SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Feature "Jede Nacht haben sie andere geholt" Vergewaltigung als Kriegsstrategie Von Mechthild Müser Sendung: 08 März 2017 Redaktion: Dorothea Runge Produktion: WDR 2015 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Feature können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/feature.xml Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Feature sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? 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It has nothing to do with sex, everything to do with power. übersetzt: Es ist ein Mythos, dass Vergewaltigung ein unvermeidbarer Teil von Kriegen ist. Nichts daran ist unvermeidbar. Sie ist eine Kriegswaffe, die auf Zivilisten gerichtet ist. Sie hat nichts mit Sexualität zu tun sondern mit Macht. OT Ban Ki-moon, engl., Abschluss London Konferenz, Juni 2014 Rape is a cruel weapon of war that is as devastating as any bullet and destructive as any bomb. It ravages the victims and their families. It destroys the communities. It undermines security, reconciliation and development. übersetzt: Vergewaltigung ist eine grausame Kriegswaffe, so verheerend wie eine Kugel, so zerstörerisch wie jede Bombe. Sie richtet bei den Opfern und ihren Familien schwere Verwüstungen an. Sie zerstört die Kommunen. Sie untergräbt Sicherheit, Versöhnung und Entwicklung. Musik: David Wilde, The Cellist of Sarajevo, op. 12 (für Violoncello),The Essential Yo-Yo Ma Ansage: Jede Nacht haben sie andere geholt – Vergewaltigung als Kriegsstrategie Ein Feature von Mechthild Müser Sprecher (wie Gerichtssprecher): Milan Simic, Radislav Krstic, Miroslav Bralo, Dragan Zelenovic, Dragoljub Kunarac, Zoran Vukovic, Radomir Kovac, Hazim Delic, Rasim Delic, Mlado Radic, Radovan Stankovic, Mitar Vasiljevic, Valentin Coric, Ranko Cesic, Jadranko Prlic, Slobodan Praljak, Milivoj Petkovic, Bruno Stojic, Zeljko Raznjatovic, Berislav Pusic, Gojko Jankovic, Dusko Tadic, Boban Simcic 2 Erzählerin: Namen von Männern, die im Bosnienkrieg Mädchen und Frauen vergewaltigt haben. Verurteilt vom Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Manche der Täter sind noch im Gefängnis, andere wieder frei. Sie leben in Bosnien, Serbien, Russland, den USA und anderswo auf der Welt. OT Nusreta, bos., übersetzt: Meist wurden wir nachts vergewaltigt. Wir Frauen waren in zwei Räumen über dem Restaurant untergebracht: Tagsüber wurden hier Gefangene aus dem Lager verhört. Bevor wir uns zum Schlafen auf den Fußboden legten, wuschen wir erst das Blut vom Boden und von den Wänden, weil die Gefangenen geschlagen und gefoltert wurden. Nachts kamen dann die Wachleute und holten uns. Einer der Schichtleiter tat sich besonders hervor, er war wirklich nicht wählerisch. Die Jüngeren, die Studentinnen, waren begehrter, aber es gab unter uns 37 Frauen auch Rentnerinnen. Ihm war es egal, wen er mitnahm. Musik: Bojan Vuletic, hiding, breakdown.yu Erzählerin: Nusreta Sivac fährt jeden Tag in die Stadt Sanski Most im Nordosten der Föderation Bosnien-Herzegowina zur Arbeit. Vor dem Krieg, bis 1992, war sie Richterin, doch seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 gehört ihre Heimatstadt Prijedor zur Republica Srpska, dem serbischen Teil von Bosnien. Dort hat sie keine Chance mehr auf eine Stelle. Sivac ist Bosniakin und Muslima, elegant, heller Trenchcoat, große Sonnenbrille, gepflegte Frisur. OT Nusreta, bos., übersetzt: Wir Frauen haben nicht geredet über das, was nachts mit uns passierte. Aber jede wusste es. Wir schwiegen - aus Angst. Wir befürchteten, dass sie uns belauschten. Jede einzelne Frau schwieg, weil sie dachte, es wäre so das Beste. Wir haben gar nichts gesagt. Erzählerin: Sivac war 40 als im Mai 1992 serbische und bosnisch-serbische Truppen in die Stadt und die umliegenden Dörfer einfielen und mehr als 3000 Menschen verschleppten. In die Gebäude des damals stillgelegten Erzbergwerks Omarska ganz in der Nähe. 37 von ihnen waren Frauen. Tagsüber verteilten sie im „Restaurant“ dünne Suppe an die Gefangenen und machten den Abwasch, nachts waren sie Freiwild. OT Nusreta, bos, übersetzt: Einmal haben sie einen Gefangenen, der in Prijedor ein angesehener Mann gewesen war, gezwungen, draußen auf der Wiese eine Frau zu vergewaltigen. Später haben sie ihn umgebracht. Er wurde in einem der Massengräber gefunden, die Frau auch. 3 Erzählerin: Das einzige „Vergehen“ der Gefangenen: sie waren keine ethnischen Serben, sondern Bosniaken oder Kroaten. Politiker, Ärzte, Lehrer, Juristen, Professoren, die intellektuelle Elite wurde nach Omarska deportiert. Bis ein britischer Journalist das abgelegene Lager entdeckte und mit dem Roten Kreuz wiederkam. Da hatten sie die Frauen längst weggebracht als habe es dort nie welche gegeben. (Aufzählung der Namen s.o..) Nusreta Sivac floh nach Kroatien. Mit einer Leidensgenossin sammelte sie Aussagen von Frauen und Namen von Tätern und reiste 1995 schließlich mit dem Material zum Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien, nach Den Haag, International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia. Ihr ist es mit zu verdanken, dass Vergewaltigung im Krieg heute nach internationalem Recht als Kriegsverbrechen eingestuft wird. Atmo: It’s time to act,… übersetzt: Es ist Zeit zu handeln, sexuelle Gewalt in Kriegen zu beenden. Es ist Zeit, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen, den Regierungen klar zu machen, dass es reicht. OT Ban Ki-moon, engl., Sexual violence in conflict has been called the wars oldest and least condemned crime. Now we must reject the excuse that rape in wartime is inevitable. It can be stopped. übersetzt: Sexuelle Gewalt wird als älteste Waffe und am wenigsten bestrafte Tat in Kriegen bezeichnet. Wir müssen die Entschuldigung zurückweisen, dass Vergewaltigung in Kriegszeiten nicht zu vermeiden ist. Man kann sie stoppen. Erzählerin: Eine Videobotschaft von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zum Abschluss der Londoner Konferenz gegen Kriegsvergewaltigung im Juni 2014. Es ist nicht das erste Mal, dass die UN sich zu diesem Thema äußert. Bereits in der Resolution 1820 vom Juni 2008 forderte der UN-Sicherheitsrat einen sofortigen Stopp jeglicher sexueller Gewalt als Mittel zur Kriegsführung und erklärte Vergewaltigung zum Kriegsverbrechen. Beim ersten Vorstoß hatten die UN-Botschafter von Russland, China, Südafrika und Indonesien ihre Unterschrift noch verweigert und erklärt, Vergewaltigungen seien nun mal leider eine Begleiterscheinung von Kriegen, boys will be boys. Dann änderten sie ihre Meinung und unterschrieben, dass Vergewaltigung im Krieg eine Gefahr darstelle für Frieden und Sicherheit. OT Ban Ki-moon engl.: Let us walk together to realize the great vision of a world free of sexual violence in conflict. Musik: David Wilde, The Cellist of Sarajevo, op. 12 (für Violoncello),The Essential Yo-Yo Ma 4 übersetzt: Lasst uns zusammen gehen und die große Vision einer Welt verwirklichen, die frei ist von sexueller Gewalt im Krieg. Erzählerin: Visionen. Worte. Wenig Resonanz. Der Körper der Frau ist immer noch Teil des Schlachtfelds. Doch die Massenvergewaltigungen im Bosnienkrieg haben die öffentliche Aufmerksamkeit geschärft und große Empörung ausgelöst. Ein solches Verbrechen im zivilisierten Europa schien unvorstellbar. 20 000 Frauen, vielleicht 30.000, vielleicht 50.000? Die Schätzungen liegen weit auseinander. Tote kann man zählen, vergewaltigte Frauen nicht. Die darüber reden, sind nur wenige. Atmo: Time to act, engl, nicht übersetzen übersetzt: Es ist Zeit zu handeln, damit diejenigen, die in Angst vor sexuellen Übergriffen leben, sich sicher fühlen können, Zeit zu handeln, deine Stimme zu Gehör zu bringen.) Musik: Musikcollage (s. Anfang) Erzählerin: Im April 2014 haben die Vereinten Nationen in 21 Staaten allein 34 Milizen- und Soldatengruppen ausgemacht, die sexuelle Gewalt als zusätzliche Waffe nutzen. Jeweils vier in Mali und Südsudan, drei für die Zentralafrikanische Republik und den Kongo. In Syrien vergewaltigen Regierungssoldaten und Geheimdienste genauso wie Teile der bewaffneten Opposition. Und davor und danach? Niemand kennt die Zahl der vergewaltigten Frauen im Zweiten Weltkrieg, im Vietnam-Krieg, in den 70er Jahren in Bangladesch, in den 80er Jahren in El Salvador. Im Bürgerkrieg in Ruanda wurde geschätzt eine Viertelmillion Frauen vergewaltigt, ebenso viele im Kongo. Im ersten Quartal 2015 Tausende in Südsudan, in Nigeria, in Syrien. Ist Frauen vergewaltigen im Krieg so normal wie schießen, wie Granaten werfen oder Bomben? OT Elvan Isikozlu Eine Vergewaltigung ist nicht einfach. Also es gibt einfache Methoden der Gewalt, man kann Waffen benutzen. Es gibt so viel Risiko und wir haben die Täter niemals beforscht: warum benutzen sie Vergewaltigung, wenn sie haben so viele andere Formen der Gewalt? Warum? Erzählerin: Ist es der in Kämpfen entfesselte Mann, der seinen Trieben einfach freien Lauf lässt? Ist die Frau eine Trophäe für den Sieger? Oder steckt geostrategisches Kalkül dahinter? Die kanadische Wissenschaftlerin Elvan Isikozlu beschäftigt sich am Bonner Internationalen Zentrum für Konversion mit genau solchen Fragen. Musik: Glasmusik – Ensemble Kassel / Ensemble Metallmusik Kassel, Track 1, Glasmusik – Metallmusik 5 OT Elvan Isikozlu Das ist wie eine Strategie des Kriegs, das ist wie eine Waffe benutzt. Erzählerin: Auf bosnischem Territorium wollten Serben und serbische Bosnier gemeinsam ein Groß-Serbien errichten, deshalb zogen sie in den Krieg. Die muslimischen Bosniaken sollten weichen. OT Elvan Isikozlu In Bosnien und Ruanda - wir haben in diesen zivilen Kriegen gesehen, dass sexuelle Gewalt dem Ziel vom Krieg geholfen hat, z.B. die Serben wollten das Land, die wollten, dass die Muslims weg sein könnten. Sie haben die Frauen und die Männer getrennt und sie haben die Frauen wie sexuelle slavery benutzt. Das ist eine Strategie des Kriegs. Erzählerin: Gleich zu Beginn der Kämpfe wurden Frauen in Schulen, Hotels, Privathäusern und Lagerhallen gefangen gehalten und massenhaft vergewaltigt. Musik: Frangis Ali-Sade, Quartett, Frau Musica (nova) Sprecher: In einem verlassenen Motel, Cafe Sonja, etwa 12 Kilometer nördlich von Sarajewo, waren muslimische Frauen eingesperrt. Erzählerin: Anfangs haben die Täter sich noch öffentlich gebrüstet mit den sexuellen Übergriffen, mit ihrer Potenz, mit ihrer Kaltblütigkeit. Da war noch nicht abzusehen, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Dass ihre Brutalitäten bestraft würden. Ganz offen haben sie erzählt wie es ablief – so wie der 21jährige bosnisch-serbische Arbeiter Borislav Herak aus Sarajewo, dessen Geschichte im November 1992 in der New York Times nachzulesen war. Sprecher: Er selbst und andere serbische Milizen wurden dazu ermutigt, die Frauen zu vergewaltigen und sie dann an abgelegenen Plätzen zu ermorden. Die Begründung: die Gegend sollte von Muslimen „gesäubert“ werden. Der Kommandant dieses „Gefängnisses“, ein ultranationaler serbischer Kämpfer namens Miro Vukovic, gehörte zur paramilitärischen Einheit des Politikers Voijslv Seselj. Er hatte für seine Kämpfer eine Art „Vergewaltigungssystem“ eingerichtet und behauptet, vergewaltigen sei gut für die Kampfmoral. Atmo: Mitschnitt TV Justice 1 Erzählerin: Ein Fernsehprogramm in Bosnien befasst sich mit Fragen der Justiz. Einmal pro Monat, 25 Minuten lang. Im Sommer 2014 thematisierte eine Sendung die Folgen der 6 Massenvergewaltigungen. Frauen reden, ihre Gesichter unkenntlich gemacht. Sie schämen sich. Atmo: Mitschnitt TV Justice 2, verfremdete Frauenstimme, darauf: Erzählerin: Die Täter treten nicht auf und sie schämen sich auch nicht. Etwas mehr als 30 Vergewaltiger sind bis Ende 2014 in Sarajewo verurteilt worden. Die Männer hüllen sich in Schweigen, schon lange. Genauer: seit 1993, als noch während des Bosnienkriegs der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien eingerichtet wurde. Seitdem redet keiner mehr darüber. Auch das stille oder ausgesprochene Einverständnis der Kommandanten wurde fortan geleugnet. Die Hierarchie wirkt weiter. Niemand belastet die eigene Gruppe. Das Männerbündnis steht. Atmo: Mitschnitt TV Justice 3, Musik, Schluss der Sendung Erzählerin: Die Lager, in denen Frauen als Gefangene lebten, wurden schnell aufgelöst als international bekannt wurde, was dort passierte. Zur gleichen Zeit trafen zahlreiche schwangere vergewaltigte Frauen im kroatischen Zagreb ein, viele noch zeitig genug für eine Abtreibung. OT Elvan Isikozlu Wir haben viel gehört, mündlich, dass eine Strategie war, die bosnian Blut sauber zu machen, weil die Kultur und Ethnizität passt von Männer zu Kind. Mutter kann Muslim sein, aber wenn der Vater Serbian ist, dann wird das Kind auch Serbian. Und eine Strategie war, diese Frauen schwanger zu machen und die Kinder können dann Serbian sein und dann die Ethnizität würde sauber sozusagen. Erzählerin: Ungeliebte Kinder. Männliche Machtgelüste. Hauptsache: Weg mit den Muslimen, auf welchem Weg auch immer. Mehr als 90 Prozent der vergewaltigten Frauen im Bosnienkrieg waren muslimisch, die Mehrzahl der Täter bosnische Serben. Aber auch andere Kriegsführende haben vergewaltigt, keine Frau war sicher. Atmo: Milena, Begrüßung Erzählerin: Milena wohnt im Norden Bosniens, in der heutigen Republica Srpska nahe der Grenze zu Kroatien. Eine schmale, kleine Frau in Jeans und schwarzem Oberteil. Die dunklen Haare trägt sie nach hinten zusammen gebunden. Sie lebt bei ihrem Sohn und der Schwiegertochter: Spitzendeckchen auf Tisch und Sofa, Puppen auf dem Schrank, rote Herzen an der Wand. Musik: Peter Scherer, Very Neon Pet, Very Neon Pet 7 Erzählerin: Milena ist Serbin, ihr Dorf wurde im Mai 1992 von der kroatischen Armee überfallen, ihr Mann ermordet wie viele andere Männer des Dorfes, da waren ihre drei Kinder noch klein. Die Soldaten hielten etwa 300 Frauen und Kinder in den Häusern wie Gefangene. OT Milena, bos., übersetzt: Sie nahmen uns mit, Mädchen und alte Frauen von 70 Jahren, sie vergewaltigten Kinder, die erst 10 Jahre alt waren oder 15 oder 17. Sie brachten jeweils vier oder fünf Frauen in einem Lieferwagen ins Nachbardorf - in ein Haus, in eine Mansarde, in eine Scheune. Jede in einen anderen Raum. Jede Nacht holten sie andere Frauen, manche auch mehrmals. Frauen und Mädchen. Erzählerin: Die gesamte Ethnie sollte gedemütigt werden. In diesem Fall die Serben. Die Täter waren Kroaten. OT Milena, bos., übersetzt: Einmal haben sie mich und zwei andere Frauen in der Nacht geholt. Sie stießen uns mit ihren Gewehren nach draußen, meine Schwester holten sie aus einem anderen Haus. Ich kannte die fünf Männer, die mich vergewaltigt haben. Dann bin ich ohnmächtig geworden. Wie viele mich insgesamt vergewaltigt haben, weiß ich gar nicht, der Hof war voll Soldaten, es war ihr Checkpoint. Sie kamen einzeln in den Raum, einer ging, der nächste kam rein, einer ging, einer kam, einer ging, einer kam. Sie rochen nach Alkohol und benahmen sich nicht wie normale Menschen, sie schrien, grölten und schossen. OT Milena, bos., übersetzt: Am Morgen lag ich im Blut, meine Kleidung war völlig zerrissen. Ich konnte nicht mehr gehen. Ein Küken kann größere Schritte machen als ich damals machen konnte. Erzählerin: Milena fällt es immer noch schwer, die Geschichte zu erzählen. Sie ist erregt, steht auf und misst ihren Blutdruck. Viel zu hoch. Seit damals nimmt sie regelmäßig Medikamente. Eine Vergewaltigung ist nicht vorbei, wenn sie vorbei ist. OT Milena, bos., übersetzt: Wir wurden auf so vielfältige Weise erniedrigt. Es ist schon hart, darüber zu sprechen. Sie sagten, sie würden uns die Bäuche aufschneiden und Katzen reinstecken und uns wieder zunähen. Ich trage das mein ganzes Leben mit mir herum und kämpfe dagegen an. Ich bin krank und gedemütigt, ich bin niemand und nichts geworden. 8 Erzählerin: Milena würde so gern mehr beitragen zum Familieneinkommen als ihre winzige Rente. Wenn sie nur ein Schwein hätte…., sagt sie. Aber ihr fehlt das Geld, um eines zu kaufen. Sie hat vor dem Gericht in Sarajewo ausgesagt gegen die Männer, die sie vergewaltigt haben. OT Milena, bos., übersetzt: Das Traurige ist, dass unsere Nachbarn uns vergewaltigt haben, Männer, die wir persönlich kannten. Bis dahin haben wir zusammen gearbeitet, alles ging gut bis dahin. Musik: Bojan Vuletic, hiding, breakdown.yu Erzählerin: Sarajewo liegt wunderbar eingebettet in einem weiten Tal, geborgen, aber leicht zu belagern. Von den bewaldeten Hügeln rundum hatten Scharfschützen geschossen und Granaten geworfen. Noch heute sieht man Löcher in den Fassaden. Atmo: Schritte / Raum / Tokaca sagt: This is the instruction guide and icons for all crimes…, here is rape. Erzählerin: Mirsad Tokaca leitet das Research and Documentation Center, das versteckt in Sarajewos Innenstadt liegt. Finanziert von norwegischem Geld. Tokaca ist ein nervöser, schmaler Mann, der beweisen möchte, dass an den Bosniaken ein militärisch organisierter Genozid, ein Völkermord, verübt wurde. Spätestens bei den Massakern von Srebrenica am Ende des Krieges. Er hat einen digitalen Atlas erstellt mit genauer Markierung von Massentötungen und Massenvergewaltigungen. OT Mirsad Tokaca, engl., Rape started immediately in April and it is something what totally corresponded with killing. Rape and killing go together. Everything was happening in this country excluding Srebrenica - happen in four month of 1992. Massively. Majority of people were killed in 1992 between April and August. Majority of women were raped in that period of time. übersetzt: Die Vergewaltigungen fingen sofort an, im April 92, und sie korrespondierten völlig mit den Tötungen. Vergewaltigung und Tötung kamen zusammen vor. Das alles passierte in diesem Land - mit Ausnahme von Srebrenica - in den vier Monaten von 1992. Massiv. Die Mehrzahl der Menschen wurde zwischen April und August getötet. Die Mehrzahl der Frauen wurde in dieser Zeit vergewaltigt. Erzählerin: Tokaca fand heraus, dass die Gräuel genau in den Gegenden stattfanden, die für die Serben von strategischer Bedeutung waren. 9 OT Mirsad Tokaca, engl. Bosnian population have to be removed, eliminated, eradicated from specifical region. Particularly in Bosnia border with Serbia. It have to be removed and eliminated forever. It was planned. Drina river is the biggest Bosnian river and it's a natural border. That’s 400 kilometer of border between Bosnia and Serbia. And majority of crimes, one third of crimes happened in eastern Bosnia. One third of population were killed in this area along the Drina river. übersetzt: Die bosnische Bevölkerung sollte entfernt werden, vor allem aus dem Teil, der eine Grenze zu Serbien hat. Das war geplant. Die Drina ist der größte Fluss und eine natürliche Grenze. 400 Kilometer Grenze zwischen Bosnien und Serbien. Ein Drittel aller Kriegsverbrechen passierte hier, in Ostbosnien. Ein Drittel der Bevölkerung wurde umgebracht in diesem Gebiet entlang der Drina. Musik: Bojan Vuletic, hiding, breakdown.yu Erzählerin: Heute gilt der Fluss als größtes Massengrab des Landes. Bei Reparaturarbeiten an einem Stauwerk fanden Arbeiter unzählige Menschenknochen. Breite Korridore verbinden jetzt die einst verstreut liegenden serbischen Teile Bosniens miteinander. Die 1992 von Radovan Karadzic gegründete Republica Srspka nimmt inzwischen etwa die Hälfte Bosniens ein. OT Mirsad Tokaca, engl. Rape is not isolated incident. It was planned, well planned, and executed. And it is not - how we use to say here - it is not satisfaction of sexual needs of soldiers. But sexual expression of aggression. übersetzt: Vergewaltigung ist kein isoliertes Ereignis. Es war geplant, gut geplant, und ausgeführt. Und es ist nicht – wie wir es sagen - die Befriedigung sexueller Bedürfnisse von Soldaten. Es ist sexueller Ausdruck von Aggression. OT Elvan Isikozlu Aber warum vergewaltigen, ist meine Frage. Wir sehen in Sierra Leone z.B., dass Vergewaltigung war eine Form, eine Gruppe zu machen. Die Soldaten waren Rebellen. Sie haben Leute gekidnappt, genommen und wenn man keine Ideologie hat, die haben nichts, eine Gruppe zusammen zu halten. Eine Theorie sagt, dass Vergewaltigung ist eine Form, weil dann alle sind schuldig und alle fühlen: ok, ich bin in einer Gruppe und wir haben so schlechte Sachen gemacht und das macht uns stark zusammen. 10 OT Mirsad Tokaca, engl. That's the commander’s responsibility. If I don't know in the moment - later I can know it. And then I can investigate and arrest soldiers and send them into... Because it is forbidden by international law. You committed crimes. There is no case in four years of war that one soldier or one low ranking commander or high ranking commander was investigated. Nobody. übersetzt: Es liegt in der Verantwortung des Kommandanten. Selbst wenn er es in dem Moment nicht mitbekommt, sondern erst später, kann er ermitteln und Soldaten ins Gefängnis schicken. Weil es vom internationalen Gesetz verboten ist. Es gibt keinen einzigen Fall in vier Jahren Krieg, wo gegen einen Soldaten, einen untergeordneten oder einen hochrangigen Kommandanten ermittelt wurde. Gegen niemand. OT Elvan Isikozlu Wir haben kein Papier, wo man sieht: Ja die Soldaten müssen die Frauen vergewaltigen, es gibt keins, aber wir haben viele, viele Geschichten von Frauen. Manche Frauen haben gesagt, dass Soldaten sie nicht vergewaltigen konnten, und sie haben gesagt, bitte sagen Sie, dass ich hab Sie vergewaltigt. Weil ich kann nicht, aber ich muss. Also wir haben gehört, dass das wahr ist, es gibt einen Druck, das zu benutzen als eine Form des Kriegs oder der Gewalt. Erzählerin: Das bestätigt auch die bosnische Psychiaterin und Traumatherapeutin Amra Delic aus Sarajewo. OT Amra Delic, engl. Some women reported that - especially those who have survived the multiple rapes by many offenders - they said it happened sometimes, that some of them couldn't perform the rape. They wanted but they couldn't. And that some of them became even more violent in the sense of physical violence and brutality, with other tools, you know, with weapons, threatening them with weapons, beating them up, etc. like that it was the fault of that women why they cannot perform that. übersetzt: Besonders die Frauen, die mehrfache Vergewaltigungen mit vielen Tätern überlebt haben, berichteten, dass manche Täter gar nicht in der Lage waren, sie zu vergewaltigen. Sie wollten, aber sie konnten nicht. Einige wurden dann noch gewalttätiger und brutaler, sie benutzten Werkzeuge, sie bedrohten die Frauen mit Waffen und verprügelten sie, als wäre es deren Schuld, dass sie die Vergewaltigung nicht zustande brachten. Erzählerin: 2011 und 2012 leitete Amra Delic eine Studie mit Frauen, die die Torturen überlebt hatten. OT Amra Delic, engl. There are many reports who say that in the war of Bosnia rape was used as a weapon of war, that it was systematic and from what I heard from my patients it was mainly systematic and ordered. It is known that in Bosnien-Herzegowina many war rapes were mass rapes, were in public, on the streets, in the neighbourhoods, where 11 neighbours could see you when you are raped, where your family members, husbands, your relatives could see when you're raped, so, the report says that this was a strategy to frighten the ethnic group and so they could leave. Tool of ethnic cleansing. übersetzt: Viele Berichte sprechen davon, dass die Vergewaltigungen eine Kriegswaffe waren, und meine Patientinnen bestätigen, dass die Taten systematisch passierten und oft angeordnet wurden. Es ist bekannt, dass viele Vergewaltigungen Massenvergewaltigungen waren, öffentlich, auf der Straße, in Nachbarschaften, wo die Nachbarn, die Familie, der Ehemann, die Verwandten sehen konnten, wie eine Frau vergewaltigt wurde. Der Report sagt, die Strategie diente dazu, in der ethnischen Gruppe Angst zu verbreiten, damit sie flüchtete. Vergewaltigung als Werkzeug für ethnische Säuberung. Musik: Nils Petter Molvæer, Khmer, Khmer Erzählerin: In muslimisch- patriarchalen Gesellschaften ist die Frau für die Ehre des Mannes zuständig. An ihrem Verhalten wird er gemessen. OT Amra Delic, engl. Husbands said, that they were having problem especially in their sexual live, they start calling them names, they expressed the jealousy for the experience that they have gone trough - which they didn't want to have - that they belonged to the Tschetniks. Some men consider women to be their possession. And that they were possessed by someone else they couldn't stand it. übersetzt: Ehemänner behaupteten, sie hätten jetzt Probleme mit ihrem sexuellen Leben. Sie haben die vergewaltigten Frauen beschimpft, sie haben gesagt, sie wären eifersüchtig wegen der Erfahrung, die die Frauen gemacht hätten – die sie doch gar nicht wollten. Eifersüchtig, dass sie den Tschetniks gehört hätten. Manche Ehemänner sehen Frauen als ihren Besitz an. Sie konnten nicht ertragen, dass ihre Frauen anderen Männern gehört hatten. Erzählerin: Viele Ehemänner ließen sich scheiden. So haben die Täter ein zweites Mal gewonnen. Sie zerstörten Frauen psychisch und physisch - viele konnten nach den Vergewaltigungen keine Kinder mehr bekommen und leiden vermehrt an Gebärmutterhalskrebs. Sie zerstörten die Familien und damit auch die Dorfgemeinschaften. Atmo: Treffpunkt Nas Glas Frauen reden, lachen Erzählerin: Viele Frauen haben sich Unterstützung geholt bei internationalen Hilfsorganisationen wie medica mondiale in Zenica oder Snaga Zene und Vive Zene in Tuzla. Manche treffen sich regelmäßig in Opferorganisationen wie Nas Glas, Unsere Stimme, in Tuzla. 12 In der Handarbeitsgruppe sitzen etwa 15 Frauen zusammen, manche in weiten Röcken, andere in modernen Hosen, fast alle mit Kurzhaarschnitt, alte und jüngere, eine mit Kopftuch. Sie stricken Socken, Jacken, häkeln glitzernde Schals, sticken Decken. Damit verdienen sie ein bisschen Geld. Witze machen die Runde. Das Haus ist ein Bildungszentrum für Frauen. Nicht alle, die hier mitmachen, sind misshandelt worden, aber viele. Sie haben ihr Zuhause verloren, ihre Gesundheit und ihren Selbstwert. Ihr Leben ist zweigeteilt: in vor und nach dem Krieg. OT Goran Simic, engl., In my opinion systematical rapes that were performed in Bosnia-Herzegowina during the war are most serious crimes that happened here. Because when we are talking about the killings the suffering practically last for a second or a blink of the eye and suffering is over but with the raped persons the story is different. übersetzt: Meiner Meinung nach ist systematische Vergewaltigung, wie sie im Krieg in BosnienHerzegowina praktiziert wurde, das schwerste Verbrechen hier. Denn bei Tötungen dauert das Leiden nur eine Sekunde oder nur einen Augenschlag lang, dann ist das Leiden vorbei. Aber mit den vergewaltigten Frauen und Männern ist das anders. Erzählerin: Goran Simic ist Direktor der Transitional Justice Association in Sarajewo. Die Vereinigung versucht, gesellschaftliche Prozesse in Gang zu setzen, um eine bessere Integration der Frauen zu ermöglichen. OT Goran Simic, engl. If you take in consideration that we have examples of raping young girls, 12 years of age, you can imagine how hard for them it is to live for 50,60 or 70 years with that. Not only shame but with the fact, that they will never have the possibility to raise children, to have families, to live their normal life. Not to mention for example that you have born the child of your rapor and you are trying to establish a family. übersetzt: Wenn man bedenkt, dass junge 12jährige Mädchen vergewaltigt wurden, dann kann man sich vorstellen, wie schwer es für sie ist, damit 50, 60, 70 Jahre zu leben. Es ist nicht nur Scham sondern oft auch die Tatsache, dass viele nicht mehr die Möglichkeit haben, Kinder aufzuziehen und in einer normalen Familie zu leben. Ganz zu schweigen von dem Problem, dass sie das Kind ihres Vergewaltigers ausgetragen haben und dann versuchen, eine Familie zu gründen. Musik: Musikcollage (s. Anfang) Erzählerin: Ethnologische Forschungen zeigen, dass es vergewaltigungslastige und vergewaltigungsarme Kulturen gibt. Vergewaltigungsarm seien Gesellschaften, „in denen Frauen einen respektablen Status genießen, in denen Weiblichkeit hoch angesehen ist und die Geschlechterdifferenz nicht dramatisiert und inszeniert wird“, schreibt die Militärsoziologin Ruth Seifert. So hört man im Israel-Palästina-Konflikt zwar von israelischen Gräueltaten, aber nicht von Vergewaltigungen. In Ruanda dagegen wurden massenhaft Frauen erst vergewaltigt und danach getötet. Im Rahmen des Forschungsprojekts „Psychobiologie menschlicher Gewalt und 13 Tötungsbereitschaft“ der Universität in Konstanz wurden kongolesische Soldaten befragt. Einer antwortete: Musik: Glasmusik – Ensemble Kassel / Ensemble Metallmusik Kassel, Track 1, Glasmusik - Metallmusik Sprecher: Wenn uns eine Frau über den Weg lief, haben wir sie vergewaltigt. Männer haben wir geschlagen. Nach einem Kampf töteten wir alle– nur hübsche Frauen nicht. Die nahmen wir mit. Wenn sie sich gewehrt haben, mussten sie bestraft werden … Kämpfen ist alles im Leben eines Mannes. Dieser Durst sitzt tief in mir. Erzählerin: Soldaten verfeindeter Gruppen im Kongo vergewaltigten aus anderen Motiven als die bosnischen, sagt Elvan Isikozlu vom Bonner Internationalen Zentrum für Konversion: OT Elvan Isikozlu Das hat mehr zu tun mit einem Gefühl: die Männer haben das verdient. Ich hab so viel Gewalt gekriegt, aber ich bekomme kein Geld. Mit Geld kann ich nach Hause gehen, meiner Frau etwas geben, sie kann einkaufen gehen und dann wird meine Frau mit mir schlafen. Also das ist ein ökonomischer Kontrakt zwischen Männern und Frauen. Wenn sie kein Geld bekommen, Frauen sagen, nein, du hast nichts gebracht. Dann nehme ich eine Frau und ich mache, was ich will. Ich hab das verdient, ich möchte Sex haben. Das hat mehr zu tun mit Lust oder einem Bedürfnis nach Sex. Atmo: Tuzla draußen auf der Straße, Muezzin ruft Erzählerin: Die Stimme des Muezzin scheppert aus dem Lautsprecher einer Moschee in der bosnischen Stadt Tuzla. Enisa ist ins Haus der deutsch-bosnischen Hilfsorganisation Snaga Zene gekommen. Eine unauffällige, ernst blickende Frau, schulterlange braune Haare, völlig abgekaute Fingernägel. Sie war 15, fast noch ein Kind, als Soldaten der bosnisch-serbischen Armee sie und zwei andere Mädchen in ein Wohnhaus verschleppten. Einer war ein ehemaliger Nachbar. OT Enisa, bos., übersetzt: Pedja geht mit mir ins Badezimmer, ich soll duschen. Noch nie habe ich mich vor einem Fremden ausgezogen und unter seinen Blicken geduscht. Er hat mich die ganze Zeit angestarrt. Dann will ich mich anziehen, aber er sagt, nein, nimmt meine Hand und wirft mich aufs Sofa. Ich hab geschrien, da holt er seine Pistole und setzt sie mir an die Schläfe und droht, mich zu erschießen, falls ich mich wehre. Das hat bis tief in die Nacht hinein gedauert. Ich weiß nicht, was er alles gemacht hat, es ist meine erste intime Erfahrung. 14 Dann kommt der zweite Soldat, dann der dritte und der vierte und der fünfte. Ich kann nicht mehr weinen und kaum noch atmen. Sie binden meine Hände am Bett fest, und irgendwann werde ich ohnmächtig. Erzählerin: Zuhause verfolgt Enisa zwei ihrer Peiniger auf facebook. Einer lebt jetzt in Serbien und hat zwei kleine Kinder, sagt sie. Enisa hat vor Gericht ausgesagt, aber die beiden anderen Mädchen sind damals aus Bosnien geflohen und nicht wieder zurück gekehrt. So hat sie niemanden, der ihre Geschichte bezeugen kann. Ihre Vergewaltiger bleiben also unbehelligt. OT Enisa, bos., übersetzt: Ich denke, dass die Verbrecher sich schämen müssten, nicht die vergewaltigten Frauen. Aber unsere Kultur ist so beschaffen, dass die Frauen sich schämen, nicht die Verbrecher. Wenn man nicht darüber redet, schützt man sie. Erzählerin: Die Massenvergewaltigungen in Bosnien haben nicht nur in Europa Empörung ausgelöst. Damals haben sich sogar ägyptische islamische Gelehrte Gedanken gemacht, wie den jungen Mädchen zu helfen sei, die bei der Vergewaltigung noch Jungfrau waren. Ihr Vorschlag: den Betroffenen ein künstliches Jungfernhäutchen einzusetzen. Musik: Bojan Vuletic, Origami, Birdy OT Elvan Isikozlu Es gibt auch Männer die vergewaltigt waren. Es gibt viel Vergewaltigung gegen Männer, aber sie nennen das torture, Folter, nicht Vergewaltigung. Deswegen, wir wissen nicht so viel darüber. OT Amra Delic, engl. Since I was working in the Department for Psychiatry of the University Clinical Center I used to have male patients who were soldiers or civilians arrested and kept in concentration camps. And now knowing of other seven men which are involved in Snaga Zene project recently, we are planning to make some rehabilitation program for men that were sexually abused during the war. We know that for women it's very hard and difficult to speak about this and study says that for men is even harder to open this issue. From what I heard from men who were victims of sexual violence these were really brutal. übersetzt: Als ich im Department für Psychiatrie im klinischen Zentrum der Universität arbeitete, da hatte ich männliche Patienten, die als Soldaten oder Zivilisten in Konzentrationslagern eingesperrt waren. Jetzt planen wir ein Programm für sieben sexuell missbrauchte Männer, die sich bei Snaga Zene gemeldet haben. Wir wissen, dass es für Frauen hart ist darüber zu reden, aber Studien sagen, für Männer sei es noch schwieriger. Sexuelle Übergriffe auf Männer waren oft sehr brutal. 15 Erzählerin Details werden hier bewusst nicht wieder gegeben. Sie zeigen aber, mit welchem Hass manche Milizionäre vorgingen, um ihr Ziel „Groß-Serbien“ zu erreichen. Auch solche Verbrechen werden inzwischen vom Internationalen Strafgerichtshof geahndet. Er verurteilte einen bosnisch-serbischen Paramilitär nicht nur wegen der Morde, die er begangen hatte, sondern explizit auch wegen sexueller Verstümmelung eines Mannes. Der Täter hatte sich gleich nach Auflösung der Lager in Bosnien nach Deutschland abgesetzt und war auf der Straße erkannt und angezeigt worden. OT William Hague, Eröffnungsrede London Konferenz, engl. Wie Atmo: Applaus und Begrüßung, nicht übersetzen, dann darüber: Erzählerin: Der damalige britische Außenminister William Hague hatte im Juni 2014 zur internationalen Konferenz gegen Kriegsvergewaltigung nach London eingeladen. Es kamen Politiker, Diplomaten, Frauenrechtlerinnen, Juristen, Psychologen, Militärs, Menschenrechtsaktivisten und Frauen, die in Kriegen vergewaltigt worden waren. Insgesamt mehr als 1000 Personen. Aus fast 130 Nationen. OT William Hague, Eröffnungsrede London Konferenz, engl. We will ask countries to strengthen their laws so that there are no safe havens for those responsible for wars of sexual violence. And I am pleased to announce this morning that the United Kingdom will pledge a further six Million Pounds to support survivors of sexual violence in conflict, (Applaus) a further six Million to rebuild their lives and rebuild communities. We want to shift the stigma from survivors on to the perpetrators of these crimes, so that they, not the innocent victims, bare the stigma. We want to encourage men to speak out, to agree with us, that it is only a weak or inadequate man who abuses women. übersetzt: Wir werden die Länder bitten, ihre Gesetze zu verschärfen, so dass es keine sicheren Häfen gibt für die Verantwortlichen der sexuellen Kriegsgewalt. Ich freue mich heute Morgen verkünden zu können, dass das Vereinigte Königreich weitere sechs Millionen Pfund zusagt, um Überlebende von sexueller Kriegsgewalt zu unterstützen, weitere sechs Millionen Pfund, damit sie ihr Leben neu aufbauen und ihre Kommunen. Wir wollen das Stigma von den Überlebenden auf die Täter dieser Verbrechen übertragen, so dass sie, und nicht die unschuldigen Opfer, das Stigma tragen. Wir möchten Männer ermutigen, offen darüber zu reden, mit uns darin übereinzustimmen, dass nur ein schwacher, unzulänglicher Mann Frauen vergewaltigt. Musik: David Wilde, The Cellist of Sarajevo, op. 12 (für Violoncello),The Essential Yo-Yo Ma Erzählerin: Absichtserklärungen. Doch wo ansetzen? Bei den Motiven der Täter? Bei der traurigen Tatsache, dass die meisten völlig ungeschoren davon kommen? Wegen der Kriegsvergewaltigungen in Bosnien sind bislang nur etwa 60 Täter verurteilt 16 worden. In Den Haag und Sarajewo zusammen genommen, davon 28 vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Täterfotos zeigen Männer mit mürrischen, verschlossenen Gesichtern und sehr schmalen Lippen. OT Goran Simic, engl. If you take a look on those perpetrators and speak with them or unlace their acts, they don't really accept that what they have done was wrong. I know only one case where one perpetrator expressed his regret but I don't think it was really something that was honest. I think that was a part of negociation with the prosecuter to reduce his sentence. It's just part of the game and I don't think that anybody really feels shame because what he has done but feels shame because he didn't do more against the others. übersetzt: Wenn man sich die Täter anschaut oder ihre Taten aufdeckt, akzeptieren sie erst einmal gar nicht, dass das, was sie getan haben, falsch war. Ich kenne nur einen Fall, wo ein Täter sein Bedauern ausgedrückt hat. Aber ich glaube nicht mal, dass es ehrlich gemeint war. Ich glaube, das war Teil eines Handels mit dem Staatsanwalt, um seine Strafe zu reduzieren. Es ist nur Teil des Spiels und ich glaube nicht, dass sich irgendwer schämt für das, was er getan hat. Er schämt sich vielleicht, weil er nicht mehr getan hat, weil er den Feinden nicht noch mehr Leiden zugefügt hat. OT Elvan Isikozlu Wir arbeiten und forschen nur mit den Frauen, die vergewaltigt sind, um eine Präventionsstrategie zu finden. Andersrum. Wir müssen mit dem Täter auch. Nicht nur mit dem individuellen Täter, wir müssen die Strukturen auch, wir müssen verstehen, was ist mit diesen Strukturen? Warum sind die Täter... können sie das machen ohne Konsequenz? Musik: Glasmusik – Ensemble Kassel / Ensemble Metallmusik Kassel, Track 1 & 9, Glasmusik – Metallmusik Erzählerin: Erst in den letzten Jahren wendet sich die Forschung den Tätern zu. Im Frühjahr 2015 legte die norwegische Sozialpsychologin Inger Skjelsbaek vom Peace Research Institute Oslo erste Ergebnisse vor. Sie hat neun vom Internationalen Gerichtshof wegen Vergewaltigung verurteilte Männer genauer unter die Lupe genommen: ihre Geschichten, die Aussagen ihrer Verteidiger, der Richter und der Opfer, 32 Frauen und fünf Männer. Sjeksbaek deckte drei Typen auf. Die erste Gruppe: Im militärischen Rang Höherstehende. Sprecher: Sie gaben vor, sich gegenüber den Frauen geradezu ritterlich verhalten zu haben. Sie hätten sie zu sich genommen, statt sie anderen auszuliefern. Sie hätten sich von den Frauen und Mädchen verführen lassen. Es seien Liebesbeziehungen gewesen. Erzählerin: Täter, bei denen sexuelle Lust im Spiel ist, während sie vergewaltigen, denken von sich, wie normale Männer gehandelt zu haben. 17 Die zweite Gruppe: Opportunisten. Lagerwächter, einfache Polizisten, Milizionäre vom Dorf. Sprecher: Sie nutzten die Gunst der Stunde, waren nicht wählerisch und empfanden Vergnügen daran, wehrlose Frauen zu quälen und ihre Macht auszuspielen. Die Hierarchie hielten sie genau ein: Schichtleiter zuerst. Erzählerin: Fazit: Täter, die brutale Vergewaltigungen als Spaß ansahen und nicht Teil des Militärs waren, wurden auch von Soldaten als sadistisch angesehen und häufiger isoliert. Die dritte Gruppe: vom Rang unabhängige Täter Sprecher: Sie haben Reue gezeigt und sich entschuldigt. Die Entschuldigungen minderten das Strafmaß deutlich. Vielleicht dienten sie auch genau diesem Zweck. Erzählerin: Fazit: Täter, die sich entschuldigten, berichteten quasi von einer anderen Identität, als wären nicht sie es gewesen, die das getan hatten. Als seien ihre Taten nur der Situation geschuldet. OT Elvan Isikozlu Wir haben auch gesehen, dass, als die internationale Kommunität mehr Interesse an diesem Krieg gezeigt hat, am Ende des Kriegs gibt es viel weniger Vergewaltigung als zu Beginn des Kriegs. Und wir glauben, das hat was zu tun mit viel internationaler Aufmerksamkeit für diesen Krieg und diesem Typ von Gewalt. Die Leute haben darüber geredet: wir sehen das und das war nicht gut für die bosnian Serben. Musik: Musikcollage (s. Anfang) Erzählerin: Es war nicht gut, aber es stoppte sie auch nicht. Obwohl die Vereinten Nationen in Bosnien bereits im Frühjahr 1993 verschiedene entmilitarisierte Schutzzonen für die Bevölkerung eingerichtet hatten, stürmte die bosnisch-serbische Armee unter ihrem Kommandanten Ratko Mladic zwei Jahre später das Städtchen Srebrenica. Den Einwohnern - in der Mehrzahl muslimische Bosniaken, die sich aus den umliegenden Bergdörfern hierher geflüchtet hatten - nutzte es wenig, dass Srebrenica unter UNSchutz stand. Atmo: bei Azra zuhause, Stimmen, Lachen Erzählerin: Auch Azra musste aus der Schutzzone Srebrenica fliehen. Zwei Jahre hatte sie dort mit ihrer kleinen Familie gelebt, nachdem sie vorher aus ihrem idyllisch gelegenen Dorf in den Bergen vertrieben worden war. Ein Dorf, nur über einen langen Waldweg zu erreichen. In Scebrenica lebten sie auf einem Dachboden und bekamen noch eine 18 Tochter. Sie war vier Wochen alt, als Azra vor Mladics Truppen um ihr Leben rennen musste. Ihren Mann sah sie nie wieder. Mehr als 8000 muslimische Männer wurden binnen weniger Tage ermordet. Das Massaker bewertete der Internationale Strafgerichtshof in mehreren Urteilen als Genozid, Völkermord. OT Azra, bos., übersetzt: Eine Cousine meines Mannes hat meinen Sohn gegriffen, ich meine Tochter. Wir sind nach Potocari gelaufen. Tote lagen am Straßenrand, Menschen ohne Arme und Beine, von den Bergen wurden wir mit Maschinengewehren beschossen, Flugzeuge warfen Granaten auf uns. Wir waren wie auf einem Präsentierteller. Nachmittags sind wir in Potocari angekommen. Vor der alten Batteriefabrik, wo die UN-Soldaten stationiert waren, haben wir im Gras gesessen. Die bosnisch-serbischen Soldaten waren mit den UN-Soldaten zusammen. Ein Tschetnik hat sein Feuerzeug an die Mähne eines angebundenen Pferdes gehalten, es verbrannte. Ich wusste überhaupt nicht, was los war. Atmo: bei Azra zuhause Erzählerin: Azra sitzt auf dem Sofa ihres hübschen Wohnzimmers und klammert sich – während sie erzählt - fest an ihre Freundin. Sie hat mit ihren jetzt erwachsenen Kindern darüber gesprochen, was damals passiert ist. Die waren ja dabei, sagt sie, der Junge war schon fünf. OT Azra, bos., übersetzt: Dann ist einer der Tschetniks gekommen und hat gesagt: du, du, du und du, ihr kommt raus, auch zu mir: du Frau mit den zwei Kindern. Ich bin rausgegangen, da standen ein Übersetzer und zwei holländische Soldaten, die hatten nachts zusammen mit den Tschetniks gefeiert, weil Srebrenica gefallen war. Erzählerin: Azra weiß nicht wie er aussah, ihr Vergewaltiger. Ob einer oder mehrere. Ob von Mladics Armee oder von der UN-Schutztruppe. OT Azra Meine Tochter hatte drei Tage nichts gegessen, ich hoffte, dass sie mir Milch geben würden. Ich habe nichts bekommen, stattdessen haben sie mich in ein Zelt hinter der Fabrik gebracht. Da sollte ich warten, bis sie mir etwas bringen würden. Es war heiß und stickig. Ich wartete bis es dunkel wurde. Dann wurde plötzlich der Reißverschluss aufgezogen, ich dachte, es kommt Essen. Ich bin aufgestanden, aber eine Hand hat mich auf den Boden gestoßen. Ich war so schwach, ich bin einfach umgefallen. Die Kinder waren bei mir. Ich kann mich an nichts erinnern. Erzählerin: Azra könnte nie wieder in ihrem Dorf leben. Oder einen Waldweg gehen wie früher. Jeder harmlose Jäger – und davon gibt es viele in Bosnien - versetzt sie in Panik. 19 OT Azra, bos., übersetzt: Das Weinen meines Sohnes hat mich geweckt. Er rief: Mama, steh auf, aber ich hatte keine Kraft. Er hat an meiner Hose gezerrt, damit ich endlich aufstehe. Ich konnte nicht. Dann hab ich erst gesehen, dass meine Bluse zerrissen war, und die dunkelblaue Hose, die ich von meinem Mann hatte, war voll Blut. Vor dem Zelt bin ich dann gleich wieder in Ohnmacht gefallen. Dann bin ich in einer Ambulanz wieder aufgewacht. Erzählerin: Als anerkanntes Opfer eines Kriegsverbrechens bekommt Azra eine Rente. Die holt sie am gleichen Tag von der Bank ab wie die Kriegsveteranen ihre Veteranenrente. Alle stehen in einer Schlange. Manchmal gibt es hämische Bemerkungen da kommen die Gefickten – sogar von weiblichen Bankangestellten. Für 500 Mark im Monat hätte ich auch mal die Beine breit gemacht. Atmo Autos fahren auf der Straße bei Potocari Erzählerin: Die Batteriefabrik, die im Krieg als Stützpunkt der UN-Soldaten gedient hatte, ist heute Teil der Gedenkstätte Potocari. Weiße Stelen soweit das Auge reicht, mehr als 6000. Sie tragen die Namen der ermordeten Männer und Frauen von Srebrenica. Jedes Jahr am 11. Juli werden hier weitere Überreste von Toten aus Massengräbern beigesetzt. OT Amra Delic, engl. Two years ago UN pressed Bosnian government that they had to do something in order to support victims of war rape and sexual violence in war. And then I know that there is a team of people who are making program of rehabilitation but I was shocked when I heard that they need three years to make a program, when we have people who are working on that for 20 years and they would maybe need three days to make a program. And women are dying, they are sick, with physical problems and psychiatrical problems and they need three years to make a program. übersetzt: Vor zwei Jahren hat die UN Druck auf die bosnische Regierung gemacht, dass sie Opfer von Kriegsvergewaltigungen unterstützen müsse. Es gibt ein Team von Leuten, die ein Rehabilitationsprogramm ausarbeiten. Aber ich war schockiert, als ich hörte, dass sie dafür drei Jahre brauchen. Wir haben erfahrene Leute, die schon 20 Jahre daran arbeiten, die würden vielleicht drei Tage brauchen. Erzählerin: Srebrenica gehört jetzt zur Republica Srpska. Die serbische Strategie der Vertreibung ist weitgehend aufgegangen. Sie haben die Gebiete, die sie wollten. Nach dem Krieg gab es öffentliche Gelder für bosnische Rückkehrer. Auch aus Deutschland. Damit sollten sie ihre zerstörten Häuser wieder aufbauen. Das Geld bekamen sie nur, wenn sie ihr Haus dort wieder aufbauten, wo das alte gestanden hatte. 20 OT Elvan Isikozlu Ganz dumm, weil die Leute leben neben einander, mein Täter ist neben mir, mein Nachbar. Das kann nicht sein. Und dann, wie kann man ein normales Leben haben? Mein Täter ist da. Ich kann nicht aus meinem Haus rausgehen. Musik: David Wilde, The Cellist of Sarajevo, op. 12 (für Violoncello),The Essential Yo-Yo Ma Erzählerin: Auch Prijedor gehört seit dem Friedensvertrag von Dayton zur Republica Srpska. Die meisten Bosniaken sind vertrieben oder tot. Doch einige Frauen wollten sich nicht unterkriegen lassen und sind Jahre später ganz bewusst zurück gekehrt. Die ehemalige Richterin Nusreta Sivac ist eine von ihnen. Seit 2002 lebt sie wieder in ihrem Haus in Prijedor. Kurz nach ihrem Einzug stand in großen Lettern an die Hauswand geschmiert: Omarska. Der Name des Lagers, wo Männer 1992 Verhöre durchgeführt und Gefangene getötet hatten. OT Nusreta Sivac, bos., übersetzt: Ein paar habe ich auf der Straße gesehen. Auch zwei oder drei, die verurteilt und nach Absitzen von zwei Dritteln ihrer Strafe wieder freigelassen wurden. Erst kürzlich ist mir einer von denen begegnet. Erzählerin: Ihre Vergewaltiger waren bis jetzt nicht dabei. OT Elvan Isikozlu Wie kann man wieder eine Kultur, soziales Kapital, sagen wir auf Englisch, wie kann man das wieder aufbauen? Das geht nicht. Und wir sehen das auch heute, es gibt keins. Es gibt immer noch Hass, sie sind nicht zusammen, nicht integriert. Musik: Musikcollage (s. Anfang) OT Mirsad Tokaca, engl. After Bosnia you had Darfur and many other places and now in Kenia, in Irak, in Syria, it's a widespread and integer part of every single war. Question is in fact what we as global society can do to prevent. How we can rise awareness? How we can educate soldiers? What can we do in fact initially to prevent? übersetzt: Nach Bosnien gab es Darfur und viele andere Orte, jetzt Kenia, Irak, Syrien, es ist Teil jedes Kriegs. Die Frage ist, was können wir als globale Gesellschaft tun, um das zu verhindern? Wie können wir Bewusstheit schaffen? Wie können wir Soldaten erziehen? Womit können wir beginnen, um es zu verhindern? Atmo: William Hague kündigt Angelina Jolie an, Applaus (London Konferenz), nicht übersetzen, darauf: 21 Erzählerin: Die Londoner Konferenz gegen sexuelle Gewalt in Kriegen war glamourös, Millionen Pfund, Dollars und Euros sollen an verschiedene Projekte verteilt werden. An die Opfer, aber auch zur Schulung von Kämpfern in aller Welt. Sie sollen wissen, dass sie nicht länger einfach davon kommen, wenn sie Frauen vergewaltigen. OT Angelina Jolie, engl. The number of convictions for wars on sexual rape is pitifully small because of lack of evidence inspite of the testimonies of brave survivors. This is an intolerable situation. That is why at the heart of this campaign we are calling for an end of impunity. The perpetrators have to know, that even during conflict evidence is being collected and it will be used against them. They have to know that when peace-agreements are made there will be no amnesty for rape. übersetzt: Die Zahl der Bestrafungen von sexueller Kriegsgewalt ist so erbärmlich klein, weil Beweise fehlen - trotz der Zeugenaussagen von mutigen Überlebenden. Das ist eine nicht zu tolerierende Situation. Deshalb steht im Herzen unserer Kampagne der Ruf nach einem Ende der Straflosigkeit. Die Täter müssen wissen, dass auch im Krieg Beweise gesammelt und gegen sie verwendet werden. Sie müssen wissen, dass es nach Friedensverhandlungen keine Amnestie für Vergewaltiger gibt. Erzählerin: Erst seit dem Bosnienkrieg stehen Kriegsvergewaltigungen unter Strafe. Bei den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie noch kein Thema. Die UN-Resolution 1820 fordert, dass auch verantwortliche Politiker und Militärs zur Rechenschaft gezogen werden. Doch oft fehlen hinreichende Beweise für eine Verurteilung. OT Azra, bos., übersetzt: Ich könnte kein Urteil fällen, weil es keine Strafe gibt, die die Würde und den Stolz des Täters so bricht, dass er sich so erniedrigt fühlt wie ich. Man sollte ihm alles nehmen, was einen Menschen ausmacht. OT Milena, bos., übersetzt: Unabhängig von ihrer Nationalität, egal ob Serbe, Bosniake oder Kroate oder welche Ethnie auch immer, ich bin dafür, dass alle Täter bestraft werden. Die Serben sind verantwortlich dafür, was sie getan haben, die Bosniaken und die Kroaten für das, was sie getan haben. Ich mache da keine Unterschiede. OT Nusreta, bos., übersetzt: Ich würde versuchen, objektiv zu bleiben, innerhalb des Gesetzes. Aber als Frau kämpfe ich mit meinen Gefühlen. Gerade als Richterin darf ich diese Gefühle nicht vermischen. Leider verhängt Den Haag keine Todesstrafe, nur lebenslänglich. Das hat noch niemand bekommen, soweit ich weiß. Ich würde den Tätern die härtest mögliche Strafe geben, aber dann gibt es natürlich die Berufungen. Ich weiß nicht 22 wie es enden würde. Ich würde versuchen, professionell zu bleiben, unabhängig von meinen Gefühlen und Gedanken. Musik: David Wilde, The Cellist of Sarajevo, op. 12 (für Violoncello),The Essential Yo-Yo Ma Absage: Jede Nacht haben sie andere geholt Vergewaltigung als Kriegsstrategie Ein Feature von Mechthild Müser Es sprachen: Helene Grass, Claudia Urbschat-Mingues, Sabrina Noack, Zeljka Preksavec, Torben Kessler,Thomas Lang, Bernd Reheuser und Daniela Wutte Technische Realisation: Henning Schmitz Regieassistenz: Pia Frede Regie: Uta Reitz Redaktion: Dorothea Runge Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks mit dem Bayerischen Rundfunk und Deutschlandradio Kultur 2015 23
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