Thema des Monats www.dachbaumagazin.de BIBERDACH Gebürstet und aufgeraut Bei der Neudeckung der Klosterkirche Beuerberg kam ein nur für dieses Denkmal entwickelter Biber zum Einsatz: mit seltenem Segmentschnitt und einer gebürsteten, gewellten Oberfläche. Text: Thomas Dietrich und Paul Zielinski | Fotos: Erlus, Holzbau Pappe und Staatliches Hochbauamt Weilheim R und 200 Jahre lang hatten die Kirchenbiber mit dem seltenen Bogenschnitt den Witterungsbedingungen des Voralpenlandes trotzen können – zuletzt mehr schlecht als recht. Doch nun mussten sowohl das Ziegeldach als auch das Tragwerk der Pfarrkirche des Klosters Beuerberg dringend saniert werden. Zum ursprünglichen, handgestrichenen Ziegel mit rauer, leicht gewellter Oberfläche galt es zunächst einen würdigen Nachfolger zu finden. Diese Herausforderung nahm der auf Denkmalschutzanforderungen spezialisierte Ziegelhersteller Erlus an, lieferte von einem eigens für dieses Objekt angefertigten Biber 55 000 Exemplare und gab dem frisch gebrannten Serienmodell die offizielle Bezeichnung „Beuerberg“ mit auf den Weg zur Traglatte. Bunt patinierte Altbiber Wie bunt das Leben von Kirchenbibern sein kann, ist Ansichtssache – und zwar über dem Haupteingang der Pfarrkirche Beuerberg. Auf einem begrenzten Dachabschnitt haben die Dachdecker während der Sanierung die besten noch verbliebenen Ziegel aus zwei Jahrhunderten zu einem bunten Ensemble zusammengetragen. Diese Zeitzeugen haben Vorbildfunktion und demonstrieren eindrucksvoll, welches natürliche Farbenspiel Biber entwickeln können. Es soll die Visitenkarte einer gelungenen, umfangreichen Sanierung in der Denkmalpflege sein, die sich über mehr als zwei Jahre hingezogen hat. Die neuen naturroten Biber mit dem ungewöhnlichen Segmentschnitt, der auch als Korbbogenschnitt bezeichnet werden könnte, sollen aufgrund ihrer gebürsteten und gewellten Oberfläche möglichst schnell patinieren. Schon nach wenigen Jahren, so zeigt die Erfahrung mit Ziegeln dieser Oberflächenstruktur, kann sich auf den neu eingedeckten Flächen im Gesamtumfang von 1600 m² eine Patina ansiedeln – und dann wird kaum noch ein Unterschied zu den benachbarten Dachflächen des Klosters auszumachen sein, die nicht saniert werden mussten. BEUERBERG -BIBER IM DE TA IL Sanierung des Tragwerks Was der Betrachter der neu gedeckten Ziegelflächen auf dem Rundgang um das Klostergelände weder sieht noch ahnt, sind die umfangreichen Sanierungsbemühungen am Tragwerk. Schon bei der Ausschreibung war den Verantwortlichen klar, dass ein erheblicher Aufwand notwendig sein würde, um die von alten Holzschutzmitteln verseuchte Konstruktion aus Fichte/Tanne zu dekontaminieren und für die Zukunft fachgerecht aufzubereiten. Zudem hatte sich Fäulnis über weite Teile der Traufkonstruktion und an zahlreichen weiteren neuralgischen Stellen ausgebreitet, weil schadhafte Ziegel und eindringende Nässe in Kombination mit Eisstau und Frost über lange Zeit zerstörerisch wirken konnten. Es bedurfte der langjährigen Erfahrung von Dachprofis, um das tatsächliche Ausmaß nötiger Arbeiten im Zimmerer- und Dachdeckerhandwerk abzuschätzen und dachbau magazin 1-2 | 2017 für ein realistisches Angebot kalkulieren zu können. Nichts Ungewöhnliches für die Spezialisten des Erfurter Handwerksunternehmens Holzbau Pappe. Die das Unternehmen leitenden drei Brüder haben in den letzten 25 Jahren etliche vergleichbare Bauwerke fachgerecht saniert – und schulterten auch die beträchtlichen Anforderungen in Beuerberg. Versteckte Schäden An Pfetten, Sparren und Verstrebungen wurde durch Anschuhen nur schadhaftes Holz erneuert. Waren die Handwerker aus Erfurt zunächst davon ausgegangen, dass 33 ▴▴Bunte Vergangenheit: Die besten Biber der Altdeckung wurden hier zweitverwertet ▴▴Der Dachstuhl war besonders an den Traufen stark beschädigt und erforderte viel Arbeit ▴▴Die ersten beiden Ziegelreihen ruhen als Kronengebinde auf einem Kupferblech ▴▴In die Kupferrinne des Dachs mündet auch der aufwendige Ablauf des Wandanschlusses ▴▴Wo Kirche und Kloster sich treffen, liegen nun auch alte Biber an neuen Bibern ▴▴Grat- und Firstziegel sind nach historischem Vorbild allesamt im Mörtelbett verlegt die Stabilität des Tragwerks in weiten Teilen ausreichend war, so konnte erst die Motorsäge ein untrügliches Bild liefern, wie weit faules Holz tatsächlich entfernt werden musste. Das war häufig mehr, als vor Arbeitsbeginn berechnet. Und erst allmählich gelangten die Handwerker mit dem wachsenden Fortschritt der Arbeiten auch in jene Bereiche, die zunächst nicht einsehbar waren. Das lag daran, dass mit der Zeit an den Grundmauern oder an Gewölben viele Ecken und Winkel entstanden waren. Im Lauf der Jahrhunderte waren an der Kirche und im lückenlosen Übergang zum Kloster viele Veränderungen vorgenommen worden. Das zeigte sich beispielsweise darin, dass bereits vor einigen Generationen die Handwerker ihr Können dafür aufboten, um ein Dach zu verbreitern, indem sie an der Traufe Aufschieblinge montierten und die Dachfläche so zu einem Schleppdach umfunktionierten. Erschwerend kam hinzu, dass viele Sanierungsarbeiten aufgrund der kontaminierten Holzkonstruktion nur mit einer Atemschutzmaske und entsprechender Schutzkleidung möglich waren. eine komplette Erneuerung in Fichte/Tanne im 4/6er Standardmaß (S10-Sortierung) vornahmen. Mit Ausnahme der zusätzlich mit einer naht- und perforationsgesicherten Unterdeckung gesicherten Bereiche (Schleppgauben und Fußpunkte der Aufschieblinge) ist die Ziegeldeckung auf Lattung weiterhin frei zugänglich geblieben. Im komplett neu angelegten Traufbereich ruhen die ersten beiden Ziegelreihen als Kronengebinde auf einem breiten Kupferblech. Die zusätzliche Entwässerungsebene reicht als Schutz gegen Eisstau nun ein gutes Stück höher als der Schneefang und bietet somit eine solide Lösung – im Gegensatz zu früherer Zeit. In der vierten Zie- gelreihe haben die Dachdecker die Stützen des Schneefangs in den Sparren verankert und durch kupferne Kappen in das Deckbild eingepasst. Ein weiterer Schneefang auf halber Höhe der etwa 20 m langen Sparren sorgt dafür, dass die im Voralpengebiet üblichen Schneemengen nicht ungehindert bis zur Traufe rutschen können. Aus verschiedenen Zeiten fläche mit einem eigens dafür modellierten XL-Format schmücken – zur Zufriedenheit aller Beteiligten. In einer auf Serienproduktion ausgerichteten Ziegelherstellung ist dies jedoch ein Aufwand, der sich niemals rechnen würde. Die Hingabe zum Detail kann hier aber auch ein Türöffner sein, der sich schließlich unter dem Strich auch wirtschaftlich lohnt. Das zeigt sich daran, dass der seltene Biber von Beuerberg bereits nach kurzer Zeit bei mehreren weiteren denkmalgeschützten Objekten in der Voralpenregion zum Favoriten geworden ist. Vor Eisstau geschützt Die Traglattung der Altdeckung war marode oder gar bis auf ein paar Fragmente komplett verfault, sodass die Dachdecker INTERV IE W: »BEUERBERG IS T EINE W ICHTIGE REFERENZ .« Der Erfurter Handwerksunternehmer Gero Pappe hat sich zusammen mit seinen beiden Brüdern auf die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude spezialisiert. dachbau magazin hat mit dem Dach spezialisten über die anspruchsvollen Sanierungsarbeiten am Kloster Beuerberg gesprochen. dachbaumagazin: Herr Pappe, mit der Sanierung der Pfarrkirche Beuerberg waren Sie gut zwei Jahre beschäftigt. Wie lässt sich ein solches Projekt vernünftig kalkulieren? Gero Pappe: Unser Unternehmen hat sich nach der Wende 25 Jahre lang mit Sanierungen in der Denkmalpflege beschäftigt und dabei natürlich viele Erfahrungen gesammelt – das ist wichtig, um das passende Angebot zu einer solchen Ausschreibung abgeben zu können. 34 In diesem Angebot können die Kosten für unvorhergesehene Schäden nicht enthalten gewesen sein. Wie gehen Sie damit um? Wer sich mit der umfangreichen Sanierung einer Kirche auseinandersetzt, kann bei der anfänglichen Baubegehung unmöglich alle Risiken erkennen. Es ist deshalb häufig so, dass Schäden zunächst unentdeckt bleiben. Deshalb lässt sich auch nur der tatsächlich festgestellte Sanierungsbedarf begutachten und ausschreiben – die Kostenkalkulation kann sich auch nur darauf beziehen. Entsprechend muss der Bauvertrag gestaltet sein. Ganz wichtig ist, dass die für die Sanierung Verantwortlichen regelmäßig zu Baubesprechungen zusammenkommen, um die aktuelle Entwicklung zu erörtern. Hat Sie das Projekt Beuerberg vor eine besondere Herausforderung gestellt? Ja, das betrifft aber nicht die neuen Biber, wo uns die Verlegung leicht von der Hand dachbau magazin 1-2 | 2017 Sicherung an definierter Stelle Zwar ist jeder der 18 mm dicken und 18 cm breiten Beuerberg-Biber (Länge: 38 cm) im Kopfbereich doppelt gelocht, um den Ziegelkopf auf die Traglatte schrauben zu können. Doch erforderlich ist diese zusätzliche Sicherung lediglich in besonderen Randzonen sowie in den flach geneigten Bereichen, beispielsweise auf den Schleppgauben. Ansonsten hängt der Ziegel aufgrund seines Eigengewichts von 2,5 kg pro Stück (90 kg/m²) mit seinen zwei Nasen sicher an der Traglatte und wird zusätzlich durch den Verband der darüber liegenden Ziegelreihe beschwert. Dennoch mussten gemäß Fachregelwerk Windsogsicherungen mit passenden Sturmklammern gesetzt werden. Gut gesicherte Schleppgauben ▴▴Auf die Denkmalpflege spezialisiert: Hand- werksunternehmer Gero Pappe ging. Vielmehr war die Sanierung der mit stark belasteten Holzschutzmitteln gestrichenen Dachkonstruktion sehr aufwendig. Man konnte nur mithilfe von Folienschleusen, Schutzausrüstung und Atemmasken arbeiten. Und dann wurde auch noch ein Hausschwamm entdeckt, der nicht einfach zu entfernen war. Letztlich ist Beuerberg aber eine wichtige Referenz, die unser Unternehmen erfolgreich gemeistert hat. Herr Pappe, vielen Dank für das Gespräch. Bei Gauben muss man grundsätzlich mit besonderen Windbelastungen rechnen. Deshalb wurde der Ziegelverband rund um die Gauben in engem Abstand durch Klammern gesichert und die Ziegel auf dem regensicheren Unterdach der Schleppgauben verschraubt. Die Schleppgauben bekamen Brust- und Seitenanschlüsse aus Kupferblech. Die Gaubenwangen bestehen aus einer verputzten Lärchenschalung. Für Wartungsarbeiten lassen sich die Gauben zudem als Ausstieg nutzen. In drei Reihen fluchten dazu nötige Leiterhaken, um jeden Ziegel in der ausgedehnten Dachlandschaft erreichen zu können. Weil das Gebäude der Pfarrkirche durch den Staat betreut wird, das Kloster dagegen im Besitz eines kirchlichen Ordens ist, gibt es unterschiedliche Auftraggeber und Etats, um nötige Reparaturen oder gar Sanierungen durchzuführen. So lässt sich erklären, warum sich auf den zahlreichen Dachflächen des Areals mal Biber mit Gerad-, mal mit Segment- und eben mit dem jetzt neu aufgelegten Korbbogenschnitt zusammengefunden haben. Besonders in den Kehlen, wo andere Biberformate mit dem neuen Beuerberg-Ziegel als Nockenkehle gemeinsam eingedeckt wurden, war das handwerkliche Können der Dachdecker gefordert. ■ Mörtelbett für die Denkmalpflege Grat- und Firstziegel trocken zu verlegen und mit Edelstahlklammern zu verschrauben, ist erfahrungsgemäß die beste Sicherungsmaßnahme, damit die Pfannen möglichst lange allen Wetterkapriolen trotzen können. Doch in der Denkmalpflege würde dies nicht akzeptiert. Daher verlegten die Dachdecker entweder den Firstziegel 1 des Herstellers oder alternativ den noch breiter ausgebildeten Firstziegel 2 im Mörtelbett, um Grate und First nach historischem Vorbild abzuschließen. Sonderziegel als Zugabe Bei der Neuverlegung zeigte sich, dass der Beuerberg-Biber in seiner 18er-Deckbreite auf einer kleinen, aber markanten Dachfläche kein harmonisches Deckbild ergab. Dort passten nach Ansicht der Entscheider die Proportionen von Ziegel und Fläche nicht zusammen. Die Lösung: Für eine Sonderproduktion richtete der Ziegelhersteller die dafür nötigen Schneidwerkzeuge auf eine Breite von 20 cm aus. Das Ergebnis: gut 2100 Biber, die jetzt die besagte Sonder- dachbau magazin 1-2 | 2017 S TECK BRIEF Objekt / Standort: Pfarrkirche des Klosters Beuerberg Bauherr und Bauüberwachung: Staatliches Bauamt Weilheim D-82362 Weilheim Denkmalschutz: Landesamt für Denkmalpflege Bayern D-80539 München Dachdecker- und Zimmererarbeiten: Holzbau Gebrüder Pappe GmbH D-99084 Erfurt www.holzbau-pappe.de Produkte: 55 000 Kirchenbiber Modell Beuerberg, 18 × 38 × 1,8 cm, gewellt und gebürstet sowie 2100 Sonderbiber des gleichen Modells, 20 × 38 × 1,8 cm; Firstziegel 1 und 2 Hersteller: Erlus AG www.erlus.com Halle A3 | Stand 403 35
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