Turnusärzteausbildung nach wie vor verbesserungsfähig

Pressekonferenz der Ärztekammer für Vorarlberg
Datum: 20. März 2009
Turnusärzteausbildung nach wie vor verbesserungsfähig
- Land hat reagiert, trotzdem sind immer noch wesentliche Punkte offen
- LKH Feldkirch massiv verbessert, KH Dornbirn und LKH Bregenz massiv
verschlechtert
- Forderung: Positive Projekte evaluieren und flächendeckend einführen
Im Auftrag der Ärztekammer für Vorarlberg führte die Fachhochschule
Vorarlberg im Herbst 2008 eine Befragung der Turnusärzte durch. Zum dritten
Mal – nach 2004 und 2006 – bekamen rund 140 angehende Allgemeinmediziner
die Chance, ihre Meinung zur Qualität und Praxis ihrer Ausbildung kundzutun.
Aus den nun vorliegenden Ergebnissen geht hervor: Das Land hat reagiert und
so hat sich die Situation beispielsweise am Landeskrankenhaus Feldkirch
verbessert. Andere Häuser sind im Ranking jedoch zurückgefallen. Geblieben
sind die Probleme der Arbeitszeit sowie der fehlenden personellen
Ressourcen. Die Ärztekammer fordert nun, positive Projekte flächendeckend
einzuführen, Turnusärzte von Dokumentationstätigkeiten freizuspielen sowie
mehr Praxisorientierung.
In Summe hat sich die Ausbildungssituation der Turnusärzte an Vorarlbergs Krankenhäuser in den
letzten zwei Jahren nicht signifikant verändert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Arbeitsgruppe zur
Verbesserung der Ausbildungssituation der Jungärzte, die als Reaktion auf die schlechten Ergebnisse
der ersten Befragung 2004 ins Leben gerufen wurde, untätig war. Vielmehr hat es markante
Verschiebungen im Ranking der Häuser gegeben: Das Landeskrankenhaus Feldkirch, wo es nicht nur
die meisten Befragten, sondern auch die höchste Beteiligung gab, konnte als schlechtestes Haus in
der Befragung 2006 die meisten Verbesserungspunkte in der aktuellen Befragung erzielen. Die größte
Zahle der negativen Punkte verzeichnen hingegen das LKH Bregenz sowie das KH Dornbirn. Bregenz
blieb damit auf einem niedrigen Niveau, Dornbirn dagegen lag bei der letzten Evaluation gemeinsam
mit Hohenems an führender Stelle. In Hohenems ist die Qualität der Ausbildung aus Sicht der
Turnusärzte 2008 nicht nur auf hohem Niveau konstant geblieben, sondern konnte sogar noch
zulegen.
Feldkirch nimmt Vorreiterrolle ein
Das Beispiel Feldkirch zeigt deutlich: Wenn man sich bemüht, gibt es positive Rückmeldungen, wie
Burkhard Walla, Spitalsärztesprecher und Vizepräsident der Ärztekammer für Vorarlberg, bestätigt: „In
Feldkirch wurden zahlreiche Anregungen der Turnusärzte umgesetzt, welche die Qualität der
Ausbildung nachweislich verbessert haben. Nun gilt es diese Projekte zu evaluieren und
flächendeckend einzuführen.“ Beispiele dafür: Die Aufgabengebiete der Turnusärzte, insbesondere in
Bezug auf die Abgrenzung Pflege und medizinische Betreuung, wurden klar definiert. Zudem hat sich
der Chefarzt für die Ausbildung der Jungärzte eingesetzt und Standards für Einschulungen oder
Ausbildungsqualität festgelegt. Weiters wurde probeweise eine Turnus-Assistentin eingestellt – eine
wesentliche Hilfe, wie Magdalena Wöß, Turnusärztesprecherin am Landeskrankenhaus Feldkirch,
betont: „Die Dokumentationsarbeiten beanspruchen sehr viel Zeit, die uns dann im medizinischen
Bereich fehlt. Wir sind der Meinung, dass ein Dokumentationsassistent auch an allen Abteilungen in
allen Krankenhäusern eingestellt werden sollte.“
Persönliches Engagement entscheidend
In Dornbirn hat sich das Bild im Vergleich zur Turnusärztebefragung 2006 wesentlich verschlechtert:
unter anderem sorgt ein neues EDV-System für Ärger und die Turnusärzte sind deutlich
unselbständiger geworden. „So wie jeder Auszubildende brauchen auch die Jungärzte Führung. Was
sich in Feldkirch stark verbessert hat, wurde in Dornbirn leider vernachlässigt. Auch in Bregenz hat
sich die Umstrukturierung der Abteilungen auf Stimmung und Qualität der Turnusärzteausbildung
ausgewirkt. Die Beurteilung der Ausbildung steht und fällt mit dem Engagement der
Führungspersönlichkeiten – aber auch der persönliche Einsatz des Turnusarztes ist gefragt“,
konstatiert Burkhard Walla.
Ein Paradebeispiel für gute Führung ist das Landeskrankenhaus Hohenems. Turnusärztevertreter in
der Kurie sowie Landessprecher der Turnusärzte Simon Mayer dazu: „Hohenems ist unserer Meinung
nach ein ‚best-practice-Beispiel’: Das persönliche Engagement der leitenden Ärzte ist groß und der
Teamgedanke sehr ausgeprägt. Die Turnusärzte werden ernst genommen und sind in wichtige
Entscheidungen eingebunden.“
Noch immer keine „Lehrpraxis“
Positiv betrachtet Ärztekammer-Vizepräsident Walla die Tatsache, dass das Land Vorarlberg
Forderungen der Turnusärzte aus der letzten Befragung als Landtags-Beschlüsse übernommen und
als Auftrag an die Krankenhausbetriebsgesellschaft weitergegeben hat: „In den vergangenen zwei
Jahren wurden sicherlich einige Verbesserungen durchgeführt. Dennoch sind noch wesentliche
Punkte offen, so wurde beispielsweise die bereits nach der ersten Befragung angedachte ‚Lehrpraxis“
immer noch nicht angegangen.“ Diese so genannte Lehrpraxis ist eine langjährige Forderung der
Ärztekammer für Vorarlberg: Turnusärzte sollen demnach beim Praktiker arbeiten und von ihm auch
ausgebildet werden – selbstverständlich bei gleicher Bezahlung. Da sich auf Bundesebene
diesbezüglich keine Lösung anbahnt, sieht die Ärztekammer für Vorarlberg auf Landesebene
Handlungsbedarf. „Die Lehrpraxis sollte als Teil der Turnusausbildung in einem Vorarlberger
Pilotprojekt gestartet werden“, fordert Walla.
Dauerbrenner: Dienstzeiten und personelle Ressourcen
Zwei Punkte beschäftigen nach wie vor die Gemüter aller Beteiligten. Erstens werden, wie schon in
den Jahren zuvor, in so gut wie allen Abteilungen mehr personelle Ressourcen für die Ausbildung der
angehenden Ärzte benötigt. Zweitens ist und bleibt das Thema „Arbeitzeit“ ein Dauerbrenner: „Ärzte
arbeiten zwischen 64 und 72 Wochenstunden – auch die Turnusärzte. Allerdings können die
Jungärzte die Überstunden besser verrechnen, zumindest in einzelnen Krankenhäusern“, erklärt
Burkhard Walla. Seiner Meinung nach sollte überlegt werden, wie diese Verbesserungen bezüglich
Verrechnung der Überstunden landesweit durchgeführt werden kann. Dass die Turnusärzte im
Vergleich zu 2006 von weniger administrativen Tätigkeiten berichten, stimmt Walla optimistisch.
Turnusärztebefragung soll weiterentwickelt werden
Die Regelmäßigkeit der Turnusärztebefragung hat nicht nur Bewegung in die einzelnen Häuser
gebracht, sondern auch deren Vergleichbarkeit ermöglicht. Künftig sollen in Kooperation mit der
Fachhochschule und Frederic Fredersdorf sowohl die Fragebogen als auch die Befragungsqualität
weiterentwickelt werden. Professor Fredersdorf, Leiter der Forschungsgruppe Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Vorarlberg, sieht für die nächste Befragung neue
Möglichkeiten, die Rücklaufquote zu erhöhen.
Factbox Turnusärztebefragung
Titel der Evaluation: „Qualitätsentwicklung in der Ausbildung von Turnusärzten in Vorarlberg“
Befragung wurde von der FH Vorarlberg unter der Leitung von Prof. (FH) Dr. Frederic Fredersdorf,
Leiter der Forschungsgruppe Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Vorarlberg,
durchgeführt
Im Auftrag der Ärztekammer für Vorarlberg
Zeitpunkt: Herbst 2008
140 Turnusärzte (in Ausbildung zum Allgemeinmediziner) wurden befragt
Sechs Qualitätsindizes: Einschulungsqualität, nichtausbildungsbezogene sowie ausbildungsbezogene
Routinetätigkeiten, theoretische sowie praktische Aus- und Weiterbildung, Rahmenbedingungen,
Ausbildungsqualität und Qualitätsmanagement durch die Ärztekammer
Ranking
Hohenems
Feldkirch
Bludenz
Bregenz
Dornbirn
Verbesserungen
12
21
12
7
3
Verschlechterungen
8
10
5
23
20
Anmerkung:
In Hohenems gab es zwar im Vergleich zur Turnusärztebefragung 2006 weniger Verbesserungen als
in Feldkirch. Hohenems liegt jedoch in Summe immer noch an erster Stelle. D.h. Hohenems hat aus
Sicht der Turnusärzte bei allen sechs Qualitätsindizes die meisten positiven Bewertungen und bei fünf
Indizes die wenigsten negativen Bewertungen.
In Dornbirn dominierten die negativen Bewertungen bei so gut wie allen Qualitatsindizes.
Bildtext:
Bild: Ärztekammer_PK_Turnusärztebefragung.jpg
v.l.n.r. Prof. (FH) Dr. Frederic Fredersdorf, Leiter der Forschungsgruppe Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Vorarlberg, Dr. Burkhard Walla, Spitalsärztesprecher
und Vizepräsident der Ärztekammer für Vorarlberg, Magdalena Wöß, Turnusärztesprecherin am
Landeskrankenhaus Feldkirch, Simon Mayer, Turnusärztevertreter in der Kurie sowie Landessprecher
der Turnusärzte.
Für Rückfragen steht Ihnen zur Verfügung:
Dr. Burkhard Walla
T: 0650-3676000
Wilfried Lipburger
Schulgasse 17, 6850 Dornbirn
T: +43 (0) 5572 21900-41
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Pressebetreuung:
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