Chancenspiegel Schule - Bertelsmann Stiftung

Factsheet
Chancenspiegel Schule:
Bessere Chancen für Schüler,
aber Unterschiede zwischen den Bundesländern
Seit der ersten PISA-Studie im Jahr 2000 geht es mit
unterschiedlichen Schwachstellen. So haben alle Län-
Deutschlands Schulen voran. Die Leistungen haben sich
der – auch angestoßen vom Investitionsprogramm der
verbessert, weniger Schüler bleiben ohne Abschluss. Die
damaligen Bundesregierung – die Ganztagsschule aus-
soziale Herkunft beeinflusst die Chancen der Schüler
gebaut. Mit dem unterschiedlichen Stellenwert des ganz-
­jedoch nach wie vor erheblich. Auch sind die Unterschie-
tägigen Lernens in den Ländern geht allerdings ein sehr
de zwischen den Bundesländern seit 2002 häufig größer
unterschiedliches Ausbautempo einher. 2009 hat sich
­geworden.
Deutschland in der UN-Behindertenrechtskonvention
verpflichtet, das gemeinsame Lernen von Kindern mit
Deutschlands Schulsysteme wurden in den vergan-
und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zu fördern.
genen 15 Jahren modernisiert, aber die Bundesländer
Dies setzten die Bundesländer um – allerdings unter-
haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Zu die-
scheiden sie sich in Vorgehen und Schwerpunktsetzung
ser Bilanz kommt der aktuelle Chancenspiegel, den
zum Teil deutlich. Zudem werden die Schulsysteme vieler
die Bertelsmann Stiftung, die Technische Universität
Länder immer durchlässiger: In fünf Bundesländern sind
Dortmund und die Friedrich-Schiller-Universität Jena
85 Prozent der Klassen der Sekundarstufe an Schulen mit
heute veröffentlichen.
einer Oberstufe, die den Weg zum Abitur oder Fachabitur
öffnet.
Die Analyse schulstatistischer Daten von 2002 bis
2014 zeigt, dass alle Bundesländer trotz gewachsener
Ein gemischtes Bild ergibt sich auch bei den Kompeten-
­Herausforderungen ihre Schulsysteme insgesamt leis-
zen der Neuntklässler: Verschiedene Leistungsstudien
tungsstärker und chancengerechter gemacht
zeigen, dass Deutschland sich insgesamt verbessert hat,
haben
– wenn auch auf unterschiedlichem Niveau und mit
zuletzt aber eher stagniert.
Factsheet Chancenspiegel Schule
Mehr Ganztagsplätze und höhere Schulabschlüsse – aber Herausforderungen bleiben
In den vergangenen dreizehn Jahren ist der Anteil von
Und auch die Chancen benachteiligter Schüler ha-
Schülerinnen und Schülern, die heute ganztags zur
ben sich im betrachteten Zeitraum verbessert – sie
Schule gehen, deutlich angewachsen. Im Jahr 2002/03
bleiben aber die große Herausforderung für die
besuchte mit 9,8 Prozent nur knapp jeder zehnte
Schulpolitik. Dies gilt vor allem für den nach wie
Schüler in Deutschland eine ganztägige Schule. In den
vor starken Zusammenhang von Bildungserfolg und
darauf folgenden Jahren nahm dieser Ganztagsschü-
sozialer Herkunft sowie für Kinder mit besonderem
leranteil stetig zu. Im Schuljahr 2014/15 war es bereits
Förderbedarf und/oder Migrationshintergrund. So
jeder Dritte (37,3 Prozent).
liegen trotz leichter Verbesserungen die Neuntklässler
aus benachteiligten Milieus in ihrer Lesekompetenz
Im betrachteten Zeitraum ebenfalls deutlich ange-
immer noch mehr als zwei Schuljahre hinter ihren
stiegen ist der Anteil von Kindern mit sonderpädago-
Klassenkameraden aus privilegierten Milieus zurück.
gischem Förderbedarf, der in einer allgemeinbildenden Schule lernt. So besuchte im Schuljahr 2002/03
Zwischen den Jahren 2002 und 2011 konnte das ­Risiko
mit 13,3 Prozent aller Förderschüler etwa jeder Achte
eines Schulabbruchs ohne Hauptschulabschluss für
den sogenannten Gemeinsamen Unterricht. Bis zum
ausländische Schüler - ebenso wie für alle Schüler -
Schuljahr 2009/10 stieg dieser Anteil langsam aber
gesenkt werden. Waren es zu Beginn der betrachteten
stetig an auf knapp unter 20 Prozent. Infolge der
Zeitreihe noch 16,7 Prozent aller ausländischen Ju-
UN-Behindertenrechtskonvention (kurz: UN-BRK)
gendlichen, die ihre Pflichtschulzeit ohne Abschluss
nahm die Inklusion dann ab 2009/10 weiter Fahrt
beendeten, lag der entsprechende Anteil im Jahr
auf: Im Schuljahr 2014/15 geht bereits jeder dritte
2011 nur noch bei 12,1 Prozent. Seit diesem Schuljahr
Förderschüler (34,1 Prozent) in eine inklusive Schule.
jedoch haben sich die Entwicklungen entkoppelt:
Denn während der Gesamtanteil der Schüler ohne
Und auch bei den Abschlüssen hat sich das Gesamtbild
Abschluss weiter sank, stieg der der Ausländer zuletzt
in Deutschland verbessert: Im Jahr 2002 erwarb gut
wieder leicht an – bis auf 12,9 Prozent im Jahr 2014.
jeder Dritte (38,2 Prozent) aller Schulabgänger mit
dem Abitur an der allgemeinen oder berufsbildenden
Förderschüler sind heute besser integriert als noch im
Oberstufe das Recht auf Zugang zu einer Hoch- oder
vergangenen Jahrzehnt; immer mehr von ihnen be-
Fachhochschule. 2014 hatten mit 52,2 Prozent bereits
suchen eine allgemeine Schule. Aber: Seit dem Schul-
mehr als die Hälfte aller Schüler diese Chancen.
jahr 2002/03 wächst zugleich der Anteil der Schüler,
denen Förderbedarf attestiert wird – die Förderquote
Zugleich sank in den vergangenen Jahren der Anteil
stieg im Bundesmittel von 5,5 auf 7,0 Prozent. Und
der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss deut-
deshalb werden auch heute noch anteilig fast genauso
lich: Während zu Beginn des Betrachtungszeitraums
viele Kinder wie 2002/03 separat unterrichtet. Damals
noch 9,2 Prozent aller Schüler eines Altersjahrgangs
gingen 4,8 Prozent aller Schüler auf eine Sonderschu-
ihre Pflichtschulzeit ohne Hauptschulabschluss be-
le, im Schuljahr 2014/15 sind es 4,6 Prozent. Damit
endeten, wurde dieses Risiko im Jahr 2014 nur noch
ist zwar die Inklusion im deutschen Schulsystem
bei 5,8 Prozent Realität.
vorangekommen – gleichzeitig sinkt die Exklusion
nur langsam.
Lesehilfe zu den folgenden Grafiken
Der Chancenspiegel arbeitet mit zwei Durchschnittswerten: Die blaue Linie bildet den sogenannten Bundeswert
ab. Dieser deutsche Durchschnittswert wird auf Basis der gesamten Schülerschaft oder aller Schulen Deutschlands
berechnet und zeigt beispielsweise, wie groß der Anteil der Ganztagsschüler innerhalb der gesamten Schülerschaft
Deutschlands ist. Der grau schraffierte Bereich markiert die Spannweite zwischen höchstem und niedrigstem Länderwert im jeweiligen Jahr, die schwarze Linie markiert den sogenannten Ländermittelwert. Berechnet als die Summe der Länderdurchschnitte geteilt durch die Anzahl der Länder eignet er sich insbesondere für den institutionellen
Vergleich der 16 Schulsysteme, auf den der Chancenspiegel fokussiert.
2
Factsheet Chancenspiegel Schule
Anteil der Schüler im Ganztagsbetrieb an allen Schülern, Primarstufe und
Sekundarstufe I, Schuljahre 2002/03 bis 2014/15 (Ganztagsschüleranteil)
Anteil der Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der gleichaltrigen
Wohnbevölkerung, 2002 bis 2014 (Abgängerquote)
In Prozent
In Prozent
90,0
16,0
80,0
14,0
12,0
60,0
50,0
40,0
30,0
14/15
13/14
12/13
11/12
10/11
09/10
08/09
07/08
06/07
05/06
04/05
03/04
02/03
Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf in den allgemeinen
Schulen an allen Schülern mit besonderem Förderbedarf,
Schuljahre 2002/03 bis 2014/15 (Inklusionsanteil)
6,0
5,7
5,8
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
Extremwerte
Ländermittelwert
Anteil der ausländischen Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der
ausländischen Wohnbevölkerung im typischen Abschlussalter,
2002 bis 2014 (Abgängerquote ausl. Schüler)
In Prozent
30,0
In Prozent
25,0
60,0
50,0
40,0
30,0
Bundeswert
15,3
14,0
13,2
12,1
12,8
12,1
12,9
5,0
14/15
13/14
12/13
11/12
Bundeswert
2014
2013
2012
2011
2010
2009
0
10/11
09/10
08/09
07/08
15,9
10,0
Abgangsjahre
06/07
16,2
2008
19,8
16,2
2007
18,4
16,5
2006
17,5
16,9
2005
15,7
34,1
16,7
15,0
2004
14,5
05/06
13,9
04/05
02/03
10,0
12,8
03/04
13,3
25,0
31,4
20,0
2003
20,0
22,3
28,2
Abgängerquote ausl. Schüler
70,0
Inklusionsanteil
6,2
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
80,0
0
6,5
Extremwerte
Ländermittelwert
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Schuljahre
6,9
4,0
Abgangsjahre
Bundeswert
Bundeswert
7,4
6,0
0
Schuljahre
7,8
2007
17,6
8,0
2006
15,2
8,0
2005
12,5
8,5
2004
10,8
8,9
2003
9,8
9,2
8,0
2002
10,0
20,9
32,7
10,0
2002
20,0
24,1
26,9
28,0
30,7
35,4
37,3
Abgängerquote
Ganztagsschüleranteil
70,0
Extremwerte
Ländermittelwert
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Extremwerte
Ländermittelwert
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Anteil der Absolventen mit Hochschulreife an der gleichaltrigen
Wohnbevölkerung aus den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen,
2002 bis 2014 (Hochschulreifequote allg. und berufl.)
In Prozent
Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, die gesondert in
Förderschulen unterrichtet werden, an allen Schülern, Schuljahre 2002/03
bis 2014/15 (Exklusionsquote)
In Prozent
10,0
9,0
8,0
7,0
4,9
4,8
4,8
4,9
4,9
5,0
4,9
4,8
4,8
4,7
4,6
14/15
4,8
13/14
4,8
12/13
5,0
11/12
43,6
10/11
43,0
09/10
42,4
52,2
08/09
41,5
51,1
07/08
39,3
49,2
06/07
38,2
46,7
05/06
40,0
44,8
6,0
04/05
50,0
55,0
03/04
54,9
02/03
60,0
Exklusionsquote
Hochschulreifequote allg. und berufl.
70,0
4,0
3,0
30,0
2,0
Bundeswert
Ländermittelwert
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Extremwerte
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
Abgangsjahre
2002
20,0
1,0
Schuljahre
Bundeswert
Ländermittelwert
Extremwerte
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
3
Factsheet Chancenspiegel Schule
Unterschiede zwischen den Bundesländern sind weiterhin groß und in vielen
Bereichen sogar gewachsen – gemeinsame Standards nötig
Über Chancen und Risiken entscheidet maßgeblich
Eine
das Bundesland. Denn auch wenn sich die bundes-
wicklung von Schülern in Deutschland ist nur sehr
Zeitreihenbetrachtung
der
Leistungsent-
weiten Trends positiv entwickelt haben, zeigen sich
eingeschränkt möglich: Der Chancenspiegel greift
weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen den
im Bundesländervergleich auf die Daten des IQB-Bil-
Bundesländern – die seit 2002 in vielen Aspekten
dungstrends zurück. So lassen sich im Vergleich der
sogar noch größer geworden sind.
Kompetenzwerte von Neuntklässlern – hier z. B.
Lesekompetenz – die Unterschiede zwischen den
So wächst beispielsweise der Anteil der Ganztags-
Jahren 2009 und 2015 darstellen. Die besten Ergeb-
schüler in der oberen und der unteren Ländergrup-
nisse in der Lesekompetenz weisen 2009 Thüringen,
pen im Gruppenmittel unterschiedlich stark an:
Baden-Württemberg, Sachsen und Bayern (mit dem
Während die Länder der oberen Gruppen den Anteil
Höchstwert
der ganztägig lernenden Kinder und Jugendlichen
schneiden Brandenburg, Hamburg, Berlin und Bre-
von 20 Prozent (2002/03) auf knapp über 70 Prozent
men (483 Punkte) ab. Hier beträgt die Differenz zwi-
(Gruppenmittelwerte) steigern, verläuft der Ganz-
schen dem besten und dem schwächsten Bundesland
tagsausbau in den Ländern der unteren Ländergrup-
also 42 Punkte, was etwa einem Lernrückstand von
pe langsamer. Hier besuchten 2002/03 im Mittel 3,7
zwei Jahren entspricht. Sechs Jahre später erzielen
Prozent aller Schüler eine Ganztagsschule, 2014/15
die Neuntklässler in Schleswig-Holstein, Meck-
waren es dann rund 21 Prozent. Der Abstand zwischen
lenburg-Vorpommern, Thüringen und allen voran
den Gruppenmittelwerten vergrößerte sich also im
Sachsen (mit 537 Punkten) die im innerdeutschen
vergangenen Jahrzehnt von 16,3 Prozentpunkten auf
Vergleich besten Leistungen. In Baden-Württemberg,
knapp 50 Prozentpunkte. Zwischen Hamburg und
Hessen, Berlin und Bremen (470 Punkte) hingegen
Bayern liegen im Schuljahr 2014/15 sogar über 73
fallen die Leseleistungen weniger gut aus. 2015 liegen
Prozentpunkte: In Hamburg gehen mit rund 88 Pro-
zwischen Ländern mit den besten und schwächsten
zent, in Sachsen mit rund 80 Prozent bundesweit die
Kompetenzwerten also 67 Punkte – das entspricht
meisten Schüler zu ganztägigen Schulen, in Bayern
einem Rückstand von mehr als drei Schuljahren.
sind es 15 Prozent.
Neuntklässler aus den Stadtstaaten Berlin und Bre-
von 525 Punkten) auf – weniger gut
men bleiben indes mehr als zwei Jahre hinter den
Auch die Öffnung von allgemeinbildenden Schulen
Schülern in ihren umgebenden Flächenländern Bran-
für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf
denburg und Niedersachsen zurück. Von vergleichba-
vollzieht sich in den Bundesländern sehr unter-
ren Kompetenzen – und damit Chancen - kann über
schiedlich. Die durchschnittlichen Exklusionsquoten
die sechzehn Bundesländer hinweg also auch aktuell
der oberen und unteren Ländergruppe driften bis zum
keine Rede sein.
Schuljahr 2008/09 zunehmend auseinander, nähern
sich in den Folgejahren aber wieder an auf 3,5 Pro-
Die Aussicht auf ein Ticket fürs Studium ist insgesamt
zentpunkte (Schuljahr 20014/15). Die Extremwerte
in Deutschland besser geworden. In der oberen Län-
zeigen, dass die Anteile der Schüler in Förderschulen
dergruppe erwerben im Jahr 2002 im Schnitt knapp
in einzelnen Ländern und Jahren mehr als dreimal
44 Prozent aller Absolventen eines Altersjahrgangs
so hoch sind wie in anderen ­
Ländern. So lernen
ein Fachabitur oder Abitur. Bis 2012 wächst der ent-
2014/15 in der oberen Ländergruppe (Stadtstaaten
sprechende Gruppenmittelwert fast stetig an auf 62
und Schleswig-Holstein) im Schnitt 2,6 Prozent
Prozent, sinkt in den Folgejahren allerdings wieder
aller Schüler an einer Förderschule. Spitzenreiter ist
leicht ab. Im Jahr 2014 beträgt der durchschnitt-
hier Bremen mit nur noch 1,5 Prozent Exklusions-
liche Mittelwert der oberen Ländergruppe (Berlin,
quote. In der unteren Ländergruppe, bestehend aus
Baden-Württemberg, Saarland und Hamburg) 59,3
Baden-Württemberg,
Vorpommern,
Prozent. Eine ähnliche Entwicklung, allerdings auf
Sachsen und Sachsen-Anhalt, liegt der Anteil im
Mecklenburg
niedrigerem Niveau und mit etwas mehr Schwankun-
Schnitt bei 6,1 Prozent. Die höchste Quote hat Meck-
gen über die Zeit, durchläuft die untere Ländergrup-
lenburg-Vorpommern mit 6,9 Prozent.
pe. Hier liegt die Abiturientenquote 2002 im Mittel
bei 31,3 Prozent, wächst auf 43,6 Prozent in 2012
4
Factsheet Chancenspiegel Schule
an und fällt in den beiden folgenden Jahren wieder
Folgejahren stetig auf 15,6 Prozent im Jahr 2012 ab,
leicht ab. 2014 beträgt der Mittelwert der unteren
steigt seitdem aber wieder leicht an. 2014 verlässt
Gruppe (Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und
in der unteren Ländergruppe (Nordrhein-Westfalen,
Sachsen-Anhalt) 41,8 Prozent. Dabei liegen zwischen
Schleswig-Holstein, Berlin und Sachsen) mit 18,4
den beiden Ländern mit der höchsten (Hamburg mit
Prozent im Mittel fast jeder fünfte ausländische
62,5 Prozent) und geringsten Quote (Sachsen-Anhalt
Schüler die Schule ohne Schulabschluss. In der obe-
mit 38,1 Prozent) 24 Prozentpunkte – und dieser Ab-
ren Ländergruppe ist der durchschnittliche Anteil
stand hat sich damit seit 2002 (17,6 Prozentpunkte)
ausländischer Schüler ohne Abschluss im Verlauf
vergrößert. Auch die Wahrscheinlichkeit, das Abitur
der Zeitreihe eher angestiegen. 2002 lag er bei 5,5
zu erwerben, ist also aktuell (zu) stark vom jeweiligen
Prozent – dem niedrigsten Wert in den vergangenen
Bundesland abhängig.
gut 15 Jahren. Dieses Durchschnittsniveau kann
nicht gehalten werden – im Jahr 2014 beenden in
Schließlich variieren je nach Bundesland auch die
der oberen Ländergruppe (Brandenburg, Thüringen,
Chancen von Schülern mit ausländischen Wurzeln
Mecklenburg-Vorpommern und Hessen) 8,7 Prozent
auf einen Schulabschluss deutlich. Zwar ist der Anteil
aller ausländischen Schüler eines Altersjahrgangs
der ausländischen Schüler, die ihre Pflichtschulzeit
ihre Schule ohne Abschluss.
ohne
einen
Hauptschulabschluss
beenden,
von
2002 bis 2014 deutschlandweit von 16,7 Prozent auf
Zwischen den beiden Ländern mit den höchsten und
12,9 Prozent gesunken, die Ländergruppen zeigen
den niedrigsten Anteilen von Schülern ohne Abschluss
allerdings unterschiedliche Verläufe: In der unteren
liegen dabei gut 23 Prozentpunkte: In Brandenburg
Ländergruppe schaffen im Jahr 2003 im Länder-
bleiben nur knapp 4 Prozent der ausländischen
mittel 22,8 Prozent keinen Hauptschulabschluss
Schüler ohne Abschluss, in Sachsen hingegen rund 27
(Höchstwert). Dieser Gruppenmittelwert sinkt in den
Prozent.
Lesehilfe zu den folgenden Grafiken
Der Chancenspiegel arbeitet beim Bundesländervergleich mit Ländergruppen: Die obere Ländergruppe umfasst die
25 Prozent der Länder mit günstigeren Werten im jeweiligen Indikator (nachfolgend grün eingefärbt, Gruppenmittelwert benannt), die untere Ländergruppe die 25 Prozent der Länder mit ungünstigeren Werten im dargestellten
Indikator (orange eingefärbt, Gruppenmittelwert ausgewiesen). Die graue Fläche, begrenzt durch die kleineren
grünen und orangen Kreise markieren Extremwerte des jeweiligen Jahres – also die Länder mit den höchsten oder
geringsten Werten im jeweiligen Indikator. Ausgewiesen sind zudem der Bundeswert (die blaue Linie) und der Ländermittelwert (schwarze Linie).
5
Factsheet Chancenspiegel Schule
Anteil der Schüler im Ganztagsbetrieb an allen Schülern, Primarstufe und
Sekundarstufe I, Schuljahre 2002/03 bis 2014/15
In Prozent
(Ganztagsschüleranteil)
90,0
10,0
80,0
9,0
Extremwert
obere Gruppe
Gruppenwert
obere Gruppe
20,3
21,1
8,1
5,0
4,0
7,6
7,2
6,7
4,8
3,8
4,8
3,8
4,9
4,8
4,8
4,9
4,9
5,0
4,9
3,8
3,9
3,9
3,9
3,9
4,0
4,1
Extremwert
untere Gruppe
Extremwert
obere Gruppe
Gruppenwert
obere Gruppe
Bundeswert
Ländermittelwert
6,5
4,8
4,7
3,1
2,8
Gruppenwert
untere Gruppe
6,1
4,6
2,6
14/15
13/14
12/13
10/11
09/10
Schuljahre
08/09
14/15
13/14
12/13
Gruppenwert
untere Gruppe
6,4
2,0
07/08
19,3
4,8
3,3
3,0
18,2
In Prozent
8,1
6,0
1,0
Bundeswert
Ländermittelwert
8,0
06/07
16,7
30,7
37,3
7,8
05/06
15,6
28,0
10/11
11,2
13,1
26,9
09/10
8,8
24,1
08/09
Schuljahre
7,7
20,9
07/08
03/04
0
6,2
17,6
06/07
4,7
12,5
15,2
05/06
10,8
3,7
10,0
25,4
04/05
9,8
02/03
20,0
23,4
32,7
35,4
7,7
04/05
33,4
30,0
20,0
44,4
11/12
40,4
40,0
7,5
03/04
50,0
54,3
7,0
61,5
7,2
02/03
52,4
57,2
60,1
Exklusionsquote
60,0
8,0
70,8
11/12
70,5
70,0
Ganztagsschüleranteil
Anteil der Schüler mit besonderem Förderbedarf, die gesondert in
Förderschulen unterrichtet werden, an allen Schülern,
Schuljahre 2002/03 bis 2014/15 (Exklusionsquote)
Extremwert
untere Gruppe
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Vergleich der in den Jahren 2009 und 2015 erreichten Kompetenzstände
von Schülerinnen und Schülern der 9. Jahrgangsstufe im Kompetenzbereich
Lesen im Fach Deutsch (IQB-Bildungstrend 2015)
Anteil der Absolventen mit Hochschulreife an der gleichaltrigen
Wohnbevölkerung aus den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen,
In Prozent
2002 bis 2014 (Hochschulreifequote allg. und berufl.)
Hamburg
499
502
3
Hessen
508
498
-10
Mecklenburg-Vorp.
509
522
13
Niedersachsen
506
503
-3
Nordrhein-Westfalen
506
499
-7
Rheinland-Pfalz
513
501
-11
Saarland
508
500
-7
Sachsen
524
537
12
Sachsen-Anhalt
511
520
9
Schleswig-Holstein
506
521
15
Thüringen
515
522
7
Deutschland
512
506
-6
mittlere Gruppe
untere Gruppe
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
20,0
Abgangsjahre
Extremwert
obere Gruppe
34,2
34,5
Gruppenwert
obere Gruppe
39,2
Bundeswert
Ländermittelwert
43,6
42,5
Gruppenwert
untere Gruppe
59,3
52,2
41,8
2014
-13
33,1
37,9
2013
17
470
31,4
38,9
2012
518
483
31,3
35,0
36,9
49,2
Extremwert
untere Gruppe
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
Anteil der ausländischen Abgänger ohne Hauptschulabschluss an der
ausländischen Wohnbevölkerung im typischen Abschlussalter,
In Prozent
2002 bis 2014 (Abgängerquote ausl. Schüler)
30,0
25,0
22,8
20,0
21,1
16,7
16,9
21,1
20,6
20,4
16,5
16,2
16,2
15,0
19,4
19,0
15,9
15,3
18,4
16,3
14,0
16,3
17,0
16,0
15,6
12,1
12,8
12,1
7,0
7,3
7,6
8,0
2012
501
Bremen
30,0
42,4
46,7
2011
Brandenburg
obere Gruppe
-7
41,5
50,7
44,8
2011
490
39,3
49,1
43,6
61,1
55,0
51,1
2010
496
38,2
48,7
43,0
62,0
54,9
2010
Berlin
40,0
48,7
54,0
2009
-8
47,3
13,2
10,0
7,0
5,0
5,5
6,4
7,4
8,1
6,9
6,5
6,2
2009
517
45,1
2008
525
43,9
2008
Bayern
50,0
2007
-23
52,5
2007
498
2006
521
57,7
2005
Baden-Württemberg
60,0
2004
Differenz
2015–2009
2003
Mittelwert
Lesekompetenz
2015
2002
Mittelwert
Lesekompetenz
2009
Abgängerquote ausl. Schüler
BUNDESLAND
Hochschulreifequote allg. und berufl.
70,0
12,9
8,7
Extremwert
obere Gruppe
Gruppenwert
obere Gruppe
Bundeswert
Ländermittelwert
Datengrundlage: Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz.
6
Gruppenwert
untere Gruppe
2014
2013
2006
2005
2004
2003
2002
0
Abgangsjahre
Extremwert
untere Gruppe
Factsheet Chancenspiegel Schule
Der Blick nach vorn: Das Reformtempo darf nicht nachlassen
Ein öffentliches Schulsystem muss für vergleichbare
überbewertet werden sollte, gilt es hier dennoch in
Chancen sorgen und ein Mindestmaß an Fähigkeiten
der Zukunft, genau hinzuschauen. Es wird eine der
vermitteln. Aber: Wenn die Reformen im bisherigen
großen zukünftigen Herausforderungen des deut-
Tempo weitergehen, würde es noch mindestens drei
schen Schulsystems, zugewanderten Jugendlichen
Jahrzehnte dauern, bis alle Kinder in Deutschland ei-
zumindest einen Hauptschulabschluss zu ermögli-
nen Ganztagsschulplatz erhalten. Auch bei der Inklu-
chen - auch wenn sie nur einen Teil des deutschen
sion würde es noch über ein Jahrzehnt dauern, bis die
Schulsystems durchlaufen haben.
Exklusionsquote hinreichend gesenkt würde. Wenn
die individuelle Förderung nicht weiter vorangetrie-
Bessere Chancen für alle Schüler in allen Bundeslän-
ben und in allen Schulform der Sekundarstufe fest
dern können dann entstehen, wenn Bund und Länder
verankert wird, werden die Unterschiede zwischen
mehr in die Schulsysteme investieren. Benötigt werden
Kindern
bildungsfernen
ein Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz sowie der
Schichten sich nicht verringern wird, der Anteil von
konsequente Ausbau des inklusiven Regelschulsys-
Kindern ohne Schulabschluss nicht weiter gesenkt
tems. Dabei muss Qualität vor Geschwindigkeit gehen
werden können. Und auch wenn der sich zuletzt
– die Länder brauchen gemeinsame Qualitätsstan-
abzeichnende leichte Anstieg von ausländischen
dards z. B. für die individuelle Förderung in inklusiv
Schülern ohne (Hauptschul-)Abschluss an sich nicht
arbeitenden Schulen und für das ganztägige Lernen.
aus
bildungsnahen
und
Projekt Chancenspiegel
Impressum
Der Chancenspiegel ist ein ergänzendes Instrument
© Bertelsmann Stiftung
der Bildungsberichterstattung, das Chancengerech-
März 2017
tigkeit konkret erfassbar und vergleichbar macht. Der
Chancenspiegel basiert auf einem umfassenden Verständnis von Chancengerechtigkeit, das unterschiedliche Theorieansätze zusammenführt und operationalisiert. In den vier Dimensionen Integrationskraft,
Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256
33311 Gütersloh
www.bertelsmann-stiftung.de
Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zertifi-
Verantwortlich
katsvergabe bewertet er ausgewählte Indikatoren
Dr. Nicole Hollenbach-Biele
aus den amtlichen Statistiken und empirischen Leistungsvergleichsstudien. Der Chancenspiegel ist ein
Gestaltung
gemeinsames Projekt der Bertelsmann Stiftung, des
Markus Diekmann, Bielefeld
Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) der
Technischen Universität Dortmund und des Instituts
für Erziehungswissenschaft (IfE) der Friedrich-Schil-
Titelfoto
shutterstock / wavebreakmedia
ler-Universität Jena. Mit dem ausführlichen Ergebnisband „Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz“ findet
das gemeinsame Projekt nach sieben Jahren einen
Abschluss.
Alle im Factsheet enthaltenen und
weiterführende Informationen können unter
www.chancen-spiegel.de ­­­abgerufen werden.
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