Wie viel menschliche Darstellung verträgt die Bibel? Seite 1 von 2 Odenwald-Tauber-Ticker +++ Freudenberg: Vortrag: "Bemalte Möbel aus Thüringen" +++ Bad Mergentheim: » mehr Theatergruppe geht ungewöhnliche Wege: Doredräwer diskutierten mit Theologen über ihr neues Stück "Der Vaterschaftsprozess des Zimmermanns Josef" Wie viel menschliche Darstellung verträgt die Bibel? Schäftersheim. Die Theatergruppe Doredräwer aus Schäftersheim hat sich dieses Jahr ein brisantes, weil gesellschafts- und religionskritisches Stück des jüdischen Autors Ephraim Kishon ausgesucht. Aber was heißt ausgesucht - es wurde von der Hauptversammlung letzten November beschlossen. Die künstlerische Leiterin liest mit einer Gruppe von Mitspielern unter dem Jahr bis zu zehn Stücke, bildet dann eine engere Auswahl von drei Stücken und stellt diese dann zur Hauptversammlung vor. Die Entscheidung war eindeutig, der Wunsch nach Hilfestellung von Seiten der Theologen auch. Gespräche mit den Pfarrern beider Konfessionen, die Übergabe von Textbüchern und teilweise lange Telefonate bildeten die Einleitung. Jetzt war es soweit: Es wurde am "runden" Tisch diskutiert. Der promovierte Theologe und Religionspädagoge Dr. Michael Kannenberg aus Künzelsau hatte sich Zeit genommen, sich mit den Bedenken der Doredräwer über das eigene Stück auseinander zu setzen. Ihm stellten sich der Regisseur Peter Dieter Schnitzler, die künstlerische Leiterin Isolde Neef, der Vorstand und interessierte Mitspieler. Dr. Kannenberg gab zu, dass er die Bedenken zum Stück beim Lesen des selbigen zunächst nicht wirklich nachvollziehen konnte- erst nachdem er eine für ihn ungewohnt strenge Betrachtungsweise angenommen hatte. Im "Vaterschaftsprozess des Zimmermanns Joseph" werde die ganze Bibel auf einer geschichtlichen Ebene abgearbeitet und die dargestellte Gerichtssituation zeige einen sehr menschlichen, beziehungsweise vermenschlichten Gott. Auch habe Kishon Gott einige deftige Sprüche in den Mund gelegt, in denen man eine "kritisch-jüdische Haltung" wiedererkennen könne. Die "unnötig derben" Stellen, die "dem Verständnis nichts bringen" hat der Regisseur, wie man gemeinsam feststellen konnte, aus diesem Grunde auch gleich zu Probenbeginn heraus gestrichen. Ob man Gott personifizieren und durch einen Schauspieler auf der Bühne darstellen dürfe, war der nächste Diskussionspunkt. Schließlich steht in der Bibel geschrieben: "Du sollst dir kein Bild Gottes machen". Mit "Er hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen" in Genesis relativiert sich diese Aussage zwar gleich selbst, aber wie geht man schauspieltechnisch mit diesem wichtigen Gebot um? Dr. Kannenberg, der mit dieser Frage mehrmals in der Woche durch seine Schüler konfrontiert wird, erklärt hierauf, dass dieses "sich kein Bild machen" mit "sich ein Gottesbild machen, welches man anbete" im Zusammenhang stehe - dies sei das Verbotene. Um Gott greifbar zu machen, sei seine Darstellung legitim. Sonst würde ja jede Verbildlichung - auch die in den Kirchen - gegen dieses Gebot verstoßen. Da Gottes Nähe zu den Menschen ein Grundelement der Religion sei, ist es nach Ansicht des Theologen auch in Ordnung, Gott als menschlich oder dem Menschen nahe darzustellen. Die Diskussion streifte auch die überspitzte Zeichnung der Figur des heiligen Geistes, welche Kishons Nichtanerkennen der Dreifaltigkeit besonders hervor hebt. Anhand seiner http://www.fnweb.de/regionales/me/region/20100305_srv0000005507127.html 05.03.2010 Wie viel menschliche Darstellung verträgt die Bibel? Seite 2 von 2 Darstellung der drei Könige ließe sich wiederum erkennen, dass sich der jüdische Autor eingehend mit den christlichen Schriften auseinander gesetzt habe, so der Theologe. Die Karikatur der Figuren kann wohl als Kishons Abrechnung mit den offensichtlichen und in der heiligen Schrift immer wiederkehrenden Widersprüche gesehen werden. Dieter Schnitzler und Dr. Kannenberg waren sich einig, dass man früher unverkrampfter mit der Bibel und offener mit ihren Widersprüchen umgegangen sei. So habe sich keiner daran gestört, dass der Evangelist Matthäus auf der einen Seite die Stammbäume sehr analytisch nachvollzieht, andererseits die jungfräuliche Geburt Jesu unhinterfragt stehen lässt. Gerade in diesem Zusammenhang hätten sich alle Beteiligten einen Vertreter der katholischen Kirche in der Diskussionsrunde gewünscht. Deren Meinung zu diesem Thema wäre sicherlich eine große Bereicherung für das Gespräch gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung der Theatergruppe. Leider sei dies an den vollen Terminkalendern der Angefragten gescheitert. Zu dem Umgang mit den Widersprüchen erklärte Dr. Kannenberg ergänzend, dass selbst die Macher der Bibel kein Problem damit gehabt hätten, die vier Evangelien unverändert und trotz aller Widersprüche in einem Buch zusammenzufassen. So könne man sich heute auch nicht beschweren, wenn Kishon gerade diese Widersprüche herausgreife und auf die Bühne bringe. Dieter Schnitzler musste hierauf mit einem Schmunzeln zugeben, dass der Autor wohl absichtlich eine ältere Bibelübersetzung als Grundlage gewählt habe, um die Widersprüche, die teils auf Übersetzungslücken oder -fehler zurückzuführen sind, in der ganzen Fülle auszukosten. Ein weiterer Diskussionspunkt war auch Kishons Version der Maria als lebenslustige junge Frau. Hierzu meinte der Theologe, dass dies eine der vielfältigen Möglichkeiten sei, Maria darzustellen, nachdem ihre Person schon immer die Fantasie der Bibelleser angeregt habe. In manchen kritisch wissenschaftlichen Betrachtungen werde Maria sogar als Vergewaltigungsopfer eines römischen Offiziers dargestellt. Dagegen sei Kishons Ansatz zwar historisch gesehen nicht ganz korrekt, aber aus Dr. Kannenbergs Sicht wohl als Auslegung eines Bühnenautors in Ordnung. Insgesamt konnte auch festgestellt werden, dass Kishon nicht alle verwandten Bibelpassagen überzeichnet oder gar verfälscht hat, sondern die eine oder andere durchaus originalgetreu wiedergibt. Nach der Diskussion kam Dieter Schnitzler zum allgemein anerkannten Ergebnis, dass die Bibel bewusst mit ihren Widersprüchen umgeht, die Wette in Hiob kein böses Werk des Autors ist und dass im gesamten Buch Hiobs eine gewisse Art von Satire gesehen werden kann. Dr. Kannenberg stimmte mit einem Augenzwinkern zu und stellte klar, dass er sich das Stück auf keinen Fall entgehen lassen möchte. Fränkische Nachrichten 05. März 2010 Adresse der Seite: http://www.fnweb.de/regionales/me/region/20100305_srv0000005507127.html http://www.fnweb.de/regionales/me/region/20100305_srv0000005507127.html 05.03.2010
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