Allergie und Schule – was juckt mich das ? Ergebnisse eines

Reinhard Bornemann *, Katharina Hagemeister **
* AG 2 Bevölkerungsmedizin und biomed. Grundlagen, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
(WHO Collaborating Center for Child and Adolescent Health Promotion), Universität Bielefeld
** Schwerpunkt Allergologie, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin / Allergologie, Evangelisches
Krankenhaus Bielefeld (EvKB)
Allergie und Schule – was juckt mich das ?
Ergebnisse eines Grundschul-Projektes in Bielefeld (1. Projektphase 2008)
Probanden und Methoden
(Projektlogo)
Im Unterricht: Wie fühlt sich Asthma an ?
Ein Kind atmet durch einen Strohhalm
Hintergrund
Allergische / Atopische Erkrankungen tragen wesentlich zum
Krankheitsgeschehen im Kindes- und Jugendalter bei; die 12Monats-Prävalenz von Asthma, Heuschnupfen und Atopischem
Ekzem / Neurodermitis liegt bei 7-10-jährigen bei 16,7% (1).
Besonders Kinder im Grundschulalter sind noch unsicher im
Umgang mit ihrer Krankheit. Fehlzeiten sowie eingeschränkte
Teilnahme an Sport und Ausflügen beeinträchtigen den
Schulalltag, auch Stigmatisierungen sind nicht selten.
Zielsetzung
In einem von 2008-10 laufenden Grundschulprojekt der
Kindertagesklinik Allergologie des Ev. Krankenhaus Bielefeld,
zusammen mit der Bielefelder Bürgerstiftung und dem Schulamt
der Stadt Bielefeld, werden bei Drittklässlern 1) Prävalenzdaten,
2)
Kenntnisse
zu
allergischen
Erkrankungen,
3)
Gesundheitseinstellungen erhoben; 4) soll bei betroffenen und
nichtbetroffenen Schülern ein
angemessener Umgang mit
diesen Krankheiten vermittelt werden.
Tab. 1: Häufigkeitsnennungen der Kinder zu bestimmten allergischen
Erkrankungen – eigene Daten
Allergie
1. UZP 147
Asthma
46
Neurodermitis
37
Sonstiges
49
Gesamt
279 / 1215
2. UZP 150
51
60
61
322 / 1211
Tab. 2. Prävalenzen allergischer Erkrankungen im Grundschulalter
– eigene vs. KIGGS-Daten
Allergie* Asthma
Eigene 12,4%
4,2%
(2. UZP)
KIGGS 8,7%
3,2%
Neurodermitis
5,0%
Sonstiges
5,0%
Gesamt**
21,6%
7,8%
n.a.
16,7%
(* bei KIGGS „Heuschnupfen“, ** wenigstens eine der drei atopischen Erkrankungen,
ohne Sonstiges; eigene Prozentzahlen bezogen auf 1211 antwortende Kinder zum 2. UZP)
Allen 3. Klassen der 48 Bielefelder Grundschulen wurde die
Teilnahme angeboten. Kernstück war eine 2-stündige
Unterrichtseinheit mit kindgerechter Wissens- und Einstellungsvermittlung zu allergischen Erkrankungen. Jeweils eine Woche
davor und danach – 1. bzw. 2. Untersuchungszeitpunkt / UZP –
erfolgte eine Befragung der Schüler mittels Fragebogen, zur ggf.
eigenen Betroffenheit, zu Kenntnissen über allergische
Erkrankungen sowie zu allgemeinen Gesundheitseinstellungen
(KIDSCREEN®-Instrument zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Kindern). Ebenfalls befragt
wurden die Eltern und die Lehrkräfte.
Ergebnisse
Am Projekt insgesamt nahmen 23 Schulen mit 64 Klassen teil.
An der Befragung nahmen 59 Klassen mit 1345 Kindern teil.
Zum 1. UZP konnten von 1215 Kindern (90,3%) und zum 2. UZP
von 1211 Kindern (90,0%) Daten erhoben werden. Die Kinder
waren im Mittel 8,9 Jahre alt und zu 49,1% Mädchen.
308 Kinder (25,3%) gaben zum 1. UZP an, eine allergische
Erkrankung zu haben; 344 (28,4%) zum 2. UZP (p<0,001).
Davon machten 279 Kinder zum 1. UZP bzw. 322 zum 2. UZP
genauere Angaben (vgl. Tab.1). Zum diesbez. Valider
anzusehenden 2. UZP gaben 150 Kinder an, eine Allergie,
sowie 51 ein Asthma bzw. 61 eine Neurodermitis zu haben.
Auf die Kenntnisfrage z.B. „Ist Neurodermitis ansteckend ?“
(nein !) machten zum 1. UZP 615 Kinder (50,6%) eine falsche
oder keine Angabe, zum 2. UZP nach der Unterrichtseinheit nur
noch 207 Kinder (17,1%) (Abb.1).
Diskussion
Referenz ist die KIGGS-Studie (1), die für die Altersgruppe der
7-10-jährigen eine 12-Monats-Prävalenz von 16,7% beschrieb
(Tab.2). Demgegenüber erscheint die eigene Punktprävalenz
von 21,6% hoch. Nähere anamnestische Befragungen oder
klinische Untersuchungen wurden nicht vorgenommen.
Möglicherweise überschätzen die Kinder ihre eigene
Betroffenheit insbes. von Allergien (noch ausstehend ist die
Abstimmung der Angaben der Kinder mit denjenigen der Eltern,
welche als valider angesehen werden).
Angesichts der Verbesserung des Wissens zu einzelnen
Aspekten allergischer Erkrankungen muss deren Nachhaltigkeit
hinterfragt werden.
Schlussfolgerungen
Bei anzunehmender höherer Sensitivität und niedrigerer
Spezifität unserer Erhebungsmethode finden sich in Bielefelder
Grundschulen mindestens vergleichbar hohe Prävalenzen
allergischer Erkrankungen wie im stichprobenartig erhobenen
KIGGS-Bundesdurchschnitt. Dies unterstreicht die Bedeutung
allergischer
Erkrankungen
auch
in
einer
örtlichen
bevölkerungsbezogenen Erhebung.
Die Kenntnisse bzw. Einstellungen der Kinder zu diesen Erkrankungen lassen umfangreichen Schulungsbedarf erkennen.
Ausblick
Das Projekt wurde bisher gut angenommen und wird bis 2010
fortgeführt. Das Konzept des Projektes kann als Vorlage auch
für die Anwendung auf andere Gesundheitsprobleme im
Kindesalter dienen.
Literatur: 1. M. Schlaud et al.: Allergische Erkrankungen – Ergebnisse aus dem Kinderund Jugendgesundheitssurvey (KiGGS), Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2007 (5-6): 701-710
2. KIDSCREEN®-Projekt: http://kidscreen.diehauptstadt.de/kidscreen/de/index.html
Kontakt: Dr. med. Reinhard Bornemann, FB4 Sozialmedizin / FH Bielefeld und AG 2
Fakultät für Gesundheitswiss. / Univ. Bielefeld, [email protected]
(mit freundlicher Unterstützung der Fa. Dr. August Wolff, Bielefeld)