, Fanatismus,
Krankheiten, Dürren, Hungersnöte und
Armut.
Zwei Ereignisse, die sich nicht nur maßgeblich auf die transatlantischen Beziehungen, sondern auch auf die Weltordnung ausgewirkt haben, waren die friedliche Revolution, die zum Fall der Berliner
Mauer führte, und die deutsche Wiedervereinigung. Sie haben der Vorstellung
von einem geeinten, freien und friedvollen
Europa im 21. Jahrhundert und einer umfassenderen Vision der Grundrechte, die
Menschen auf der ganzen Welt inspiriert,
Gestalt gegeben. Es ist die Vision von einer
Welt, in der die Menschen ihre Meinung
frei äußern und ihre Regierung kritisieren, sich versammeln, wählen und selbst
über ihr Schicksal bestimmen dürfen. Diese Rechte bringen Pflichten und die Verantwortung mit sich, das Gemeinwohl zu
verteidigen. Dieser Prozess war und ist weder einfach noch unausweichlich, das hat
die Geschichte unserer beiden Länder gezeigt.
Wir Amerikaner haben im eigenen Land
und in unseren Beziehungen zu anderen
Fehler gemacht, und manchmal sind wir
an unseren eigenen Idealen gescheitert.
Aber es liegt in der Natur unserer Demokratie, dass sie sich selbst korrigiert, und
in unserem Streben nach diesen Idealen
bleiben wir unnachgiebig. An diesem
70. Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs
sollten wir uns erinnern, dass wir gemeinsam in der Lage sind, den Verlauf der Geschichte positiv zu beeinflussen.