Fallrepetitorium an der Universität Tübingen Aktuelle Fälle des Verwaltungsgerichts Sigmaringen Sommersemester 2006 Lösungsskizze zu Fall 11: „Der Rechtsradikale“ Vors. Richter am VG Wolfgang Armbruster OLG Karlsruhe U.v.3.12.1999 – 7 U 113/97 – VBlBW 2000,329 A Rechtsgrundlage der polizeilichen Maßnahme suchen: Suchen bzw. zuordnen einer schon ergangenen polizeilichen Maßnahme zu einer Rechtsgrundlage Evtl. Doppelfunktion der Polizei beachten: Präventiv polizeiliches Handeln oder repressiv polizeiliches Handeln Hier: Präventiv polizeiliches Handeln Trennen zwischen den verschiedenen polizeilichen Maßnahmen: • Maßnahmen in der Tiefgarage – Ansprechen des K – Öffnen der Fahrer- und Beifahrertüre des Pkw mit gezogener Dienstwaffe – Herausziehen des K aus dem Fahrzeug – zu Boden drücken des K – Handschellen anlegen • Verbringen des K in Handschellen mit dem Dienstwagen zur Polizeiwache Dreiteilung der Eingriffsgrundlagen im Polizeirecht beachten !!! I Spezialermächtigungen • außerhalb des PolG (1) z.B. LBO, StVO, LStraßenG Hier: Keine ersichtlich • innerhalb des PolG (2) Standardmaßnahmen Hier: Verbringen des K in Handschellen mit dem Dienstwagen zur Polizeiwache als Gewahrsam nach § 28 PolG II Polizeiliche Generalklausel (3) B Formelle Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen: I Zuständigkeit 1) sachliche > § 3 I i.V.m. § 1 I PolG Hier: Maßnahmen in der Tiefgarage Gemeinde ist Ortspolizeibehörde Bürgermeister PVD 2) örtliche II Verfahren > §§ 59, 60 I, 66 II, 62 IV PolG > § 44 III GO, 62 IV 2 PolG > §§ 60 II + III PolG Hier: PVD nach § 60 II PolG zuständig §§ 68 I 2 + 69 PolG <> § 75 PolG (PVD) Keine Fehler ersichtlich C Materielle Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen: Trennen zwischen den verschiedenen Maßnahmen: • Maßnahmen in der Tiefgarage – Ansprechen des K – Öffnen der Fahrer- und Beifahrertüre des Pkw mit gezogener Dienstwaffe – Herausziehen des K aus dem Fahrzeug – zu Boden drücken des K – Handschellen anlegen • Verbringen des K in Handschellen mit dem Dienstwagen zur Polizeiwache Prüfung der Maßnahmen in der Tiefgarage: I Prüfung, ob die Voraussetzungen für ein Einschreiten vorliegen: Subsumtion unter die Rechtsgrundlage Vorliegen der Voraussetzungen der polizeilichen Generalklausel nach § 31 iVm § 1 I PolG • • 1) Öffentlichen Sicherheit: Hier: evtl. Verstoß gegen das WaffenG evtl. Gefahr für Leib und Leben Dritter Hier: nicht gegeben Sachlage, bei der die Behörde berechtigt davon ausgeht, dass eine Gefahr gegeben ist Hier: Im Zeitpunkt des Einschreitens gegeben Eine zunächst vorhandene Anscheinsgefahr kann im weiteren Verlauf des polizeilichen Handelns wegfallen, wenn erkennbar wird, dass tatsächlich keine Gefahr vorliegt. 2) Vorliegen einer objektiven Gefahr Problem: Anscheinsgefahr Beachten: Beim • • • Konkrete Gefahr oder Störung für die öffentlichen Sicherheit oder Ordnung Herausziehen des K aus dem Fahrzeug seiner Mutter zu Boden drücken des K bestand kein Anscheinsgefahr mehr. Handschellen anlegen II Rechtsfolge 1) Entschließungsermessen Ermessen hinsichtlich des "Ob" des Einschreitens Hier: In Anbetracht der (Anscheins-)Gefahr erscheint ein Einschreiten grundsätzlich zulässig 2) Richtiger Adressat der polizeilichen Maßnahme • Verhaltensstörer • Zustandsstörer Es ist objektiv zu prüfen !! > § 6 I PolG > § 7 I PolG Hier: nicht gegeben Sachlage, bei der die Behörde berechtigt davon ausgeht, Problem: Anscheinsstörer dass jemand Störer ist Hier: Im Zeitpunkt des ersten Einschreitens, durfte die Polizei davon ausgehen, dass der K Störer war Beim • • • Herausziehen des K aus dem Fahrzeug seiner Mutter zu Boden drücken des K War der K nicht mehr Anscheinsstörer. Handschellen anlegen 3) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs Beim • • • > § 5 I + II PolG Polizeiliche Maßnahmen sind nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von vornherein nach Art und Intensität und Dauer auf das erforderliche Maß zu beschränken Herausziehen des K aus dem Fahrzeug seiner Mutter zu Boden drücken des K waren die Maßnahmen aber auch unverhältnismäßig. Handschellen anlegen Prüfung des Verbringens des K in Handschellen mit dem Dienstwagen zur Polizeiwache: Standardmaßnahme = Gewahrsam nach § 28 PolG I Zuständigkeit 1) sachliche 2) örtliche Hier: PVD nach § 60 III PolG zuständig § 75 PolG (PVD) II Prüfung, ob die Voraussetzungen für ein Einschreiten vorliegen: Subsumtion unter die Rechtsgrundlage § 28 PolG Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 PolG Tatbestandsvoraussetzungen liegen nicht vor Hier: Keine Anscheinsgefahr mehr vgl. im Übrigen oben Ergebnis: Das Ansprechen des K und das Öffnen der Fahrer- und Beifahrertüre des Pkw mit gezogener Dienstwaffe war rechtmäßig. Das Herausziehen des K aus dem Fahrzeug, das zu Boden drücken des K, das Handschellen anlegen und das Verbringen des K in Handschellen mit dem Dienstwagen zur Polizeiwache war rechtswidrig.
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