Unser Jugendbuch des Jahres 2017! Taschenbuchen, 12,80€, 337 Seiten, 978-3-03831-134-8 Erhältlich in jeder Buchhandlung oder im Online-Shop des Verlags www.deutsche-literaturgesellschaft.de/shop HENRIETTE HERMINE SETTMACHER Hinter dem Spiegel Tödliche Dornen Henriette Hermine Settmacher Seit sie 9 ist, schreibt Henriette leidenschaftlich gerne und versuchte sich zunächst, inspiriert von »Warrior Cats« von Erin Hunter, an FanFiction. Nachdem ihre Mutter ihr von einem Traum erzählte, den sie eines Nachts hatte, kam ihr die Idee zu »Hinter dem Spiegel«. Knapp 4 Jahre hat es gedauert, bis das Buch fertig war. Eine Zeit, in der die Charaktere zu guten Freunden geworden sind und ihr halfen, ihr »Gehirn zu entknoten«, wenn der weniger spaßige Schulstoff mal wieder die Oberhand gewann. Lesen Sie mehr von Henriette online in ihrem Blog: http://www.littlemissonline.de/ Prolog »Schatz, es ist Zeit fürs Bett!«, rief sie ungeduldig. Ihr Sohn war jetzt schon beinahe eine halbe Stunde zu spät im Bett. Er hatte sie immer um weitere fünf Minuten gebeten, um spielend durch das Haus zu toben. »Daniel, ich meine es ernst!«, rief sie erneut und ihr Sohn tauchte unter der Decke hervor, unter der er sich versteckt hatte. Sie stemmte ihre Hände in die Hüfte und funkelte ihren Sohn streng an. »Es tut mir leid, Mutter.« Daniel senkte beschämt den Kopf. Sie warf ihm zwar immer noch einen strengen Blick zu, hatte ihm aber schon vergeben. »Na komm, mach dich fertig fürs Bett«, sagte sie und ließ die Hände von der Hüfte sinken. Daniels Miene hellte sich auf. »Ja, ich bin sofort im Bett!« Der kleine Junge sprintete sofort in Richtung Badezimmer. Dabei hüpften seine kurzen, lockigen, roten Haare auf und ab. Die roten Haare hatte er von ihr geerbt. Doch das Temperament hatte er eindeutig von seinem Vater. Während sein Vater noch arbeitete, musste sie sich ganz allein um ihr gemeinsames Kind kümmern. Der Vater war oft nicht zu Hause, was sie ihm aber nicht vorwerfen konnte. Sie lief hinüber zu einem Bücherregal, auf dem ein alter Plattenspieler stand. Wehmütig betrachtete sie das alte Gerät. An ihm hingen so viele Erinnerungen. Schöne, wie auch schlechte. Sie hatte einmal, während einer verregneten Herbstnacht mit ihrem Mann, der damals nur ein guter Freund von ihr gewesen war, getanzt um sich auf andere Gedanken zu bringen. Ihre langen, blassen Finger wanderten über das Gerät und wischten den grauen Staub von der Platte. Es war lange her, seit der Plattenspieler das letzte Mal seine Arbeit geleistet hatte. Ein absurder Gedanke schoss ihr durch den Kopf und sie schob die Nadel auf die Platte. Wenige Sekunden später ertönten gedämpfte Töne. Eine schöne, alte Melodie. Sie schloss für einen Augenblick die Augen und ließ all die Erinnerungen, die mit diesem Lied verbunden waren, Revue passieren. Auf einmal begann sie sich, ohne dass sie es wirklich wollte, zu der langsamen Melodie zu bewegen. Ihr langes, gestreiftes Kleid schwang bei jedem Schritt träge hinter her und sie spürte, wie ihre roten Locken ihre Wangen kitzelten. Sie wirbelte durch den Raum, wohl bedacht bei ihrem einsamen Tanz nichts umzustoßen. Ihre Füße bewegten sich wie von selbst und sie ließ sich von der Musik einlullen. Irgendwann, sie wusste nicht mehr wann, hörte die Melodie auf zu spielen und ging über in ein anderes Lied. Enttäuscht öffnete sie die Augen und stoppte ihren Tanz, um sich wieder dem Plattenspieler zu nähern. Von ihm strömten immer noch die leisen Klänge zu ihr hinüber, aber mit diesem neuen Lied verband sie keine Erinnerungen. Draußen wurde es immer dunkler. Die untergehende Sonne verwandelte den Raum in schummriges Zwielicht. Daniel hätte schon längst im Bett sein sollen. Aber um ihren Sohn machte sie sich gerade keine Sorgen. Ihr Blick verharrte auf dem Foto, das neben dem Plattenspieler stand. Es zeigte drei Personen. Sie stand in der Mitte. Zehn Jahre jünger, mit rosigen Wangen und glänzenden Augen. Unwillkürlich fuhr ihr ein Schauder über den Rücken, als sie die anderen Personen genauer betrachtete. Ein junges Mädchen, etwas älter als sie, stand neben ihr. Ihre mittellangen, haselnussbraunen Haare, die ihr über die Brust fielen, glänzten im Sonnenlicht, genauso wie ihre blauen Augen. Das Mädchen trug dieselbe Kleidung, die jede Frau in dem Dorf zu dieser Zeit, zu der das Foto geschossen wurde, hatte tragen müssen. In ihr Haar war ein rotes Haarband gebunden. Am linken Ende des Fotos stand ein Junge. Zwei Jahre älter als sie. Mit kastanienbraunen Haaren und smaragdgrünen Augen. Ihr Cousin. Sie seufzte laut und strich mit der Hand über den Rahmen des Bildes. Ihre alten Freunde fehlten ihr. »Mutter, ich bin fertig.« Erschrocken wirbelte sie herum. Daniel stand im Türrahmen. Er trug einen blau-weiß gestreiften Schlafanzug, dessen Oberteil ihm viel zu groß war, da es sei- nem Vater gehörte. Sie wusste ganz genau, dass er dieses Oberteil trug, weil es nach seinem Vater roch und er ihn oft vermisste, wenn er nicht zu seiner Schlafenszeit kam. »Na komm, mein Schatz. Es wird wirklich Zeit, dass du schlafen gehst.« Sie lächelte ihn schwach an. Daniel schien zu registrieren, dass irgendetwas in seiner Mutter vor sich ging, denn er legte fragend den Kopf schief. Sie schluckte schwer. Wenn er dass tat, sah er noch mehr aus wie sein Vater, obwohl er erst acht Jahre alt war. Daniel kam zu ihr hinüber und nahm ihre Hand. »Ist alles in Ordnung?«, fragte er besorgt. Sie versuchte ein schräges Lächeln und drückte seine Hand. »Mir geht es gut. Nun geh schon.« Sie schob ihren Sohn in Richtung Treppe. Er grinste sie an und hüpfte dann die Treppe hinauf, einige Stufen knarrten unter seinen Füßen, doch er beachtete es nicht weiter. Sie folgte ihrem Sohn in kurzem Abstand. Die beiden folgten dem Flur in ein kleines, aber geräumiges Zimmer. Die Wände waren mit blauer Farbe bestrichen und es klebten Bilder an der Wand, vor der das Bett stand. Bilder, die Daniel und seinen Vater zeigten. Bilder, auf denen die ganze Familie zu sehen war. Aber auch Bilder, die Luftschiffe und Eisenbahnen zeigten, oder große Turmuhren. All das, wofür sich kleine Jungen eben interessierten. Sie lächelte, als ihr Blick auf ein Foto fiel, das Daniel an seinem sechsten Geburtstag zeigte. Er hielt ein Spielzeug-Luftschiff in der Hand und präsentierte es stolz der Kamera. Daniel schlüpfte unter die weiße Leinenbettwäsche und zog die Decke bis unter sein Kinn. Dann sah er sie mit seinen großen blauen Augen an, die er eindeutig von seinem Vater geerbt hatte. »Wann kommt Vater?«, fragte er und seine Stimme klang dumpf unter der Decke hervor. »Bald mein Schatz. Vertrau mir. Und sobald er kommt, gibt er dir einen Gutenachtkuss, in Ordnung?« Sie setzte sich auf sein Bett und strubbelte mit der Hand durch die roten Locken ihres Sohnes. »Na gut«, seufzte Daniel und sank noch tiefer in seine Kissen. »Ist Lucy schon im Bett?«, wollte er dann noch wissen und reckte die Nase über die Bettdecke. Lucy war Daniels jüngere Schwester. Er war acht und Lucy sechs. Genauso wie Daniel hatte Lucy rote Haare. Nur das ihr Haare nicht so lockig waren wie die ihres Bruders. Außerdem hatte das kleine Mädchen die grünen Augen ihrer Mutter geerbt. Sie konnte sich ein Lächeln, bei diesem Anblick, nur schwer verkneifen. »Ja, Lucy hält im Gegensatz zu dir, ihre Bettgehzeiten ein.« Sie zwinkerte ihrem Sohn zu und er verdrehte belustigt die Augen. »Also mein Schatz, schlaf jetzt. Und träume etwas Schönes.« Sie gab ihrem Sohn einen kleinen Kuss auf die Stirn und strich ihm über die Wange. Gerade wollte sie aufstehen, als er sie zurückhielt. »Bitte erzähle mir noch eine Geschichte. Bis Dad kommt. Er hat versprochen mir und Lucy gute Nacht zu sagen.« Sie seufzte, ließ sich jedoch erweichen. »Also gut. Was für eine Geschichte möchtest du denn hören?«, wollte sie wissen und nahm die kleine Hand ihres Sohnes. »Eine schöne! Eine Liebesgeschichte, nein, eine Abenteuergeschichte, aber nicht zu gruselig! Außerdem soll sie spannend sein und echt.« Sie musste lachen. »Du stellst ganz schön hohe Anforderungen. Du willst also eine Abenteuergeschichte hören, die spannend und nicht zu gruselig ist und in der es eine Liebesgeschichte gibt?«, wiederholte sie. Daniel nickte schnell. »Schön. Dann erzähle ich dir die Geschichte von dem Mädchen hinter den Spiegeln.« Vielleicht möchten Sie selbst gerne ein Buch veröffentlichen? Wir beraten Sie gern und sichten Ihr Manuskript! Deutsche Literaturgesellschaft, Fasanenstr. 61, 10719 Berlin, Tel.: 030 224 09 258
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