| Work-by-Inclusion in der Logistik Integration von Menschen mit Hörbehinderung in alltägliche Lagerprozesse „Das Gesamtziel des Projektes besteht in der Inklusion von Menschen mit einer Hörbehinderung in den Arbeitsprozess durch die Bereitstellung moderner Arbeitshilfen“, erklärt Prof. Dr. Willibald A. Günthner, Ordinarius des Lehrstuhls für Fördertechnik Materialfluss Logistik (FML) der Technischen Universität München. „Im Projekt wird als Arbeitshilfe eine Datenbrille genutzt. Die so mögliche visuelle Bereitstellung von Informationen ermöglicht den uneingeschränkten Einsatz von Schwerbehinderten für das beleglose Kommissionieren mit zwei freien Händen“, so Dr. Günthnerweiter. Von Beginn an sei dabei nicht ausschließlich auf die Darstellung selbst geachtet worden, sondern auch die Interaktion zwischen nicht hörenden und hörenden Menschen über die Datenbrille habe im Fokus gestanden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden im ersten Schritt die spezifischen Anforderungen von Gehörlosen im Hinblick auf die Prozesse im Lager definiert. Unterstützt wurden die Projektpartner dabei von den gehörlosen Mitarbeitern der Schmaus GmbH sowie vom Projektbeirat. Wichtige Fragen zu Beginn des Projekts waren beispielsweise: Welche Datenbrille ist die beste für die geplante Anwendung? Können Datenbrillen neben der Vermittlung von Arbeitsaufträgen auch dazu genutzt werden, um Gehörlosen Informationen zu vermitteln, die Hörende über akustische Signale empfangen? Und in welcher Art sollen die Informationen dargestellt werden? Unterstützt durch die Projektpartner, standen bei der Auswahl einer geeigneten Datenbrille die Gehörlosen selbst im Fokus. In praktischen Tests nahmen sie die Vuzix M100, die Google Glass sowie die Sony Smart Eyeglass unter die Lupe. Dabei stellte sich zum Beispiel heraus, dass eine der drei getesteten Datenbrillen das Gesichtsfeld stark einschränkt. „Ein anderes Modell dagegen ist für Brillenträger ungeeignet beziehungsweise die Gläser der Datenbrille müssen auf die Sehstärke des Anwenders angepasst werden, was zu einer Steigerung von Kosten und Aufwand führt“, fasst Matthias vom Stein vom Lehrstuhl FML 84 KB 2 Quelle: CIM F6-B12-11 Idee für ein Piktogramm „Aufforderung zum Scan des Regalfachs“ der TU München die Testergebnisse zusammen. Die Wahl fiel schließlich auf die Vuzix M100. Danach konzentrierte sich das Projektteam auf die Frage, ob und in welcher Form die Arbeitsanweisungen auf der Brille dargestellt werden können. „Dabei kamen wir schnell zu dem Schluss, dass wir auf keinen Fall textliche Arbeitsanweisungen fokussieren werden“, erklärt Nandor Schmaus, Projektleiter bei der Quelle: CIM Im Rahmen des Forschungsprojekts „Work-by-Inclusion“ haben die Schmaus GmbH, die Technische Universität München und die CIM GmbH eine Anwendung entwickelt, die hörbehinderte Mitarbeiter bei der Kommissionierung aktiv unterstüzen soll. Die App kommt nahezu ohne Text aus und führt den Anwender mittels Piktrogrammen durch die Prozesse im Lager. Gehörloser Kommissionierer der Schmaus GmbH bei der Arbeit mit der Vuzix M100 Smart Glasses. Schmaus GmbH. Denn viele Gehörlose verfügten nicht über die gleiche Sprachkompetenz wie hörende Menschen. „Die Lautsprache ist für Gehörlose eine Fremdsprache. Zudem unterscheidet sich die Grammatik der Gebärdensprache wesentlich von der der Lautsprache. Daher ist es leider keine Seltenheit, dass Gehörlose starke Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben“, erläutert Schmaus die Ursachen. „Nach kurzer Überlegung kam uns das Sprichwort ‚Ein Bild sagt mehr als tausend Worte‘ in den Sinn“, blickt Fritz Mayr, Geschäftsführer der CIM GmbH, zurück. Die CIM GmbH aus Fürstenfeldbruck bei München ist verantwortlich für die Entwicklung der Anwendung, die die Informationen auf der Datenbrille darstellt. „Nach dieser ersten Idee entstand das Konzept, eine App zu entwickeln, die nahezu ohne Texte auskommt und den Anwender mittels Piktogrammen durch das Menü und die Prozesse im Lager führt“, so Mayr. Prozessschritt für Prozessschritt wurden die Piktogramme für die Arbeitsanweisungen erstellt und in die App und deren Struktur eingebunden. „So entstand nach und nach eine komplett bebilderte Anleitung für die Prozesse im Lager, wie die Kommissionierung und die Einlagerung“, erklärt Mayr. Ein weiterer Vorteil: Die App verfügt über eine Messengerfunktion. Die Mitarbeiter können mittels vorgefertigter Nachrichten mit Kollegen oder dem Leitstand kommunizieren. Auch der Leitstand kann schnell Informationen an den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin übermitteln. Neben Arbeitsaufträgen können auf der Datenbrille wichtige Informationen, wie zum Beispiel Notsignale, angezeigt werden. In regelmäßigen Tests im Lager der Schmaus GmbH wurden die Funktionen im Live-Betrieb getestet und optimiert. „Das Ergebnis ist eine 100 Prozent praxistaugliche und auf den Anwender bezogene App“, zeigt sich Mayr zufrieden. Auch die Mitglieder des Projektbeirats zeigten sich beim Praxistest im Rahmen einer Beiratstagung beeindruckt von den Möglichkeiten und Anwendungsgebieten der App. „Nicht nur für gehörlose Menschen ergeben sich durch die Anwendung völlig neue Perspektiven“, blickt Mayr voraus. „In Zukunft wird es in der Logistikzunehmend unterschiedlichere Benutzergruppen für die Anwendungen im Lager geben“, so Mayr weiter. So setzten schon heute immer mehr Unternehmen verstärkt auf die Integration von Menschen mit Behinderung oder Mitarbeitern ohne Deutschkenntnisse. Mit Hilfe der bildgesteuerten Benutzerführung werde es nun einfacher, verschiedenste Anwendergruppen in die Arbeit im Lager zu integrieren. (ck) Hebezeuge Fördermittel 3/2017 © 2017 · Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen auf Datenträgern jeglicher Art sind verboten. HUSS-MEDIEN GmbH · Am Friedrichshain 22 · 10407 Berlin · Tel. 030 42151-0 · Fax 030 42151-207 · www.hebezeuge-foerdermittel.de Lager- und Fördertechnik Kommissionieren
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