Maria Voce - United World Project

Pressestelle
NewYork–SitzderUNO
HochrangigeDebatteüberdieFörderungvonToleranzundVersöhnung
Plenums‐Veranstaltung
22.April2015
DenFriedenneuerfinden
Dr.MariaVoce
PräsidentinderFokolar‐Bewegung
ZunächstmöchteichderOrganisationderVereintenNationenundder„AllianzderZivilisationen“dafür
danken,dasssiedieseDebatteeinberufenundmichzueinemBeitrageingeladenhaben.Dochvorallem
möchteichIhnenDankesagenfüralldas,wasSiegetanhabenundtäglichtununddabeiallediplomatischen
Mittelnutzen,sichmitallenKräften,auchpersonellerArtmitallenIhnenzurVerfügungstehenden
Möglichkeiteneinsetzen,damitdieWeltgeschwisterlicher,sichererundfriedlicherwird!
UndjetztmöchteichIhneneineGeschichteerzählen.
1943,gegenEndedeszweitenWeltkriegskommtinTrient,einerkleinenStadtinNorditalien,eineGruppe
jungerFrauenzusammen.WährendumsieherumBombenfallen,erkennensie,welcherevolutionäreKraftim
Evangeliumstecktundbeschließen,ihrLebeneinzusetzen,umNotundArmutzulindern.ChiaraLubich,eine
blutjungeLehrerin,führtdieGruppean.
VieleanderevorundnachihnenhabendieseEntscheidunggetroffenundtreffensieimmerwieder(denken
wirnurandieFlüchtlingslagerimLibanon,inSyrienundJordanien,imIrakoderindenSlumsrundumviele
GroßstädtederWelt).DieseGestenhabendieKraft,denzerstörerischenKreislaufdesKonfliktszu
durchbrechenunddassozialeNetzvoninnenzuerneuern.SokommtetwasinGang,wasimSprachgebrauch
derVereintenNationen'peace‐building'genanntwird.
“EswarmittenimKriegundallesbrachzusammen”,soheißtesjedesMal,wennjemanddieGeschichtedieser
erstenGruppejungerFrauenerzählt.Siebeschlossen,denTeufelskreisderGewaltzudurchbrechenundihm
Gestenentgegenzusetzen,dieindiesemKlimadesKonfliktsvollkommenunrealistischoderzumindest
belangloserscheinenkönnten.Dochsowaresnichtundsoistesnicht!
IcherzähledieseEpisodenichtetwa,umaneinedenkwürdigeBegebenheitzuerinnernoderaneinem
Beispieldeutlichzumachen,wiewichtigesseinmag,sicheinersozialenSachezuverschreiben.Ichmöchte
vielmehrzeigen,dasswirunsauchheuteineinemProzessdergravierendenpolitischen,institutionellen,
wirtschaftlichenundsozialenZersetzungbefinden,dernachebensoradikalenAntwortenverlangt,dieinder
Lagesind,einenWechseldervorherrschendenParadigmenzubewirken.KonflikteundGewaltscheineninder
TatgeradegroßeTeileunseresPlanetenzubeherrschenundziehenunschuldigeMenschenmithinein,deren
Vergehenalleindarinbesteht,ineinemumkämpftenGebietzuleben,zueinerbestimmtenVolksgruppezu
gehörenodersichzueinerbestimmtenReligionzubekennen.
InnerhalbderFokolar‐Bewegung,dieichdieEhrehabe,hierzuvertreten,gehörtdieBegegnungvonKulturen
undReligionen(wiedemChristentum,demIslam,demJudentum,demBuddhismus,Hinduismusoderden
Naturreligionen)zueinerderfruchtbarstenErfahrungen.DieseBegegnungbleibtnichtaufToleranzunddas
einfacheAnerkennenderVerschiedenheitbeschränktundgehtüberdiesicherlichgrundlegendeVersöhnung
hinaus.SieschaffteineneueIdentität,einSelbstverständnis,dasdieseBegrenzungennochübersteigt,uns
allengemeinistundunszutiefstverbindet.HiergehtesumeinenechtenDialog,indenMenschender
unterschiedlichsten–auchnicht‐religiösenÜberzeugungeninvolviertsind.Erdrängtuns,konkrete
BedürfnisseindenBlickzunehmen,AntwortenzufindenaufdieschwierigenHerausforderungenaufsozialer,
wirtschaftlicher,kulturellerundpolitischerEbeneundunseinzusetzenfüreinvereinteresundsolidarischeres
ZusammenlebenderMenschen.
UnddasgeschiehtinGegenden,dieschwergetroffensindundauchheutenochzudengroßenKrisenregionen
derWeltzählen:InAlgerien,Syrien,imIrakundimLibanon,inderDemokratischenRepublikKongo,inNigeria
unddenPhilippinen.
Wirerleben,dassesumsGanzegeht–HalbheitenhabenheutekeineChancemehr.Wenneseinen
ExtremismusderGewaltgibt,danngiltes,‐ungeachtetderNotwenigkeit,sichselbstundvorallemdie
SchwachenundVerfolgtenzuverteidigen‐daraufmitdemgleichenMaßanRadikalitätzuantworten,aberin
grundlegendandererArtundWeise:miteinem“ExtremismusdesDialogs”!EinsolcherDialognimmtunsganz
ein,istriskant,anspruchsvollundherausfordernd,reißtdieWurzelndesmangelndenVerständnisses
füreinander,dieWurzelnderAngstunddesGrollsheraus.
InnerhalbdieserInstitutionwurdedie“AllianzderZivisationen”gegründet,dieeineandereSicht‐und
DarstellungsweisederglobalenInteraktionvermittelnwill.Esgehtmehrdarum,daszubetonen,wasdie
MenschheitinallihrenvielfältigenAusdrucksformenverbindet,alsdarum,herauszustellen,wassievielleicht
aufdenerstenBlicktrennenkönnte.EinesolcheAllianzderZivilisationenistalsoeinewirklichlöbliche
Initiative!
Unddochkönntemansichfragen,obwirheutenichtandieWurzeldieserneuenSichtweisegehenmüssen,
unsnichtnurumeine“AllianzderZivilisationen”bemühen,sondernaufeine“ZivilisationderAllianz”setzen
sollten:eineuniverselleZivilisation,diedenVölkerndieGewissheitvermittelt,TeileinesgroßenGanzenzu
sein‐einWegderMenschheitinRichtungEinheit,inderdieVielfaltfaszinierendist.EineZivilisation,inder
sichdieMenschendurchdenDialoggegenseitigalsfreiundgleichanerkennenundsichalsGeschwister
entdecken.
UnterdenvielenOrganisationen,diehiervertretensind,erlaubenSiemir,dieInitiative“NewHumanity”zu
erwähnen,eineNicht‐Regierungs‐Organisation,diehieramSitzderVereintenNationendieFokolar‐Bewegung
vertritt,unsereInitiativenvoranbringtundauchalsoffiziellerPartnerderUNESCOagiert.
AngesichtseinersobreitaufgestelltenVersammlungkommtmiraberdochdieFrage:MüsstedieUNOnicht
ihreureigeneBerufungüberdenken,ihregrundlegendeMissionneuformulieren?Wasbedeutetesheute,
“VereinteNationen”zuheißenundzusein,wennesnichtvorallemdarumgeht,sichfürdieEinheitder
NationeneinzusetzenunddabeigleichzeitigdenReichtumderIdentitätendereinzelnenVölkerzuwahren?
Esistsicherwichtigundgrundlegend,sichfürdieWahrungderSicherheitaufinternationalerEbenezu
engagieren,dochSicherheit,wennauchunverzichtbar,istnichtnotwendigerweisegleichbedeutendmit
Frieden.
DieinternenundinternationalenKonflikte,dietiefenZerwürfnisse,diewiraufWeltebeneerlebenunddie
großenlokalenundglobalenUngerechtigkeitenverlangenvielmehrnachechterUmkehr,nacheiner
KehrtwendeinTatenundEntscheidungenseitensderglobalengovernance:EinWegdahinkönntedie
UmsetzungdesMottossein,dasChiaraLubichgeprägtundhierandiesemOrt19971lancierthat:“dieHeimat
desanderenliebenwiedieeigene”undsogemeinsamanderuniversellenGeschwisterlichkeitbauen.
UnddanndürfenwirnichtdenendasFeldüberlassen,dievielederaktuellenKonflikteals„Religionskriege”
darstellenwollen.DerKriegistschonvonseinerDefinitionherReligionslosigkeit.Militarismus,wirtschaftliche
HegemonieundIntoleranzaufallenEbenenverursachenKonflikteundwirkenzusammenmitanderen
sozialenundkulturellenFaktoren.DieReligionwirddabeioftalstragischerVorwandbenutzt.Das,waswirin
vielenRegionenderErdeerleben–vomNahenOstenbisnachAfrika,darunterauchdieTragödieder
HundertevonMenschen,dieaufderFluchtvorKriegenimMittelmeerertrunkensind–hatwenigzutunmit
Religion.Egal,wiemanesbetrachtet:IndiesenFällendürftemannichtvonReligionskriegensprechen,
sondernmüssteganzkonkretundrealistischvoneinerReligiondesKriegesreden.
Wastun?NachdenAnschlägendes11.September2001unddemmilitärischenEingreifeninAfghanistanund
imIrak2001und2003schriebChiaraLubichvollerHoffnungundmitfesterEntschlossenheit:“Gebenwir
nichtauf!(…)EsgibtvieleAnzeichen,dassausdergravierendeninternationalenKriseeinneuesBewusstsein
wächst,dasswirgemeinsamfürdasGemeinwohlarbeitenmüssen:reicheundwenigerreicheLänder,Länder
mithochtechnologisierterundwenigerausgreifterRüstungstechnik,mitoderohnereligiösemBekenntnis.Es
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C. Lubich al Simposio “Verso l’unità delle Nazioni e l’unità dei popoli”, Nazioni Unite, 28/05/1997
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brauchtdenMut,den“Friedenneuzuerfinden”.Schlussmit“heiligenKriegen”.DerKriegistnieheiligundwar
esnie.Gottwillihnnicht.NurderFriedeistwirklichheilig,dennGottselbstistderFriede.”2
UndgenauzudiesemneuenBewusstseinkönnendieReligioneneinenwertvollenBeitraggeben:Ihren
grundlegendenInspirationentreusein,dergoldenenRegel,dieunsalleverbindet.DieReligionenwollen
nämlichsieselbstsein,wollennichtvonanderenMächtenbenutztundmissbrauchtwerdenundseiesfür
nochsoheereZiele.SiewollennichtalsLösungsformelherhalten,dieamgrünenTischausgetüfteltwurde,um
KonflikteoderKrisenzulösen.SiesindeinespirituelleKraft,eingeistlicherProzess,dergreifbarunderlebbar
wirdundoffeneGemeinschaftenhervorbringt,dieallesMenschlichemiteinanderteilenundauchdenFreuden
undLeidendesMenschenheuteeinenSinngeben.Sokannallesdazubeitragen,dassdieMenschheitzueiner
universalenFamiliezusammenwächst.
MariaVoce
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C. Lubich, No alla sconfitta della pace, Editoriale, Città Nuova, 2003, n. 24
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