ROHSTOFFE Gewebeverstärkte Thermoplaste Hohe Oberflächengüte Der Einsatz thermoplastischer Matrices besitzt gegenüber duroplastischen Matrixsystemen Vorteile. Die Zykluszeiten sind kürzer, die Lagerfähigkeit des Halbzeuges ist unbegrenzt und einfaches Recycling ist möglich. Die Halbzeuge bieten zudem eine höhere Bruchdehnung und bei schlagartigen Beanspruchungen ist die Energieaufnahme größer. Der Verarbeitungsprozess des Stempelumformens ist in vier Schritte unterteilt. Das bereits konsolidierte Halbzeug wird in das Transportsystem eingelegt und auf die Fixierspitzen des Nachführsystems gepreßt. IR-Strahler heizen das Halbzeug kontaktlos auf. Nach Erreichen der Matrixschmelzetemperatur wird der Prepreg in die Presse transferiert und zum Bauteil umgeformt. Schwierigkeiten bereitet hierbei die Oberflächenqualität der Bauteile [1]. Ziel der Untersuchungen war eine aussagekräftige Bewertung der Oberflächenqualität von glasfaserverstärktem PP zu erstellen und dem angestrebten Ziel der Class-A-Oberfläche näher zu kommen. Die Untersuchungen wurden mit glasfaserverstärktem PP (Twintex der Firma Vetrotex, Chambery, FrankProf. Dr.-Ing. Walter Michaeli ist Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Aachen, Dipl.-Ing. Steffen Hölzel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKV in der Abteilung Faserverbundkunststoffe, Dr.-Ing. Christian Pohl ist Mitarbeiter bei der Amphenol-Tuchel Electronics GmbH, Heilbronn 64 Der Unterschied einer kurzwelligen und einer langwelligen Störung der Oberflächenstruktur wird durch die Durchzeichnung der Einzelfilamente hervorgerufen reich) durchgeführt. Die Halbzeuge wurden in einer Stempelumformanlage mit 50 kN Presskraft in ein temperiertes Becherwerkzeug aus Stahl mit polierter Bodenfläche umgeformt. Die Verwendung des Begriffs ClassA-Qualität ist in sofern problematisch, da er in verschiedenen Branchen und Ländern unterschiedliche Bedeutungen besitzt [2]. Wird eine Klassifizierung der Oberflächenfehler nach ihrer Art der Entstehung vorgenommen, kann zwischen Faltenbildungen, Faserauskämmung, Sink-marks, Pinholes und FibreRead-Outs unterschieden werden [3]. Während die erstgenannten Fehlstel- PLASTVERARBEITER 52. Jahrg. (2001) Nr. 2 ROHSTOFFE lenarten durch eine optimierte Auslegung des Werkzeuges (zum Beispiel mit dem am IKV entwickelten Simulationsprogramm UFOS-GT) und geeigneter Nachführungssysteme vermieden werden können, ist der Fibre-read-out ein materialbedingtes Defektpotenzial: Die Fasern erfahren nur eine geringe Wärmedehnung während des Verarbeitungsprozesses. Bei der thermoplastischen Matrix liegt dagegen eine deutlich höhere Änderung des spezifischen Volumens vor. PP besitzt eine fünffach höhere Wärmedehnung als Glasfasern. Der Schwindungsunterschied innerhalb eines Laminates kann so zu lokalen Einfallstellen an der Bauteiloberfläche führen, deren Ursache im höheren Faservolumen-Anteil an den Kreuzungspunkten der Faserverstärkung begründet ist. Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen einer kurzwelligen Störung, hervorgerufen durch die Durchzeichnung der Einzelfilamente, und einer langwelligen Störung der Oberfläche durch die Webstruktur des Halbzeuges. Neben der reinen Anreicherung der Oberflächenschichten mit PP wurden verschiedene Kombinationen von Folien und Vliesen untersucht: Oberflächenvliese aus Glasfasern dämpfen durch ihre unregelmäßigen Faserkreuzungspunkte das Durchzeichnen der Gewebestruktur. Die Ergebnisse dieser Versuche zeigen, dass langwellige Störungen durch ein Vlies gut ausgeglichen werden konnten. Eine weitere Verbesserung der Oberflächenqualität versprach eine Oberflächenschicht aus einem Thermoplasten, dessen Schmelzetemperatur höher liegt als die des Matrixmaterials. Beim Aufheizen und anschließenden Umformen eines so präparierten Halbzeuges blieb die Oberflächenqualität dieser Folie annähernd erhalten. Die Anbindung an das Halbzeug sichert eine zweite Folienschicht aus PP. Die verwendeten PA/PPFolien werden im Coextrusionsverfahren hergestellt. Beim Lagenaufbau konnten überwiegend kurzwellige Störungen ausgeglichen werden. Abschließend wurden beide Ansätze zur Verbesserung der Oberflächenqualität kombiniert. Für die technisch zuverlässige und reproduzierbare Bewertung der Oberflächenqualität von Faserverbundkunststoffen liegen bisher keine Normen vor. 66 Mit modifizierten Halbzeugen werden unterschiedliche Oberflächenqualitäten erzielt (Bilder: IKV) Die Oberflächenqualitäten wurden daher anhand der Oberflächenabtastung mit dem Perthometer S5P und der Messung des Glanzgrades beurteilt. Zur Veranschaulichung der Ergebnisse sei erwähnt, dass der Glanzwert einer schwarzen, matten Pappe bei etwa 0,1 und einem weißen, glatten so genannten Glanzkarton etwa 2,0 beträgt. Modifikation des Halbzeuges bringt höheren Glanzwert Für den Aufbau eines Bauteils aus einer Lage unmodifiziertem Twintex wurde ein Glanzwert von 21 und eine gemittelte Oberflächenrauigkeit von 4,6 µm ermittelt. Durch die Modifikation des Halbzeuges mit einem feinen Vlies und einer zweilagigen PP/PA-Folie konnte der Glanzwert auf 37 verbessert, die Oberflächenrauigkeit auf 3,1 µm reduziert werden. Versuche mit Vliesen unterschiedlicher Garnfeinheit zeigten, dass die Rautiefe nur bei Verwendung hinreichend feiner Vliese niedrigere Werte aufweist als unmodifiziertes Twintex. Dies ist damit zu begründen, dass sich bei groben Vliesen ebenfalls Faserkreuzungspunkte an der Oberfläche abzeichnen und damit die Oberflächenqualität beeinträchtigen. Im Laufe der Versuche zeigte sich, dass die Bewertung anhand von Oberflächenrauigkeit und Glanzwerten gut mit dem subjektiven Eindruck übereinstimmt. Die Oberflächenqualität von gewebeverstärkten Thermoplasten, die mit dem Stempelumformverfahren verarbeitet werden, kann insbesondere durch den Einsatz von Vliesstoffen und hochschmelzenden Verbundfolien gesteigert werden. Um das Potential voll auszuschöpfen, können Folien ausgesucht werden, die nachträglich Oberflächeneigenschaften verwirklichen, die das Matrixmaterial des Halbzeuges selbst nicht aufweist, zum Beispiel UVBeständigkeit. Es soll nun in weiteren Arbeiten untersucht werden, inwieweit die im Stempelumformverfahren gewonnenen Erkenntnisse auf das Diaphragmaverfahren, ein weiteres Umformverfahren für thermoplastische Faserverbundkunststoffe, übertragbar sind. Literatur [1] Lampe, T. König, F. Schwarzer, P. Creer, T., Plastics in Automotive Engineering, VDI, Düsseldorf, 1999, S. 137 [2] Oberflächenklassifizierung für lackierte Außenteile, Interne Werksnorm der BMW AG, München, 1989 [3] Reitz, K.-M.,Verbesserung der Oberflächenqualität bei der Verarbeitung gewebeverstärkter Thermoplaste, unveröffentlichte Diplomarbeit am IKV, RWTH Aachen, 1997 PLASTVERARBEITER 52. Jahrg. (2001) Nr. 2
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