Frauen-Extra im ÖGB aktuell

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INTERNATI O NALER
FRAUENTAG 2017
KOMMENTAR
Auch nach 100 Jahren zeitgemäß
Weil sie Gleichberechtigung forderten, etablierten Frauen vor über 100 Jahren
den Frauentag. Seitdem gehen sie weltweit für ihre Rechte auf die Straße. Heute ist das genauso wichtig wie damals, auch wenn einige meinen, das sei nicht
mehr zeitgemäß und Frauen hätten heutzutage ohnehin Zugang zu allen Bereichen der Gesellschaft. Die Wahrheit ist, dass wir von einer echten Gleichstellung
noch weit entfernt sind – zum Beispiel in vielen Unternehmen. Da ist die Arbeit
von Frauen nach wie vor weniger wert als die ihrer männlichen Kollegen. Es sind
auch fast nur Frauen, die ihre Karriere unterbrechen oder in Teilzeit arbeiten, weil
sie sich um Kinder oder zu pflegende Angehörige kümmern. Auch deswegen
sind besonders Frauen von Altersarmut betroffen. Auch wenn ein Tag im Jahr
an all dem nichts ändern kann, werden die ÖGB-Frauen weiterhin auf die Ungerechtigkeiten aufmerksam machen und sich unermüdlich für die Anliegen
der Frauen einsetzen.
RENATE ANDERL, ÖGB-Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende
FRAUEN EXTRA
IM JAHR 1911 wurde erstmals der Frauentag begangen – in
Österreich, Deutschland, Dänemark, der Schweiz und in den
USA. Die Initiatorinnen waren sozialistische Arbeiterinnen
aus den USA. Wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen
in den Textilfabriken hatten sie 1908 einen Frauenkampftag
ausgerufen. Zwei Jahre später wurde diese Idee auf einer
Frauenkonferenz in Kopenhagen aufgegriffen und mehr
als 100 Frauen aus 17 Nationen beschlossen, jährlich einen
Internationalen Frauentag (auch Weltfrauentag genannt)
abzuhalten. „Vom ersten Tag an wurden ihre Forderungen
von den Gewerkschaften unterstützt und daran hat sich bis
heute nichts geändert“, erklärt Isabella Guzi, ÖGB-Bundesfrauensekretärin. Auch wenn viele Ziele der ersten Stunde,
wie etwa das Frauenwahlrecht, bereits erreicht wurden,
sind andere, wie etwa „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“, noch immer aktuell und viele neue Forderungen sind
hinzugekommen. „Das zeigt: Der Internationale Frauentag
ist heute genauso wichtig wie früher“, sagt Guzi. ❮
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Ein 12-Stunden-Tag könnte die Situation vieler Eltern weiter verschärfen und noch mehr Frauen in Teilzeit drängen.
BESONDERS zumWeltfrauentag ist es wichtig, bestehende
Geschlechterunterschiede und
Probleme am Arbeitsmarkt und
in der Gesellschaft aufzuzeigen.
Aus einem einfachen Grund:
Die positive Entwicklung aus
der Vergangenheit muss weitergehen und die Ungleichheit
beseitigt werden.
ÖFFNUNGSZEITEN
Das Angebot an Kinderbetreuung in Österreich ist zum
Beispiel ein Thema, das die
ÖGB-Frauen seit vielen Jahren
beschäftigt. Denn viele Eltern
haben große Probleme, Familienleben und Beruf unter einen Hut zu bringen. „Wenn wir
Wien ausnehmen, haben österreichweit weniger als zwei
Prozent der Einrichtungen
zwölf oder mehr Stunden geöffnet. Mit Wien hebt sich der
österreichweite Durchschnitt
auf 18 Prozent“, erklärt Isabella Guzi, ÖGB-Bundesfrauensekretärin. Besonders schwer
haben es Mütter und Väter in
Tirol und Vorarlberg, weil dort
viele Kindergärten sogar vor
15 Uhr schließen.
WUNSCHDENKEN
Eine Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages würde
deren Situation nur noch
verschärfen, befürchten die
ÖGB-Frauen. Anders sieht das
ANZAHL DER KINDERBILDUNGSEINRICHTUNGEN, DIE ZWÖLF
ODER MEHR STUNDEN GEÖFFNET HABEN (Wien ausgenommen)
BURGENLAND: Keine
KÄRNTEN:
14 Einrichtungen (= 2,8 Prozent aller Einrichtungen in K.)
NÖ:
16 Einrichtungen (= 1,1 Prozent)
OÖ:
06 Einrichtungen (= 0,5 Prozent)
SALZBURG: 49 Einrichtungen (= 9,0 Prozent)
STEIERMARK: 20 Einrichtungen (= 2,0 Prozent)
TIROL:
12 Einrichtungen (= 2,0 Prozent)
VORARLBERG: 04 Einrichtungen (= 0,8 Prozent)
Familienministerin Sophie
Karmasin (ÖVP), nämlich als
Chance für Eltern. So könnte
laut Karmasin eine teilzeitbeschäftigte Mutter an zwei
Tagen arbeiten und den Rest
der Woche für die Familie zur
Verfügung stehen. In den zwei
Tagen würde der Partner die
Kinderbetreuung übernehmen und umgekehrt.
„SIE LEBT IN EINER BLASE“
„Wenn die Familienministerin
glaubt, dass es heute in der
Praxis überall die sogenannte
‚heile Familie‘ gibt, dann lebt
sie in einer Blase. Die Realität
zeigt nämlich eine andereWelt,
die aus den verschiedensten
Familienmodellen besteht“,
erklärt Renate Anderl, ÖGBVizepräsidentin und Frauenvorsitzende. Außerdem gäbe
es jetzt schon die Möglichkeit,
zwölf Stunden zu arbeiten,
und es könne nicht darum gehen, dass teilzeitbeschäftigte
Frauen an zwei Tagen arbeiten
und „die restlichen Tage hinter
dem Herd verbringen“. Sie bezweifelt auch, dass sich Eltern
einfach so aussuchen können,
an welchen Tagen sie arbeiten
und an welchen nicht.
VERDRÄNGUNG IN TEILZEIT
Angesichts der fehlenden
Betreuungsmöglichkeiten
warnen die ÖGB-Frauen
auch davor, dass durch einen
12-Stunden-Arbeitstag voll­
erwerbstätige Frauen noch
mehr in die Teilzeit gedrängt
werden könnten. AlleinerzieherInnen und Eltern, die
eine längere Strecke zum Arbeitsplatz pendeln müssen,
müssten auf das private Netzwerk, wie etwa Großeltern –
sofern es diese Möglichkeit
überhaupt gibt – zurückgreifen. „Bevor wir über eine
grenzenlose Arbeitszeitflexibilisierung reden, müssen
die Rahmenbedingungen
passen: qualitativ hochwertige Kinderbildungseinrichtungen – in der Stadt sowie
am Land – mit Öffnungszeiten, die der Arbeitsrealität
entsprechen, Vollzeitarbeitsplätze für Frauen, die das wollen, und ein Einkommen, das
ein gutes Leben ermöglicht“,
so Anderl. ❮
ZEITGESCHICHTE
MUTTERSCHUTZGESETZ
Am 13. März 1957 wurde das neue österreichische Mutterschutzgesetz im Nationalrat beschlossen, es trat mit 1. Mai 1957
in Kraft. Es ersetzte das bis dahin geltende
„reichsdeutsche“ Mutterschutzgesetz aus
dem Jahr 1942. Im neuen Gesetz wurden
auch Hausgehilfinnen, Heimarbeiterinnen
und Nichtösterreicherinnen einbezogen
und das bisher geltende Recht ausgebaut. Wesentliche Neuerungen waren das
Beschäftigungsverbot von schwangeren
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Frauen sechs Wochen vor der Geburt, eine
Wochenarbeitszeitbeschränkung
sowie
Verbesserungen beim Kündigungs- und
Entlassungsschutz. Völlig neu war der Anspruch auf einen unbezahlten Karenzurlaub nach Ende des Mutterschutzes von
höchstens sechs Monaten. In dieser Zeit
blieb der Arbeitsplatz gesichert, und der
Kündigungs- und Entlassungsschutz erstreckte sich bis vier Wochen nach Ende des
Karenzurlaubs. ❮
FRAUEN EXTRA
©mauritius images / Cultura / Annie Engel
Kinderbetreuungsgeld NEU: Seit 1. März flexibler, planbarer und fairer.
SEIT ANFANG MÄRZ ist das
Kinderbetreuungsgeld flexibler und bringt für Geburten ab
1. März einige Neuerungen.
Die bisherigen vier Pauschalvarianten wurden durch ein
flexibles Kinderbetreuungsgeldkonto ersetzt. Der Vorteil:
Die finanziellen Unterschiede
der früheren Modelle werden
behoben und es ist jetzt besser planbar, weil die starren
Modelle weggefallen sind.
Die einkommensabhängige
Variante bleibt weiterhin
bestehen, eine sogenannte
Familienzeit (= Papa-/Babymonat) für alle, die die ÖGBFrauen jahrelang gefordert
haben, wurde beschlossen.
ONLINE-RECHNER HILFT
„Wir haben von Anfang an
auf eine verlässliche Lösung
gedrängt. Eine Kranken- und
Pensionsversicherung neben
der Geldleistung während
des Papa- bzw. Babymonats
ist nicht nur sinnvoll und
fair, sondern entspricht den
Wünschen der Eltern“, erklärt
Isabella Guzi, BundesfrauFRAUEN EXTRA
ensekretärin des ÖGB. Der
Papamonat ist ein wichtiges
Instrument für mehr Gleichstellung und führt dazu, dass
sich die Partner verstärkt der
Kinderbetreuung widmen.
Auch die Forderung der ÖGBFrauen nach einem OnlineRechner wurde erfüllt, um
den Eltern die Entscheidung,
welches Modell am besten zu
ihnen passt, zu erleichtern.
KERNPUNKTE DES„KINDERBETREUUNGSGELDKONTOS NEU“
•• Den Eltern steht nun eine einheitliche Gesamtsumme zur
Verfügung (für ein Elternteil: 12.337 Euro, für beide Elternteile: 15.449 Euro). Wenn die Betreuung im Verhältnis 50:50
bis maximal 60:40 aufgeteilt wird, gibt es einen „Partnerschaftsbonus“ von 1.000 Euro. Dieser gilt auch für die einkommensabhängige Variante.
•• Die Bezugsdauer kann zwischen zwölf und 28 Monaten für
eine Person oder zwischen 15 und 35 Monaten für beide
Eltern gewählt werden. Diese kann einmal verändert werden – bis rund drei Monate vor Ablauf der ursprünglich
beantragten Anspruchsdauer. In ganz besonderen Härtefällen kann die Bezugsdauer für AlleinerzieherInnen um
drei Monate (bisher: zwei) verlängert werden.
•• Papa-/Babymonat = Familienzeit
Wer die ersten Wochen mit Kind und Frau verbringen möchte, kann mit dem Arbeitgeber einen „Papamonat“ vereinbaren. Die Dauer kann flexibel zwischen 28 und 31 Tagen
in einem Zeitraum von 91 Tagen nach der Geburt gewählt
werden. Neben der Geldleistung von 700 Euro (bei 31 Tagen oder 22,60 Euro pro Tag) bleibt auch die Kranken- und
Pensionsversicherung bestehen.
Weiter aufrecht bleibt die
Forderung der ÖGB-Frauen
auf einen Rechtsanspruch auf
den Papa- bzw. Babymonat,
damit unabhängig vom Wohlwollen der Unternehmen
die Familienzeit in Anspruch
genommen werden kann. ❮
Mehr zum Online-Rechner:
www.bmfj.gv.at
In der Rechtsinfo „BabyPackage“
sind
alle
wichtigen Informationen zum Thema
Schwangerschaft, Karenz
und Kinderbetreuungsgeld
zusammengefasst. Bestellung: [email protected]
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Väter sind in der Zeit
des Papamonats nicht
schutzlos, ein Motivkündigungsschutz wird über das
Gleichbehandlungsgesetz
gewährleistet!
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Die ÖGB-Frauen unterstützen die Forderung nach einem Lohntransparenzgesetz.
AUCH WENN immer wieder
vom Gegenteil gesprochen
wird, zeigen Statistiken, dass
bei der Gleichstellung von
Frauen und Männern in Österreich noch so einiges im
Argen liegt. Die Situation verschlechtert sich im Vergleich
zu anderen Ländern jährlich.
Laut dem Gender Gap Report
rutscht Österreich beim Thema Frauen-Gleichstellung
von Platz 37 auf Platz 52. Bei
der Lohngerechtigkeit belegt
es lediglich Platz 100 von 144.
MASSNAHMEN SETZEN
„Wir können uns das Schneckentempo, in dem Lohndiskriminierung angegangen
wird, nicht länger leisten. Die
Einkommen müssen höher,
gerechter und transparenter
werden, damit die Einkommensschere endlich zugeht“,
fordert Renate Anderl, ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende. Neben einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.500 Euro brutto
als ersten Schritt braucht es
auch einen raschen Ausbau
der Kinderbildungseinrichtungen mit Öffnungszeiten,
die Eltern eine Vollzeitbeschäftigung in der Stadt sowie am Land ermöglichen,
die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie erleichtern und
zu einer tatsächlichen Wahlfreiheit führen. „Es braucht
umfassende Maßnahmen
am Arbeitsmarkt und auf Unternehmensseite, aber auch
gesellschaftliche Veränderung – vom Aufbrechen
veralteter Rollenbilder bis
zur Arbeitsbewertung“,
betont Anderl.
ZEIT FÜR FAIRE EINKOMMEN
Da die Geschlechterungerechtigkeit bereits bei der Einstufung anfängt und Frauen oft
gar nicht wissen, dass sie für
gleichwertige Arbeit viel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, unterstützen
die ÖGB-Frauen daher den
Vorschlag von Bundeskanzler
Christian Kern nach einem
Lohntransparenzgesetz. „Wer
Veränderungen durchsetzen
und gerechte Einkommensverteilung in den Betrieben
durchsetzen will, muss zusätzlich zu den bestehenden
Regelungen für Transparenz
sorgen. Daher sind wir für innerbetriebliche Offenlegung
aller Gehälter“, sagt Anderl. ❮
Einkommensberichte gibt es bereits in Unternehmen ab
150 Beschäftigten – immer mehr Unternehmen ziehen
Konsequenzen daraus. Wünschenswert wären Einkommensberichte in Betrieben ab 100 MitarbeiterInnen und
bei allen Arbeitgebern, also auch Ländern, Gemeinden und
ausgegliederten Bereichen.
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©mauritius images / dieKleinert / Ruth Botzenhardt
Seit 1. Jänner 2016 müssen Unternehmen, die planen, eine
Stelle mit höherem Arbeitsausmaß auszuschreiben, ihre
Teilzeitbeschäftigten darüber informieren. So bekommen
sie die Möglichkeit, innerhalb des Unternehmens auf ein
höheres Stundenausmaß aufzustocken.