Triumph auf dünnem Eis - Konrad-Adenauer-Stiftung

LÄNDERBERICHT
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
JAPAN
PAUL LINNARZ
AKIM ENOMOTO
15. Dezember 2014
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Triumph auf dünnem Eis
VORGEZOGENE NEUWAHLEN SICHERN D IE MACHTBASIS DES JAPANISCHEN PREMIERMINISTERS AUCH IN DEN EIGENEN REIHEN
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Die regierende Liberaldemokratische Par-
Abe hatte die Auflösung des Parlaments und
tei (LDP) von Premierminister Shinzo Abe
vorgezogene Neuwahlen erst Mitte Novem-
und ihr kleiner Koalitionspartner New
ber angekündigt. Damit reagierte der
Komeito konnten ihre Zweidrittelmehrheit
rechtskonservative Premierminister auf
im japanischen Unterhaus bei der gestri-
wachsende Kritik an seinem wirtschaftspoli-
gen Wahl (14.12.) erfolgreich verteidigen.
tischen Reformkurs. Denn kurz vor der
Die Wahlbeteiligung war jedoch so niedrig
plötzlichen Festlegung auf Neuwahlen muss-
wie niemals zuvor seit dem Zweiten Welt-
te die japanische Regierung einen Konjunk-
krieg.
tureinbruch vermelden. Demnach schrumpf-
Von den insgesamt 475 Sitzen im Unterhaus
Juni und September aufs Jahr hochgerech-
te das reale Bruttoinlandsprodukt zwischen
entfallen nach den vorliegenden Ergebnis-
net um 1,6 Prozent zum Vorquartal. Für das
sen 291 (-4) auf die LDP und 35 (+4) auf
zweite Vierteljahr in Folge verzeichnete die
New Komeito. Die Oppositionsparteien ge-
japanische Wirtschaft mithin ein Minus-
wannen insgesamt nur 149 Sitze, davon 73
Wachstum. Ökonomen sprechen in dem Fall
(+11) für die Democratic Party of Japan
von einer Rezession. Inzwischen wurden die
(DPJ), 41 (-1) für die Japan Innovation Par-
Zahlen sogar auf minus 1,9 Prozent nach
ty (JIP) und 21 für die Kommunistische Par-
unten korrigiert.
tei (JCP), die damit erheblich besser abschnitt als bei der letzten Wahl 2012 (da-
Parlamentswahl als „Referendum über die
mals 8 Sitze). Die Social Democratic Party
Abenomics“
(SDP), die People’s Life Party (PLP) und die
Party for Future Generations (PFG) mussten
Das war für viele Beobachter ein Schock.
sich jeweils mit nur zwei Sitzen begnügen.
Denn überwiegend hatten sie für das dritte
Zusätzlich ziehen acht unabhängige Kandi-
Quartal mit einer Steigerung des Bruttoin-
daten ins Unterhaus ein.
landsprodukts gerechnet. Schnell stand
dann fest, dass der unerwartete Konjunk-
Damit behauptet die Regierungskoalition
tureinbruch auf die Erhöhung der Mehrwert-
ihre nahezu uneingeschränkte Machtpositi-
steuer von fünf auf acht Prozent zurückzu-
on. Denn mit ihrer Zweidrittelmehrheit im
führen sei. Denn dadurch stiegen seit April
Unterhaus kann sie Gesetze auch dann
die Preise. Das trübt die Konsumlaune der
durchsetzen, wenn diese vom Oberhaus ab-
Japaner erheblich. Die für Oktober 2015
gelehnt wurden. Die sozialliberale DPJ bleibt
vorgesehene zweite Erhöhung der Mehr-
zwar die stärkste Oppositionspartei im ja-
wertsteuer auf dann zehn Prozent wurde
panischen Unterhaus, musste ihre Hoffnung
von der japanischen Regierung deshalb
auf bis zu 100 Sitze aber begraben. Am
schon jetzt um 18 Monate verschoben.
Morgen nach der Wahl stellte sich dann her-
Premierminister Abe nannte den Aufschub
aus, dass DPJ-Chef Banri Kaieda den Einzug
eine „schwere, schwere Entscheidung“, für
ins Parlament ebenfalls verpasst hat und
die er mit der Parlamentswahl ein „neues
deshalb Medienberichten zufolge wohl zu-
Mandat der Bevölkerung“ anstrebe.
rücktreten wird.
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In den Medien wurde die Abstimmung am
Popularität der Regierungskoalition ist
Sonntag deshalb wiederholt als „Referen-
seit Monaten rückläufig
JAPAN
dum über die Abenomics“ angekündigt.
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Denn die schlechten Wirtschaftsdaten gelten
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vielen Kritikern als Beleg dafür, dass die
eine Zeit, die für Premierminister Abe nicht
nach dem Premierminister benannten Re-
nur aus wirtschaftspolitischen Gründen eher
formen im letzten Jahr zwar kurzfristig Er-
schwierig ist. Denn erst im November muss-
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Der Termin für die Abstimmung fiel sogar in
folge erzielen konnten, langfristig aber kei-
te die LDP bei der Lokalwahl in Okinawa ei-
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ne Lösung für die anhaltende ökonomische
ne empfindliche Niederlage einstecken. Der
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Stagnation der drittgrößten Industrienation
neue Gouverneur Takeshi Onaga ist ein er-
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der Erde bedeuten. Im Gegensatz dazu be-
klärter Gegner der US-amerikanischen Mili-
tont die Regierung in Tokio unbeirrt, dass
tärstützpunkte auf der südwestjapanischen
sich die japanische Wirtschaft aufgrund der
Insel. Onaga widersetzt sich auch gegen
Reformen „auf dem Weg der Erholung“ be-
den Umzug des US-Stützpunkts in Futenma
finde. Warum wollte der Premierminister
aus einer städtischen Umgebung aufs Land.
jetzt dann aber die Wähler darüber ent-
Damit bringt der neue Gouverneur den
scheiden lassen, „ob die Nation die Abeno-
Premierminister gegenüber Washington un-
mics vorantreiben oder stoppen sollte“? Zur
ter Umständen in Verlegenheit. Denn die
Aufrechterhaltung der Regierungsfähigkeit
japanische Regierung hatte ihrem Verbün-
wäre die Abstimmung am Sonntag jeden-
deten für den Umzug im letzten Jahr bereits
falls nicht „nötig“ gewesen.
grünes Licht signalisiert.
Mehrheit der Bevölkerung betrachtete die
Als mögliche Risiken galten für den Wahler-
Wahl als „überflüssig“
folg überdies die von der japanischen Regierung vorgesehene Wiederinbetriebnahme
Denn sowohl im japanischen Ober- als auch
einiger Atomreaktoren und das neue Ge-
im Unterhaus verfügt die Regierungskoaliti-
heimhaltungsgesetz. Die japanischen Atom-
on aus LDP und New Komeito bereits seit
kraftwerke waren nach der Fukushima-
2013 über eine komfortable Mehrheit. In
Katastrophe abgeschaltet worden. Um die
den sechs Jahren zuvor hatten sich die bei-
Abhängigkeit von Energieimporten zu redu-
den Kammern des Parlaments aufgrund un-
zieren, sollen die Anlagen auf der Grundlage
terschiedlicher Mehrheitsverhältnisse poli-
neuer Sicherheitsstandards aber so schnell
tisch gegenseitig blockiert. Bis zum Ende
wie möglich wieder ans Netz gehen. Das
der regulären Legislaturperiode hätte die
Geheimhaltungsgesetz gibt staatlichen In-
japanische Regierung ihre Reformvorhaben
stitutionen und Behörden seit diesem Monat
nahezu unangefochten, also auch ohne vor-
das Recht, Informationen für vertraulich zu
gezogene Neuwahlen, vorantreiben können.
erklären, wenn eine Veröffentlichung die
nationale Sicherheit gefährden könnte. Bei-
Die Gründe für die gestrige Abstimmung
de Entscheidungen sind in der japanischen
werden angesichts der bisherigen Mehr-
Bevölkerung höchst umstritten.
heitsverhältnisse im Parlament noch undurchsichtiger, wenn man berücksichtigt,
Hinzu kam Ende Oktober, dass gleich zwei
dass Premierminister Abe das anscheinend
japanische Ministerinnen nach Skandalen
größte Risiko für eine möglichst rasche Er-
ihren Hut nehmen mussten. Für die japani-
holung der Wirtschaft, nämlich die zweite
sche Regierung waren die Rücktritte ein
Erhöhung der Mehrwertsteuer, im Novem-
herber Schlag. Denn nur zwei Monate zuvor
ber vorerst ja bereits aus dem Weg geräumt
hatte Premierminister Abe die Zahl der Mi-
hat. Wozu suchte er für diese Entscheidung
nisterinnen im Kabinett auf fünf erhöht, um
nachträglich ein „neues Mandat“ der Wäh-
seinen Wunsch nach mehr Frauen in Füh-
ler? So sah das nach Umfragen auch die
rungspositionen zu unterstreichen („Wome-
Mehrheit der japanischen Bevölkerung. Fast
nomics“). Stattdessen musste sich Abe nach
die Hälfte aller Wahlberechtigten sparte sich
den beiden Rücktritten nicht nur Vorwürfe
deshalb den Gang zur Urne.
der Opposition gefallen lassen, sondern
fühlten sich auch in den eigenen Reihen all
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jene bestätigt, die die Regierungsumbildung
haltenden internen Streitigkeiten über den
von vorneherein abgelehnt hatten. Denn
künftigen parteipolitischen Kurs erst vor
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seit dem Machtantritt von Shinzo Abe im
wenigen Wochen aufgelöst. Das gleiche
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Dezember 2012 war kein Mitglied seiner
Schicksal ereilte im September die neo-
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Regierungsmannschaft ernsthaft unter Be-
konservative Japan Restoration Party (JRP)
schuss geraten. Das zweite Kabinett Abe
und – weniger als ein Jahr nach ihrer Grün-
galt bis dato als die stabilste Regierung Ja-
dung – die Unity Party. Beide schlossen sich
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pans seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
zur Japan Innovation Party (JIP) zusammen.
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Ebenso wie im Vorfeld der vorgezogenen
Einige JRP-Abgeordnete waren damit jedoch
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Neuwahlen, fragten sich deshalb einige LDP-
nicht einverstanden und spalteten sich fast
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Vertreter, warum der Premierminister sein
zeitgleich zur Party for Future Generations
Kabinett „ohne Not“ umbilden wolle. Und
(PFG) ab. Die Democratic Party of Japan
dann erwiesen sich gerade die beiden gefei-
(DPJ), weiterhin Japans größte Oppositions-
erten Ministerinnen auch noch als Fehlbe-
partei, entging im September nach monate-
setzung.
langen internen Konflikten wohl nur dadurch
einer Aufspaltung, dass DPJ-Präsident Banri
In der Summe war die Ausgangsposition für
Kaieda einige seiner Kritiker noch rasch in
die Neuwahlen also eher schwierig. Die Un-
die Parteiführung aufnahm. Der Gründer der
terstützung der Regierungskoalition in der
People’s Life Party (PLP), Ichiro Ozawa, riet
japanischen Bevölkerung fiel nach Medie-
den Mitgliedern seiner Gruppierung im
numfragen von etwas über 60 Prozent im
Wahlkampf sogar, ihr politisches Überleben
September auf 49 Prozent im November. Im
notfalls dadurch zu sichern, dass sie noch
April 2013 lag sie noch bei 74 Prozent. Da
schnell zu einer anderen Partei wechseln.
die Mehrheit der Japaner die Abstimmung
am Sonntag ohnehin für unnötig hielt, war
Zwar haben sowohl der Premierminister als
darüber hinaus zu erwarten, dass die Wahl-
auch seine Regierungskoalition in den letz-
beteiligung noch niedriger sein würde als
ten Monaten an Popularität verloren; die
bei der letzten Unterhauswahl Ende 2012.
Opposition steht aber noch deutlich schlech-
Die etwa 59 Prozent bei der damaligen Ab-
ter da. Das Abstimmungsergebnis vom
stimmung waren das schwächste Ergebnis
Sonntag ist dafür der beste Beweis. Vorge-
in der japanischen Nachkriegsgeschichte.
zogene Neuwahlen waren für die Liberalde-
Mit nur etwa 52 Prozent Wahlbeteiligung
mokraten und ihren kleinen Koalitions-
wurde der Negativrekord am Sonntag sogar
partner New Komeito zum jetzigen Zeit-
noch unterboten. Bei so viel Desinteresse
punkt also die richtige Entscheidung. Das
am Urnengang stellt sich natürlich zu Recht
Regierungsbündnis kann seine Amtszeit nun
die Frage, ob das gestern erzielte Wahler-
auf weitere vier Jahre verlängern. Andern-
gebnis tatsächlich als Referendum über die
falls hätte es sich nach Ablauf der regulären
Abenomics und als Mandat der Bevölkerung
Legislaturperiode bereits in zwei Jahren zur
für die Verschiebung der zweiten Mehrwert-
Wiederwahl stellen müssen, und dann viel-
steuererhöhung gewertet werden kann. Vie-
leicht unter deutlich schlechteren Vorzei-
les spricht also dafür, dass die vorgezoge-
chen. LDP und New Komeito haben für die
nen Neuwahlen noch andere Gründe hatten.
im Rahmen der Abenomics vorgesehenen
Strukturreformen („dritter Pfeil“) insofern
Desolate Opposition spielte Abe in die
mehr Zeit gewonnen. Andererseits weiß na-
Hände
türlich niemand, ob die neue Wahlperiode
auch wirklich voll ausgeschöpft wird. Denn
Dazu gehört natürlich, dass Abe die Opposi-
mit Ausnahme von 1976 waren vorgezoge-
tionsparteien mit der gestrigen Parlaments-
ne Neuwahlen in der japanischen Nach-
wahl praktisch „überfahren“ hat. Denn die
kriegsgeschichte die Regel.
Ankündigung vorgezogener Neuwahlen traf
die Opposition nicht nur unvorbereitet, son-
Die desolate Lage der Oppositionsparteien
dern auch in einer Phase tiefer Zerrissen-
erklärt zwar, warum die Regierungskoalition
heit. Die neo-liberale Your Party hatte sich
trotz rückläufiger Popularitätswerte und zu-
nur fünf Jahre nach ihrer Gründung und an-
nehmender Kritik an den Abenomics gestern
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einen triumphalen Wahlsieg erzielen konnte.
bessert haben. Nach zähem Ringen inner-
Die eigentliche Bedeutung der vorgezoge-
halb der Regierungskoalition konnte der Ka-
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nen Neuwahlen wird aber erst dann ver-
binettschef in diese Richtung bereits einen
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ständlich, wenn man sie auch unter inner-
Teilerfolg erzielen. Denn vor einigen Mona-
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parteilichen Gesichtspunkten betrachtet.
ten setzte Abe eine Neuinterpretation der
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Neuwahlen stärken dem Premierminister
gen Auflagen hat Japan in Zukunft demnach
in der eigenen Partei den Rücken
das Recht auf kollektive Selbstverteidigung.
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japanischen Verfassung durch. Unter stren-
Bis jetzt handelt es sich dabei, wie gesagt,
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Aus dieser Perspektive erklärt sich zum Bei-
aber nur um eine Neuinterpretation. Eine
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spiel, warum Premierminister Abe die zweite
regelrechte Änderung der Verfassung ist am
Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht ohne
Widerstand innerhalb der Regierungskoaliti-
Neuwahlen verschieben wollte. Der Hinter-
on bisher hingegen gescheitert.
grund ist, dass seine Entscheidung innerhalb der LDP keineswegs unumstritten ist.
Für die Festigung seiner Machtposition in-
Ein Teil der Liberaldemokraten hätte an der
nerhalb der LDP war das Abstimmungser-
für 2015 vorgesehenen Erhöhung von acht
gebnis vom Sonntag insofern bedeutsam,
auf zehn Prozent lieber festgehalten. Auf
weil 2015 die Verhandlungen über das Ab-
diesen Termin hatten sich die damals regie-
kommen für eine Transpazifische Partner-
rende DPJ, die LDP und New Komeito be-
schaft (TPP) zum Abschluss kommen sollen.
reits Mitte 2012 geeinigt, also einige Monate
Premierminister Abe befürwortet das Ab-
vor dem Amtsantritt von Premierminister
kommen, weil er sich davon zusätzlich Im-
Abe. Während die eigene Partei damals ver-
pulse für die japanische Wirtschaft ver-
sprach, an der geplanten Steuererhöhung
spricht. Die für eine Übereinkunft mit den
festhalten zu wollen, ließ Abe als Parteivor-
elf anderen beteiligten Staaten erforderliche
sitzender und anschließend auch als Regie-
Öffnung des japanischen Agrarsektors stößt
rungschef wiederholt durchblicken, dass ei-
in den Reihen seiner eigenen Partei aber auf
ne höhere Mehrwertsteuer aus seiner Sicht
erheblichen Widerstand. Zwar hat Abe jetzt
ein Risiko für das Wirtschaftswachstum be-
also die Wähler auf seine Seite ziehen kön-
deute. Auf die erste Mehrwertsteuererhö-
nen; Konflikte mit seinen politischen Weg-
hung im April folgte bis Ende des zweiten
gefährten sind aber bereits programmiert.
Quartals dann auch prompt ein Konjunktureinbruch. Und nachdem die japanische Re-
Die Situation erinnert mithin ein wenig an
gierung im November für das dritte Quartal
die innenpolitische Lage im Jahr 2005. Da-
erneut ein Minus-Wachstum verkünden
mals hatte Premierminister Junichiro Koi-
musste, war für Abe die Zeit gekommen,
zumi (LDP) das Parlament aufgelöst und als
die neuerliche Erhöhung der Mehrwertsteuer
Votum für seinen Reformkurs ebenfalls vor-
auch gegen parteiinterne Widerstände um
gezogene Neuwahlen durchgesetzt. Denn
18 Monate zu verschieben. Das mit den
Widersacher in der eigenen Partei hatten im
Neuwahlen angestrebte „neue Mandat der
Vorfeld gegen die von der Regierung be-
Bevölkerung“ für diese „schwere, schwere
schlossene Zerschlagung und Privatisierung
Entscheidung“ hatte insofern auch das Ziel,
der Post votiert. So wie jetzt für Premiermi-
dem Premierminister innerhalb der LDP den
nister Abe, war die Rechnung damals auch
Rücken zu stärken.
für Koizumi aufgegangen: Seine Liberaldemokraten gewannen zusätzliche Mandate
Das war gerade zum jetzigen Zeitpunkt
und damit die absolute Mehrheit. Die Oppo-
überaus wichtig. Der gestrige Wahlsieg hat
sition musste erhebliche Einbußen verkraf-
nämlich nicht nur bestätigt, dass aus Sicht
ten. Die LDP hat sich den damaligen Wahl-
der japanischen Bevölkerung derzeit keine
kampf für die jetzige Abstimmung sogar
Alternative zum wirtschaftspolitischen Kurs
zum Vorbild erkoren. Denn so wie Koizumi
des Premierministers besteht. Vielmehr
2005 ausschließlich mit dem Thema „Post-
dürfte sich damit auch Abes Verhandlungs-
privatisierung“ angetreten war, konzentrier-
position bei der Diskussion über die weiter-
te sich der Wahlkampf der LDP jetzt auf das
hin angestrebte Verfassungsänderung ver-
Einzelthema „Abenomics“.
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Zwischen damals und heute besteht gleichzeitig aber ein entscheidender Unterschied:
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Koizumi gewann seine vorgezogenen Neu-
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wahlen, trat ein Jahr später bei der Wahl
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des LDP-Vorsitzenden aber nicht mehr an.
Shinzo Abe ging aus der gestrigen Abstim-
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mung ebenfalls als haushoher Sieger hervor, wird 2015 aber erneut für den Partei-
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vorsitz kandidieren. Die aus Sicht der Kriti-
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ker „unnötige“ Regierungsumbildung vom
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August sollte dafür bereits die Weichen stellen. Denn Abe erhöhte dabei nicht nur die
Zahl der Ministerinnen im Kabinett. Wichtiger, wenn auch weniger öffentlichkeitswirksam, war vielmehr, dass er den bisherigen
LDP-Generalsekretär Shigeru Ishiba bei der
Kabinettsumbildung zum Minister für „nationale strategische Sonderzonen“ ernannte.
Ishiba galt zwischenzeitlich als Abes möglicher Gegenkandidat um das Amt des LDPParteivorsitzenden. In seiner derzeitigen
Funktion hätte er bei einer Kandidatur gegen den Premierminister aus heutiger Sicht
deutlich geringere Erfolgsaussichten. Und
nachdem ihm die Wähler bei der gestrigen
Abstimmung mit großem Vorsprung erneut
ihr Vertrauen ausgesprochen haben, dürfte
Shinzo Abe seinen Führungsanspruch innerhalb der eigenen Partei zusätzlich gefestigt
haben.