Mehr als - Oberstufenschule Hinterkappelen

Porträt
I Portrait
Beat Certsch
Mehr als .ein Hauswart
Catherine Arber
Foto: Mark Nolan
Seit 20 Jahren ist Beat Gertsch Hauswart an der Oberstufenschule
in Hinterkappelen. Für ihn ist es mehr als nur ein Beruf. Wenn er nach
Feierabend noch gerufen wird, so macht ihm das nichts aus.
Er möchte den Gesprächstermin lieber erst auf nach der
grossen Pause ansetzen, sagt der Hauswart Beat Gertsch
am Telefon. Denn für ihn ist klar: Er kümmert sich nicht
nur um den Unterhalt der Oberstufenschule Hinterkappelen. Er ist auch für die Schülerinnen und Schüler sowie für
die Lehrerschaft da, wenn sie ihn brauchen. So ist es für
ihn selbstverständlich, dass er während der grossen
Pause im Lehrerzimmer präsent ist, damit sie zu ihm kommen können, wenn etwas sein sollte. «Ich habe einen
guten Draht zu den Jugendlichen», sagt der 58-Jährige.
Er halte aber immer auch professionelle Distanz. «Das
macht es mir einfacher, mit ihnen auszukommen. Es ist
wichtig, dass wir uns gegenseitig respektieren.»
Hilfe bei Beinbruch
Die Jugendlichen dürfen den Pausenplatz auch ausserhalb der Schulzeiten benutzen. Wenn sie da ihren Abfall
rumliegen lassen, sucht der Hauswart das Gespräch mit
ihnen und macht ihnen klar, dass er dieses Verhalten nicht
duldet. Beat Gertsch und seine Frau Brigitte, die ebenfalls
zu 30 Prozent als Hauswartin angestellt ist, eilten aber
auch schon zu Hilfe, als sich an einem Abend ein Jugendlicher beim Basketballspielen ein Bein gebrochen hatte.
«Das fördert den Zusammenhalt, wenn die Jugendlichen
merken, dass man für sie da ist», weiss Beat Gertsch.
Grenzerfahrung auf Eseltrekking
Regelmässig begleitet der Hauswart zusammen mit einer
Lehrerin oder einem Lehrer eine Oberstufenklasse ins
Lager oder hilft beim Sporttag. "SO lernen sie mich auch
noch von einer anderen Seite als in der Schule kennen»,
sagt er. Schon fünf Mal war er beim Eseltrekking in Südfrankreich mit einer neunten Klasse dabei. Das bedeutete:
Ein Woche lang jeden Tag während sechs Stunden mit
dem Esel unterwegs zu sein, für die Schülerinnen und
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Schüler kein Natel und fernab der Zivilisation, im Zelt zu
übernachten. «Das waren schon Grenzerfahrungen», erinnert sich Beat Gertsch. Erfahrungen, die er nicht missen
möchte. Auch in seiner Freizeit beschäftigte sich Beat
Gertsch mit Jugendlichen. Bis vor einigen Jahren trainierte der leidenschaftliche Fussballfan nebst Erwachsenen auch Junioren beim FC Wyler.
«Ich habe einen guten
Draht zu den Jugendlichen.
Das macht es mir einfacher,
mit ihnen auszukommen.
Es ist wichtig, dass wir uns
gegenseitig respektieren.»
Er kann fast alles reparieren
Für den Hauswart ist sein Beruf nicht bloss Arbeit, sondern Berufung. Seine Arbeit sei sehr vielseitig, er könne
selbstständig wirken und sei gleichzeitig gut ins Schulteam integriert. Beat Gertsch ist für den Unterhalt der drei
Schulhäuser, der Turnhalle und des Schwimmbads zuständig. Er versucht so viel wie möglich selber zu flicken,
etwa beim Mobiliar, oder er führt kleinere Malerarbeiten
durch. Kürzlich fertigte er eigenhändig eine neue Tür an ....
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Hingegen biete die Elektronik heute zuweilen Schwierigkeiten. Beat und Brigitte Gertsch sind zudem für die Betreuung der Reinigung zuständig.
Manchmal dem Lärm entfliehen
«In meinem Beruf muss ich die Fehler erkennen und wenn
immer möglich beheben», sagt Beat Gertsch. Und das ist
zuweilen auch am Abend oder am Wochenende. Ist im
Schulhaus auch nach Feierabend ein Anlass anberaumt
und die Hilfe des Abwarts gefragt oder fällt im Schwimmbad die Lüftung aus> so ist der Hauswart zur Stelle. Auch
wenn jemand an der Wohnungstür klingelt und den Hauswart verlangt, sei das für ihn nicht unangenehm, sagt er.
Sein Beruf biete ihm dafür auch Freiräume, er könne sich
die Arbeit selber einteilen und sei eigener Herr und Meister. Diese Freiräume nutzt er gelegentlich ganz gern. Er
beobachtet, dass die Schülerinnen und Schüler heute lauter sind als früher. Wenn es dem Hauswart zu viel wird, so
versucht er gelegentlich, anstelle einer Arbeit in der
Schule die anfallenden Büroarbeiten zu erledigen, um so
dem Trubel zu entfliehen. Der administrative Teil seiner
Arbeit habe stark zugenommen, stellt Beat Gertsch fest.
«In meinem Beruf muss
ich die Fehler erkennen
und wenn immer möglich
beheben.»
Vom Metallbauschlosser zum Hauswart
Der gelernte Metallbauschlosser arbeitete zunächst zehn
Jahre lang auf seinem Beruf. Er wurde Werkstattchef.
Nach einem Jahr begann er sich zu überlegen: Will ich
diesen Chefposten wirklich? Zur selben Zeit wurde er angefragt, ob er nicht Interesse an einem Hauswartsposten
habe. Er sagte zu und fing 1988 als zweiter Hauswart an
der Sek Wankdorf an. Dass die Schule in unmittelbarer
Nachbarschaft des Stadions gelegen ist, passte dem
Fussballfan, der in seiner Freizeit beim FC Wyler Kinder
und Erwachsene trainierte. Beat und Brigitte Gertsch, die
inzwischen Eltern zweier Mädchen und eines Jungen geworden waren, lebten damals in Ostermundigen.
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Während dieser Jahre als zweiter Hauswart an der
Sek Wankdorf sei er sehr gut eingeführt worden> und er
habe viel über seinen neuen Beruf lernen können. Nach
fünf Jahren habe er dann aber doch selber «Tätschmeister- sein wollen und sich für die frei werdende Stelle als
erster Hauswart am Seminar Hofwil beworben. Er bekam
die Stelle und blieb wiederum fünf Jahre. In den Jahren
1993/1994 absolvierte er berufsbegleitend eine Ausbildung als Hauswart. 1997 stach Beat Gertsch ein Inserat
ins Auge: Die Oberstufenschule Hinterkappelen suchte
einen neuen Hauswart. Es habe viele Bewerbungen gegeben, erinnert sich Beat Gertsch. Er bekam die Stelle und
zog mit seiner Familie ins lauschige Abwartshäuschen mit
Garten auf dem Gelände.
«Etwas Besonderes für meine Kinder»
Hier sind seine drei Kinder gross geworden, und hier
gehen nun auch die Grosskinder ein und aus. «Familie ist
das Höchste für mich», sagt Beat Gertsch. Seine Kinder
hätten es genossen, auf dem Schulareal aufzuwachsen
und einen kurzen Schulweg zu haben, weiss der Vater.
Zudem durfte die Hauswartsfamilie die Schulinfrastruktur
mitbenutzen und etwa ausserhalb der Öffnungszeiten im
Schwimmbad baden. «Das war schon etwas Besonderes
für meine Kinder.»
Gedanken über die Zeit danach
Jetzt, nach 20 Jahren, müssen sich die Gertschs langsam
nach einer neuen Wohnung umsehen, ist die Pensionierung doch bereits in Sichtweite. Kein einfacher Gedanke
für den 58-Jährigen. Er liebt seinen Beruf, mag es, wenn
auch ausserhalb der Schulzeiten Spazierende das Areal
auf dem Fussweg überqueren und zu einem Schwatz stehen bleiben. Die Fühler etwas weiter ausgestreckt hat das
Ehepaar Gertsch bereits seit Längerem: Am Schiffenensee hat es ein Mobilhome stehen. «Das ist unsere Rückzugsmöglichkeit», sagt Beat Gertsch. Langsam beginnt
das Paar, sich auch Gedanken über die Zeit nach der
Pensionierung zu machen. Noch bleibt Zeit - und viel zu
tun. Bald wird es klingeln, die Mittagspause steht an. Der
Hauswart verlässt nach dem Gespräch seine Wohnung,
verabschiedet sich und steuert den Schulhauseingang an.
Er liest herumliegende Papierreste auf, die von der
10-Uhr-Pause übrig geblieben sind, und wirft sie in den
Abfallkübei. Ein Hauswart sieht die anfallenden Arbeiten
und erledigt sie selbstständig, hat er im Gespräch gesagt und dabei scheint ihm die Arbeit nie auszugehen.
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