Station 14: Prüfungssituationen managen (Teil 3) Innerhalb einer Prüfung gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, Angstempfindungen zu reduzieren oder idealerweise zu beseitigen bzw. nicht aufkommen zu lassen. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit folgendem/folgenden Aspekt/Aspekten: • Aktualisierung positiver Kognitionen • Anti-Blackout-Strategien Talisman-Strategien Viele Kinder (ja sogar Abiturienten/-innen) nehmen in Prüfungen alle möglichen „Glücksbringer“ mit. Da mag Erwachsenen oft lächerlich erscheinen, ist aber psychologisch durchaus wertvoll: Die Kinder holen auf diese Weise einen Entspannungsreiz in die Prüfungssituation herein, der gegen die Angstreize gesetzt wird. In vielen Fällen dienen die Glücksbringer primär als Hilfe gegen das Lampenfieber vor der Prüfung, sie können aber auch gezielt bei prüfungsängstlichen Kindern i.e.S. eingesetzt werden. Beispielsweise könnte ein Talisman gewählt werden, der symbolisch für eine besondere Stärke des Kindes steht; oder man lässt das Kind auf sein Mäppchen dick die Zahl der Stunden schreiben, die es für die Prüfungsvorbereitung aufgewandt hat (siehe Kap. 5.2.6). Wenn Prüfungsängstliche mit einem Talisman noch keine bzw. keine guten Erfahrungen gemacht haben, muss die Beratungskraft mit ihnen die Anwendung dieses Talismans im Rahmen imaginativer Übungen (Vorstellung von der Prüfungssituation, Blick bzw. Berührung des Talismans, Spüren der damit verbundenen Kraft und Stärke usw. – vgl. Beschreibung der Anker-Methode) vorbereiten. Im Kern haben das Ankern und die Talisman-Strategie natürlich dieselbe psychologische Wurzel: Es handelt sich um Methoden der klassischen Konditionierung, wobei positive Gefühle bzw. Gedanken mit Objekten (Handrücken, Talisman) verknüpft werden. Imagination „Prüfung ist wie zu Hause“ Als gängiges Mittel wird Betroffenen oft auch empfohlen, sich in einer Prüfung vorzustellen, sie säßen zu Hause und bearbeiteten ganz normale Hausaufgaben. Nach Erfahrung des Autors klappt das allerdings nicht sonderlich, weil Schüler/-innen den – real existierenden! – Unterschied einfach nicht ausblenden können. Wenn die Methode klappen soll, muss sie in ein größeres Ganzes eingepackt werden: Das Kind trainiert zu Hause im Rahmen einer sehr langfristigen Prüfungsvorbereitung immer wieder, typische Prüfungsaufgaben unter Zeitdruck zu lösen; die Erfolge notiert es sich in einem Tagebuch. Rechtzeitig vor der Prüfung wird eine Probeschulaufgabe angesetzt, in der das Kind dann einen umfangreicheren Komplex selbständig unter Zeitgrenzen bearbeitet. Wenn auch das klappt, kann der Berater in einer Sitzung vor der Prüfung im Rahmen einer imaginativen „Zeitreise“ und mit Hilfe des Erfolgstagebuchs dem Kind bewusst machen, wie erfolgreich es war. Vor der Prüfung selbst soll das Kind sich diese Erfolge nochmals ins Gedächtnis rufen und den Erfolg auf den Punkt bringen („Wenn ich so viele Prüfungsaufgaben unter Zeitdruck richtig gelöst habe, löse ich auch die Schulaufgabe.“). Damit ist die Imagination „Prüfung ist wie zu Hause“ durch faktische Erfolge zu einer erfahrungsbasierten Kognition geworden, die Prüfungsängste reduziert. Anti-Blackout-Strategien Besonders problematisch sind „Blackouts“, also Momente, in denen der Ängstliche überhaupt keinen Gedanken mehr fassen kann und alles Wissen wie weggewischt erscheint. Dieser Fall muss bei einem Betroffenen, falls er darunter leidet, besonders gründlich vorbereitet werden. Eine Möglichkeit besteht in der Anwendung des Gedankenstopp-Verfahrens in Verbindung mit Selbstinstruktionen: Sobald das Blackout auftritt, atmet man tief durch, ballt die Fäuste (oder spannt den ganzen Körper gezielt an), lässt dann los und gibt sich den gezielten kognitiven Impuls: „Was ich vor der Prüfung gelernt habe, ist immer noch in meinem Gehirn.“ Im Anschluss wendet man sich einer anderen Aufgabe zu und strukturiert bewusst sein Vorgehen und Denken: „Zu dem Thema weiß ich Folgendes: 1. …, 2. …, 3. …. Um die Aufgabe zu lösen, gehe ich nach folgendem Schema vor, das ich inund auswendig gelernt habe: 1. …, 2. …, 3. …“ usw. Sollte das Blackout sehr hartnäckig sein, empfiehlt sich auch eine Unterbrechung mit körperlicher Bewegung – z.B. indem der/die Betroffene auf die Toilette geht. (Damit die Lehrkraft das zulässt und nicht als Spickversuch missversteht, sollte man sie im Vorfeld in die Beratungsarbeit einweihen und instruieren.) Grundsätzlich können auch Entspannungsübungen als Mittel gegen ein Blackout eingesetzt werden (siehe Kap. 5.6), allerdings nur, wenn sie vorher sehr intensiv geübt wurden. Ist das nicht der Fall, besteht die Gefahr einer Erhöhung der Angst, weil das Mittel ungewohnt ist und alles Ungewohnte verunsichert.
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