Wie Sportvereine überleben können

Nürnberger Zeitung 11/11/2013
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Seite : 10
7. Nürnberger Sportdialoge
Wie Sportvereine
überleben können
denen Sympathisanten über den
Enthusiasten bis zum Fan, der gleichsam alles für den Verein tun würde.
Genau hier trennt sich die Spreu vom
Weizen. Die Zufriedenheit aller Mitglieder zu erreichen, „ist nur Pflichterfüllung“, betonte der Marketing-Professor vor den rund 120 Teilnehmern
der 7. Sportdialoge. Ziel müsse es
sein, möglichst viele Mitglieder zu
Fans zu machen.
Wie sich all dies in konkrete Projekte gießen lässt, skizzierte die anschließende Preisträger-Ehrung zur „Projektförderung 2013“. Unter 25 Projekten hatte eine Jury mit Vertretern des
Bayerischen
Landessportverbands
(BLSV), der Bayerischen Sportjugend
Neue Mitglieder zu gewinnen, ist und des städtischen SportService in
gut – aber: das kostet die Vereins-Akti- sechs Vereine ausgewählt.
In der Kategorie „Konkrete Beweven letztlich Zeit und Geld. Besser ist
es, vorhandene Mitglieder zu halten, gungsangebote zur Mitgliederbinja sie zu Fans zu machen, sagte Mar- dung und -gewinnung“ landete der
cus Stumpf, Professor für Marketing ATV Frankonia Nürnberg auf dem ersund Relationship Management an der ten Platz (1500 Euro Preisgeld). DesFachhochschule Salzburg. Mit der sen Projekt „Kindersportschule“
(emotionalen) Bindung an den Sport- (KiSS) bemüht sich seit Oktober 2007
verein wächst deren Bereitschaft, sich darum, Kinder an Sport und Beweehrenamtlich zu engagieren, den Ver- gung heranzuführen und Talente zu
ein im persönlichen Umfeld zu emp- fördern. Rund 130 Kinder nehmen
fehlen – ja sogar steigende Mitglieds- heute an fünf Sportstätten teil. Seit
beiträge zu akzeptieren. Hochzufrie- Oktober 2013 baut die „Jugendsportdene Mitglieder bringen dem Verein schule“ (JuSS) u.a. mit leistungsspeziFörderung
Jugendlicher
also letztlich erhebliche Wertschöp- fischer
darauf auf.
fung.
Die
KindertanzKeine einfache Zielschule
„Traumtänsetzung, wie selbst
Prüfen Sie die
zer“ des Post SV
der riesige Post SV
Mitglieder-Zufriedenheit
Nürnberg will TeenNürnberg leidvoll erprofessionell über regelmäßige
ager mit HipHop, Balfahren musste, dem
Befragungen.
lett, Jazzdance und
jüngst bis zu 18 Proanderen
modernen
zent der Mitglieder
Marketing-Prof. Marcus Stumpf
Stilrichtungen
anjährlich den Rücken
sprechen, um deren
kehrten. Natürlich:
In jedem Verein gibt es Unzufriedene. Rhythmusgefühl zu fördern. Das seit
Stumpf
charakterisiert
sie
als einigen Wochen bestehende Angebot
„Wackelkandidaten“, „Emigranten“ mit zertifizierten Tanzlehrern soll um
(die noch nicht kündigen, aber in an- Ferienprogramme und Workshops
dere Vereine bzw. Fitness-Studios ergänzt werden. Die Jury vergab
gehen) und „Terroristen“ (die Nörgler dafür Rang zwei (1000 Euro). Auf
und Stänkerer etwa bei der Mitglieder- Platz drei (500 Euro) landete das Proversammlung). Sie gilt es einzufan- jekt „Flugball – Sport für die ganze
gen, zurückzugewinnen, zufriedener Familie“ des Behinderten- und Verzu machen. Und Mitglieder sind dann sehrtensportvereins Nürnberg. Bei diezufrieden, wenn ihre Erwartungen im sem dem Volleyball entlehnten Spiel
ergänzen sich behinderte und nichtbeSportverein erfüllt werden.
Aber wie erfahren Vorstände und hinderte Sportler unterschiedlicher
Abteilungsleiter von diesen Erwartun- Altersgruppen ideal.
In der Kategorie „Strategische Ausgen? Bestimmt nicht durch Gelegenheitskontakte am Tresen des Vereins- richtung des Vereins“ erntete die „VerNürnbergheims oder während der Jahreshaupt- waltungsgemeinschaft
versammlung, so Stumpf. „Prüfen Sie Nord“ den Siegerplatz. Fünf Vereine
die Mitglieder-Zufriedenheit profes- – die DJK BFC Nürnberg, die Hockeysionell“, rät der Marketing-Experte – Gesellschaft Nürnberg, der ASV
und zwar über regelmäßige Befragun- Buchenbühl, TuSpo 88 Nürnberg
gen. Zumal Untersuchungen belegen, sowie der ASN Pfeil Phönix – haben
dass die Vereins-Angebote in der Ein- sich dort zusammengeschlossen, um
schätzung der Funktionsträger häufig Synergien zu nutzen. In einem ersten
um einiges besser abschneiden als in Schritt wurde die Mitglieder- und Verder Bewertung durch die Mitglieder- einsverwaltung zusammengelegt. Es
läuft die Abstimmung von Sportangeschaft.
Qualifizierte Befragungen eröffnen boten, die Verschmelzung von Vereidie Möglichkeit, die Scheuklappen nen wird geprüft.
Mit dem Relaunch der Hockeysparabzulegen, Qualität aus Sicht der Mitglieder zu verstehen. Bei Bedarf kön- te nach deren Niedergang erreichte
nen Entscheider dann auch Angebote der 1. FCN/Roll- und Eissport Platz
verändern – was gleichwohl zur Her- zwei. Die Sparte wurde schrittweise
kulesaufgabe geraten kann. Wenn et- runderneuert und zu einem Angebot
wa Finanzen allzu begrenzt sind, für Sportler zwischen 14 und 99 Jahwenn die Erwartungen unterschiedli- ren ausgebaut. Die Mitgliederzahl ist
cher Zielgruppen im Verein allzu weit dabei um 50 Prozent auf rund 200
auseinanderfallen, wenn neue Trends gewachsen. Die Bemühungen des Post
nicht umgesetzt werden können und SV schließlich, dem horrenden Mitglieso weiter. Dennoch führt kein Weg an der-Verlust entgegenzutreten, honoder Erfolgskette vorbei, meint Prof. riert die Jury mit dem dritten Platz.
Stumpf: Nur eine hohe Mitglieder-Ori- Der Verein hat unter anderem Befraentierung des Vereins lässt Unzufrie- gungen nach Kündigungen gestartet
dene zufriedener werden, intensiviert und hofft, über gezielte Angebote –
geänderte Öffnungszeiten, verbesderen Bindung an den Verein.
Und diese Bindung lässt sich stei- serte Sauberkeit – systematisch ehegern. Stumpfs Skala reicht vom zufrie- malige Mitglieder zurückzugewinnen.
Von Tilmann Grewe
Vor 30 Jahren waren Sportvereine in
der Regel Selbstläufer. Heute müssen
viele Vereine um ihre Mitglieder
kämpfen. Deren Ansprüche sind
gewachsen, ebenso wie die
Konkurrenz zu anderen Vereinen
sowie zu durchgestylten FitnessStudios. Nicht zuletzt sorgt der
demografische Wandel für
Mitgliederschwund. Vereine, die
langfristig überleben wollen, müssen
sich also besser um ihre Mitglieder
kümmern, so die zentrale Botschaft
der „7. Nürnberger Sportdialoge“ am
Samstag.
Weigert
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November 12, 2013 10:14 am / Powered by TECNAVIA