Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Wann kommen Sie wieder in meine Sprechstunde? D. Ackermann 16.3.2015 01.06.2015 1 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Daniel Ackermann Dr. med., Allgemeine Medizin FMH Hausarzt in Praxisgemeinschaft in Dottikon AG 01.06.2015 Lehrtätigkeit in den Bereichen Hausarztmedizin / Medizin-Didaktik / Psychosomatik 2 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM If we could all just learn to listen, everything else would fall into place. Listening ist he key to being patient centred. Ian McWhinney 01.06.2015 3 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Inhalt Weg des Patienten in die Sprechstunde Wichtige Werkzeuge Etappen der Konsultation Focus und weiteres Vorgehen festlegen Behandlung übergeben Sicherheitsnetz knüpfen Zusammenarbeit im therapeutischen Netz 01.06.2015 4 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Weg des Patienten in meine Sprechstunde Patient hat einen ‘weiten Weg’ hinter sich, wenn er bei mir im Sprechzimmer sitzt. Ich bin neugierig darauf, Etappen dieses Weges kennen zu lernen. 01.06.2015 5 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Jede Veränderung, jedes Symptom macht primär Angst Annahme: Sie spüren seit Freitag Abend immer wieder für kurze Zeit einen leichten ziehenden Schmerz im Oberbauch links ….. 01.06.2015 6 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Ebenen der Angst – Körperliche Komponente: Wahrnehmung einer Anspannung oder körperlichen Missempfindung meist in Folge einer Stresser mit entsprechender Adrenalinausschüttung – Gedankliche Komponente; katastrophale Interpretation: Die Symptome werden als erste Zeichen eines schlimmen Geschehe interpretiert: «Ich kippe gleich um», «Ich habe einen Herzinfarkt» – Emotionale Komponente: Besorgnis, Angst, Ärger – Verhaltenskomponente: Vermeidung, Heimgehen, Flucht, Tabletteneinnahme, Notfallstation usw. – Fixierung der Aufmerksamkeit: Einengung auf Symptom oder katastrophale Interpretation, Gedankenkreisen, Einengung des Denkens bis zur Derealisation («bin im falschen Film») oder Depersonalisation («bin näb de Schueh») 01.06.2015 7 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Werkzeuge Meine Werkzeuge, die ich als Hausarzt regelmässig benütze, sind einfache Werkzeuge … 01.06.2015 8 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Werkzeuge Aktives Zuhören WWSZ NURSE Ebenen der Konsultation 01.06.2015 9 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Aktives Zuhören Attentive listening means giving one’s total and undivided attention to the other person and tells the other that we are interested and concerned. […] we listen not only with our ears, but with our eyes, mind, heart and imagination as well. We listen to what is going on within ourselves, as well as to what is taking place in the person we are hearing. We listen to the words of the other, but we also listen to the messages buried in the words. Carl Roger 1980 01.06.2015 10 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM WWSZ Warten (> 3 sec), Aufmerksamkeit fokussiert auf den Patienten. Nicht jedes Schweigen ist eine Einladung zum Sprechen! Die Schwierigkeit besteht darin zu spüren, ob die Pause hilfreich ist oder belastend. Eine Hilfe zur Orientierung ist der Blickkontakt: wenn die Patientin wegschaut, ist sie vielleicht ‚in Gedanken‘ und nicht mehr im direkten Kontakt 01.06.2015 11 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM WWSZ Wiederholen Ärztin greift einzelne Worte der Patientin auf 01.06.2015 12 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM WWSZ Spiegeln: Der Arzt greift etwas auf, was er vom Patienten wahrgenommen oder verstanden hat. Spiegeln auf Emotionen Spiegeln auf aktuelles Thema Spiegeln meint Benennen als Vorschlag, nicht Deuten 01.06.2015 13 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM WWSZ Zusammenfassen: Nach Ankündigung fasst der Arzt mit eigenen Worten zusammen, was er bisher verstanden hat. 01.06.2015 14 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM 3 Ebenen Inhalts - Ebene: Fakten Kognitive Ebene: Gedanken Emotionale Ebene: Gefühle 01.06.2015 15 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Umgang mit Emotionen NURSE Emotionen benennen Verständnis zeigen Respekt äussern Unterstützung anbieten Weitere Aspekte finden 01.06.2015 Naming Understanding Respecting Supporting Exploring 16 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Etappen der Konsultation: 01.06.2015 17 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Etappen der Konsultation Haushalt ordnen, Psychohygiene Beziehung herstellen, aktives zuhören Zusammenfassen, Fokus, Problem und weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen Behandlung übergeben Sicherheitsnetz knüpfen (The Inner Consultation, Roger Neighbour 1987) 01.06.2015 18 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Etappen der Konsultation Haushalt ordnen, Psychohygiene Beziehung herstellen, aktives zuhören Zusammenfassen, Fokus, Problem und weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen Behandlung übergeben Sicherheitsnetz knüpfen (The Inner Consultation, Roger Neighbour 1987) 01.06.2015 19 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Focus, Problem gemeinsam festlegen Krankheitskonzept entwickeln, das psychische Faktoren gleichwertig mit einbezieht z.B.: Allgemeine Natur der Angst Auftragsklärung: z.B. nur Erklärung, oder Erklärung und Behandlung 01.06.2015 20 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Allgemeine Natur der Angst … ist normal … tritt auf bei Gefahr, Bedrohung … hat Schutzfunktion, Überlebenwert … Vorbereitung zu Flucht oder Kampf … hat drei Komponenten: Körper, Gedanken, Verhalten … Aufmerksamkeitslenkung auf Bedrohung … Alarmsystem wird überempfindlich … kann durch internale Reize und katastrophale Interpretationen ausgelöst werden 01.06.2015 21 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen z.B.: Körperliche Untersuchung (ganz zentral wichtig!!) Erklärung Abwartendes Offenlassen mit ‘Begleitung’ und fix vereinbartem Sprechstunden-Folgetermin 01.06.2015 22 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen Optionen: Erklärung und Begleitung Erklärung und Behandlung Erklärung, ‘Probebehandlung’ und Überweisung 01.06.2015 23 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Etappen der Konsultation Haushalt ordnen, Psychohygiene Beziehung herstellen, aktives zuhören Zusammenfassen, Fokus, Problem und weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen Behandlung übergeben Sicherheitsnetz knüpfen (The Inner Consultation, Roger Neighbour 1987) 01.06.2015 24 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Behandlung übergeben Krankheitsverständnis, Wissen, Gewohnheiten, Meinungen, Werte, Selbst-Bild, Mythen, Tabus, Traditionen des Patienten kennenlernen Haltung / Einstellung des Patienten gegenüber Behandlungs-Optionen kennenlernen Aushandeln eines Behandlungsplans Motivieren: u. a. Werkzeuge des motivierenden Gesprächs 01.06.2015 25 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Behandlung übergeben Verlässliches, ‘geduldiges’ Behandlungsangebot. beschwerde-unabhängige Termine: Wann kommen Sie wieder in meine Sprechstunde? Hohe Ansprüche der Patienten relativieren, kleine Zielsetzungen für die Behandlung. Fokussieren auf einzelne Behandlungsthemen und Zielsetzungen. Patienten nicht durch intensive Diagnostik beruhigen wollen 01.06.2015 26 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Behandlung übergeben: Angebote Den Gefühlen Raum geben und das Erleben verdeutlichen. Arzt stellt sich vornehmlich „neben“ den Patienten: Aussensicht und Reflexion fördern die Selbstreflexion. Wenn nötig stellt er sich „vor“ den Patienten: affektive Resonanz und angebotene neue Beziehungsfiguren fördern die Affektdifferenzierung und die Selbstwahrnehmung. Er stellt sich dem Patienten auch „gegenüber“ : Konfrontation, Erregung und Affekte aushalten fördert die Affekttoleranz. 01.06.2015 27 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Behandlung übergeben: Angebote Containing: Haltgeben: durch regelmässiges Setting und Entgegenehmen, Transformation unerträglicher Gefühle des Patienten Verdauen (Bion: container: Hülle, Halt) Problem: Handlungsdruck, weitere Abklärungen, ängstliches Agieren. 01.06.2015 28 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Behandlung übergeben: Angebote Gespräche in Hausarzt-Sprechstunde Möglichkeiten zur Selbsthilfe vermitteln, Psychoedukation Medikation 01.06.2015 29 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Etappen der Konsultation Haushalt ordnen, Psychohygiene Beziehung herstellen, aktives zuhören Zusammenfassen, Fokus, Problem und weiteres Vorgehen gemeinsam festlegen Behandlung übergeben Sicherheitsnetz knüpfen (The Inner Consultation, Roger Neighbour 1987) 01.06.2015 30 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Sicherheitsnetz knüpfen Der Arzt fragt sich: - was passiert, wenn ich recht habe? - wie weiss ich, ob ich mich täusche? - was mache ich dann? Sicherheitsnetz knüpfen in einem Setting der HausarztMedizin, das sich in den letzten Jahren massiv verändert hat! 01.06.2015 31 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM … und wenn die Angst doch stärker ist … Zusammenarbeit im therapeutischen Netz: Vorbereitung zur Überweisung 01.06.2015 32 IHM Phasenmodell:Prozess der Aneignung, Integration und Umwandlung schwieriger Erfahrungen (Heidelberger Umstrukturierungsskala) n.W.Stiles Institut für Humanwissenschaftliche Medizin 1.Nichtwahrnehmen des (Fokus) Problems : Völlige Abwehr, Vermeidung des Fokusbereichs, es gibt kein Problem 2. ungewollte Beschäftigung mit dem Fokus: Symptomdruck, Interpers. Probleme, von aussen kommend erlebt 4.Anerkennung und Erkundung des Fokus: Interessiertes Problemverstehen, Arbeitsbeziehung, akt. Bewältigung 6. Neustrukturierung im Fokusbereich. Versöhnliches Erleben,neue Erlebens-Verhaltensmöglichkeiten 7. Auflösung des Fokus Integration, Selbstübereinstimmung, realitätsgerechtes Erleben 01.06.2015 Strukturelle Veränderung 5. Auflösung alter Strukturen im Fokusbereich: Abwehr wird brüchig, Leiden, Trauer, Ausgeliefertsein,Verwirrung Bewältigung 3. Vage Fokuswahrnehmung: Passive Beschäftigung mit Fokus, Ahnung, Anerkennung eigener Verantwortung. HA Pth 33 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Klärung der Indikation und Motivation zur Fachpsychotherapie: Anerkennung und Erkundung des Fokus Haltung und „Technik“: Mit den PatientInnen gut vorbereitete Überweisung in eine ambulante Psychotherapie: • Ambivalenz aushalten, klären soweit möglich: Bereitschaft, Vertrauen, Priorität • auf ‘Probebehandlung’ aufbauen •Teilziele anstreben • verschiedene Fokus darstellen • durch weitere hausärztliche Behandlung Zurückweisung und Beziehungsabbruch vermeiden 01.06.2015 34 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Klärung der Indikation und Motivation zur Fachpsychotherapie: Anerkennung und Erkundung des Fokus 01.06.2015 35 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin IHM Etappen der Konsultation: Eigene Grenzen kennen als Teil der Psychohygiene 01.06.2015 36 Institut für Humanwissenschaftliche Medizin . IHM Danke für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit! 01.06.2015 37
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