HAZ - Medizinische Hochschule Hannover

HANNOVER
NR. 11 | MITTWOCH, 14. JANUAR 2015
HANNOVERSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG |
13
Noch leuchten die Werbetafeln über den
Schaufenstern der Buchhandlung an der
Georgstraße, während es im Innern
Schnäppchen zu kaufen gibt.
In der Lehmanns-Filiale in der MHH unter der
Geschäftsleitung von Maike Bialas hingegen
floriert das Geschäft.
Ein langer Abschied
Ende der Woche schließt die Lehmanns-Filiale in der Georgstraße – dabei geht es Hannovers Buchhandel vergleichsweise gut
Von Martina Sulner
Nachgefragt ...
O
lly Murs und Justin Bieber gibt es
jetzt billiger. Zumindest als Kalender. 30 Prozent sind die Jahreskalender mit Fotos der Popstars und auch
jene mit Kunst,- Landschafts- und Pferdemotiven günstiger. Wer die Filiale von
Lehmanns Media in der Georgstraße betritt, sieht so einige Angebots- und Rabattschilder. Es sind die letzten Tage des
Buchhauses: Am Sonnabend schließt es
endgültig – und macht Platz für eine große Rossmann-Filiale.
Auf einem Schild bedankt sich das Unternehmen Lehmanns bei den Kunden
für deren Treue und Vertrauen. Und
preist ein paar Meter weiter Dekoartikel
und Möbel an. Bücher unterliegen in
Deutschland der Buchpreisbindung und
dürfen auch bei einem Räumungsverkauf
nicht verbilligt über den Tresen gehen.
Doch weiße Kaffeetassen (50 Cent) und
bunte Glasflaschen (2 Euro) werden zu
Mini-Preisen angeboten.
Viele Regale und Aufsteller sind bereits herausgeräumt, die übriggebliebenen zum großen Teil leer. In der Buchhandlung herrscht eine merkwürdige
Stimmung – eine Mischung aus öde und
gespenstisch. Das erinnert an einen privaten Auszug: Wenn man das Wohnzimmer leer räumt, wirkt der Raum plötzlich
schäbig; man sieht die Macken an der Tapete, schmutzige Ränder an der Fußleiste. Der rote Teppich der Filiale mit dem
eingewebten „W“ – Erinnerung daran,
dass in dem Haus bis 2007 das Buchhaus
Weiland zu finden war – hat seine besten
Jahre eindeutig hinter sich.
Nur wenige Kunden stöbern in den
übriggebliebenen Büchern und Kalendern; Buchhändler ordnen das verbliebene Sortiment. Mit Journalisten mag kaum
einer von ihnen reden, auch Filialleiterin
Verena Thiemeyer nicht. Sie seien emotional am Ende, sagt eine Mitarbeiterin.
Es war ein langer Abschied.
Schon seit einem Jahr ist bekannt,
dass Lehmanns – das Kölner Unternehmen hat hauptsächlich Fachbuchhandlungen – seine größte Filiale aufgibt. Da
wird nicht nur ein Ladenlokal abgewickelt: Die Buchhandlung im Drachentöterhaus spiegelt auch die Entwicklung
des deutschen Buchhandels. Als Weiland
dort als Nachfolger des Elektrokaufhauses Brinkmann im Herbst 2003 auf 3500
Quadratmetern öffnete, waren viele Leser begeistert von der Größe, der Auswahl, dem modernen Ambiente. Wer erfolgreich sein wollte, so das damalige
Credo der Branche, musste Masse bieten:
je mehr Titel, desto besser. Doch in den
vergangenen Jahren haben auch mächtige Ketten wie Thalia oder Hugendubel
erkannt, dass diese Strategie auf Dauer
nicht erfolgreich ist. Thalia hat in den
vergangenen zwei Jahren gut 20 Filialen
geschlossen und weitere verkleinert. Le-
Fotoausstellung
zum Thema
Brustkrebs
„Haare kommen und gehen! Ich bleibe!“ – das ist der Titel einer neuen Fotoserie der Fotografin Angela Hasse.
Heute wird ihre Ausstellung um
12.45 Uhr in der Ladenstraße der Medizinischen Hochschule Hannover an der
Carl-Neuberg-Straße 1 eröffnet. Die
Autorin des Buches mit dem Titel
„Neun Frauen und ich. Ein Buch über
Brustkrebs, Heilung, Hoffnung und
Erotik“ beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit den Themen Krebs und
dessen Früherkennung. Jetzt stellt die
im In- und Ausland anerkannte Fotografin den Verlust der Haare während
und durch eine Chemotherapie in den
Mittelpunkt ihrer Arbeit. Dafür begleitete die Hamburgerin ein Jahr lang
eine Brustkrebspatientin mit ihrer Kamera – an guten wie an schlechten Tagen.
„Ich möchte mit meinen Fotos aufklären und vor allem den Frauen die
Angst vor einer Chemotherapie nehmen: Die Haare wachsen wieder nach“,
sagt Angela Hasse. Insbesondere Frauen würden sich lieber eine Brust entfernen lassen als bei einer Chemotherapie ihre Haare zu verlieren. Die Fotos
sind bis zum 7. Februar in der Medizinischen Hochschule Hannover zu sevt
hen.
„Eine Korrektur
des Marktes“
Frau Markwa, ist das
Ende von Lehmanns
in der Georgstraße
symptomatisch für
die Situation des
Buchhandels?
Ein klares Nein, es
ist eine Korrektur
des Marktes. Von
Mitte der Neunzigerjahre bis 2003, Carola Markwa,
2004 favorisierten Börsenverein
viele Buchhandlun- des deutschen
gen Großflächen, Buchhandels.
die lange auch erfolgreich
waren.
Doch seitdem hat sich der Handel verändert. Das Onlinegeschäft ist enorm wichtig geworden, zum Beispiel von Amazon,
aber auch bei rund 3000 Buchhandlungen, die eigene Onlineshops betreiben.
Grundsätzlich ist der Trend wieder stärker zur inhabergeführten Buchhandlung
gegangen, zum klassischen Einzelhändler.
Der Anfang vom Ende: In der Lehmanns-Buchhandlung zeugt alles von der bevorstehenden Schließung in wenigen Tagen.
ser
nutzen
mehr
und
mehr
E-Reader, oder sie kaufen im Internet,
sagt Carola Markwa, die lange die Lehmanns-Filiale in der Georgstraße geleitet
hat und jetzt Geschäftsführerin des Landesverbands Niedersachsen beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist
(Interview rechts).
Insgesamt hat der Buchhandel mit
Umsatzrückgang zu kämpfen. Dabei sind
es manchmal gerade die kleineren, inhabergeführten Geschäfte, die Kunden an
sich binden können und die schwierige
Marktsituation besser durchstehen als
große Konkurrenten.
Lehmanns erlebt das gerade von beiden Seiten: Während man in der Innenstadt schließt, ist man in der kleinen Filiale in der Ladenpassage der Medizini-
schen Hochschule (MHH) durchaus zufrieden.
Maike
Bialas,
die
im
Unternehmen die Regionalleitung Niedersachsen innehat und für die MHH-Filiale verantwortlich ist, ist vor eineinhalb
Jahren von der Georgstraße in den Roderbruch gewechselt. Auf 200 Quadratmetern findet man dort medizinische
Fachliteratur, aber auch Belletristik, Kinder- und Jugendbücher, Postkarten,
Schnickschnack.
Auch sie spürten den Wandel der
Branche, sagt Bialas, doch sie müssten
keinen Umsatzeinbruch verzeichnen. Neben Patienten oder Besuchern, die bei ihnen kauften, hätten sie viele Stammkunden: MHH-Mitarbeiter und Leser, die in
der Nähe der Hochschule wohnen. Am 4.
Februar, 16 Uhr, organisiert die Filiale
erstmals eine Lesung: Alexander Kugelstadt stellt in der MHH sein Buch „Berufseinstieg Arzt“ vor.
Manche Kunden haben Maike Bialas
oder eine der drei weiteren Mitarbeiterinnen auf das Ende der Innenstadtfiliale
angesprochen. Viele Hannoveraner fänden das traurig, sagt die Regionalleiterin.
Für Kathrin Dittmer, Geschäftsführerin
des Literaturhauses, ist das bedauerlich,
„weil es auch darauf hinweist, dass sich
die Branche in Richtung Onlinehandel
umstrukturiert“. Und Dirk Eberitzsch von
Leuenhagen & Paris ist traurig, dass „in
der Stadt jetzt eine ganze Menge an Buch
verloren geht“. Schließlich hatte erst zur
Jahresmitte die 1765 Quadratmeter große
Filiale von Hugendubel in der Ernst-August-Galerie geschlossen.
Fotos: von Ditfurth (3)/dpa
Die Buchbranche
Der deutsche Buchhandel hat im vergangenen Jahr an Umsatz verloren:
Die Erlöse gingen um 2,1 Prozent zurück, teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Dienstag mit.
Der traditionelle Buchhandel in Hannover hatte ein Umsatzminus von nur
1,2 Prozent, war also besser als der
Bundesdurchschnitt und verkaufte
mehr als etwa Warenhäuser oder Internethändler. Besonders gut gingen
im Jahr 2014 Sachbücher (6,9 Prozent
Umsatzplus) und Ratgeber (2,3 Prozent Plus). Dagegen kauften die Leser
5,1 Prozent weniger Romane als noch
im Vorjahr.
sul
Ziel ist ein kommunales Mandat
„Politik braucht Frauen“: Mentoringprogramm der Landesregierung gestartet / 83 Tandems in der Region
Von Veronika thoMaS
Heike Heinz zieht es in die Kommunalpolitik. Seit eineinhalb Jahren ist die
52-Jährige Mitglied im SPD-Ortsverein
Südstadt-Bult, jetzt bekommt sie eine
Art Grundausbildung in Sachen Gremienarbeit. Als eine von 83 Mentees in
der Region Hannover wird sie von erfahrenen Politikerinnen und Politikern in
das politische Alltagsgeschäft eingeführt, die den Politnovizen als Mentoren
und Mentorinnen zur Seite stehen. „Politik braucht Frauen“, heißt das Mentoringprogramm der niedersächsischen
Landesregierung, das politisch interessierte Frauen ermutigen will, sich stärker einzubringen und aktiv an politischen Entscheidungen mitzuwirken.
„Ich habe mir meinen Mentor selbst ausgesucht“, sagt die Verwaltungsangestellte selbstbewusst. Bürgermeister
Thomas Hermann, wie sie Mitglied im
SPD-Ortsverein Südstadt-Bult, ist ein gewiefter Kenner der hannoverschen Kommunalpolitik. Ein Jahr lang wird Heike
Heinz jetzt an Rats-, Bezirksrats-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen teilnehmen und ihrem Mentor über die Schulter schauen. Sie rechnet mit wöchentlich
mindestens sechs Stunden für diese Arbeit. Parallel dazu gibt es ein Fortbildungsprogramm von der niedersächsischen Vernetzungsstelle für Gleichbe-
Politnovizin Heike Heinz lernt von Bürgermeister Thomas Hermann.
rechtigung und den kommunalen
Gleichstellungsbeauftragten.
„Politische Entscheidungen werden
bürgernäher und gerechter, wenn Frauen und Männer sie gemeinsam treffen“,
sagte gestern Cornelia Rundt (SPD), Niedersachsens Sozialministerin, bei der
Foto: Eberstein
Auftaktveranstaltung des Programms
mit rund 500 Teilnehmern aus ganz Niedersachsen. Landesweit haben sich
442 Tandems aus Mentees und Mentorinnen oder Mentoren zusammengefunden. „In Niedersachsen sind Frauen in
den Stadt- und Gemeinderäten immer
noch zu wenig vertreten“, stellte Regionspräsident Hauke Jagau fest. Im Deutschen Bundestag liegt der Frauenanteil
bei 36,5 Prozent, im Niedersächsischen
Landtag bei 31,2 Prozent, im Rat der
Landeshauptstadt sogar bei 43,8 Prozent. In den Kommunen der Region Hannover, ausgenommen der Stadt Hannover, sackt der Frauenanteil aber ab – auf
27 Prozent. Spitzenreiter hier ist die Wedemark mit 40 Prozent Frauen im Gemeinderat, in Burgwedel sind es gerade
einmal 12 Prozent. „Das ist ausbaufähig“, sagte Rundt.
Heike Heinz ist an allem interessiert,
was ihren Stadtteil betrifft, sagt sie. Ganz
besonders aber an Baupolitik. „Hier
kann ich ihr gut weiterhelfen“, sagt Hermann, der lange Jahre baupolitischer
Sprecher seiner Partei im Stadtrat war.
Hermann hat jetzt die Kommunalwahlen
im September 2016 im Blick. Die Kandidaten werden im Januar, spätestens im
Februar 2016 aufgestellt. „Da melden
sich erfahrungsgemäß immer mehr Männer als Frauen“, sagt der 56-jährige Referent für bürgerschaftliches Engagement und Selbsthilfe im niedersächsischen Sozialministerium. Wo Heike
Heinz einmal landen könnte, vermag er
nicht zu sagen. „Vielleicht entscheidet
sie sich ja für ein Mandat in der Regionsversammlung.“ Ziel sei in jedem Fall ein
kommunales Mandat.
Hat Lehmanns diese Entwicklung
verpasst?
Das zentrale Problem ist die große Fläche in der Georgstraße und die damit
verbundenen Kosten. Auch wenn der
Quadratmeterpreis erst mal akzeptabel
erscheint, ließ sich die Miete – auf die
Größe der Gesamtfläche gerechnet –
nicht erzielen. Schwierig war zudem,
dass die Innenstadt sich in den vergangenen Jahren stark verändert hat: Es
gab lange Bauzeiten, etwa am KröpckeCenter, und einige Leerstände. Das
machte die City für Käufer nicht attraktiver – und darunter hatte Lehmanns zu
leiden.
Und die hannoverschen Buchkäufer sind
jetzt die Dummen?
In der gesamten Stadt gibt es immer
noch viele gute, attraktive und kompetente Buchhandlungen. Dennoch ist das
Ende von Lehmanns wirklich schade.
Das Geschäft hat für Hannover Maßstäbe gesetzt: Lehmanns hat viele tolle Lesungen veranstaltet, war in Sachen
Freundlichkeit und Kundenorientierung
vorbildlich. Außerdem war es die erste
Buchhandlung der Stadt, die bis 20 Uhr
geöffnet hatte. Das Ende ist bedauerlich,
doch Leser finden in Hannover immer
noch eine sehr große Auswahl an Buchhandlungen.
Interview: Martina Sulner
BUND informiert
über Südlink
Der Bund für Umwelt und Naturschutz
(BUND) Region Hannover will am Freitag, 16. Januar, mit Bürgern und Vertretern aus der Politik über den Stromnetzausbau diskutieren. „Macht Südlink
Sinn? Welcher Stromnetzausbau dient
der Energiewende?“ lautet das Thema
der Veranstaltung von 18 bis 20 Uhr im
Freizeitheim Döhren, An der Wollebahn 1/Hildesheimer Straße.
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Neue Leistungen für
Pflegeversicherte
Seit Jahresbeginn gibt es neue Leistungen für Pflegeversicherte. Unter anderem können Demenzkranke jetzt besser
versorgt und ihre Angehörigen stärker
unterstützt werden. Mithilfe des sogenannten Pflegestärkungsgesetzes können Leistungen auch flexibler gehandhabt und miteinander kombiniert werden. So wirkt sich die Inanspruchnahme
der Tagespflege nicht mehr direkt auf
das Pflegegeld oder auf Sachleistungen
aus. Was die gesetzlichen Neuregelungen für die Pflege Angehöriger bedeuten, erläutert die Beraterin Regina Knoop
heute am Expertentelefon der Pflegestützpunkte der Region Hannover.
Knoop ist von 14 bis 16 Uhr unter der Telefonnummer (05 11) 70 02 01 17 zu erreichen.
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