Bergfrieden In einem Engadiner Haus genießen Interiordesignerin Francesca Neri und ihre Familie die Wintersaison und das Gefühl einer zweiten Heimat in der Schweiz T E X T: A N DR E A WOL F F | PRODU K T ION : F R A NCE SC A DAVOL I | FOTOS : FA BR I Z IO CICCON I 90 D E C O 5 / 1 4 Fotos: © Living Inside WOHNEN WOHNEN Jeder Teil des Alpenrefugiums erzählt Geschichten. Das Holz für die Wandverkleidung hat Francesca Neri recycelt: Es stammt von einer Scheune und ist über 150 Jahre alt D E C O 5 / 1 4 91 WOHNEN kaufen“, fügt sie lächelnd hinzu. Seither pendelt die Familie vom Herbst bis ins Frühjahr fast jedes Wochenende von Lugano nach Celerina – oder bleibt über die Ferien. In Lugano arbeitet Francesca in einem ihrer Interiorstudios, das zweite hat sie in Mailand eröffnet. Überhaupt liest sich der Lebenslauf der sympathischen Kosmopolitin wie eine Weltkarte: Geboren in Peru, landete sie mit zwölf Jahren in der Schweiz, ging zum Designstudium in die USA, kam später zurück nach Europa, um dann für ihren berühmten Mentor, den italienischen Designer Alessandro Mendini, zu arbeiten oder im Auftrag internationaler Unternehmen den Globus zu bereisen: Dubai, Hongkong, San Francisco, New York. „Home is where your heart is“, sagt sie lächelnd – ihres scheint jetzt in Celerina ein Zuhause gefunden zu haben. Das Wohnzimmer ist Francescas Lieblingsraum. Und das ist sicher auch dem belgischen Hussensofa zu verdanken: „Es ist einfach so unglaublich gemütlich“, sagt sie begeistert. RECHTE SEITE: Überall im Chalet sind lieb gewonnene Erbstücke zu finden. „Ob Lampe oder Tellerset – damit wirkt ein Ambiente einfach echt“, erklärt die Wohnexpertin glücklich 92 D E C O 5 / 1 4 Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich V ielleicht bleiben wir irgendwann für immer hier“, überlegt Francesca Neri, lehnt sich dabei ganz entspannt in die weichen Kissen ihres Sofas zurück und lässt den Blick verliebt durch ihr gemütliches Feriendomizil schweifen. Vor zwei Jahren haben sich die Interiordesignerin und ihr Mann Giulio entschieden, das Haus und Atelier des Malers Carlo Cromer zu kaufen, der hier in Celerina bis Mitte der 60er-Jahre gelebt und gearbeitet hat. Celerina, das kleine Bergdorf in der Nähe von St. Moritz im Schweizer Engadin, ist dem italienischen Paar seit Langem ans Herz gewachsen. „Schon als Jugendliche waren mein Mann und ich immer wieder hier“, erzählt Francesca. „Und mit unseren Kindern wurden die Besuche sogar noch häufiger. Genau genommen haben Claudia und Filippo dafür gesorgt, dass wir das Carlo-Cromer-Haus Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich WOHNEN D E C O 5 / 1 4 93 Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich Jeden Samstag deckt Francesca den langen Holztisch für Gäste, die sich bei ihr zu einem zwanglosen Drink treffen. „Open house“, bemerkt sie fröhlich. RECHTE SEITE: Die Wendeltreppe ist ebenfalls einer ihrer Entwürfe – den massiven, wenig interessanten Vorgänger hat dynamisch gewundener Stahl abgelöst 94 D E C O 5 / 1 4 WOHNEN Schon als Francesca das fast 200 Jahr alte „Chesa Cromer“, wie das Haus im Dorf genannt wurde, zum ersten Mal betrat, spürte sie seine besondere Atmosphäre: „Ich glaube, die Wände hier sind geradezu angefüllt vom guten Geist der Menschen, die hier gewohnt haben, und diese Energie scheinen sie ganz langsam wieder abzugeben.“ ie positive Stimmung unterstützt Francesca Neris Ideen, die sie als Einrichtungsprofi auf den drei Etagen verwirklicht hat. „Mein erster Gedanke war, die Stockwerke mit einer offenen Wendeltreppe zu verbinden. Ich mag es, wenn Räume dadurch enger zusammenrücken.“ Außerdem liebt sie lebendiges Material. „Altes Holz kann Geschichten erzählen. Ganze Wände daraus sind ständig in Bewegung und machen Geräusche, die einladend, fast familiär klingen.“ D In ihrem Chalet hat sie sechs verschiedene Holzarten verwendet, um daraus Möbel bauen oder Wandverkleidungen fertigen zu lassen – alles nach eigenen Entwürfen. „Für die Paneele haben wir das Holz einer Scheune recycelt. Es ist über 150 Jahre alt.“ Inzwischen ist das antike Material zum Bühnenbild für Industrie-Chic und Modern Country geworden: Zwischen Fellen blitzen polierte Betonböden auf, geflochtene Gartenstühle von Vincent Sheppard stehen um die massive Tafel im Essbereich, dem Used Look der Ledersessel steht ein klassisches Hussensofa gegenüber. „Meine vielen Reisen haben mich inspiriert. Außerdem natürlich meine Arbeit und die Interiormessen, die ich besuche“, versucht Francesca zu erklären, warum es ihr so leicht fällt, Tradition und Moderne nicht nur in friedlicher Koexistenz nebeneinander D E C O 5 / 1 4 95 WOHNEN Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich Über drei Etagen gelingt es Francesca Neri, Landhaus und Loft so harmonisch miteinander zu kombinieren, dass sich klassisches Karo ganz selbstverständlich an dunklen Industriestahl schmiegt. Auch die Canapés zum Aperitif werden den Gästen auf zauberhaft verspielten, handgestickten Servietten gereicht. „Ich wollte eine Mischung, bei der zeitgenössiche Materialien und Stile auf typisch alpenländische oder nordische Elemente treffen“, erklärt sie 96 D E C O 5 / 1 4 WOHNEN Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich Dem rustikalen Charme der Betten, die aus recyceltem antikem Holz angefertigt wurden, setzt Francesca noch eins drauf: Über blütenweißer Leinenbettwäsche tragen Wolldecken und Kissen das Schweizer Kreuz und lassen keinen Zweifel aufkommen, dass sich die vierköpfige Familie im Dörfchen Celerina zu Hause fühlt. Jeden Winter lockt sie neben dem friedlichen Rückzugsort die tief verschneite Bergwelt des Engadin. „Die ganze Familie fährt Ski“, erzählt Francesca, „und ich liebe lange Spaziergänge“ D E C O 5 / 1 4 97 WOHNEN N sogar einer Mannschaft an, fahren richtige Rennen – das ist die wichtigste Familienunterhaltung“, scherzt sie. Samstags, wenn Francesca die Skier beiseitegestellt hat oder von einem ihrer langen Spaziergänge zurückkehrt, zieht es sie in die Küche. Dort bereitet sie jede Menge kleiner Köstlichkeiten zu, alles alte Familienrezepte. „Dann kommen Freunde und Bekannte zum Aperitif, ohne Einladung, einfach so“, erklärt sie das lässige Prinzip. Eines ist sicher: In Celerina scheint Familie Neri nicht nur ein Refugium gefunden zu haben, sondern auch ein Stück Heimat. „Wenn wir nach einer turbulenten Woche hier ankommen, stellt sich sofort ein Gefühl des Friedens ein“, schwärmt Francesca versonnen. INFO FNA Interiors & Design, www.fnafrancescaneri.com Das Vintage-Dessin der Karotapete, das außer dem Treppenhaus auch im ersten Stock einzelne Wände schmückt, hat die Interiordesignerin in Mailand entdeckt: im extravaganten Sortiment der italienischen Firma Wall & Decò 98 D E C O 5 / 1 4 Text: Anne Gelpke. Alle Preise unverbindlich bestehen zu lassen, sondern dass bei ihr Gegensätze zu einer harmonischen Einheit verschmelzen. „Außerdem mag ich Eklektik einfach gern – und habe ein Faible für Erbstücke!“, verrät sie. „Egal ob Lampe, Stuhl oder Teller, damit wirkt eine Wohnung einfach echt.“ icht mal ein Jahr hat der Umbau des Hauses gedauert: Sechs Monate nahmen Konzept, Planung und Entwicklung in Anspruch und nur weitere zwölf Wochen waren notwendig, um die Arbeiten vor Ort auszuführen. „Ein großartiges Team“, strahlt die Wahlschweizerin und hat inzwischen sogar Aufträge im Engadin. In erster Linie aber ist Celerina für die Familie ein Rückzugsort, vor allem in der kalten Jahreszeit, wenn die tief verschneiten Schweizer Alpen zum Wintersport einladen. „Wir laufen alle sehr gern Ski. Claudia und Filippo gehören
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