WIE BIO IST BIO WIRKLICH? - Jana Kern

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WIE BIO IST
BIO
WIRKLICH?
verglichen werden, zeigen, dass Baumwolle, egal ob biologisch oder konventionell
angebaut, eine Faser ist, die von ihrer Lifecycle-Analyse her schlechter abschneidet
als viele andere. Recycelte Fasern schneiden
beispielsweise deutlich besser ab. So steht
auch recyceltes Polyester deutlich besser da
als Biobaumwolle.
JK: Recycling wird immer wichtiger und ist
aus meiner Sicht eine gute Ergänzung. Auch
weil die Designer dadurch neue Möglichkeiten haben. Der Anteil von Eco-Cotton liegt
momentan bei 0,5 Prozent, das ist leider unumstritten. Der Markt wächst zwar – im vergangenen Jahr waren es plus zwölf Prozent
– doch wir bewegen uns damit immer noch
in der Nische. Organisationen wie die Better
Cotton Initiative optimieren daher gerade
den konventionellen Anbau, um weniger
Umweltschäden zu haben. Dadurch kann in
der Masse unglaublich viel bewirkt werden.
Die meisten Textilien sind momentan noch
aus Baumwolle und das wird sich allzu bald
auch nicht ändern. Daher glaube ich nicht,
dass es eine Blase ist, die platzt. Eco-Cotton
hat eine weltweite Diskussion angestoßen.
Vor allem große Marken wie H&M, C&A,
Nike, Puma und Adidas sind ja die größten
Biobaumwollabnehmer weltweit. Die großen Marken sind heute viel stärker gefordert, wieder ihre gesamte Wertschöpfungskette im Blick zu haben. Dadurch müssen
Unternehmen wieder Verantwortung für
Prozessschritte übernehmen, die sie durch
Outsourcing jahrelang ausgelagert hatten.
Dadurch kommt in die Unternehmen wieder
Wissen zurück, das verloren gegangen war.
Wie der letzte Jeanstest der Stiftung Warentest
bewiesen hat, gibt es noch viele offene Fragen zum
Thema Nachhaltigkeit in der Modebranche. Leider
hat er auch bewiesen, wie schlimm es ist, wenn
man sie unbeantwortet lässt. Ein Grund mehr,
endlich eine Frage zu klären, die davon unabhängig
im Raum steht: Wie bio ist Biobaumwolle wirklich?
Denn auf platzende Blasen hat keiner mehr Lust.
INTERVIEW
Isabel Faiss
FOTOS
Göttin des Glücks, Goodsociety
D
ie Frankfurter CSR- und Kommunikationsberatung Kern Kommunikation hat
sich zum Ziel gesetzt, Modeunternehmen aus
allen Bereichen, von der Vorstufe bis hin zum
vertikalen Einzelhändler in Bezug auf Nachhaltigkeit ausführlich zu beraten und Kommunikationsstrategien gemeinsam umzusetzen. In ihrem Full-Service-Package ist auch
eine Menge Know-how zum nachhaltigen
Umgang mit umweltschonend gewonnenen
Materialien verankert, wie auf der vergangenen Pressekonferenz der Munich Fabric Start
unter Beweis gestellt wurde. Ein Grund mehr,
mit Inhaberin Jana Kern das tatsächliche Potenzial von Biobaumwolle und die realen Alternativen zum weißen Gold zu diskutieren.
Biobaumwolle hat momentan ein Saubermann-Image, auf
dem sich viele ausruhen. Hinkt das Thema in Wirklichkeit?
Jana Kern: Sämtliche Rankings und Studien,
in denen verschiedene Fasern miteinander
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Das klingt widersprüchlich.
JK: Ist es aber eigentlich nicht. „The greenest
product is the one that already exists.“ Das sagt
doch eigentlich schon alles. In einer LifecycleAnalyse wird bewertet, wie hoch die CO2-Emission ist, wie viel Energie und Wasser zum Einsatz
kommen, wie viel Anbaufläche bzw. Land benötigt wird und welche ökologischen und humantoxikologischen Auswirkungen die Herstellung
einer Textilie hat. Wenn ich eine Chemie- oder
Naturfaser habe, die erst angebaut oder produziert werden musste, ist die Prozesskette
natürlich viel länger als bei einem recycelten
Produkt. Denn dort wird die Produktion des
Ursprungsproduktes nicht mit eingerechnet.
Das Wiederverwerten ist umweltschonender,
als jedes Mal am Anfang der Kette zu beginnen.
Relativ logisch, weil man effektiv Müll verwertet.
Biobaumwolle schneidet besser ab als konventionelle Baumwolle, weil der biologische Anbau
einfach sehr viele Vorteile mit sich bringt und
auch einen viel geringere CO2-Emission hat.
Aber wenn man innerhalb der nachhaltigen
Textilien untersucht, ist Baumwolle sicherlich
nicht die ökologischste Variante. Im Environmental Benchmark von Made-By schneiden
die recycelten Materialien deutlich besser
ab, aber auch Organic Hanf und Leinen stehen noch vor Organic Cotton.
Hinzu kam noch die Hiobsbotschaft, dass die Produktion von Organic Cotton noch weit unter der Fünfprozentmarke liegt und es langfristig unrealistisch ist, den
weltweiten Bedarf mit Biobaumwolle zu stemmen. Ist
also Recycling das neue Bio?
Gleichzeitig wächst der Druck der Industrie auf die Vorstufe. Ist das wirklich produktiv?
JK: Das ist immer ein Knackpunkt bei dem
Thema, definitiv. Der Druck ist enorm und
wird auch weiter steigen, weil die Ansprüche steigen. Qualität, Nachhaltigkeit, Sozia01-04
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Die Macher des österreichischen Eco-Fashion-Labels
Göttin des Glücks besuchten Biobaumwollfelder in Indien
und brachten Heile-Welt-Bilder mit nach Hause.
Das frisch gebackene Eco-Fashion-Label Goodsociety
stellte seine Jeans aus recyceltem PET und Biobaumwolle
das erste Mal auf der Green Showroom in Berlin vor.
Jana Kern leitet die Agentur Kern Kommunikation mit
Sitz in Frankfurt.
BUHMANN BAUMWOLLE –– SO LÄUFT’S
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eine Jacke werden kann. Interessant ist übrigens auch die Idee, Milchproteine in einem
mechanischen Verfahren zu Fasern zu verspinnen. Die Stoffe wirken sogar antiseptisch.
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„Recyceltes Polyester steht deutlich
besser da als Biobaumwolle.“
Jana Kern, Kern Kommunikation
le- und Umweltaspekte sind Dinge, die die
Vorstufe mehr und mehr erfüllen muss. Umgekehrt hat die Vorstufe natürlich auch etwas davon. Eine Produktionsstätte, die nach
GOTS und SA 8000 zertifiziert ist, profitiert
von dieser Umstellung auch in Zukunft.
Ist es realistisch, eine komplette Kollektion mit recycelten Materialien zu stemmen oder spielt sich auch das
nur in Null-Komma-Bereichen ab?
JK: Recycelte Baumwolle, Polyester und Wolle
sind kommerziell einsetzbar. Im Moment werden recycelte Stoffe aber in erster Linie aus
Stoffresten in der Produktion hergestellt. So
sind auch hier irgendwann Grenzen gesetzt.
Jetzt müssen Verfahren entwickelt werden, die
es möglich machen, dass das Endprodukt wiederverwertet wird – also aus einer Jacke wieder
Traurig ist, dass solche Innovationen in der Masse selten ankommen.
JK: Da sind die Eco-Fashion-Labels als Vorreiter gefordert. Sie sind die Pioniere, die zeigen, was an Innovationen mittlerweile alles
möglich ist. Sie müssen es schaffen, aufmerksam zu machen. Und das kann nur über einen
hohen modischen Grad gelingen. Ich bin
sehr gespannt, wie sich Messeformate wie die
Ethical Fashion Show oder der Green Showroom hier in Berlin weiterentwickeln und ob
es gelingt, stärker auch konventionelle Einzelhändler anzuziehen. Das Problem dieses
Segments ist, dass es bislang keine grüne Leitmesse in Berlin gab. Es gab zu viele Plattformen. Das sollte sich dringend ändern.
Warum findet Eco-Fashion nicht auf den kommerziellen Messen statt?
JK: Man findet einzelne Marken, aber eben
nur wenige. Es ist immer die Frage: Ist es besser auf einer Eco-Fashion-Plattform gezielt
die Kunden anzusprechen, die auch nach
grünen Produkten suchen? Oder stellt man
auf einer Messe wie der Bread & Butter aus,
wo die Frequenz insgesamt höher ist, man
aber zwischen den vielen anderen Brands
möglicherweise untergeht? Klar ist, ein Einkäufer, der gezielt nach Eco-Fashion sucht,
ist auf der Bread & Butter fehl am Platz.
Was definitiv in der Masse ankam, war die Veröffentlichung der Testergebnisse eines Jeansvergleichs der Stiftung Warentest. Gewinner war eine Jeans von Zara für 26
Euro. Marken wie Diesel, Lee, Wrangler und auch Kuyichi
landeten auf den hinteren Plätzen, vor allem wegen mangelnder Auskunftsbereitschaft. Wie kann das passieren?
JK: Die Studie wird in der Branche sehr kritisch
beurteilt. Hier muss man immer sehr genau hinterfragen, wie es zu den Ergebnissen der Studie
kam. Wer den Markt kennt, weiß, dass Kuyichi
sicherlich nicht auf die hinteren Plätze gehört.
Stiftung Warentest hat auf die Verbraucher einen sehr starken Einfluss. Ein solches Ergebnis
spiegelt nicht die Realität des Marktes ab und
richtet eher Schäden an, als sie dem Thema
Nachhaltigkeit in der Textilbranche dient. Gerade im Hinblick auf die Verbraucher, an die sich
Stiftung Warentest ja in erster Linie wendet, ist
das traurig. Es wird Verwirrung und keine Aufklärung gestiftet. Und Aufklärung ist bei dem
Thema eigentlich bitter nötig. X
BIOBAUMWOLLE IM VERGLEICH
Retailumsatz von Biobaumwolle in US-Dollar:
2010: 5,6 Milliarden US-Dollar
2011: 6,2 Milliarden US-Dollar
2012: 7,4 Milliarden US-Dollar
20 Prozent Wachstum von 2009 bis 2010
Der größte Biobaumwollabnehmer weltweit ist H&M,
gefolgt von C&A, Nike, der Inditex Group und Adidas.
www.kernkommunikation.de
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