Wie innovativ darf das Automobildesign sein - GfK MIR

Deutsche Zusammenfassung / Vol. 5, No. 1, 2013 / GfK MIR
Wie innovativ darf das Automobildesign sein?
Formwahrnehmung auf dem Prüfstand
Jan R. Landwehr, Aparna A. Labroo und Andreas Herrmann
Design macht den Unterschied. Nicht nur die Apple-Erfolgsgeschichte zeigt die besondere Bedeutung von speziellem
Design. Auch in der Automobilbranche spielte das Design
der Fahrzeuge schon immer eine besondere Rolle. Die
Marke Audi, die in den letzten Jahren wieder weniger auf
Technik und mehr auf Designinitiativen setzte, avancierte
so zur ertragreichsten Marke innerhalb des VW-Konzerns.
Was macht Design erfolgreich? /// Vor allem zwei Kriterien spielen bei der Designbeurteilung durch Kunden eine
Rolle: Einerseits wird eine gewisse Komplexität geschätzt.
Mehrere stimulierende Elemente werden gegenüber reizärmeren Varianten bevorzugt, da diese eher langweilig wirken. Andererseits will der Mensch das Design ohne großen
mentalen Aufwand erkennen und einordnen. Diesbezüglich
sind prototypische Formen im Vorteil. Sie wirken vertrauter
als gänzlich neuartige, und das macht sie sympathischer.
Diese Erkenntnisse, die bislang hauptsächlich aus der
Erforschung menschlicher Gesichter kamen, wendeten
St. Gallener Marketingforscher auf die Wahrnehmung
von Autodesigns an. In einer Studie zeigten sie, dass
Verkaufsprognosen deutlich genauer werden, wenn man
die Qualität des Autodesigns mit einkalkuliert. Eine Verbesserung um bis zu 19 Prozent gegenüber herkömmlichen
Vorhersagen der Hersteller war in den Versuchen möglich.
Darüber hinaus prognostizierte die Untersuchung die besten Verkaufsergebnisse für Designs, die sowohl ausreichend
komplex als auch prototypisch waren.
Morphing ermöglicht eine objektive Designbeurteilung
/// In den Versuchen verwendeten die Forscher die Technik
des Morphings, um Design nach objektiven Kriterien zu
messen. Bei dieser Methode wird am Computer ein grafisches Durchschnittsbild wichtiger Designaspekte aus
mehreren Einzelbildern „gemischt“. Das Ergebnis ist ein
sogenannter Morph, in dem alle Besonderheiten entfernt
sind. Durch Vergleiche einzelner Designvarianten mit
diesem Morph kann dann beurteilt werden, wie sehr das
jeweilige Modell als prototypisch empfunden wird. Auch
die Designkomplexität kann objektiv beurteilt werden und
noch dazu relativ einfach. Man vergleicht einfach die Dateigröße der einzelnen Bilder. Komplexere Bilder benötigen
mehr Speicherplatz als einfachere.
Was bringen die Erkenntnisse für das
Designmanagement bei Autos?
> Erfolgreiches Design muss interessant und gleichzeitig
vertraut sein. Extreme Designinnovationen wirken eher
kontraproduktiv.
> Die Ergebnisse der Studie beweisen erstmals an Hand
objektiver Daten, dass es sich für die Autoindustrie in Euro
und Cent lohnt, erfolgreiche Designs zu entwickeln. Gute
Designs verkaufen sich besser als weniger geglückte.
> Zur Beurteilung der Prototypik hat sich die Methode des
Morphing gut bewährt und erscheint durchaus praxistauglich. Die Möglichkeit, Design nach objektiven Kriterien
zu bewerten, stellt eine deutliche Vereinfachung und Verbesserung gegenüber den herkömmlichen, subjektiven
Beurteilungen dar.
> Absatzprognosen für neu gestaltete Produkte liefern
bessere Ergebnisse, wenn sie Designaspekte mit einschließen.
schlüsselbegriffe
Produktdesign, Morphing, Protototyp,
visuelle Komplexität, Automobilindustrie,
Verkaufserfolg
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