Kurswechsel Washingtons im Syrien-Krieg?

BUNDESARCHIV , BILD 183-1987-0308-009
Ganz undressiert
Die halbe Emanzipation: Am 8. März
1947 wurde der Demokratische
Frauenbund Deutschlands gegründet. Eine Erinnerung an Frauen und
Frausein in der DDR und danach.
Von Schriftstellerin und Liedtexterin
Gisela Steineckert
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GEGRÜNDET 1947 · DONNERSTAG, 9. MÄRZ 2017 · NR. 58 · 1,60 EURO (DE), 1,80 EURO (AT), 2,30 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT
Staat interveniert
Druck wirkt
Fernseher hört mit
Bank regiert
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»Gegenfanal« der Generalbundes­
anwaltschaft: »Gruppe Freital«
in Dresden vor Gericht
Erster Durchbruch bei ver.di-Aktionen
für mehr Personal und bessere
Arbeitsbedingungen in Kliniken
WWW.JUNGEWELT.DE
Wikileaks veröffentlicht Tausende
Kampagne »Blackbox EZB« forCIA-Dokumente zu Spähprogramdert Offenlegung brisanter
men. Siehe Kommentar Seite 8
­Dokumente zu Griechenland
»Die Straßen gehören uns«
Millionen demonstrieren und streiken am Internationalen Frauentag gegen
Gewalt und Ausbeutung. Von Lola Matamala, Madrid, und André Scheer
Demonstration zum Internationalen Frauentag am Mittwoch in Diyarbakir in der Türkei
W
eltweit haben Millionen
Menschen am gestrigen
Internationalen Frauentag
für Gleichberechtigung und soziale
Gerechtigkeit demonstriert. In diesem Jahr hatten zahlreiche Organisationen vor allem in Europa sowie
in Nord- und Südamerika zu einem
Frauenstreik aufgerufen, um den Widerstand gegen Benachteiligung und
Gewalt sichtbar zu machen. In den
wichtigsten Städten Spaniens wurde
zu Demonstrationen eingeladen. In
Pamplona, Bilbao, Madrid und Plasencia legten Tausende Frauen ab
12 Uhr für eine halbe Stunde die Arbeit nieder.
Die Aktivistinnen der Gruppe »Velaluz« hatten am Dienstag nach einem
fast einmonatigen Hungerstreik an der
Puerta del Sol im Zentrum von Madrid ihre Protestaktion beendet. Zuvor
hatten sich die Parteien im spanischen
Parlament auf einen 25-Punkte-Plan
geeinigt, um Gewalt gegen Frauen zu
bekämpfen. Man werde den Kampf in
anderer Form fortsetzen, kündigten
Sprecherinnen der Gruppe an: »Die
Nacht und die Straßen gehören auch
uns – kein Übergriff darf ohne Antwort
bleiben!«
»Zur Hölle mit dem Patriotismus!
Wir brauchen Feminismus!« hieß es in
Kiew. Hunderte Ukrainerinnen gingen
in der Hauptstadt ihres Landes für die
Ächtung von Gewalt gegen Frauen auf
die Straße. Zu der Kundgebung hatte
unter anderem die Menschenrechtsorganisation Amnesty International aufgerufen. Die Demonstrantinnen forderten die Ratifizierung der sogenannten
Istanbul-Konvention des Europarates
von 2011 zur Bekämpfung von Gewalt
gegen Frauen und häuslicher Gewalt
durch das Parlament. Auch Deutschland hat die Konvention noch nicht ratifiziert. Das Bundeskabinett billigte am
Mittwoch jedoch einen Gesetzentwurf,
der das nachholen soll.
In den Kandil-Bergen im Grenzge-
biet zwischen der Türkei und dem Irak
versammelten sich Hunderte Frauen zu
einer Kundgebung, um den 8. März zu
feiern. Sie protestierten auch gegen die
Attacken irakischer Peschmerga auf die
Jesiden in Sindschar. Diese seien ein
Angriff auf alle Kurdinnen, betonten
Rednerinnen und warfen dem Chef der
irakischen Kurdenpartei KDP, Masud
Barsani, vor, die Übergriffe mit dem
türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan koordiniert zu haben.
Erdogan selbst rühmte sich in einer Stellungnahme zum Frauentag der
Erfolge seiner Regierung bei der Ächtung von Gewalt. Am gestrigen 8. März
attackierten jedoch mutmaßliche Islamisten eine Frauentagskundgebung
an der Bilgi-Universität in Istanbul,
wie die Hürriyet Daily News meldete.
Ebenfalls am Mittwoch wurden in Kayseri zwölf Lehrerinnen in Haft genommen, denen die Anklage Verbindungen
zur Bewegung des Predigers Fethullah
Gülen vorwirft.
Demonstrationen zum Frauentag
waren auch in Rom vorgesehen, wo
sich Tausende am Kolosseum versammeln wollten. In Athen wurde zu einer
gemeinsamen Protestaktion griechischer und geflüchteter Frauen mobilisiert. In Dublin wollten Frauen über
die O’Connel-Brücke ziehen, um für
die Legalisierung und staatliche Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu demonstrieren. Viele Teilnehmerinnen wurden zum Beispiel auch
in Bogotá, Asunción und Buenos Aires
erwartet. In Südamerika gehen seit Monaten Hunderttausende Menschen gegen die anhaltende Gewalt und Morde
an Frauen auf die Straße. In Brasilien
blockierten rund 1.500 Aktivistinnen
der Landlosenbewegung MST am
Mittwoch eine Fabrik des Düngemittelherstellers Vale Fertilizantes in Curabao bei São Paulo, um die Folgen des
Einsatzes von Giften in der Landwirtschaft auf ihr Leben anzuprangern.
Siehe Seiten 2, 7 und 8
Kurswechsel Washingtons im Syrien-Krieg?
Bilder zeigen US-Kampffahrzeuge in der Nähe der Stadt Manbidsch
D
as Auftauchen von mit USFlaggen versehenen Kampffahrzeugen im kurdisch geprägten Norden Syriens hat am Dienstag abend Spekulationen über eine
Änderung der US-Strategie im Krieg
dort ausgelöst. Bereits seit längerem
gibt es in der Region eine partielle
Kooperation zwischen den »Syrischen
Demokratischen Kräften« (SDK), denen auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG angehören, und
den Truppen Washingtons.
Letztere griffen in Syrien offiziell
bislang nur mit Attacken der Luft-
streitkräfte ein, nicht mit regulären
Bodentruppen. Die nun über Twitter
und von Nachrichtenagenturen verbreiteten Bilder, auf denen die USTruppen von jubelnden Menschen am
Straßenrand begrüßt werden, sollen
westlich der Stadt Manbidsch entstanden sein. In einem am späten Dienstag
veröffentlichten Bericht interpretierte
Bild die Aufnahmen als ein mögliches
Zeichen an die Türkei, deren Truppen
das von kurdischen und arabischen
Selbstverteidigungskräften gehaltene
Manbidsch bereits mehrfach angegriffen hatten.
Schon am 4. März hatte US-Colonel
John L. Dorrian über Twitter eine Nachricht veröffentlicht zu einer »geplanten
Aktion, um Koalitionsmitglieder und
Partnerkräfte rückzuversichern, Aggressionen abzuwenden und den Fokus auf
das Besiegen von ISIS (dem IS, jW) zu
halten«.
Medien spekulieren nun über die
Frage, wer mit den »Partnerkräften«
gemeint war – und über eine mögliche
Annäherung zwischen den US-Truppen
und der syrischen Armee. Bereits in
den vergangenen Tagen hatten die SDK
ihrerseits angekündigt, Frontabschnitte
des von ihnen gehaltenen Territoriums
den syrischen Streitkräften überlassen
zu wollen, um die Zivilbevölkerung vor
Angriffen zu schützen.
Am Dienstag hatten Nachrichtenagenturen Bilder eines Treffens der
Generalstabschefs der Türkei, Hulusi
Akar, der USA, Joseph Dunford, und
Russlands, Waleri Wassiljewitsch Gerassimow bei einem Treffen in der türkischen Stadt Antalya veröffentlicht.
Angeblich soll dort über die Entwicklung in Syrien und dem Irak diskutiert
worden sein.
(jW)
SERTAC KAYAR/REUTERS
MOHAMMAD ISMAIL / REUTERS
Angriff auf Militärklinik
in Kabul
Kabul. Bei einem Angriff auf ein
Militärkrankenhaus in Kabul sind
am Mittwoch mehr als 30 Menschen getötet worden. Etwa 50 weitere wurden nach Angaben des
afghanischen Verteidigungsministeriums verletzt, als Angreifer der
Dschihadistenmiliz »Islamischer
Staat« (IS) das größte Militärkrankenhaus Afghanistans stürmten.
Die meisten Opfer seien Patienten,
Ärzte und Pfleger, sagte ein Ministeriumssprecher. Außerdem seien
alle vier Angreifer getötet worden.
Die Bewaffneten hatten sich als
Ärzte verkleidet und das SardarMohammed-Daud-Khan-Krankenhaus, das sich im Diplomatenviertel von Kabul befindet, in weißen
Kitteln durch eine Hintertür
betreten. Der Angriff dauerte fast
sechs Stunden. Spezialkräfte, die
mit einem Hubschrauber auf dem
Dach der Klinik landeten, töteten
schließlich alle Angreifer. (AFP/jW)
Merkel sagt wenig
zum VW-Skandal
Berlin. Keine Überraschung: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
hat nach eigenen Angaben erst
seit Herbst 2015 Kenntnis von der
Manipulation von Abgaswerten bei
VW-Dieselfahrzeugen. Sie habe am
19. September 2015 aus den Medien
von den Vorwürfen gegen Volkswagen erfahren, sagte sie am Mittwoch
vor dem Untersuchungsausschuss
des Bundestages zum VW-Abgasskandal. Die Kanzlerin wurde als
letzte Zeugin zu der Affäre um
gesundheits- und klimaschädliche
Emissionen befragt.
Sie habe danach mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)
telefonisch gesprochen und sei von
ihm informiert worden, dass er in
seinem Ministerium einen Untersuchungsausschuss einrichten werde,
sagte sie weiter. Merkel telefonierte
nach eigenen Angaben wenige Tage
nach den öffentlichen Anschuldigungen am 22. September mit dem
damaligen VW-Chef Martin Winterkorn. Zum Inhalt des Gesprächs
machte sie keine Angaben. (AFP/jW)
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