Kinder und Jugendliche im Museum Tadashi Kawamata. Prekäre Konstruktionen 13. April – 19. Oktober 2014 Tadashi Kawamata: Collective Folie, 2013, Paris © Takuji Shimmura© Vor einem Jahr entwickelte der japanische Künstler Tadashi Kawamata im Auftrag des Kunstmuseums Thurgau ein Kunstprojekt für den Aussenraum der Kartause Ittingen. Entstanden ist ein fast neun Meter hoher Turm aus 170 Ster Buchenscheiter. Bis 2015 bleibt das Werk Wahrzeichen der Kartause, bis das Holz genügend ausgetrocknet ist, um zerkleinert als Chemineeholz verkauft werden zu können. Und nun besteht die Gelegenheit die Arbeitsweise von Tadashi Kawamata umfassender kennen zu lernen in einer vom Künstler selbst ausgewählten Werkschau. Slizzen, Pläne, Fotografien. Modelle und Filmdokumentationen geben Einblick in die unkonventionellen Projekte. Zwischen Funktion und Absurdität, Kunst und Architektur, Ästhetik und Zufall lösen die ortsbezogenen Bauprojekte Diskussionen aus. Diese meist auf Zeit befristeten Objekte werfen grundlegende Fragen auf zu Bauen und Konstruieren, Risiko und Machbarkeit, Absichtslosigkeit und Sinn ausserhalb des gesellschaftlichen Kunstmuseum Thurgau Museumspädagogik / Kulturvermittlung: Brigitt Näpflin eitere Informationen sind zu finden unter: Kartause Ittingen, 8532 Warth [email protected] www.kunstmuseum.ch und www.kartause.ch Inhalt Holzbewirtschaftung in der Kartause Ittingen 3 Tadashi Kawamata 3 Vom meisterhaften Werk zur Konzeptkunst 3 Bilderbogen: Bau des Scheiterturms 4 Werke und Ansichten der Ausstellung 5 Vorbereitung vor dem Museumsbesuch 6 Stichwort 1 – Konzeptkunst Stichwort 2 – Kunstwerke für bestimmte Orte Stichwort 3 – Zeitgenössische Kunst vs. Alte Meister Annäherung an den Scheiterturm 7 Vorschlag 1 – Turm von nah und fern Vorschlag 2 – Scheiterturm / Log Tower Vorschlag 3 – Was soll den dieser Turm aus Holzscheiten? Besuch der Ausstellung 7 Vorschlag 1 – Skizzen, Pläne, Modelle Vorschlag 2 – verschiedene Türme Vorschlag 3 – Kunstprojekte in Kurzfilmen dokumentiert Vertiefung, praktische Beschäftigung im Atelier, in der Schule oder im Freien 8 Publikationen 9 2 Holzbewirtschaftung in der Kartause Ittingen Seit der Gründung der Stiftung Kartause Ittingen 1977 und dem damit verbundenen Betriebskonzept ist es bis heute wichtig, das einstige klösterliche Werte in zeitgemässer Form ihren Ausdruck finden. Werte wie Bildung, Kultur, Spiritualität, Gastfreundschaft, Fürsorge und Selbstversorgung. Als Teil der Selbstversorgung gehört auch seit Jahrhunderten die Waldbewirtschaftung. Bereits die Kartäuser (1461 – 1848) besassen in Ittingen Acker- und Landwirtschaftsland sowie Reben und eigenen Wald. Diese 100 ha Fläche bedeuteten damals wie heute Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Der Waldanteil beträgt heute etwa 20 ha, wovon 14 ha geschütztes Waldreservat sind. Jährlich werden rund 120 Ster Holz geschlagen und die entsprechende Anzahl Bäume wieder aufgeforstet. Zur Hauptsache werden die getrockneten, meterlangen Scheiter (Buche, Fichte, Ulme, Obst …) als Brennholz verkauft. Das Kunstprojekt von Tadashi Kawamata schliesst an die Tradition der Holzbewirtschaftung in Ittingen an, setzt aber auch die Tradition des Kunstmuseums fort, regelmässig Kunstschaffende nach Ittingen einzuladen, um ein ortsbezogenes Werk zu entwickeln. Tadashi Kawamata Der 1953 in Mikasa, Hokkaido, Japan geborene Tadashi Kawamata lebt heute in Paris, wo er als Professor an der Ecole des Beaux-Arts in Paris unterrichtet. Seine Konstruktionen wie Stege, Treppen und Hütten aus einfachsten Materialien wie etwa Holz oder Karton besetzen Häuserfassaden, Ufer und Wiesen. Sie werden spezifisch für den jeweiligen Ort ausgehend von dessen Geschichte und aktueller Nutzung entwickelt. So hat er Projekte auf der ganzen Welt realisiert, etwa im Schlosshof von Versailles, an der Biennale in Venedig oder auch in den Bäumen des Madison Square Park in New York. Auch in der Schweiz hat er u.a. in Zuoz, Zug und Uster bereits mehrere seiner Ideen umgesetzt. Seine Objekte im öffentlichen Raum produzieren eine leise Irritation, die das Wesen von Architektur und Gesellschaft gleichermassen thematisieren. Vom meisterhaften Werk zur Konzeptkunst In den letzten Jahrzehnten hat sich der Kunstbegriff vielfältig erweitert, eine eindeutige Definition lässt sich kaum mehr finden. Über Jahrhunderte hinweg wurde „Bildende Kunst“ eng mit der Vorstellung von meisterhaften, ausdrucksstarken Fresken, Mosaiken, Gemälden, Skulpturen oder Zeichnungen verbunden. Seit etwa 60 Jahren kamen die Fotograf und Filme hinzu. Meisterhaftes wurde längstens unüberbietbar geschaffen. Deshalb ist die Suche nach neuen Ausdrucksformen in der zeitgenössischen Kunst nur folgerichtig und logisch. Mit abstrakten, ungegenständlichen Darstellungen wurden neue Formen in der Kunst Anfangs des 20. Jahrhunderts radikal beeinflusst aber auch der Begriff hinterfragt. Innovation, Aktualität, politische Inhalte, Gegenwartsbezug, Gesellschaftskritik usw. sind bis heute Ansprüche und Ausgangspunkte für Kunstschaffende. Hinzu kommen erschwingliche und einfach zu bedienende technische Hilfsmittel wie Videokamera, Computer, digitale Medien usw. welche als künstlerische Ausdrucksformen genutzt werden. In der Konzeptkunst geht es soweit, dass hinter den Werken zwar die Idee eines Künstlers oder einer Künstlerin steht. Die Ausführung ist jedoch von untergeordneter Bedeutung, wird oftmals delegiert oder erfolgt unter Beizug von Fachleuten. Im Vordergrund stehen Konzept und Idee, die für die künstlerische Arbeit als gleichwertig erachtet werden. An Stelle fertiger Bilder und Skulpturen treten oftmals Skizzen, Schriftstücke, Anleitungstexte oder unter Umständen Künstlerbücher, die eigene ästhetische Qualitäten entfalten. Eines der Ziele ist die "Entmaterialisierung" des Kunstwerks und die Einbeziehung der Betrachtenden. Gewohnte Sichtweisen, Begriffe und Zusammenhänge der Welt werden hinterfragt, neue Regeln erfunden. Es wird mit Kontexten, Bedeutungen und Assoziationen gearbeitet. 3 Bilderbogen: Vorbereitungen und Bau des Scheiterturms Dezember 2014 bis März 2013 4 Werke und Ansichten der Ausstellung im Kunstmuseum 2014 5 KUNSTPÄDAGOGISCHE ANREGUNGEN Vorerfahrungen mit Kunst / Konzeptkunst Was wird von einem Besuch im Kunstmuseum erwartet? Welche Vorstellungen verbinden sich mit dem Begriff „Kunst“? Ist der Begriff Konzeptkunst bekannt? Vorbereitung vor dem Museumsbesuch Stichwort 1 – Konzeptkunst Der Kunstbegriff ist zunehmend weit gefasst und die Kategorien, was denn Kunst ist, vielfältig. Malerei / Zeichnung / Collage / Druck / Holzschnitt / Graffiti / Aquarell / Kohlezeichnung / Bleistiftzeichnung / Fotografie / Video / Modellierarbeit / Holzskulptur / Steinskulptur / Druckgrafik / Fresko / Mosaik / Installation / Konzeptkunst usw. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Das Riesengebiet „Bildende Kunst“ in Kategorien aufteilen. Einzelne Kategorien mit typischen Beispielen aus Kunstbüchern illustrieren. Stichwort 2 – Kunstwerke für bestimmte Orte In Städten und Dörfern, in öffentlichen Gebäuden oder auf Plätzen, an Wänden oder im Freien sind mit etwas Aufmerksamkeit zahlreiche Kunstwerke zu finden. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: Im Schulhaus, am eigenen Wohnort oder in der nächsten grossen Stadt Kunstwerke im öffentlichen Raum suchen. Informationen zusammentragen zum Künstler, zum Werk und weshalb sich das Werk dort befindet, ev. auch wer der Auftraggeber war. Stichwort 3 – Zeitgenössische Kunst vs. Alte Meister Über die Jahrhunderte hinweg hat sich der künstlerische Ausdruck massiv verändert. Aufgabe vor dem Museumsbesuch: In Büchern und Kunstkatalogen Alte Meister (Kunst der Römer und Griechen, Gemälde aus den Uffizien Florenz, Kirchenarchitektur und Kirchenmalerei, Ahnengalerien …) mit aktuellen künstlerischen Positionen (Kunstkatalog aus einer Galerie, Katalog von der letzten Biennale, Internetauftritt der documenta 12 oder Katalog von der Kunsthalle Zürich, vom Kunstmuseum Thurgau …) vergleichen. Vor allem die Materialien und Hilfsmittel sowie die Themen untersuchen. Was waren früher die Themen und Ausdrucksformen? Wie verhält es sich dagegen mit Kunst der Gegenwart? 6 Annäherung an den Scheiterturm Vorschlag 1 – Turm von nah und fern Zu zweit oder zu dritt den Scheiterturm aus der Nähe, aus der Ferne betrachten und auf sich wirken lassen. Den schönsten Standort suchen und mit einem Zeichen markieren. Sich gegenseitig die schönste Sicht auf den Scheiterturm zeigen und begründen. Vorschlag 2 – Scheiterturm / Log Tower Zu zweit den Titel genauer untersuchen. Gefällt der Titel? Was sagt der englische Begriff? Was sagt der deutsche Titel aus? Welchen Titel hätte man dem Werk auch noch geben können? Die eigene Idee auf einen Papierstreifen schreiben. Sich über den Titel unterhalten. Die weiteren Titel vorstellen und die Aussagen vergleichen, begutachten. Vorschlag 3 – Was soll denn dieser Turm aus Holzscheiten? Zu zweit oder dritt den Scheiterturm von innen und aussen betrachten und untersuchen, was einem am Werk gefällt, was man davon hält, wie er auf einen wirkt, was beeindruckt, was missfällt … Stichwortartig festhalten. Meinungen und Gedanken austauschen und vergleichen. Besuch der Ausstellung Vorschlag 1 – Skizzen, Pläne, Modelle Zu zweit oder zu dritt im ersten oder im dritten Raum ein Projekt wählen und sich damit beschäftigen. Wo wurde das Kunstprojekt realisiert? Was ist anhand der Skizzen, Fotos, Modellen in Bezug auf die Vorbereitungen zu erfahren? Notizen dazu stichwortartig festhalten. Informationen und eigene Überlegungen weiter geben. Vorschlag 2 – verschiedene Türme Zu zweit alle Turmmodelle genauer anschauen. Welche Türme gefallen und stossen auf Interesse? Welche Türme weniger? Wie wirken die realisierten Türme auf den Fotos in der Umgebung? Was verändert sich in der Umgebung durch die Türme? Notizen dazu stichwortartig festhalten. Informationen und eigene Überlegungen weiter geben. Vorschlag 3 – Kunstprojekte in Kurzfilmen dokumentiert Zu zweit oder dritt eine der Holzkabinen auswählen. Den Text an der Wand lesen und den Film anschauen. Was ist zu sehen? Was ist aus dem Film zu erfahren? An welchem Ort wurde das Kunstprojekt realisiert? Stichwortartig Gedanken aufschreiben. Informationen und eigene Überlegungen weitergeben. 7 Vertiefung und praktische Beschäftigung in der Atelierklause des Museums, im Schulzimmer oder im Freien Angebot 1 – Türme bauen aus Kapla Hölzern Material: 3 Kessel farbige Kapla Hölzer Aufgabe: zu zweit oder dritt eine Eigenschaft eines Turmes ausdenken wie zum Beispiel hoch, schön, schief, filigran usw. Danach zusammen passend zum gewählten Sichtwort einen Turm bauen. Angebot 2 – Türme aus diversen Materialien Material: Holzlatten, Nägel, Agraffen und Hammer, Draht, Zange, Kartonschachteln, Klebeband, Schnur div. Recyclingmaterial … Alle Fundstücke und Materialien sind auf einem Tisch oder am Boden ausgebreitet Aufgabe: zu zweit Gegenstände auswählen und damit einen besonderen Turm bauen; mit Zusatzmaterialien den Turm fixieren, so dass er für 2 Std. sicher hält. Angebot 3 – Turm aus Papier Material: festes Papier, 120 gr., Schere, Unterlage, Linael und Cutter, Büroklammern, Filzschreiber. Verfahren: falten, schlitzen, zusammen klammern Aufgabe: aus Papier zu zweit oder zu dritt ohne Leim einen möglichst hohen Turm bauen. Nach Belieben das Papier vor dem Zusammenfügen verzieren … Angebot 4 – natürlich / künstlich Material: diverse Fundstücke, Materialien aus Wald und Feld (Steine, Gräser, Schwemmholz, Tannenzapfen, Ruten…) Verfahren: auslegen, anordnen Aufgabe: zu zweit oder zu dritt auf einem Streifzug in der Natur viel Material sammeln. Zuvor präzise absprechen, was gesammelt wird, Grösse, Farbe, Form usw. Einen passenden Ort im Freien suchen und das „Sammelgut“ neu und bewusst auslegen, so dass es sich mit der Natur verbindet und gleichzeitig sichtbar wird, dass hier bewusst und sorgfältig etwas von Menschenhand geschaffen wurde. 8 Publikationen, passend zur Ausstellung Eine filmische Dokumentation des Scheiterturms für die Kartause Ittingen: Gilles Coudert, a.p.r.e.s. production, Paris 2013. Eternal Network. Mémoire en Demeure / Memory in Progress. Texte französisch, DVD französisch mit englischen Untertiteln. Tours: Co-édition Eternal Network / a.p.r.e.s. éditions (2007). Tadashi Kawamata. Berlin Tree Huts. Bernd M. Scherrer et al. Berlin: Haus der Kulturen der Welt (2009). Tadashi Kawamata Work in Progress in Zug. Ostfieldern-Ruit: Hatje Cantz Verlag (2000). Philippe Domont und Edith Montelle. Baumgeschichten. Von Ahorn bis Zeder. Fakten, Märchen, Mythen. Bern: hep verlag (2008). 9
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