01 02 03 WIE BIO IST BIO WIRKLICH? verglichen werden, zeigen, dass Baumwolle, egal ob biologisch oder konventionell angebaut, eine Faser ist, die von ihrer Lifecycle-Analyse her schlechter abschneidet als viele andere. Recycelte Fasern schneiden beispielsweise deutlich besser ab. So steht auch recyceltes Polyester deutlich besser da als Biobaumwolle. JK: Recycling wird immer wichtiger und ist aus meiner Sicht eine gute Ergänzung. Auch weil die Designer dadurch neue Möglichkeiten haben. Der Anteil von Eco-Cotton liegt momentan bei 0,5 Prozent, das ist leider unumstritten. Der Markt wächst zwar – im vergangenen Jahr waren es plus zwölf Prozent – doch wir bewegen uns damit immer noch in der Nische. Organisationen wie die Better Cotton Initiative optimieren daher gerade den konventionellen Anbau, um weniger Umweltschäden zu haben. Dadurch kann in der Masse unglaublich viel bewirkt werden. Die meisten Textilien sind momentan noch aus Baumwolle und das wird sich allzu bald auch nicht ändern. Daher glaube ich nicht, dass es eine Blase ist, die platzt. Eco-Cotton hat eine weltweite Diskussion angestoßen. Vor allem große Marken wie H&M, C&A, Nike, Puma und Adidas sind ja die größten Biobaumwollabnehmer weltweit. Die großen Marken sind heute viel stärker gefordert, wieder ihre gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu haben. Dadurch müssen Unternehmen wieder Verantwortung für Prozessschritte übernehmen, die sie durch Outsourcing jahrelang ausgelagert hatten. Dadurch kommt in die Unternehmen wieder Wissen zurück, das verloren gegangen war. Wie der letzte Jeanstest der Stiftung Warentest bewiesen hat, gibt es noch viele offene Fragen zum Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche. Leider hat er auch bewiesen, wie schlimm es ist, wenn man sie unbeantwortet lässt. Ein Grund mehr, endlich eine Frage zu klären, die davon unabhängig im Raum steht: Wie bio ist Biobaumwolle wirklich? Denn auf platzende Blasen hat keiner mehr Lust. INTERVIEW Isabel Faiss FOTOS Göttin des Glücks, Goodsociety D ie Frankfurter CSR- und Kommunikationsberatung Kern Kommunikation hat sich zum Ziel gesetzt, Modeunternehmen aus allen Bereichen, von der Vorstufe bis hin zum vertikalen Einzelhändler in Bezug auf Nachhaltigkeit ausführlich zu beraten und Kommunikationsstrategien gemeinsam umzusetzen. In ihrem Full-Service-Package ist auch eine Menge Know-how zum nachhaltigen Umgang mit umweltschonend gewonnenen Materialien verankert, wie auf der vergangenen Pressekonferenz der Munich Fabric Start unter Beweis gestellt wurde. Ein Grund mehr, mit Inhaberin Jana Kern das tatsächliche Potenzial von Biobaumwolle und die realen Alternativen zum weißen Gold zu diskutieren. Biobaumwolle hat momentan ein Saubermann-Image, auf dem sich viele ausruhen. Hinkt das Thema in Wirklichkeit? Jana Kern: Sämtliche Rankings und Studien, in denen verschiedene Fasern miteinander 26 –– Das klingt widersprüchlich. JK: Ist es aber eigentlich nicht. „The greenest product is the one that already exists.“ Das sagt doch eigentlich schon alles. In einer LifecycleAnalyse wird bewertet, wie hoch die CO2-Emission ist, wie viel Energie und Wasser zum Einsatz kommen, wie viel Anbaufläche bzw. Land benötigt wird und welche ökologischen und humantoxikologischen Auswirkungen die Herstellung einer Textilie hat. Wenn ich eine Chemie- oder Naturfaser habe, die erst angebaut oder produziert werden musste, ist die Prozesskette natürlich viel länger als bei einem recycelten Produkt. Denn dort wird die Produktion des Ursprungsproduktes nicht mit eingerechnet. Das Wiederverwerten ist umweltschonender, als jedes Mal am Anfang der Kette zu beginnen. Relativ logisch, weil man effektiv Müll verwertet. Biobaumwolle schneidet besser ab als konventionelle Baumwolle, weil der biologische Anbau einfach sehr viele Vorteile mit sich bringt und auch einen viel geringere CO2-Emission hat. Aber wenn man innerhalb der nachhaltigen Textilien untersucht, ist Baumwolle sicherlich nicht die ökologischste Variante. Im Environmental Benchmark von Made-By schneiden die recycelten Materialien deutlich besser ab, aber auch Organic Hanf und Leinen stehen noch vor Organic Cotton. Hinzu kam noch die Hiobsbotschaft, dass die Produktion von Organic Cotton noch weit unter der Fünfprozentmarke liegt und es langfristig unrealistisch ist, den weltweiten Bedarf mit Biobaumwolle zu stemmen. Ist also Recycling das neue Bio? Gleichzeitig wächst der Druck der Industrie auf die Vorstufe. Ist das wirklich produktiv? JK: Das ist immer ein Knackpunkt bei dem Thema, definitiv. Der Druck ist enorm und wird auch weiter steigen, weil die Ansprüche steigen. Qualität, Nachhaltigkeit, Sozia01-04 05 06 Die Macher des österreichischen Eco-Fashion-Labels Göttin des Glücks besuchten Biobaumwollfelder in Indien und brachten Heile-Welt-Bilder mit nach Hause. Das frisch gebackene Eco-Fashion-Label Goodsociety stellte seine Jeans aus recyceltem PET und Biobaumwolle das erste Mal auf der Green Showroom in Berlin vor. Jana Kern leitet die Agentur Kern Kommunikation mit Sitz in Frankfurt. BUHMANN BAUMWOLLE –– SO LÄUFT’S 04 05 eine Jacke werden kann. Interessant ist übrigens auch die Idee, Milchproteine in einem mechanischen Verfahren zu Fasern zu verspinnen. Die Stoffe wirken sogar antiseptisch. 06 „Recyceltes Polyester steht deutlich besser da als Biobaumwolle.“ Jana Kern, Kern Kommunikation le- und Umweltaspekte sind Dinge, die die Vorstufe mehr und mehr erfüllen muss. Umgekehrt hat die Vorstufe natürlich auch etwas davon. Eine Produktionsstätte, die nach GOTS und SA 8000 zertifiziert ist, profitiert von dieser Umstellung auch in Zukunft. Ist es realistisch, eine komplette Kollektion mit recycelten Materialien zu stemmen oder spielt sich auch das nur in Null-Komma-Bereichen ab? JK: Recycelte Baumwolle, Polyester und Wolle sind kommerziell einsetzbar. Im Moment werden recycelte Stoffe aber in erster Linie aus Stoffresten in der Produktion hergestellt. So sind auch hier irgendwann Grenzen gesetzt. Jetzt müssen Verfahren entwickelt werden, die es möglich machen, dass das Endprodukt wiederverwertet wird – also aus einer Jacke wieder Traurig ist, dass solche Innovationen in der Masse selten ankommen. JK: Da sind die Eco-Fashion-Labels als Vorreiter gefordert. Sie sind die Pioniere, die zeigen, was an Innovationen mittlerweile alles möglich ist. Sie müssen es schaffen, aufmerksam zu machen. Und das kann nur über einen hohen modischen Grad gelingen. Ich bin sehr gespannt, wie sich Messeformate wie die Ethical Fashion Show oder der Green Showroom hier in Berlin weiterentwickeln und ob es gelingt, stärker auch konventionelle Einzelhändler anzuziehen. Das Problem dieses Segments ist, dass es bislang keine grüne Leitmesse in Berlin gab. Es gab zu viele Plattformen. Das sollte sich dringend ändern. Warum findet Eco-Fashion nicht auf den kommerziellen Messen statt? JK: Man findet einzelne Marken, aber eben nur wenige. Es ist immer die Frage: Ist es besser auf einer Eco-Fashion-Plattform gezielt die Kunden anzusprechen, die auch nach grünen Produkten suchen? Oder stellt man auf einer Messe wie der Bread & Butter aus, wo die Frequenz insgesamt höher ist, man aber zwischen den vielen anderen Brands möglicherweise untergeht? Klar ist, ein Einkäufer, der gezielt nach Eco-Fashion sucht, ist auf der Bread & Butter fehl am Platz. Was definitiv in der Masse ankam, war die Veröffentlichung der Testergebnisse eines Jeansvergleichs der Stiftung Warentest. Gewinner war eine Jeans von Zara für 26 Euro. Marken wie Diesel, Lee, Wrangler und auch Kuyichi landeten auf den hinteren Plätzen, vor allem wegen mangelnder Auskunftsbereitschaft. Wie kann das passieren? JK: Die Studie wird in der Branche sehr kritisch beurteilt. Hier muss man immer sehr genau hinterfragen, wie es zu den Ergebnissen der Studie kam. Wer den Markt kennt, weiß, dass Kuyichi sicherlich nicht auf die hinteren Plätze gehört. Stiftung Warentest hat auf die Verbraucher einen sehr starken Einfluss. Ein solches Ergebnis spiegelt nicht die Realität des Marktes ab und richtet eher Schäden an, als sie dem Thema Nachhaltigkeit in der Textilbranche dient. Gerade im Hinblick auf die Verbraucher, an die sich Stiftung Warentest ja in erster Linie wendet, ist das traurig. Es wird Verwirrung und keine Aufklärung gestiftet. Und Aufklärung ist bei dem Thema eigentlich bitter nötig. X BIOBAUMWOLLE IM VERGLEICH Retailumsatz von Biobaumwolle in US-Dollar: 2010: 5,6 Milliarden US-Dollar 2011: 6,2 Milliarden US-Dollar 2012: 7,4 Milliarden US-Dollar 20 Prozent Wachstum von 2009 bis 2010 Der größte Biobaumwollabnehmer weltweit ist H&M, gefolgt von C&A, Nike, der Inditex Group und Adidas. www.kernkommunikation.de –– 27
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