HEGEL 1/17 Wie Sie einen verantwortlichen Beauftragten für Lohnund Sozialdumping bestellen, damit er im Ernstfall tatsächlich haftet 1.0 Vorbemerkungen Verwaltungsstrafen, insbesondere auch jene aufgrund von Verstößen gegen das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) betreffen nahezu immer natürliche Personen. Dieser HEGEL beschäftigt sich ua damit, a) wie verantwortliche Beauftragte (zB für Lohndumping) bestellt werden und b) mit welcher Kompetenz sie ausgestattet sein müssen, um zu haften, und c) ob es rechtlich zulässig ist, mit ihm zu vereinbaren, dass die Gesellschaft jedenfalls die verhängten Strafen übernimmt. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem lesenswerten und hochinteressanten Artikel von Dr. Stefan Köck: „Verwaltungsstrafen im Arbeitsverhältnis: Tragung und Übernahme durch die Gesellschaft“ in der Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (ZAS) 6/2016; Verlag MANZ. 2.0 Der verantwortliche Beauftragte im Verwaltungsstrafrecht 2.1 § 9 VStG – die zentrale Norm der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung § 9 VStG lautet (Hervorhebungen durch den Autor): (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist (Anm Autor: Das sind zB die Geschäftsführer einer GmbH). (2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich © Kanzlei Mag. Ernst Patka: www.patka-knowhow.at; [email protected] Ihre Personalrechtsprofis (Tina Dangl und Ernst Patka) mit der U.N.I-Wissensvermittlung ( Unterhaltsam & Nachhaltig & Informativ) 1 abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. (3) Eine natürliche Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen. (4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind. (5) Verletzt der verantwortliche Beauftragte auf Grund einer besonderen Weisung des Auftraggebers eine Verwaltungsvorschrift, so ist er dann nicht verantwortlich, wenn er glaubhaft zu machen vermag, daß ihm die Einhaltung dieser Verwaltungsvorschrift unzumutbar war. (6) Die zur Vertretung nach außen berufenen Personen im Sinne des Abs. 1 sowie Personen im Sinne des Abs. 3 bleiben trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten – unbeschadet der Fälle des § 7 – strafrechtlich verantwortlich, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben. (7) Juristische Personen (zB GmbH) und eingetragene Personengesellschaften sowie die in Abs. 3 genannten natürlichen Personen haften für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlichen Beauftragten verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand. Bitte beachten Sie: Liegt ein Verstoß gegen die Regeln des LSD-BG vor, kann jeder einzelne Geschäftsführer einer GmbH bestraft werden. Ausnahmen: a) Es wurde aus dem Kreis der Geschäftsführer ein "verantwortliches Vertretungsorgan“ bestellt oder b) die Geschäftsführer haben die Verantwortung einem sonstigen "verantwortlich Beauftragten" übertragen. 2.2 Auf diese 7 Punkte, sollten Sie bei der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für das LSD-BG achten Bestellung 1. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ist nur einvernehmlich möglich. 2. Sie ist grundsätzlich formfrei möglich, doch da die Bestellung gegenüber der Verwaltungsbehörde nachgewiesen werden muss (erst dann verlagert sich die Haftung auf den verantwortlichen Beauftragten), ist die Schriftform zu empfehlen. © Kanzlei Mag. Ernst Patka: www.patka-knowhow.at; [email protected] Ihre Personalrechtsprofis (Tina Dangl und Ernst Patka) mit der U.N.I-Wissensvermittlung ( Unterhaltsam & Nachhaltig & Informativ) 2 Hinweis: Wird einer der Geschäftsführer zum verantwortlichen Beauftragten bestellt, sollte dies per Gesellschafterbeschluss beschlossen oder zumindest von den Gesellschaftern genehmigt werden. 3. Praxistipp: Eine Zustimmung zum verantwortlichen Beauftragten für einen konkret umschriebenen, abgegrenzten Bereich (zB für die Einhaltung der LSD-BG-Bestimmungen) kann bereits im Dienstvertrag eingeholt werden. Die bereits im Dienstvertrag eingeholte Zustimmung hat den Vorteil, dass ein grundloser Widerruf oder eine grundlose Weigerung, die zugesagte Verantwortung zu übernehmen, ist ein Dienstvertragsbruch und hat daher entsprechende arbeitsrechtliche Konsequenzen. Hingegen ist eine sehr allgemein gehaltene Verpflichtung des Dienstnehmers im Dienstvertrag, noch nicht konkretisierte Bestellungen in der Zukunft zuzustimmen, nicht ausreichend; die konkrete Zustimmung des Dienstnehmers ist im Bestellungsfall noch separat einzuholen. 4. Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung, die der verantwortliche Beauftragte übernommen hat, wird zur Dienstpflicht. Ich fasse zusammen: Damit die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten wirksam ist, muss diese entsprechend gründlich und genau vorgenommen werden. Befugnisse des verantwortlichen Beauftragten 5. Weitere Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten sind: strafrechtliche Verfolgbarkeit; Hauptwohnsitz im Inland bzw bei Staatsangehören aus EWR-Staaten Möglichkeit zur Vornahme von Zustellungen am Wohnsitz. Bei dem Bereich, für den die zum verantwortlichen Beauftragten bestellte Person verantwortlich ist, muss es sich um "räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche" des Unternehmens handeln. So kann der für die Einhaltung der LSD-BG-Bestimmungen verantwortliche Beauftragte diesbezüglich für das gesamte Unternehmen oder nur für definierte Betriebe, Niederlassungen, Filialen oder auch Abteilungen verantwortlich sein. 6. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ist, dass dieser eine eindeutige "Anordnungsbefugnis" im "klar abzugrenzenden" Verantwortungsbereich besitzt. Die Erteilung dieser Befugnis ist der Behörde nachzuweisen. Die Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung auf den verantwortlichen Beauftragten setzt voraus, dass dieser auch die Befugnis hat, die Einhaltung seiner Anordnungen systematisch zu überwachen oder überwachen zu lassen. © Kanzlei Mag. Ernst Patka: www.patka-knowhow.at; [email protected] Ihre Personalrechtsprofis (Tina Dangl und Ernst Patka) mit der U.N.I-Wissensvermittlung ( Unterhaltsam & Nachhaltig & Informativ) 3 Praxistipp: Es ist sinnvoll, bereits im schriftlichen Dienstvertrag oder anlässlich der Bestellung eine ausdrückliche Weisungsbefugnis für den betreffenden Verantwortungsbereich vorzusehen. Der Dienstgeber kann – sollte er zur Strafzahlung verpflichtet worden sein – beim verantwortlichen Beauftragten die bezahlte Strafe regressieren 7. Das Unternehmen haftet "zur ungeteilten Hand" (=primäre Solidarhaftung) für die Verwaltungsstrafen gemäß § 9 Abs 7 VStG, die über verantwortliche Beauftragte verhängt werden. Der Dienstgeber ist aufgrund seiner unmittelbaren Haftung berechtigt, die Verwaltungsstrafe direkt zu bezahlen. Anschließend kann sich der Dienstgeber gemäß §§ 896 und 1358 ABGB beim verantwortlichen Beauftragter – analog wie bei anlässlich einer GPLAS nachgezahlten Lohnsteuern – regressieren. 3.0 Ist die Übernahme der über den verantwortlichen Beauftragten verhängten Strafe durch den Dienstgeber rechtlich erlaubt? 3.1 Zusage der Strafenübernahme im Vorhinein zulässig? Nach ständiger höchstgerichtliche Rechtsprechung ist eine Vereinbarung, wonach der Dienstgeber im Vorhinein zusagt, verwaltungsstrafrechtliche Geldstrafen zu übernehmen, sittenwidrig und daher unwirksam (absolute Nichtigkeit!). Der Grund für diese Sichtweise liegt darin, dass eine Vorwegzusage, dass der Dienstgeber die Strafen übernimmt, keine präventive – dh keine straftatvermeidende – Wirkung hat. 3.2 Zusage der Strafenübernahme im Nachhinein zulässig? Arten der Übernahme der Strafe Eine Übernahme der Verwaltungsstrafe im Nachhinein kann auf 2 Arten erfolgen: a) Der Dienstgeber ersetzt zur Gänze oder teilweise die vom Dienstnehmer bezahlte Strafe oder b) der Dienstgeber bezahlt die Strafe aufgrund seiner unmittelbaren Haftung zunächst selbst und regressiert anschließend beim Dienstnehmer. Da beide Arten rechtlich und wirtschaftlich gleichwertig sind, werden in der Folge beide gemeint, wenn von Übernahme der Strafe gesprochen wird. © Kanzlei Mag. Ernst Patka: www.patka-knowhow.at; [email protected] Ihre Personalrechtsprofis (Tina Dangl und Ernst Patka) mit der U.N.I-Wissensvermittlung ( Unterhaltsam & Nachhaltig & Informativ) 4 Die 5 Grundsätze, die Sie rund um die Übernahme von Strafen kennen sollten 1. Da ein Strafanspruch des Staates keinen zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch auslöst ist das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz nicht anwendbar. Ebenso sind Verwaltungsstrafen nicht ersatzfähig nach § 1414 ABGB dh: Der Dienstnehmer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Übernahme der Strafe durch den Dienstgeber. 2. Die Geschäftsführung eines Unternehmens unterliegt bei der Zusage, die Verwaltungsstrafen, die einen verantwortlichen Beauftragten betreffen, den Bindungen des Gesellschaftsrechtes. Sollten keine rechtfertigenden Gründe für die Übernahme der Strafe vorliegen, macht sich der Entscheider selbst gegenüber der Gesellschaft strafbar. 3. Das bedeutet, dass die Entscheidung, die Verwaltungsstrafen, die einen verantwortlichen Beauftragten betreffen, zu übernehmen, aufgrund von Umständen getroffen wird, die entweder das Verschulden des verantwortlichen Beauftragten relativieren oder die Übernahme der Strafe ist im Interesse der Gesellschaft liegt Solche Umstände sind bspw: a) Es liegt die Übernahme der Strafe im Interesse der Gesellschaft (zB Es wird dadurch ein Medienwirbel vermieden) b) Es liegt ein niedriger Verschuldensgrad vor UND es wäre für den bestraften Dienstnehmer existenzbedrohend, müsste er die Strafe zahlen. c) Der Dienstnehmer handelte nicht pflichtwidrig. 4. Aufgrund der oa Punkte 2 + 3 ergibt sich, dass eine Automatik, wonach sich der bestrafte Dienstnehmer darauf verlassen kann, dass seine Strafe vom Dienstgeber übernommen wird, den gesellschaftsrechtlichen Regeln widerspricht und daher unzulässig ist. 5. Empfehlung an die Praxis: Im Unternehmen sollte hinsichtlich der Frage, ob der Dienstgeber gegenüber dem Dienstnehmer verhängte Verwaltungsstrafen übernimmt, eine „unternehmensseitige Befassungspflicht“ einrichten. Dh: Das Unternehmen legt Kriterien fest (Ausmaß des Verschuldens, liegen besondere Tatumstände vor, existenzbedrohende Höhe der Strafe uvm), anhand derer es im Einzelfall entscheidet, ob es die Strafe übernimmt. © Kanzlei Mag. Ernst Patka: www.patka-knowhow.at; [email protected] Ihre Personalrechtsprofis (Tina Dangl und Ernst Patka) mit der U.N.I-Wissensvermittlung ( Unterhaltsam & Nachhaltig & Informativ) 5
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