Zeitist Geld ist Streit - Kunz | Schima | Wallentin

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Zeitist Geld ist Streit
Bei der von der Regierung gewünschten Arbeitszeitflexibilisierung geht es um
die Vereinfachungviel zukomplizierter Regelungen - aber auch um
Verteilungskämpfe. Das macht die Verhandlungen so schwierig. Von Eric Frey
ie Uhr tickt bei der Arbeitszeit:
haben große Schwankungen. Warum man
untersten Mindeststandard vor. Solche
Bis zum 30. Juni hat die Regierung den Sozialpartnern Zeit gegeben, sich auf eine Neuregelung der
komplexen Materie zu einigen. Doch die
Zeit könnte knapp werden, denn bei diesem Thema geht es nicht nur um ein Gesetz, sondern auch um die Zukunft der
Arbeitswelt, die Machtbalance zwischen
Arbeitgebern und -nehmern - und um
ziemlich viel Geld.
Derzeit ist in Österreich die tägliche
Arbeitszeit regulär auf zehn Stunden beschränkt. Allerdings gibt es auch jetzt
schon zahlreiche Möglichkeiten, in Ausnahmefällen auf zwölf Stunden zu gehen.
Diese sind im Gesetz, in den Kollektiwer-
sich gegen eine ungleiche ,A.ufteilung
Richtlinien dürfen nicht dazu führen,
übers Jahr so wehrt, verstehe ich nicht."
Für Gewerkschaft und Arbeiterkammer
ist das System bereits jetzlztt sehr durch-
dass die nationalen Standards nach unten
gesenkt werden."
trägen oder
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löchert. ,,Das Arbeitszertgesetz ist als
Schutzgesetz gebaut", sagt Christoph
Klein, Direktor der AK Wien. ,,Wenn man
die Grenzen von dem, was erlaubt ist, auf-
weicht, dann geht Schutz verloren." Die
Forderung vieleír Arbeitgeber, die EU-Bestimmungen zu übernehmen, die 13 Stunden Tagesarbeitszeit und 48 Stunden Wochenarbeitszeit vorsehen, weist er zu-
rück: ,,Die EU-Richtlinie sieht einen
Betriebsvereinbarungen
verankert - oder können dort, wo es keinen Betriebsrat gibt, auch einzeln mit
Dienstnehmern vereinbart werden,
Für die Arbeitnehmerseite und zahlreiche Arbeitsrechtsexperten ist diese Komplexität ein ständiges Ärgernis, das nach
Arbeitszeit sieht einen
untersten
Mindeststandard vor.
Solche Richtlinien
ChristophKein,
Direktor der
sondern dass die Arbeitszeit besser aufgeteilt werden kann, sagt Katharina Körber-
Ârbeiterkammer Wien
Foto: Andy Urban
dürfen nicht dazu
führen, dass die
natioualen
Standards nach unten
gesenkt werden."
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auch auf Deutschland, wo das Gesetz den
Kollektiwertragspartnern mehr Spielraum lasse. ,,Unser Gesetz hat viermal so
viele Wörter wie das deutsche", sagt der
Sozialrechtsexperte. Das ganze System
sei in Österreich voller Inkonsistenzen; so
habe die Arbeitszeit von Beamten überhaupt keine Wochenbeschränkung.
Wer in der Privatwirtschaft die Arbeitszeit vorübergehend verlängern will - etwa
in der Produktion bei unerwartet großen
Aufträgen, in einem Gasthaus bei einer
großen Hochzeit, in der Buchhaltung vor
dem ]ahresabschluss oder in einem
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tekturbüro kurz vor Abgabe der Pläne -,
muss durch ein bürokratisches Labyrinth.
Möglich ist es bis zu 24Wochen im Jahr,
muss aber mit dem Betriebsrat
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mit starken Sozialsystemen, die ohne nationale Höchstgrenzen auskommen etwa Schweden und Finnland -, oder
Bürokratisches Labyrinth
,,Die EU-Richtlinie zur
Vereinfachung schreit. Ihnen geht es
nicht darum, dass mehr gearbeitet wird,
Risak, Arbeitsrechtlerin in der Kanzlei
Kunz Schima Wallentin. ,,Viele Betriebe
Sein Verhandlungspartner in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Rolf
Gleißner, verweist auf andere EU-staaten
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rntangible assets can stay safe anywhere.
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und von einem Arbeitsmediziner für unbedenklich erklärt werden. Von Branche
zu Branche gibt es unterschiedliche Regelungen, die gerade fùr kleine Betriebe
schwer zu durchschauen sind. ,,Es ist fast
eine Wissenschaft", sagt Arbeitsrechtler
Kurt Wratzfeid von der Kanzlei Fellner,
Wratzfeld und Partner. ,,Und wenn man
sich irrt, entstehen durch das Kumulationsprinzip gewaltig hohe Strafen, die
für einen Kleinunternehmer existenzbedrohend sein können." Vor allem in Betrieben mit viel Außendienst gebe es ständig Problerne,
In der Praxis würden Arbeitszeiten, die
über zehn Stunden hinausgehen, in vielen Betrieben erst gar nicht aufgezeichnet
werden, etwa weil das elektronische System es nicht zulässt. ,,Ich rate von einer
Fälschung der Aufzeichnungen entschieden ab", sagt Körber-Risak. ,,Das kann ein
strafbares Deiikt sein, wenn lnan eine Behörde täuscht." Große Uriternehmen würden mithilf'e von kooperativen Betriebsräten Lösungen finden, aber ,,die kleinen
können das nicht sternmen, die werden
kriminalisieri".
AK-Direktor Klein betont, dass ,,das
breite Angebot an flexiblen Modellen oft
zu wenig genutzt wird", und verweist dabei auf eine Studie des Forschungsinstituts Forba, wonach nur die Hä1fte der Betriebe die Mögiichkeiten ausschöpft. Das
sei wohl auch eine Folge der Komplexität, räumt er ein. ,,Eine Vereinfachung
wäre eine schöne Sache. Aber die Vielfalt
beruht auch auf der Vielfalt der Arbeits-
plätze und der Arbeitszeiten'" Er warnt
auch davor, die Regelung von Arbeitszeiten von der KV- auf die Betriebsebene zu
verschieben, ,,Dann könnte ein Betriebs-
rat, der nachgibt, die ganze Branche zum
Kippen bringen. Der harte Verhandlungspartner Gewerkschaft sorgt hingegen für
einheitliche Wettbewerbsverhältnisse. "
Das sieht auch Wratzfeld so: ,,Der Betriebsrat ist in einer schwächeren Ver-
ffi
handlungsposition, wenn es darum geht,
Arbeitszeiten zu regeln." Die jetzigen Gesetze seien allerdings eher für Industriebetriebe geeignet als für moderne Dienstleister, sagt Wratzfeld' ,,Denken Sie an
Charlie ChapÌins ,Modern Times': Das ist
der
Arbeitszeitbegriff, der dem Gesetz vor-
schwebt."
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Populäre Gleitzeit
Ein Bereich, in dem Arbeitszeiten
bes-
ser funkti.onieren, sind Gleitzeitmodelle,
die immer beliebter werden, Arbeitszeiten zu verlängern, um größere Freizeitblö-
cke zu erhalten, sei im Interesse vieler
,A.rbeitnehmer, sagt WKÖ-Experte Gleißner. Bei der Gleitzeii hat auch Kanzler
Christian Kern in seiner ,,Plan A"-Rede
eine Ausweitung der Arbeitszeitgrenze
auf zwölf Stunden in Aussicht gestellt'
Körber-Risak sieht hier allerdings ein
Problem: Bei der Gleitzeit könnten Arbeitnehmer selbst über ihre Arbeitszeit entscheiden, was meist nur für besser Qualifizierte praktikabel sei. ,,Wenn man nur
die GÌei"tzeit auswei.tet, wird sich nicht
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viel ändern", warnt sie. Gleìßner weist
ebenfalls darauf hin, dass etwa ein Handels- oder Produktionsbetrieb keine Gleit-
zeit zulassen könne. Dort seien
feste
Dienstpläne notwendig'
ln der Praxis würden sich auch in der
Gleitzeit Arbeitnehmer als Erstes nach
den Bedürfnissen des Betriebs richten,
welst Klein diese Sorge zurück. Und eine
allgemeine Flexibiiisierung dürfe nicht
eins. Derzeit geht das nur mit einem heftigen Freizeitzuschlag'
Hier eine Entlastung zu verlangen sei
legitim, sagt Gleißner, denn schließlich
werde auch über die Einführung eines
zum Arbeiten auf Abruf führen, sagt
Klein. ,,Wenn wir ins Gesetz schreiben,
dass zwölf Stunden jederzeit zulässig
sind, dann wird das viele Menschen unter
Druck bringen, Arbeitszeiten zu leben, die
Køtharinø Körber'
Risok,
Partnerin bei Kunz
Schima Wallentin
Foto: lnge Prader
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,,Viele Betriebe
haben große
Schwankungen.
Warum man slch
gegen eine ungleiche
Aufteilung übers
jahr so wehrt,
ve¡stehe ich nicht.'
sie nicht wirklich wollen."
Dennoch: Ginge es nur um Flexibìlisierung, dann wäre eine Einigung einfacher.
Gleiþer,
Doch die Wirtschaft kämpft auch um eine
Rolf
Senkung der Kosten bei den so teuten
Überstunden mit ihren Zuschlägen von
stellvertrender Leiter
Sozialpolitik in der
Wirtschaftskamrner
österreich
50 Prozent. Sie
will die Möglichkeit, über
Zeitkonten Überstunden später in Freizeit
abzugelten - und das möglichst eins zu
,,Wenn durch den
Mindestlohn für die
Wirtschaft mehr
Kosten entstehen,
dann muss es
Entlastungen bei der
Arbeitszeit geben.'
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Mindestiohns verhandelt. ,,Wenn für die
Wirtschaft hier mehr Kosten entstehen,
Überstundenzuschlags sparen würden.
Aber diese Kosten spiegeln sich jetzt im
dann muss es Entlastungen bei der
Lohnniveau wider. Wenn man darauf verzichtet, gibt es mit einem Schlag eine Um-
Arbeitszeit geben", sag er. Und schließIich gehe es auch um die internationale
Wettbewerbsfähigkeit, die ebenso im Interesse der Arbeitnehmer liege.
verteilung
in
Richtung Wirtschaft."
Auch Körber-Risak glaubt, dass in Österreich zu viele Überstunden geleistet
werden und diese oft als normaler Lohnbestandteil betrachtet werden. ,,Das war
nie die Intention von Überstunden, aber
sie sind zu einem Substitut für eine zu
niedrige Entgeltpolitik geworden. "
Doch bei einem Tauschgeschäft eines
höheren Mindestlohns gegen eine Redu-
zierung
von
Überstundenzuschlägen
würden Durchschnitts- und
Besserver-
diener verlieren, warnt Klein. ,,Ich verstehe, dass die Betriebe gern die Kosten des
KurtWrøtzfeld,
Partner bei
Fellner, Wratzfeld
& Partner
,,Denken Sie an
Charlie Chaplins
,Modern Times':
Das ist der
Arbeitszeitbegrlff,
der den Gesetz
vorschwebt.*
Zwölfstundentage, die mit dem Zuschlag
sechs Stunden Zeitausgleich bringen,
sind gesel.zlich schon .jetzt möglich.
In manchen Branchen sind bereits Zuschläge von nur 25 Prozent oder- etwa in
der MetalÌindustrie - sehr lange Durchrechnungszeiten für Zeitausgleich vorgesehen. Ob das ein Modell für die ganze
Wirtschaft werden kann, ist unklar, denn
bei den Metallern konnten die Arbeitge-
ber dank der hohen Wertschöpfung bei
den Arbeitszeiten mehr entgegenkommen. Andere Branchen befürchten dadurch steigende Kosten.
Für Klein wäre das dennoch der beste
Weg. ,,Über mehr Flexibilität bei gleichzeitiger Verkürzung sind wir immer gesprächsbereit. Doch die Wirtschaft sagt
stets radikaler Nein zu einer Arbeitszeitverkürzung als wir zur Flexibilisierung."
WRTscHArr &
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