V4 REISE F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TAG S Z E I T U N G , 2 0 . A P R I L 2 0 1 4 , N R . 1 6 Eine Stadt, wie sie im Buche steht Ein Roman als Stadtführer: Auf den Spuren von Dan Browns „Inferno“ entdeckt man Florenz von seiner mysteriösen Seite „Ich bin der Schatten. Ich fliehe durch die trauernde Stadt. Durch das ewig Leid hindurch ergreife ich die Flucht.“ Er hastet entlang am Ufer des Arno, atemlos, wendet sich nach links in die Via dei Castellani, sucht seinen Weg nach Norden, drückt sich in die Schatten der Uffizien. Sie jagen ihn immer weiter. Wir hinterher. Einmal durch Dan Browns aktuellen Roman „Inferno“, einmal quer durch Florenz. Vom Hotel „St. Regis“, einem Palazzo aus dem 15. Jahrhundert am Ufer des Arno, dessen Zimmer mit samtenen Baldachinen und dunklen Hölzern den Prunk der Renaissance wiederbeleben, durch die Florentiner Jahrhunderte. Auf den Spuren von Dan Brown heißt auf den Spuren seiner Hauptfigur, des Harvard-Professors Robert Langdon, Symbolist und Schatzjäger, den Brown seit vier Büchern durch die Kirchen, Katakomben und Dachstühle von Rom („Illuminati“), Paris („Sakrileg“), Washington („Das verlorene Symbol“) und Sevilla („Diabolus“) scheucht, immer auf der Suche nach dem nächsten Hinweis auf eine Lösung, dessen Rätsel er meist noch gar nicht kennt. Nun also Florenz, die Blühende. Doch was er hier zu suchen hat und vor allem wer versucht, ihn umzubringen, weiß Langdon zu Beginn des Thrillers selber nicht. Deshalb heißt es: „suche und du wirst finden“. Diese Worte sind auf Italienisch in eine Abbildung von Sandro Botticellis „Mappa dell’Inferno“ hineinmontiert worden. Der erste Hinweis. „Inferno“ ist wie eine Schnitzeljagd, und damit ist der Roman auch eine Anleitung zu einem Stadtrundgang durch Florenz. Aus diesem Grund hat Helena Julian den Reiseführer „Auf den Spuren von Dan Browns ‚Inferno‘“ geschrieben. Heute begleitet sie uns durch Florenz und erklärt: „Dan Brown behandelt die Schauplätze des Romans wie Charaktere. Der Leser soll das Gefühl haben, mittendrin zu sein, sie wirklich kennenzulernen. Deshalb war Brown dreimal in Florenz, um die Stadt nach geeigneten Orten abzuklappern.“ Allerdings verwischen Fiktion und Wirklichkeit an vielen Stellen. Im Roman stünden da Geräteschuppen, über die man in geheime Gärten kommt, wo in Wirklichkeit Zypressen den Weg versperren. Und dann öffneten sich Türen, die Florentinern wie Besuchern verschlossen bleiben. Der erste Hinweis „suche und du wirst finden“ bezieht sich auf eine geheime Botschaft, die Giorgio Vasari in seiner Wandmalerei im Saal der Fünfhundert im Palazzo Vecchio hinterlassen hat. Doch bevor er diese finden kann, muss Langdon im Boboli-Garten die Profikillerin Vayentha abschütteln, wobei dieses riesige Areal nur „Garten“ getauft haben kann, wer einen Palast sein Zuhause nennt – die Medici. Im 16. Jahrhundert angelegt, bietet der Garten neben atemberaubenden Sichtachsen und elliptischen Teichen vor allem Kunst. Im Roman konstatiert Langdon nur platt: „Überall standen Statuen rum.“ In der Realität hat sich eine alte Dame mit Gehstock durch die Labyrinthe des Gartens auf die Spitze seines Hügels gekämpft und blickt nun wie eine Feldherrin auf die Stadt. Noch schnell ein Foto. Und wieder runter, vorbei am Amphitheater auf der Rückseite des Palazzo Pitti, dem Wohnhaus der Medici, zur Grotta Grande. Die Grotte ist mit Stalaktiten geschmückt und wird von der Statue eines nackten Hofzwergs, der auf einer Schildkröte reitet, bewacht. Ein absurdes Ensemble, das von einer grauen halbhohen Tür ablenkt, die rechts der Grotte in die Mauer eingelassen ist. Es ist der Eingang zum Vasarikorridor, der das Wohnhaus der Medici, den Palazzo Pitti, über den Ponte Vecchio durch die Uffizien mit dem Regierungssitz, dem Palazzo Vecchio, verbindet. Die Medici konnten so die Stadt zu Fuß durchqueren, ohne je einem Bürger begegnen zu müssen. Praktisch. Auch für Langdon, denn Vayentha ist auf einem Motorrad unterwegs. Er stemmt die Tür auf und rennt los, dabei ist der Vasarikorridor eigentlich nur von der anderen Seite begehbar. Zum Glück muss der Held sich nicht an Museumsregeln und Öffnungszei- „Mystery“ und „History“ treffen sich auf den „Inferno“-Touren durch Florenz ganz gut, zumal sie Besucher nicht nur in die Uffizien (großes Bild), sondern auch an verborgene Orte führt. ten halten. Dann wäre der Roman auch schon auf Seite 17 beendet. Der normale Besucher geht dagegen durch die verknoteten Gassen der Altstadt Richtung Ponte Vecchio. Jugendliche schlängeln sich auf ihren Vespas in bunten Lederloafern durch den Verkehr. In den Schaufenstern der zahlreichen Spielzeugläden scheinen die Nasen Hunderter Pinocchios gegeneinander zu kämpfen. Carlo Collodi, der Erfinder von Geppetto und seiner lügenden Puppe Pinocchio, war Florentiner. Jedoch sind die meisten Geschäfte leer. Im Jahr 2011 kam fast ein Drittel weniger Touristen als im Vorjahr, auch 2012 und 2013 hielt sich das niedrige Niveau. Florenz kann die „Inferno“-Fans also gut gebrauchen. Mittlerweile haben über zweihundert Millionen Menschen Dan Browns Bücher gelesen. „Sakrileg“ wurde mit Tom Hanks und Audrey Tautou verfilmt, und „Inferno“ soll Ende 2015 in die Kinos kommen. Die Städte, in denen die Romane spielen, bieten spezielle Touren, Hotelangebote und Tagesausflüge an. Auf dem Ponte Vecchio, der Brücke mit Häuschen, Florenz’ berühmtester Sehenswürdigkeit, ist von ausbleibenden Touristen allerdings nichts zu spüren. Es herrscht wildes Gewimmel. Goldschmiede und Juweliere säumen die Brücke. Zwei blonde Amerikanerinnen drücken sich an einem glitzernden Schaufenster die spitzen Nasen platt. Über den Arno rudert ein Achter, die Männer in Grün, Rot, Weiß. Unter den Kolonnaden Richtung Uffizien sucht ein Straßenkünstler in einem Bildband nach einem neuen Motiv. Im Innenhof der Uffizien eine Dante-Statue. Nach dem ersten Teil von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ ist Dan Browns „Inferno“ benannt. Dantes Totenmaske ist der nächste Hinweis und führt in den Palazzo Vecchio. Langdon kommt aus dem Vasarikorridor und nimmt die alten Geheimgänge durch den Palast: treppauf, treppab, durch den Saal der Fünfhundert, auf die Balustrade, um das „Cerca Trova“ auf dem Vasari-Gemälde zu erahnen, ins Geographie-Zimmer, die Karte von Ar- menien vorziehen und durch eine Geheimtür in die Privaträume der Medici, dann hinauf in den hölzernen Dachstuhl, die Deckenkassetten des Saal der Fünfhundert bestaunen und feststellen, dass eine von Browns spektakulärsten Actionszenen im Buch in der Realität nie hätte stattfinden können: Langdon wird die Profikillerin Vayentha los, indem sie durch eine der Leinwände in den Tod stürzt – in der Realität wäre das unmöglich, die Bilder sind vollständig auf Holz gemalt, die Jagd auf ihn wäre noch nicht vorbei gewesen. Wieder draußen, sagt Helena Julian: „Zum Vorbild sollte man sich Langdons Aktionen dann doch nicht nehmen. Nicht, dass einen noch die Florentiner Polizei abführt.“ Langdons folgendem Tipp könne man dagegen getrost folgen: „Kein Trip zur Piazza war perfekt ohne einen Espresso im Café Rivoire.“ Da schmeckt nicht nur der Kaffee, sondern auch das Mandelgebäck und die Flirtversuche der in die Jahre gekommenen Bedienungen. Der Dackel am Nebentisch knurrt vor Eifersucht, während sein schmuckbehangenes Frauchen sich von einem Kellner um den Finger wickeln lässt. Gut, dass ihre Insalata Caprese nicht kalt werden kann. Gegenüber vom Café „Rivoire“, auf der anderen Seite der Piazza della Signoria, das GucciMuseum – Florenz hat nicht nur große Staatsmänner, sondern auch große Modemacher hervorgebracht. Mehr Kleidung, Accessoires und Schuhe gibt es die Via dei Calzaiuoli runter, auf der es nicht nur die Ketten gibt, die auch die deutschen Fußgängerzonen zieren, sondern auch alte Perlen wie den Schuhsalon „Quercioli Firenze“ – Lederschuhe wie zu Urgroßmutters Zeiten, modern interpretiert und mit größtem Respekt präsentiert: Ein graumelierter Herr zieht in weißem Kittel die Schuhkartons aus dunklen Holzfächern hervor, fast als wären sie aus Porzellan. Langdon zieht es weiter ins Dante-Viertel. Hinter den Mauern des Palazzo Vecchio hat sich ein ganzes Stadtviertel der Würdigung des mittelalterlichen Dichters und Politikers verschrieben: Dante-Eis, Fotos Plainpicture, Action Press, Anzenberger, ddp Images, Bildagentur-Online Dante-Pizza, Dante-Wein und Dante-Kondome. In dem rekonstruierten Wohnhaus Dantes, das heute ein Museum ist, findet man hinter dickem Glas auch die älteste erhaltene Ausgabe der „Göttlichen Komödie“, eine Handschrift von 1337. Doch als Langdon das Museum besuchen will, um an den nächsten Hinweis zu kommen, ist es geschlossen. Er geht gegenüber in die Chiesa Santa Margherita dei Cerchi, die Kapelle, die Dantes angeblich großer Liebe Beatrice gewidmet ist, die Kapelle der unglücklich Verliebten. Drinnen ist es düster. Die Erleuchtung kostet 40 Cent. Münzen in den Lichtautomaten, und schon gehen, pling, plang, plong, die Deckenleuchter an. Langdon trifft hier eine Frau mit iPhone, die für ihn die gesuchten Verse aus der „Göttlichen Komödie“ googelt und damit den entscheidenden Hinweis liefert, der zugleich das Ende der Tour durch Florenz bedeutet: Dantes Totenmaske liegt im Baptisterium des Doms, im alten Taufbecken. Doch das Abenteuer geht weiter – in Venedig. MAREIKE NIEBERDING Der Weg nach Florenz Anreise Es fliegen täglich mehrere Fluggesellschaften direkt nach Florenz. Etwa Air Berlin ab 150 Euro oder Lufthansa ab 200 Euro. Hotel Im „Hotel Brunelleschi“ kann man ein spezielles „Inferno“-Paket inklusive geführter Tour buchen. Die Nacht kostet hier ab 364 Euro pro Person ( www.hotelbrunelleschi.de). Touren Die „Places of ,Inferno‘ Tour“ im Palazzo Vecchio ist auch für Nicht-Brown-Fans interessant, weil sie an Orte führt, die für die normalen Besucher sonst tabu sind. Sie kostet 12 Euro und dauert ca. 75 Minuten (www. www.musefirenze.it). Die Reiseveranstalter Dark Rome, Florence Town und Florence Inferno bieten ebenfalls „Inferno“-Touren an. Literatur Helena Julians „Auf den Spuren von Dan Browns ‚Inferno’, Thriller-Schauplätze in Florenz, Venedig & Istanbul“ ist bei books&friends erschienen und kostet 19,99 Euro, Dan Browns Roman „Inferno“, Lübbe-Verlag, 26 Euro. Diese Reise wurde unterstützt von Air Berlin und books&friends.
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