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Problemviertel Halle Südpark | Manuskript
Problemviertel Halle Südpark
Bericht: Anett Wundrak
Elfriede Thiele und ihr Mann haben Angst. 5 Wohnungen stehen leer in ihrem Haus im
Südpark, einem Viertel von Halle-Neustadt. Die Sanierung wurde irgendwann abgebrochen.
Türen sind eingetreten oder fehlen ganz.
„Wir wissen nicht, wer hier rumläuft!“
Ein benutzter Herd, Möbel – alles deutet auf regelmäßige Besucher hin.
„Das ist haarsträubend!
Die war am Wochenende noch nicht. Denn ich war ja auch Sonntag früh hier oben.
Warum gehen Sie denn hier hoch?
Na, weil wir gucken, ob die Heizung aufgedreht ist. Oder eventuell Wasser läuft.“
Die Rentner fürchten, dass sie als verbliebene Mieter für anfallende Strom- und
Wasserkosten aufkommen müssen.
„Wenn die nicht einzahlen. Dann stehen wir da!“
Beunruhigende Zustände. Elfriede Thiele hat sich bereits ans Ordnungsamt gewandt.
„Und da war eigentlich jede 3. Antwort so, dass er sagte, das ist Sache des Vermieters. Wir
können dem Vermieter nicht sagen, sie müssen das so oder so machen. Immer wieder: die
haben darauf keinen Einfluss. Nun ist die Luft weg!“
Die Städtische Wohnungsgesellschaft als größter Vermieter hat sich vor 20 Jahren komplett
aus dem Südpark zurückgezogen, über eintausend Wohnungen gingen in private Hände. Ein
Teil der Häuser steht inzwischen leer, andere sind heruntergewirtschaftet.
Der Ausländeranteil ist mit 17 Prozent hier so hoch wie nirgends sonst in Halle. In die
besonders billigen Wohnungen sind auch Flüchtlinge und Arbeitssuchende aus Osteuropa
eingezogen, die meisten von ihnen Roma aus Rumänien. Als EU-Bürger dürfen sie sich in
Deutschland niederlassen. Der Großteil sind Analphabeten, sie sind auf Hilfe angewiesen.
Jeden Tag warten sie auf Petronela Stoica - eine Rumänin - die ihre Dienste als Übersetzerin
direkt auf der Straße anbietet. Gegen ein kleines Entgelt lotst sie die Roma durch Ämter und
Behörden.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Petronela
„Die meisten warten hier, die weiß, dass ich hier sehr oft herkomme, und sagen Petronela
kommt, die liest meine Briefe und da weiß ich, ob ich etwas vom Jobcenter, oder von
Kinder, oder von Arzt oder sonst etwas bekommen habe.“
Frau Stoica ist praktisch immer im Dienst. Wir treffen sie im Südpark wieder. Es geht um
Sperrmüll. Dessen Abtransport will der Vermieter einer Roma-Frau in Rechnung stellen.
„Nein, sie sagt, sind nicht alle meine!“
Die junge Frau will umziehen, hat einen Container bestellt. Drum herum steht plötzlich jede
Menge Müll.
„Also momentan der Mann ist arbeiten, sie versucht jemand mit Auto abholen, aber sie
nehmen nur, was von seiner Wohnung raus geholt ist.“
Im Gegensatz zu den maroden Häusern auf der einen Straßenseite, wo viele Roma wohnen,
ist der Block gegenüber, den Michael Schneider verwaltet, komplett saniert. Sogar einen
Fahrstuhl gibt es. Eigentlich alles so, wie man es sich vorstellt.
„Die Bäder sind alle gefliest. Das sind ja die Dinge, auf die der Mieter heute Wert legt.“
Trotzdem will kaum noch jemand hierher ziehen.
Vor allem lautstarke
Auseinandersetzungen und nächtliche Ruhestörungen beklagen die Mieter von Michael
Schneider.
Michael Schneider, Wohnungsverwaltung P+H Immobilien
„Die leben mit einer unbegrenzten Personenzahl in der Wohnung. Der Deutsche guckt
dann komisch, wenn da morgens 15 Leute aus einer 2-Zimmer-Wohnung kommen. Die
haben halt dort mal übernachtet!“
Wir versuchen mehrfach mit deutschen und nichtdeutschen Bewohnern über die
Nachbarschaft zu reden - aber kaum einer will vor die Kamera.
Elfriede Thiele nimmt kein Blatt vor den Mund. Was ihre Toleranz überschreitet sind Vorfälle
vor ihrem Balkon, direkt an den Mülltonnen.
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Elfriede Thiele
„Sehr schlimm war, dass ein Roma eben nichts weiter zu tun hatte – ich meine die Notdurft
plagt jeden und hier sind keine öffentlichen Toiletten – aber nicht hier fast am Weg. Er
stand hier an den Zeitungstonnen und hat sein Wasser abgeschlagen. Und 2 Frauen, die
haben sich hingesetzt und haben ihr Stuhlgeschäft dort erledigt. Und ich meine, so viel
haben sie schon gelernt überall – auch wenn sie nicht vom Glück gesegnet sind.“
Zum schlechten Image des Südparks trägt aber vor allem die hohe Kriminalität bei.
Seit Oktober hat die Polizei ihre Präsenz deutlich erhöht. Streifen in Uniform und Zivil
patrouillieren durchs Viertel. Auch ohne konkreten Verdacht dürfen sie Personen
kontrollieren. Zusätzlich sind bestimmte Bereiche des Südparks seitdem videoüberwacht.
Ralf Karlstedt, Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd
„Wir haben diesen Bereich festgelegt, weil es einen Anstieg der Straftaten gab von 2015 zu
2016. Dieser Anstieg betrug ungefähr 17 Prozent. Das hat grundsätzlich nichts mit dem
Zuzug der Roma zu tun. Es gab auch Straftaten durch diese Bevölkerungsgruppe, aber
letztendlich ist das nicht ausschlaggebend für den Anstieg.“
Die Maßnahmen zeigen Wirkung: 10 Straftäter konnten überführt und gefasst werden. Die
Kriminalität pegelte sich wieder auf ein durchschnittliches Großstadtniveau ein. Bei den
Bränden ist das noch nicht gelungen. 90 Prozent werden absichtlich verursacht. Ein
deutscher Täter wurde ermittelt .Er sitzt inzwischen in Haft. Aber immer wieder brennen
Keller, Hausflure, Müllcontainer im Südpark.
Die Stadtverwaltung kennt die explosive Gemengelage. Im Januar sind wir dabei, als
Oberbürgermeister Bernd Wiegand zum 2. Mal zu einer Versammlung in die Sporthalle
eingeladen hat.
„Ich freue mich sehr, dass wir auch die Polizei hier vertreten haben.“
Die Stadt will durch mehr Sicherheit und eine bessere Infrastruktur deeskalieren.
An der sozialen Situation im Viertel wird sich dadurch nichts ändern. Schließlich ist hier jeder
5. Bewohner im arbeitsfähigen Alter von Sozialleistungen abhängig. Der Frust auf die Roma,
die an allem schuld sein sollen, bleibt.
Publikum
„Langsam fühlen wir uns verarscht. Ist halt so: die dürfen parken, wo sie wollen und wenn
wir als Deutsche kommen, haben wir einen Strafzettel. (Beifall) Die haben keine!
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Da liegen die kaputten Grills rum mit Grillkohle, die Hunde lecken dran rum und werden
krank.
Bei unseren Kindern steht das Jugendamt immer sofort auf der Matte und da heißt es die
Bösen, bei denen passiert gar nichts.“
Antworten können die Roma darauf nicht - keiner von ihnen war im Saal. Möglicherweise
hatten sie die Einladung gar nicht lesen können. Auch Nachbarschaftstreffen, die das
Zusammenleben verbessern sollten, finden nicht mehr statt. Nachfrage beim
Oberbürgermeister :
Bernd Wiegand
„Wir bieten das weiter an. Wenn der Bedarf nicht da ist, dann kommt natürlich auch keiner
zum Treffen. Wenn die Integration so weit ist, dann wird es da auch keine Treffen geben.
Man kann ja nicht jemanden zu einem Treffen bringen, wenn er nicht dahin gehen möchte.
Sie denken, die Integration ist vollendet …?
Das haben Sie jetzt gesagt. Das ist nicht das, was ich sagen möchte. Die Integration ist eine
große Aufgabe für uns, der wir uns auch stellen.“
Eine Aufgabe, die noch lange nicht bewältigt ist. Einen positiven Aspekt kann
Quartiermanagerin Jana Kirsch dem Ganzen trotzdem abgewinnen.
Jana Kirsch, Quartiersmanagerin
„Die Roma haben das sozusagen möglich gemacht, dass der Blick der Stadtverwaltung, der
freien Träger und vor allem der Wohnungsunternehmen wieder auf den Südpark gelenkt
wurde. Herzlichen Dank an die Roma kann ich da an dieser Stelle nur sagen. Und dass die
sich jetzt mit dem Südpark als einem Teil Halle Neustadts auch auseinandersetzen und
sagen , hier müssen wir schauen, wo können wir an der einen oder anderen Stelle wirken,
damit sich das Wohnumfeld hier verbessert.“
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