Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen 265 Christoph Antweiler: Was ist den Menschen gemeinsam? Über Kultur und Kulturen. 2., aktual. und erw. Aufl. 425 S., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2009; ISBN 978-3-534-23019-8, EUR 59,90 Dem erstmals 2007 erschienenen und nun in einer erweiterten und aktualisierten Auflage vorliegenden Buch von Christoph Antweiler kann man sich mit zwei verschiedenen Rezeptionshaltungen nähern. Man kann es als eine Art Handbuch verstehen und es auf der Suche nach Informationen zu Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen, zu zahlreichen methodischen Aspekten einer Suche nach solchen Gemeinsamkeiten, zur Ethnologie als einer bei dieser Suche zentralen Disziplin, und sowohl zur historischen Entwicklung der Universalienforschung wie zum aktuellen Stand der Forschung gezielt einsetzen. Nicht zuletzt die hervorragende Übersichtlichkeit macht das Buch zu einem nützlichen Nachschlagewerk, in dem man schnell fündig werden kann. Daneben kann man es aber auch mit einem eher systematischen Interesse zur Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 266 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen Hand nehmen und dabei wichtige und äußerst inspirierende Überlegungen zum Universalitätsbegriff, zu Problemen der methodischen Ausrichtung ethnologischer Universalienforschung, zur Frage nach einer adäquaten Konstitution eines allgemeinen Begriffes vom Menschen (vgl. 22; 61) oder auch – damit zusammenhängend – zum Verhältnis von Natur und Kultur bei der Bestimmung des Menschen antreffen. Die Bereitstellung von Antworten für beide Rezeptionshaltungen ist ein großer Vorzug, wenngleich der Handbuch-Charakter in Folge des selbst gesetzten Anspruchs überwiegt. So „ist dieses Buch in mancher Hinsicht nicht mehr als eine Vorarbeit zu einer theorieorientierten empirischen Universalienforschung“ (301). Der Blick auf verschiedene Kulturen oder Nationen, die Betrachtung der jeweiligen Gepflogenheiten, Lebensstile oder der institutionalisierten bzw. konventionalisierten Handlungsweisen, das Bemühen darum, herauszufinden, wie man ‚etwas‘ an einem anderen Ort der Welt ‚macht‘, führt zunächst häufig zu dem Eindruck einer enormen Diversität kultureller Praktiken und Artefakte, zu einer scheinbar nicht mehr handhabbaren Fülle von Informationen und Beispielen dafür, wie kulturelles und im engeren Sinne soziales Leben organisiert werden kann. Doch bei einiger Distanz zu den sich darstellenden Bildern und einem Zulassen experimenteller und kreativer Überlegungen dazu, wie menschliches Leben alternativ gestaltet sein könnte, wird man bemerken können, dass die tatsächlich nachweisbare kulturelle Vielfalt längst nicht alle Möglichkeiten ausschöpft. „Von allen denkbaren Möglichkeiten von Formen bzw. Varianten kultureller Vielfalt ist nur eine begrenzte Anzahl faktisch verwirklicht“ (301). Vor diesem Hintergrund „stellt sich die Frage, warum das wirkliche Spektrum menschlicher Vielfalt zwar enorm ist, aber doch deutlich kleiner als der ‚ethnographische Hyperspace‘ aller denkbaren Variationen“ (301). So lautet denn eine Grundfrage des Buches: „Wo liegen die Schranken der Beliebigkeit und welche Faktoren grenzen die denkbare Vielfalt ein?“ (301). Diese Frage impliziert zugleich den programmatischen Auftrag der von Antweiler anvisierten Form von Universalienforschung. Was ist den Menschen gemeinsam? besteht aus drei Teilen, die wiederum in Unterkapitel gegliedert sind. Über den eigentlichen Text hinausgehend, bietet es ein nützliches Glossar und eine sehr umfangPhilosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen 267 reiche Bibliographie. Der erste Teil führt anhand einer Kontextualisierung der Problematisierung kultureller Gemeinsamkeiten in aktuellen politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen in das Thema ein, während der zweite Teil einen nach Disziplinen und Denktraditionen gegliederten geistes- und wissenschaftsgeschichtlichen Überblick über die Thematisierung von Universalien gibt. Der dritte Teil schließlich liefert einen Einblick zu bereits postulierten Universalien (Kapitel 6) und behandelt darüber hinaus schwerpunktmäßig diejenigen Aspekte, die für eine systematische und empirisch fundierte Erforschung kultureller Gemeinsamkeiten relevant sind, also Fragen nach der adäquaten Forschungsmethode (Kapitel 7), nach Darstellungsweisen (Kapitel 7), Beschreibungsebenen und Klassifikationsmöglichkeiten gefundener Universalien (Kapitel 8) sowie nach poten tiellen Erklärungs- bzw. Begründungsstrategien für ähnliche kulturelle Strukturen und Phänomene (Kapitel 9). Dabei soll die „Ethnologie als Basis[wissenschaft] der Untersuchung von Universalien“ (130) fungieren, weil sie gegenüber anderen, durchaus ebenfalls komparativ verfahrenden Wissenschaften, „besondere Vergleichsmöglichkeiten und eine besondere Vergleichsbreite“ (244) biete. „[I]ch halte den Kulturvergleich, der über die pauschale Entgegensetzung von ‚eigener‘ und ‚fremder‘ Kultur hinausgeht, für eine wesentliche Säule des Fachs. Vergleiche sind die logische Voraussetzung einer jeden Feststellung kultureller Besonderheit oder Fremdheit“ (125). Während der dritte Teil des Buches mit manchmal geradezu lehrbuchartigen Einschlägen (vgl. 249 f.) skizziert, wie man empirisch fundiert zu Universalien forschen kann, besteht die Hauptaufgabe der beiden ersten Teile darin, Ordnung und Übersicht in die Diskussion um Universalien, wie sie bis dato geführt wurde, zu bringen. „Universalistische Aussagen finden sich quer durch mindestens die letzten 2000 Jahre der Geschichte“ (18). Sie durchdringen den heutigen Alltag, die tagespolitische Diskussion und das mediale Geschehen im Allgemeinen ebenso, wie sie sich in literarischen sowie wissenschaftlichen Texten quer durch die Historie verstreut finden. Gegenwärtig werden kulturelle Gemeinsamkeiten insbesondere im Rahmen der Menschenrechtsdebatte (vgl. 23 ff.), der biophilosophischen bzw. biopolitischen Auseinandersetzung um bestehende und zukünftig eventuell erreichbaPhilosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 268 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen re Möglichkeiten einer biotechnologischen Optimierung des mensch lichen Körpers (vgl. 27), der Frage nach der kategorialen Abgrenzung des Menschen einerseits von anderen Tieren – dabei in erster Linie von Primaten –, andererseits zunehmend auch von Trägern künstlicher Intelligenz (vgl. 28) sowie als substantielle Aspekte umfassender und häufig normativer Menschenbilder (vgl. 28 ff.) kontrovers diskutiert. Im Zuge der exemplarischen Vorstellung dieser Diskurszusammenhänge führt Antweiler in die traditionsreiche Fehde zwischen Universalisten und Kulturrelativsten ein, wodurch zugleich deutlich wird, dass die Beschäftigung mit kulturellen Gemeinsamkeiten sowohl in den historischen Ansätzen unterschiedlichster wissenschaftlicher Provenienz als auch in den tagesaktuellen Debatten jeweils unterschied lichen Zwecken dient, im Kontext verschiedenster Ideologien steht und in den schillerndsten begrifflichen Gewändern auftritt (vgl. dazu v. a. 33–47). Fragen nach Gemeinsamkeiten zwischen Menschen oder Kulturen, nach der Bedingtheit der Einheit und der Existenz des Menschen, nach strukturellen oder inhaltlichen Entsprechungen auf kultureller Ebene, die trotz aller offensichtlichen Variabilität eine sichere Klassifikation des betrachteten Gegenstandes erlauben, haben eine derart lange und disziplinär so völlig ungebundene Geschichte, dass der Gedanke: „Es scheint selbst eine Universalie zu sein, dass Menschen sich für die ‚Natur des Menschen‘ und spezifischer für das Spannungsfeld zwischen Universalität und Spezifik der Kulturen interessieren“ (19) naheliegt. Durch die zahlreichen thematisch, methodisch und motivational je anders ausgerichteten Versuche, Antworten auf die Frage nach Universalien zu finden, wirkt die Historie der Bemühungen um die Entde- ckung von Gleichbleibendem in synchroner wie diachroner Perspektive wie ein wechselvolles Durcheinander teils konkurrierender, teils Traditionen fortsetzender Ansätze ohne begriffliche Konstanz. Insbesondere mit Blick auf die Geschichte der Ethnologie (vgl. 77–121) zeigt Antweiler die ständige Oszillation zwischen absolutistischen und relativistischen Ansätzen zur Beschreibung von Kulturen und zur Erklärung kultureller Interdependenzen. Die Entwicklung der Ethnologie präsentiert sich hinsichtlich der Universalienforschung als eine ‚Pendelbewegung zwischen Extremen‘ (106). Auch die gegenwärtige Situation innerhalb der Disziplin ist nicht durch Einheitlichkeit Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen 269 gekennzeichnet. „Die Ethnologie ist ein in sich polarisiertes Fach. Am einen Extrem steht die stark partikularistische, an der stationären und lokalisierten Feldforschung ausgerichtete Ethnologie. […]. Am anderen Extrem steht die verallgemeinernde anthropologisch ausgerichtete Ausrichtung“ (76). Während für eine absolutistische Perspektive die Annahme kennzeichnend ist, dass zur Beschreibung kultureller Phänomen eingesetzte Begriffe wie etwa ‚Heirat‘, ‚Familie‘, ‚Gewalt‘ oder ‚Krieg‘ hinsichtlich ihrer Merkmale invariant und dennoch auf andere Kulturen übertragbar sind, gehen relativistische Positionen davon aus, dass sich Kulturen nur ‚in their own terms‘ beschreiben lassen (vgl. 136). Das heißt, ein großer Teil des Konfliktes um die richtige Perspektive entspannt sich um das letztlich semantische Problem der Konstitution kulturunabhängiger Begriffe. Die Überzeugungskraft des Kulturvergleichs zum Nachweis kultureller Gemeinsamkeiten, der für Antweiler zum methodischen Kernbestand der Ethnologie gehört (vgl. 115; 125; 304), hängt damit maßgeblich von der Lösung dieses Beschreibungsproblems ab. Antweiler selbst vertritt demgegenüber einen Mittelweg, den er sowohl von einem unreflektierten und naiv verallgemeinernden Absolutismus als auch von einem radikalen und dadurch wiederum realitätsblinden Relativismus abgehoben wissen möchte. „Fruchtba- rer als die binäre ist […] eine ternäre Unterscheidung. Universalismus ist danach einerseits vom Relativismus und andererseits vom Absolutismus zu unterscheiden“ (136). Entsprechend verpflichtet er sich für seinen Forschungsansatz darauf „Universalität und Vielfalt zusammen[zubringen], statt sie gegeneinander auszuspielen“ (15). Das heißt, die Suche nach Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen und die Beachtung kultureller Besonderheiten befinden sich in einem reziproken Verhältnis; und zwar in dem Sinne, dass das kulturell Besondere als Besonderes überhaupt erst auffallen kann, wenn es als eine von zahlreichen Möglichkeiten bzw. als eine von mehreren möglichen Antworten auf ähnliche Herausforderungen begriffen wird. „Eine universalistische Haltung liegt demnach zwischen diesen Extremen“ (137) des Partikularismus und des Absolutismus. „Der Universalismus nimmt an, dass es zwar grundlegende Phänomene und Prozesse gibt, die in allen Kulturen bzw. allen Menschen (als Speziesmitglieder) dieselben Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 270 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen sind, diese jedoch in einer jeden Gesellschaft aufgrund der Kultur variiert werden. Metaphorisch gesagt, geht es um Variationen zu denselben humanen Themen […]“ (137). Eine Besonderheit von Antweilers Ansatz besteht in diesem Zusammenhang darin, dass der „Universalienbegriff definitorisch hinsichtlich der Ursachen […] bewusst offen gehalten“ (39) wird. Damit setzt er sich von der innerhalb und außerhalb der Ethnologie zumeist praktizierten Strategie einer Rückführung von Universalien auf biotische Ursachen im Besonderen bzw. von Tendenzen der monokausalen Erklärung von Universalien im Allgemeinen ab (vgl. 35 ff.). Denn „[e]ntgegen verbreiteter Ansicht ist Universales nicht notwendigerweise biotisch bedingt und Variables kulturell bedingt. Aus der Ubiquität eines Merkmals bei Personen und Kulturen kann keinesfalls schon auf eine biotische Basis geschlossen werden“ (38). Das heißt, die ‚humanen Themen‘, auf die Kulturen mal mehr, mal weniger variabel reagieren, können von unterschiedlicher Art sein. Es kann sich um Bedürfnisse handeln, die mit der organismischen Natur des Menschen korrelieren, um umweltlich vorgegebene Lebensbedingungen oder, bei großen Gesellschaften, um Herausforderungen, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, komplexe soziale Gebilde organisieren zu müssen (vgl. 306 ff.). Dieser Komplex verschieden gearteter Herausforderungen bildet jedenfalls den Hintergrund, vor dem sich Variation abspielt und der ihr einen restringierenden Rahmen setzt, der Variation als Realisierung verschiedener Möglichkeiten verstehbar macht. Die Ähnlichkeit der Antworten zeigt sich mithin bedingt durch die Konfrontation mit ähnlichen bis gleichen Problemen der Daseinsgestaltung und Daseinsorganisation. „Vergleichbare Probleme treten in den Kulturen aller Weltgegenden auf und in allen Regionen entwickeln Menschen angesichts gleicher Probleme ähnliche Lösungen, etwa weil diese einfach nahe liegen oder am ehesten verfügbar sind“ (283). Darum sollte „Ethnologie […] weniger auf Gesellschaften (‚Kulturen‘) als solche fokussiert sein, sondern auf spezifische Wege, das gleiche zu tun, bzw. auf unterschiedliche Arten, die gleichen Probleme zu lösen“ (131). Dem Beschreibungsproblem begegnet Antweiler, indem er den Universalienbegriff gewissermaßen entgegen der üblicherweise damit verbundenen Assoziationen aufweicht und Universalien als „empirische Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen 271 Häufigkeitsphänomene“ (58) fasst. „Universalien sind Häufigkeitsphänomene und damit nicht mit Absoluta gleichzusetzen. Es lässt sich ein Kontinuum zwischen unikat (ein Fall) und streng ubiquitär (absolut bzw. voll universal) aufspannen. Einige Universalien sind universaler als andere […]“ (260). Dieses Verständnis von Universalität ist mit zwei weitreichenden Konsequenzen verbunden: Erstens werden ‚universale Phänomene‘ damit hinsichtlich ihrer Verbreitungshäufigkeit skalierbar, und zweitens kann Universalität – wenn ausschließlich über Häufigkeit definiert („Ein Merkmal bzw. Phänomen ist universal, wenn es in allen oder den allermeisten bisher bekannt gewordenen Gesellschaften regelmäßig auftritt bzw. in weit überzufällig vielen Gesellschaften zu finden ist“, 39) – hergestellt werden. Konzentriert auf das Merkmal der Häufigkeit wird Universalität dynamisch; Gleichheit kann zunehmen, etwa durch Diffusion, durch „transkulturelle Medienmärkte“ (257) und den Export von Erfahrungsmöglichkeiten. „Durch diese Prozesse werden die Menschen ‚etwas gleicher‘“ (257). Wenn aber solche Phänomene als Universalien klassifiziert werden können, ist Universalität eigentlich nichts mehr, was sich in jeder Hinsicht menschlicher Verfügung entzöge, und folglich ist sie nichts mehr den Menschen bzw. seine kulturelle Organisation unbedingt Auszeichnendes. Dieses Problem bleibt selbst dann bestehen, wenn man sich, wie Antweiler, ausschließlich auf Kulturuniversalien konzentriert und alle Arten von Humancharakteristika aus dem Universalienbegriff heraushält. „Universalien im hier definierten Sinn sind […] nicht mit Artmerkmalen gleichzusetzen! Speziescharakteristika gelten für alle Individuen einer Art, zumindest in einer bestimmten Lebensphase. Universalien sind also nicht mit der Natur des Menschen gleichzusetzen […]“ (34). „Während sich die Natur des Menschen in jedem Individuum spiegelt, beziehen sich Universalien auf Kulturen als kollektive Einheiten“ (17). Überhaupt wird die Differenzierung zwischen pan-kulturellen und pan-humanen Charakteristika (vgl. 7) erst vor diesem Hintergrund hinsichtlich ihrer systematischen Relevanz wirklich verständlich, denn eine Hinzunahme der Dimension des Individuums würde einen auf die Verbreitungshäufigkeit eines Phänomens konzentrierten Ansatz natürlich massiv beeinträchtigen. Was Antweiler als eine Konsequenz der ethnologischen Annäherung an das Problem kultureller Gemeinsamkeiten darstellt (vgl. 58), Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 272 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen nämlich die Einordnung von Universalien als „empirische Häufigkeits phänomene“ (ebd.), scheint somit eher der Notwendigkeit geschuldet zu sein, das Beschreibungsproblem durch möglichst flexible Begriffe lösen zu müssen. Ob man es dadurch allerdings nicht doch mit unterschiedlichen Typen von Universalität zu tun bekommt, nämlich einer künstlich erzeugten und einer existentiell begründbaren, bleibt dahingestellt. Und es ergibt sich ferner die Frage, ob diese beiden Arten von Universalität für eine allgemeine Anthropologie einerseits, für den kleineren Teilbereich der Ethnologie in Form einer Kulturanthropologie (vgl. 17) andererseits, denselben theoretischen Wert besitzen (dürfen). Ein anderer Teilaspekt der Strategie zur Entschärfung der Beschreibungsproblematik besteht in der Art der Begriffsbildung selbst, auf die Antweiler nur kurz eingeht. „Ein Lösungsversuch des Begriffsproblems besteht darin, die Termini beizubehalten, sie aber mit präzisen und kulturunabhängigen begrifflichen Inhalten zu füllen“ (231). Dabei werden die Merkmale eines Begriffes, der ursprünglich anhand einer bestimmten Kultur gebildet wurde, hinsichtlich ihrer kulturunabhängigen Geltung untersucht. Nur diejenigen Merkmale, die sich tatsächlich überall bestätigen lassen, bilden dann den kulturübergreifend verwendbaren Begriff (vgl. 232). Die Problematik besteht dann aber darin, dass die Universalienbegriffe u. U. entweder kaum noch Merkmale beinhalten oder aber selbst Raum für Variabilität lassen und damit systematisch mehrdeutig sein müssen. „Das weist auf eine allgemeine Schlussfolgerung hin, dass es in der Universaliendiskussion hilfreich ist, die gängige Fixierung auf absolute Universalien aufzugeben“ (233). Das Beschreibungsproblem scheint dadurch allerdings nicht wirklich gelöst. Wenngleich der von Antweiler postulierte Universalienbegriff also durchaus Anlass zur kritischen Nachfrage gibt, so erweist sich Was ist den Menschen gemeinsam? dennoch als eine wichtige und vorzüglich organisierte Informations- und Inspirationsquelle für die anthropologische Forschung im Allgemeinen, insbesondere dann, wenn die Anthropologie eine Alternative zu ihrer traditionellen Konzentration auf das einzelne, isolierte Individuum bekommen bzw. ausbauen möchte. „So könnte man die Menschheit über Zusammenhänge bestimmen, also Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011 Referate über deutschsprachige Neuerscheinungen 273 extensional konzipieren und somit Vielfalt zulassen. Eine Menschheitsdefinition dagegen, die die Zugehörigkeit zur Menschheit an bestimmte Eigenschaften knüpft, erlaubt das kaum“ (22). Antweilers Buch bietet nicht nur systematische Thesen zur Erforschung kultureller Gemeinsamkeiten, sondern es erfüllt auch die Anforderungen, die an ein Nachschlagewerk herangetragen werden. Es gibt einem das nötige Rüstzeug an die Hand, um selbstständig und reflektiert einerseits mit bereits bestehenden Theorien zum Thema Universalien umgehen, andererseits eigeninitiativ zu diesem Gegenstandsbereich weiterarbeiten zu können. Astrid Jakob, Wuppertal Philosophischer Literaturanzeiger 64 / 3 / 2011
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