T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE Wie das Job-sharing funktioniert schiedenen Funktionen (Sonographie, Doppler, Echo, Ergometrie, Endoskopie) tätig. Außerdem waren sie in die Arbeitsgruppen eingebunden, die zum Gesamtkonzept der Abteilung gehören. Institutionalisiert waren tägliche Morgenbesprechungen sowie wöchentliche Therapeutenbesprechungen, Supervisionen und interne Fortbildungen. Bezüglich der Funktionen ergab sich folgende Regelung: In der Endoskopie fand turnusmäßig alle zwei Monate ein Wechsel des zuständigen Assistenten statt, der unter Anleitung des Ober- und Chefarztes in die Untersuchungstechniken eingearbeitet wurde. Die Ärzte mit Zwei-Drittel-Stelle konnten sich in diesen Rotationsmodus eingliedern. Die Frequenz der endoskopischen Untersuchungen gewährleistete eine genügende Einarbeitung in dieser Zeit. Die übrigen Funktionen waren doppelt besetzt, so daß eine gegenseitige Einarbeitung und Vertretung stattfinden konnte. Nachdem die Stellenteilung seit 1993 existiert, wurden die Vorgesetzten, die Stationsschwestern und der Personalchef sowie die Kollegen zu ihren Eindrücken befragt. Beispiel an einer Klinik für Geriatrie Roman Huber Albrecht Warning D Trotz hoher Arbeitsüberlastung, steigender Arbeitslosigkeit und dem häufigen Wunsch, die Arbeitszeit zu reduzieren, dominiert bei den Klinikärzten weiterhin der Full-time-Job. Daß auch in der Geriatrie und der Inneren Medizin eine Teilzeitarbeit möglich ist, die den komplexen Abläufen im Krankenhausalltag nicht zuwiderläuft, wird im folgenden Erfahrungsbericht aus Essen erläutert. ie Arbeitsmarktsituation für Ärzte/Ärztinnen ist seit einigen Jahren erheblich angespannt. Ende 1995 waren von 335 000 bei den Ärztekammern registrierten Ärzten/Ärztinnen rund 61 000 ohne ärztliche Tätigkeit, davon etwa 8 000 arbeitslos. Gleichzeitig bestehen bei vielen im Arztberuf Tätigen eine chronische, oft beträchtliche Arbeitsüberlastung und der Wunsch, die Arbeitszeit zu reduzieren. Um mehr Zeit für Fortbildung, ihre Familie und eigene Interessen zu haben, faßten im Januar 1993 zwei Assistenzärzte einer Klinik für Geriatrie mit 60 Betten (Stellenschlüssel: ein Chefarzt, ein Oberarzt, zwei Assistenzärzte, ein Arzt im Praktikum [AiP]) den Plan, ihre Stellen in drei Zwei-Drittel-Stellen umzuwandeln. Da die Einhaltung einer reduzierten Tagesarbeitszeit wegen starker Überstundenbelastung illusorisch schien, zogen sie es vor, die Stellen so zu teilen, daß jeweils eine Arbeitsphase mit voller Arbeitszeit mit einer Freiphase alternierte. Dabei sollte ● eine größtmögliche Kontinuität gehalten werden. Dies wurde im Hinblick auf die Stationsarbeit durch eine möglichst lange Arbeitsphase als am besten gewährleistet gesehen; ● die Freiphase nicht so lang sein, daß der Wiedereinstieg erschwert würde. Maßstab war die normale Jahresurlaubszeit einer VollstelA-818 le von etwa sechs Wochen. Die Abwesenheit während der Freiphase sollte diesen Zeitraum nicht wesentlich überschreiten. Blöcke Arbeit und Freizeit Für sachgemäß hielten wir den Wechsel einer viermonatigen Arbeitsphase mit einer zweimonatigen Freiphase. Die Blöcke von Arbeits- und Freiphase wurden zeitlich so verteilt, daß stets zwei Ärzte arbeiteten und einer in der Freiphase war. Die Summe von Arbeits- und Freizeit glich sich in sechs Monaten aus. Damit wurde auch beachtet, daß Zusätzliche Belastungen Tabelle Arbeitszeit und Freizeit Monat 1 2 Arzt A A A A A f Arzt B B B f Arzt C f C C C C f 3 4 f 5 6 7 8 f A A A B B B B f f f = frei halbjährlich ein Stellenwechsel phasengerecht stattfinden konnte. Gemeinsam mit dem Chefarzt war es möglich, diesen Entwurf in die Realität umzusetzen. Von der zuständigen Ärztekammer wurde die volle Anerkennung der Arbeitsphase auf die Weiterbildung zugesagt. Die Assistenzärzte waren neben der Arbeit auf der Station in den ver- (30) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 13, 28. März 1997 9 f C Für den Chefarzt und den Oberarzt war die Stellenteilung mit zusätzlichen Belastungen verbunden. Dies betraf die Wahrung der Kontinuität in den Bereichen, wo die persönliche Präsenz für eine Ent10 11 12 wicklung wesentlich war. Dies war beispielsweise A f f bei dem Entwicklungsf B B prozeß der StationsC C C teams der Fall oder manchmal bei der individuellen Betreuung von Patienten mit langwierigen Verläufen. Um die Kontinuität in der Arbeit der Assistenten zu verbessern, war es hilfreich, daß sie sich eine Epikrise zu jedem Patienten und einen Bericht über die organisatorischen Veränderungen in der Zeit der Abwesenheit in schriftlicher Form übergaben. Die Stationsschwestern und Kollegen sahen für die Arbeit durch die T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE Stellenteilung keine zusätzliche Belastung. Für den Krankenhausträger führte die Stellenteilung zu etwas höheren Lohnnebenkosten durch höhere Krankenversicherungsbeiträge. Monatlich wurde den Ärzten ein Zwei-Drittel-Gehalt durchbezahlt. Einkommensabstriche Das Gehalt einer Vollstelle überschreitet die Beitragsbemessungsgrenze um einen höheren Betrag als das einer Zwei-Drittel-Stelle. Die Ausgaben erhöhten sich daher bei gesetzlicher Krankenversicherung um den prozentualen Krankenkassenanteil der Differenz zwischen vollem Gehalt und Zwei-Drittel-Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Mit der Bereitschafts- und Nachtdienstvergütung war auch auf der Zwei-Drittel-Stelle eine private Krankenversicherung möglich. Im Vergleich zwischen Vollstelle und Zwei-Drittel-Stelle wäre bei privater Krankenversicherung die Zwei-Drittel-Stelle um den Arbeitgeberanteil einer Privatversicherung teurer. Diese Mehrkosten wurden als gering eingeschätzt, würden aber bei vermehrten Stellenteilungen relevant. Die teilenden Ärzte und ihre Angehörigen waren von der gefundenen Regelung anhaltend begeistert. Die am Modellversuch Beteiligten bemerkten, daß eine ausgeglichenere Gemütslage und größere Belastbarkeit während der Arbeitsphasen bestanden. Die Anregungen, die aus der Freiphase zum Beispiel von Fortbildungen mitgebracht wurden, wirkten sich in der täglichen Arbeit bereichernd aus. Umfangreiche Fortbildungen und wissenschaftliches Arbeiten wurden durch die Freiphase überhaupt erst möglich. Das Familienleben konnte durch mehr Zeit für Partnerschaft und Kinder erheblich intensiviert werden. Durch die Entlastung von der Kindererziehung konnten die Ehefrauen in den Freimonaten zum Teil ihren Beruf wieder aufgreifen oder sich persönlichen Interessen zuwenden, was zur Zufriedenheit in der Familie sehr beitrug. Daneben blieb noch Zeit für Urlaub und private Aktivitäten, die ohne die Stellenteilung nicht möglich gewesen wären. Durch das geringere Einkommen traten für die Kollegen mit Mehrpersonenhaushalt Einbußen im Lebensstandard auf, die in Kauf genommen wurden. Wenn es erforderlich war, wurden die Einbußen durch häufigere Nachtdienste kompensiert. Bezeichnend für die Zufriedenheit der Beteiligten war auch, daß in drei Jahren nur ein Wechsel, und zwar aus familiären Gründen, geschah. Alle anderen bemühten sich um eine Verlängerung ihrer Verträge. Insgesamt ziehen wir, trotz der erwähnten Nachteile, ein positives Resümee der Erfahrungen mit der Zwei-Drittel-Stellenteilung. Sie wird bei uns weiter fortgeführt. Nach Gesprächen mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen haben wir den Eindruck, daß dadurch auch in anderen Krankenhäusern die Zufriedenheit im ärztlichen Bereich erhöht werden könnte. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1997; 94: A-818–819 [Heft 13] Anschrift der Verfasser Dr. med. Roman Huber Dr. med. Albrecht Warning Leitender Arzt Kliniken Essen-Mitte, Knappschafts-Krankenhaus Abteilung Innere Medizin III Am Deimelsberg 34 a 45276 Essen Curricula zur Sexualmedizin Sexuelle Störungen und ihre Behandlung Volkmar Sigusch Bisher haben Ärzte nicht die Möglichkeit, eine systematische Fortbildung auf dem Gebiet der Sexualmedizin oder Sexualtherapie zu absolvieren. Zwei von einer Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung entwickelte Curricula sollen dafür sorgen, daß ein erster Schritt unternommen wird, um diese Lücke in der Versorgung zu schließen. E ine fachgerechte, dem Stand der Forschung entsprechende Behandlung ist in den letzten Monaten insbesondere bei sexuellem Mißbrauch und sexueller Delinquenz auch öffentlich eingeklagt worden. Versorgung muß verbessert werden Daß die Versorgung von Patienten mit sexuellen Problemen und Störungen bei weitem nicht den Standards entspricht, die an eine moderne Medizin in einem hochentwickelten Land zu stellen sind, haben alle bisherigen empirischen Studien in den letz- ten Jahrzenten übereinstimmend festgestellt. Andererseits war es Experten in Spezialeinrichtungen im selben Zeitraum möglich, in Forschung und Praxis auf dem Gebiet der sexuellen Funktionsstörungen und Paarkonflikte, der sexuellen Perversionen und der Sexualdelinquenz, der Geschlechtsidentitätsstörungen im Kindes- und Erwachsenenalter einschließlich des Transsexualismus sowie der Sexualstörungen bei akuten und chronischen Erkrankungen nicht nur den international vorgegebenen Standard zu erreichen, sondern neue Therapien zu entwickeln und mit Erfolg zu erproben (1, 2, 3). Um dieses Wissen und Können endlich an möglichst viele Ärzte und Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 13, 28. März 1997 (31) A-819 T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE Angehörige anderer Berufsgruppen weiterzugeben, hat sich die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung entschlossen, auf die Versorgungsnotwendigkeiten in der Praxis zugeschnittene Fortbildungskonzepte zu entwickeln, in verschiedenen Regionen Deutschlands zu erproben und durch begleitende Forschung zu evaluieren. Eine von der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung eingeladene Expertengruppe, der Vertreterinnen und Vertreter aus den Fachgebieten Sexualwissenschaft, Sexualmedizin, Psychiatrie, Gynäkologie, Psychotherapeutische Medizin, Psychosomatik, Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, Psychologie und Heilpädagogik angehörten, hat einvernehmlich vorgeschlagen, differentielle Fortbildungsgänge vorzusehen. Entwickelt worden sind ein Curriculum 1 und ein Curriculum 2. Sexologische Basiskompetenz Das von der Expertengruppe entwickelte Curriculum 1 soll dazu dienen, sexologische Basiskompetenzen zu erwerben, so daß in absehbarer Zeit eine qualifizierte Grundversorgung im Bereich sexueller Probleme und Störungen gewährleistet werden kann. Diese Grundversorgung ist insofern von außerordentlicher Bedeutung, als eine ausbleibende, unzureichende oder zu späte Behandlung von Patienten mit sexuellen Störungen gravierende individuelle und allgemeine Auswirkungen hat. Durch fachgerechte und rechtzeitige Interventionen können individuelles und familiäres Leid, die Chronifikation akuter Störungen einschließlich psychosomatischer Folgekrankheiten sowie nicht zuletzt existentielle Katastrophen von der Traumatisierung der Opfer sexueller Gewalt bis hin zu den irreversiblen Folgen einer Fehlbehandlung vermieden werden. Das Curriculum 1 ist folglich so aufgebaut, daß neben basalen diagnostischen und beraterischen Kenntnissen und Fähigkeiten vor allem eine Überweisungskompetenz erworben werden kann. Neben theoretischen A-820 Grundlagen sollen konkrete praktische Fähigkeiten vermittelt und unter Supervision erprobt werden. Die berufsbegleitende Fortbildung wird in 70 Stunden im Verlauf eines Jahres absolviert werden können. Sexualtherapie Das Curriculum 2 zielt auf eine sexualtherapeutische Fortbildung. Die Absolventen sollen die Diagnostik und Therapie von Patienten mit schweren und chronifizierten Störungen übernehmen können. Es wird deshalb eine zertifizierte oder gleichwertige psychotherapeutische Qualifizierung vorausgesetzt. Inhaltlich sind eine umfassende theoretische Fortbildung, die praktische Unterrichtung in spezifischen Sexualtherapien und eine Supervision und Dokumentation eigener Behandlungen vorgesehen. Berufsbegleitend soll die Fortbildung im Verlauf von zwei Jahren bei einem Umfang von 200 Stunden abgeschlossen werden. Sollten gesetzliche oder öffentlich-rechtliche Anerkennungen eingeführt werden, beispielsweise im Sinne einer Zusatzbezeichnung „Sexualtherapie/Sexualmedizin“ in der ärztlichen Weiterbildungsordnung oder einer entsprechenden Schwerpunktsetzung im Psychotherapeutengesetz, wird sich die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung darum bemühen, daß die Absolventinnen und Absolventen des Curriculums 2 diese Anerkennung erhalten. Eine Bindungswirkung beispielsweise für Ärztekammern ist allerdings nicht gegeben. Zertifizierung Die Anerkennung regionaler Fortbildungseinrichtungen und die Zertifizierung der Fortbildungen erfolgen zunächst durch den vorläufigen Ausschuß der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung, der mit der genannten Expertengrupppe identisch ist, später durch einen noch zu gründenden Zentralen Ausschuß, in dem gegebenenfalls auch andere Fachgesellschaften mitarbeiten. Einige Expertengruppen werden in (32) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 13, 28. März 1997 diesem oder im nächsten Jahr in verschiedenen Regionen im Rahmen von Pilotprojekten ein Curriculum oder beide Curricula organisatorisch konkretisieren, feinstrukturieren und in die Praxis umsetzen. Der systematische Erfahrungsaustausch, die Koordination der Regionalgruppen und die Qualität der Fortbildung werden vom vorläufigen Ausschuß zentral organisiert und garantiert. Die Evaluation der Projekte wird durch ein Forschungsprojekt erfolgen. Unerwähnt bleiben darf nicht, daß sich gegenwärtig aus der absolvierten Fortbildung keine Vergütungsansprüche gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen ableiten lassen können. Interessenten können sich an den 1. Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung Prof. Dr. Gunter Schmidt, Abteilung für Sexualforschung der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Hamburg, Martinistraße 52, 20246 Hamburg, wenden oder an den Geschäftsführer dieser Gesellschaft, Prof. Dr. Bernhard Strauß, Institut für Medizinische Psychologie, Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität, Stoystraße 2, 07740 Jena. Auch die Akademie für Sexualmedizin hat Vorschläge für eine sexualtherapeutische Fortbildung entwickelt. Beide Gesellschaften haben Gespräche über ein gemeinsames Vorgehen aufgenommen. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1997; 94: A-819–820 [Heft 13] Literatur 1. Arentewicz G, Schmidt G (Hrsg.): Sexuell gestörte Beziehungen. Konzept und Technik der Paartherapie. Stuttgart: Enke, 1993. 2. Schorsch E, Galedary E, Haag A, Hauch H, Lohse H: Perversion als Straftat. Dynamik und Psychotherapie. Berlin: Springer, 1985. 3. Sigusch V (Hrsg.): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. Stuttgart: Thieme, 1996. Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. habil. Volkmar Sigusch Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft Klinikum der Universität Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main
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