SWR2 Wissen

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Wissen
Ein neuer Stern am Radiohimmel:
MoRo – der erste Moderationsroboter der ARD
Von Udo Zindel
Sendung: Dienstag, 28. Februar 2017, 8.30 Uhr
Redaktion: Anja Brockert
Regie: Udo Zindel
Produktion: SWR 2017
Liebe Hörerinnen und Hörer, wahrscheinlich ist Ihnen aufgefallen, dass es in SWR2 Wissen am
Fasnachtsdienstag nicht ganz mit rechten Dingen zuging: Wir haben uns erlaubt, den „ersten
Moderationsroboter der ARD“ vorzustellen. Zum Glück gibt es solche hochintelligenten Geräte (noch?)
nicht. Tatsächlich will diese Sendung für den Reiz der natürlichen menschlichen Stimme und vor allem
für lebendige ModeratorInnen mit Charakter werben. Die sind und bleiben unersetzlich!
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des
Urhebers bzw. des SWR.
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MANUSKRIPT
Anja Brockert:
Willkommen zu einer Sendung, wie es sie in SWR2 Wissen noch nie gab! Am
Mikrofon ist Anja Brockert.
In der kommenden halben Stunde werden wir Ihnen, das kann ich ohne Übertreibung
sagen, eine technische Revolution vor Ohren führen: Vor wenigen Tagen hat der
SWR ein halbes Dutzend Moderationsroboter angeschafft. Das sind ultramoderne
Geräte, mit einer so fortgeschrittenen Software, dass sie durch Sendungen führen
und sogar Gespräche leiten können. Und was Sprachklang und Reaktionsfähigkeit
angeht, soll es keinen Unterschied geben zu Moderatoren aus Fleisch und Blut.
Eines dieser Geräte wird in wenigen Minuten das Wort an Sie richten, in der
tatsächlich allerersten Pilotsendung dieser neuen Technik. Und weil das auch eine
Sternstunde der Rundfunkgeschichte ist, haben wir den Intendanten des
Südwestrundfunks, Peter Boudgoust, ans Mikrofon gebeten:
Grußwort des Intendanten Peter Boudgoust:
Liebe Hörerinnen und Hörer,
ich wende mich heute persönlich an Sie, denn in wenigen Minuten wird der
Südwestrundfunk einen großen Schritt in die Zukunft des Radios wagen. Hier, in
SWR2, tritt gleich der erste Moderationsroboter der ARD auf. Seien Sie unbesorgt –
in dieser Versuchsphase ist selbstverständlich auch noch eine Kollegin aus Fleisch
und Blut mit am Mikrofon. Und auch in absehbarer Zeit werden Moderationsroboter
längst nicht durch alle Sendungen des SWR führen. Diese technisch
hochentwickelten Geräte sollen nur den Kolleginnen und Kollegen der Früh-, Spätund Nachtschichten die Arbeit erleichtern. Zwischen 23 Uhr abends und 7 Uhr
morgens werden in Zukunft alle Hörfunkprogramme des SWR von
Moderationsrobotern – kurz MoRos – präsentiert. So wollen wir die Schichtarbeit im
Hörfunk menschlicher gestalten – und Mut zu technischem Fortschritt zeigen.
Fortschritt an vorderster Front: Der SWR ist mit der BBC in Großbritannien und
National Public Radio in den USA der weltweit erste Sender, der diese ultramoderne
Technik einsetzt. Viel Hörvergnügen wünscht Ihnen – nein noch nicht der
Moderationsroboter – sondern Ihr Peter Boudgoust
Anja Brockert:
Eine so kühne technische Revolution hat natürlich auch ihren Preis – das soll hier
nicht verschwiegen werden: Jeder Roboter kostet 637.000 Euro, eine stattliche
Summe, die sich aber, laut dem SWR-Verwaltungsdirektor Jan Büttner, in den
kommenden zehn Jahren amortisieren soll. Das Geld, versichert er, sei ebenso
sinnvoll wie zukunftsweisend angelegt. Aber jetzt hören Sie selbst:
Anja Brockert:
Ich begrüße nun unseren neuen Mitarbeiter, zum aller ersten Mal, hier im Studio:
Hallo und herzlich willkommen – MoRo H-i-1 Punkt Null.
MoRo schließt die Studiotür und beginnt heran zu surren
2
MoRo:
(noch von ferne) Hallo, Anja Brockert – vielen Dank!
Anja Brockert:
Der Roboter hat jetzt hier sehr geschickt die Studiotür aufgemacht, mit einem seiner
drei Greifarme, dann hat er sie ganz leise wieder geschlossen, faszinierend, und jetzt
surrt er hier zu mir rüber.
MoRo surrt allmählich näher
MoRo:
Es erscheint mir höflicher, wenn Sie mich direkt ansprechen, Frau Brockert.
Anja Brockert:
Okay, gerne, ich wollte das nur kurz den Hörerinnen und Hörern beschreiben. Ich
erkläre jetzt mal eben Ihre Bezeichnung, oder soll ich sagen: Ihren Namen, während
Sie ans Mikrofon rollen.
MoRo:
Ich rolle nicht ans Mikrofon – mein Sprachsystem ist per WLAN direkt mit der
Senderegie verbunden. Ich rolle nur in Ihre Nähe.
Anja Brockert:
MoRo also steht für Moderationsroboter, 1 Punkt Null ist die weltweit erste Version
dieses erstaunlichen Gerätes. Was bedeutet denn H-i, lieber – ich darf Sie doch
„Kollege“ nennen?
MoRo:
Selbstverständlich, liebe Anja Brockert, ich bin Ihr Kollege, oder genauer: Wir sind
Ihre Kollegen – der SWR hat insgesamt fünf Geräte meiner Bauart angeschafft.
Anja Brockert:
Und was heißt nun HI?
MoRo:
HI steht für High Intelligence, ich bin mit hochentwickelter, brandneuer Software
ausgestattet, aus einer Innovationsschmiede in San Jose, Silicon Valley, Kalifornien,
USA.
Anja Brockert:
Eindrucksvoll! Ihre Stimme klingt auch gar nicht so monoton und blechern.
MoRo räuspert sich
Anja Brockert:
Wie man sich das bei Robotern so vorstellt. Woher haben Sie denn Ihr sonores, ich
würde fast sagen erotisches Timbre?
3
Hier tauchen die ersten herberen Hänger und andere störende Effekte auf
MoRo:
Oh danke, Frau Brockert. Mein Sprachklang ist im Augenblick nach der
Originalstimme eines prominenten Radiosprechers moduliert. Sein Name ist leider
nicht Teil meines Speicherinhaltes.
Anja Brockert:
Wie schade!
MoRo:
Die Hörfunkdirektion plant bereits, ein Dutzend weiterer Originalstimmen in mein
System einzuspeisen: Für den Fall, dass Moderatoren erkranken oder im Stau
stehen, oder wegen Unwetter oder winterlichem Glatteis zu spät in den Sender
kommen. In solchen – und anderen – Fällen stehen ich und meine elektronischen
Kollegen jederzeit bereit.
Anja Brockert:
Das ist ja praktisch!
MoRo:
Und ich versichere Ihnen: Wenn Sie Karl-Rudolf Mencke oder Andreas Rupniak z. B.
im Original kennen – Sie werden keinen Unterschied zu meinem Sprachklang hören,
wenn die Parameter der beiden erst einmal eingespeist sind.
Anja Brockert:
Ja, das würde ich Ihnen zutrauen. Sie können offensichtlich nicht nur moderieren,
sondern auch auf Fragen reagieren.
MoRo:
Korrekt, Frau Brockert, mein Spracherkennungssystem dekodiert den Inhalt von
Fragen in Millisekunden und gleicht ihn mit hochkomplexer Antwort-Software ab.
Anja Brockert:
Aha, aber da höre ich doch leichte Unsauberkeiten in der Modulation heraus.
MoRo:
Da bitte ich um Verständnis. Meine Software ist erst wenige Wochen alt. Und auch
bei Ihnen, als Moderatorin aus Fleisch und Blut, wie das gerne genannt wird, dürfte ja
mal das eine oder andere ähh vorkommen. Oder ein Räuspern.
Anja Brockert:
Ja, das kommt vor. Das ist ja auch nur menschlich!
MoRo:
Mein Sprachklang wird technisch erzeugt: Erkältungskrankheiten, belegte Stimme,
Husten, Heiserkeit, Frosch im Hals – all das ist bei mir und meinen Mitgeräten
ausgeschlossen.
4
Anja Brockert:
Reicht Ihre Software auch aus, um Hörfunk-Interviews zu führen, wie der Hersteller
das verspricht?
MoRo:
Ich will nicht arrogant klingen, aber im Gegensatz zu Ihnen kann ich, während ich ein
Interview führe, parallel im Internet recherchieren, über drahtlose
Hochgeschwindigkeitsnetze. So erkunde ich die Biografie von Gesprächspartnern,
spüre ihre Wissenslücken und Irrtümer auf und untermauere eigene Argumente.
Anja Brockert:
Toll. Aber wie ist denn das, wenn Sie jetzt in einer Live-Sendung sind? Wie
formulieren Sie da Ihre Statements und Fragen, wenn der Druck steigt?
MoRo:
Ich habe kein Nervensystem, ich unterliege weder Zeitdruck noch Stress. Und ich
ermüde nicht.
Anja Brockert:
Aha, und wie formulieren Sie, im Eifer des Gefechts – aus dem Stegreif, oder wie?
MoRo:
Nun, Frau Brockert, als Journalistin dürften Sie über einen deutlich
überdurchschnittlichen Wortschatz verfügen.
Anja Brockert:
Danke – Sie sind heute offensichtlich auf Charme programmiert!
MoRo:
Der bei, grob geschätzt, 80.000 Wörtern liegen dürfte. Sehr respektabel! Geheimrat
von Goethe brachte es auf ca. 90.000 Wörter.
Anja Brockert:
Oho, wie nett, dass Sie mich mit Goethe vergleichen!
MoRo:
Mein System kann auf mehr als 620.000 Wörter zugreifen – auf den gesamten Inhalt
des Großen Duden und mehrere Slang- und Dialektwörterbücher, inklusive
Mittelhochdeutsch. Außerdem auf alle gebräuchlichen Helvetismen – Eigenheiten
des Schweizerdeutschen, in den Klangfärbungen sämtlicher grenznaher
deutschsprachiger Kantone.
Anja Brockert:
(pfeift kurz durch die Zähne) – alle Achtung! Aber das wird doch in unserem
Sendegebiet gar nicht gebraucht.
MoRo:
Alles Teil meiner Standardsoftware für Mitteleuropa.
5
Anja Brockert:
OK! Sind denn auf Ihrer Festplatte auch Funktionen gespeichert, die hier konkret im
SWR-Sendegebiet nützlich sind?
MoRo:
Fraglos, Frau Brockert: Mein holografisches Speichergedächtnis verfügt über vier
Millionen Terabyte customized Software, die eigens auf die Programme des SWR
zugeschnitten wurde. Wir können uns gerne auf Schwäbisch, Badisch, Alemannisch
unterhalten, auf Pfälzisch, Eifeler Platt oder Moselfränkisch – wenn Sie dieser
Dialekte mächtig sind.
Anja Brockert:
… oder in meinem Heimatdialekt, dem Plattdeutschen – falls Sie dessen mächtig
sind …
MoRo:
Das wäre dann die Version für Norddeutschland, die in Kürze auf den Markt kommt.
Anja Brockert:
Vielen Dank erst einmal an MoRo H-i-1 Punkt Null. In etwa einer Viertelstunde
sprechen wir hier miteinander weiter, und dann wird sicher auch Zeit sein, dass Sie,
lieber Kollege, uns einige Ihrer Dialekt- und Sprachfähigkeiten ganz praktisch
vorführen.
MoRo:
No objections at all, Mrs. Brockert – nein, ganz im Ernst, das wird mir ein Vergnügen
sein.
Musik
Anja Brockert:
Wir haben es gehört: Die Software für den brandneuen elektronischen Kollegen
MoRo H-i-1 Punkt Null stammt aus dem kalifornischen Silicon Valley. Der Roboter
selbst, die Hardware, dagegen wird in der Bundesrepublik gebaut: in einer
ehemaligen Konserven- Fabrik in Halle an der Saale, im Bundesland SachsenAnhalt. Das heruntergekommene Backsteingebäude stand mehr als zweieinhalb
Jahrzehnte leer. Nun erstrahlt es in neuem Glanz. Das Startup-Unternehmen
„Robomowa“ ist vor knapp einem Jahr eingezogen. Seither entwerfen und bauen
Ingenieure, Mechatroniker und zwei Dutzend andere Berufsgruppen den „Body“ für
MoRo H-i-1 Punkt Null. Pia Fruth hat die junge Firma besucht.
Draußen Straßeatmo mit Krähengeschrei, und Schritte auf Kies.
Pia Fruth:
Die alte Fabrikuhr auf dem Firmengelände von Robowoma zeigt noch immer kurz vor
halb acht. Genau wie an jenem Freitag im November 1983, als die ehemalige
Konservenfabrik geschlossen wurde. Das Uhrenglas ist zersplittert, die Spitze des
6
Minutenzeigers abgebrochen. Ein seltsamer Anblick, den Robomowa-Firmenchef
Gert Wilke aber wichtig findet. Darum hat er die alte Uhr bei der Sanierung der
ehemaligen Konservenfabrik ausgespart.
O-Ton Gert Wilke:
Nur wenn man weiß, was man überwinden will, kann man wirklich etwas Neues
anfangen. Ich bin Jahre lang hier in der Nähe zur Schule gegangen und jeden Tag
an dieser alten Fabrikhalle vorbei gelaufen. Gegenüber liegt ein riesiges Gefängnis.
Es ist ein Ort krassester Gegensätze. Und darum habe ich mir schon als Kind
gewünscht, genau hier drin etwas Neues anzufangen. Dieser Stadtteil von Halle
heißt schließlich Frohe Zukunft. Das ist doch ein gutes Motto.
Pia Fruth:
2016 kam die Chance. Weltweit wurde ein Design-Wettbewerb für startupUnternehmen ausgeschrieben, um der amerikanischen Sprach-Software eine äußere
Form zu geben. Gert Wilke ist studierter Industrie-Designer. Nächtelang brütete er
mit seinem Schulfreund, dem Mechatroniker Markus Meinhard, über Stapeln von
Entwürfen. Das Endergebnis fand man in den Vereinigten Staaten ebenso genial wie
förderungswürdig. Mit drei Millionen Dollar Anschubfinanzierung gründeten Gert
Wilke und Markus Meinhard in Halles Stadtteil Frohe Zukunft gemeinsam
Robomowa. Vor sechs Wochen lief ihr erster Moderations-Roboter vom Band –
bestellt von National Public Radio in Washington D.C.
Stanzen in einer Industriehalle
O-Ton Markus Meinhard:
In einem ersten Schritt fertigen wir die Arme aus Carbonfasern. Schauen Sie, die
sind ungefähr so dick wie mein Unterarm. Die haben in jede Richtung drehbare
Gelenke. Und die Bauteile sind auch nicht ganz gerade, sondern leicht gebogen.
O-Ton Gert Wilke:
Diese minimale Biegung im Arm ist wichtig. Sie ähnelt der des menschlichen
Oberarms. Dadurch bekommt die Maschine etwas Organisches. Sie soll ja nicht kalt
und tot wirken.
O-Ton Markus Meinhard:
Dort drüben, am Fenster werden die Rollen gefertigt, auf denen sich der Roboter
bewegt. Aus geräuscharmem Flüstergummi. (lacht) Er kann sich im Studio leiser
bewegen als jeder Mensch, obwohl er 180 Kilo schwer ist! Greifhände bauen wir im
ersten Stock. Dafür brauchen wir eine ganze Etage. Hände sind nämlich etwas
Hochkomplexes.
Pia Fruth:
Das sensibelste Stück des Roboters ist aber sein, soll man sagen: Kopf. Im Inneren
liegt ein Gewirr von Dioden, Drähten, und Platinen – montiert und verlötet von
Produktionsrobotern, mit denen das startup versucht, die Stückkosten im Rahmen zu
halten. Von außen ist nur eine blanke Hightech-Stahlbox zu sehen. Und natürlich ein
Touchscreen, um den Roboter zu bedienen.
7
O-Ton Markus Meinhard:
Wir haben lange überlegt, ob wir MoRo ein Gesicht geben sollen, haben uns dann
aber dagegen entschieden. Wir wollen lieber ein funktionales Design, Reduktion,
kein Kokolores, kein Schnickschnack. Ich denke, darum haben wir den Zuschlag
gekriegt.
Atmo Nähmaschine
O-Ton Gert Wilke:
Unser Design ist an die geniale Schlichtheit des Zen angelehnt. Ein
pseudonaturalistisches Gesicht bei einer Maschine würde dazu in krassem
Widerspruch stehen und würde künstlicher wirken, als eben diese klare Form der
gebürsteten Stahlbox, finden wir. Wenn ein Kunde jetzt aber eine persönlichere Optik
für seinen MoRo haben möchte, gibt es die Möglichkeit, von unseren Näherinnen ein
eigenes Outfit nähen zu lassen. Wir haben da eine kleine Kollektion entworfen. Die
reicht von fetzig bis edel.
Pia Fruth:
Am Ende der Montagestraße rollt gerade Baunummer 34 des MoRo H-i-1 Punkt Null,
vom Band, konfektioniert als freundliche junge Kollegin: knapper beiger Cordminirock
über dem Edelstahlgehäuse, weiße Romantikbluse und Cowboyboots, die die
Flüstergummmi-Rollen geschickt verdecken. Eine Bestellung für einen texanischen
Country-Radiosender, sagt Wilke stolz und streicht der MoRo-Lady zum Abschied
über die blanke Stahlbox. Was er ihr für ihren Job in Amerika wünscht?
O-Ton Gert Wilke:
Ist doch klar (lacht) … Eine Frohe Zukunft.
O-Ton Markus Meinhard:
(lacht auch)... genau! Was auch sonst ...
Anja Brockert:
Er kommt taufrisch von seinem Hersteller in Sachsen, ist mit geradezu
atemberaubender künstlicher Intelligenz ausgestattet und auf Vielseitigkeit
programmiert – MoRo H-i-1 Punkt Null, der erste Moderationsroboter der deutschen
Rundfunkgeschichte, heute zum ersten Mal auf Sendung, hier in SWR2 Wissen.
Anja Brockert:
Ein ultramodernes Gerät …
MoRo:
„Kollege“ zöge ich als Anrede vor, liebe Anja Brockert ...
Anja Brockert:
… ein ultramoderner Kollege also, aus Kaliforniens Softwareschmiede San Jose,
unter anderem mit einem Wortschatz von mehr als 620.000 Wörtern. Obwohl Ihre
Software aus Übersee stammt, beherrschen Sie nach eigenen Aussagen allerlei
süddeutsche Dialekte. Würden Sie uns mal eine Kostprobe geben?
8
MoRo:
Dazu müssten Sie in meinem Menü die Spracheinstellung ändern. Ein Mausklick
links oben.
MoRo surrt in Position, damit Anja Brockert ihn bedienen kann
Anja Brockert:
(murmelt vor sich hin, während sie sich durch klickt)
Sprachsteuerung:
language selection: German – activated
dialect selection: please choose
Anja Brockert:
Ah, da seh ich’s – Suebian, das müsste Schwäbisch sein.
Sprachsteuerung:
dialect selection: Suebian – please confirm
Anja Brockert klickt zweimal
Anja Brockert:
Jetzt bin ich gespannt, was passsiert …
Sprachsteuerung:
dialect selection: Suebian – activated
MoRo:
(auf breitem Schwäbisch) Ha Dangge, liabe Frau Brockert – obwohl se mi en de USA
brogrammierd hend, schwätz i fir mai Läba gern Schwäbisch. I soll ja au auf SWR4
eigsetzt werda – „SWR4 do send mir dahoim“.
Anja Brockert:
(ist überrascht, amüsiert, antwortet in leidlich brauchbarem Schwäbisch)
Heiligsblechle, lieber Herr MoRo, wie Sie des nohkriagat …
Anja Brockert murmelt und klickt weiter unter dem folgenden Absatz, sucht
nach anderen Dialekten.
MoRo:
Ha wissat Se, des ischd ja net bloß auf meim Mischt gwachsa, sondern s‘ Ergäbnis
obachenen Fleißes von Kultur- und Dialektforschern, Linguischtikern und
Softwareschpezialischden, alles blitzgscheide Leit.
Anja Brockert:
(überrascht, vor sich hin) Na so was, ich seh grade: Bayerisch beherrschen Sie
auch?
9
Sprachsteuerung:
dialect selection: Bavarian activated
MoRo:
I scho, Frau Brockert, bin hoid a Mordsmaschien. Boarisch find I persöhnlich
bsonders griabig. (springt zurück auf Schwäbisch:) Wäret se iebrigens so freindlich,
au meine Fremdsprachafonktiona vorzomfiehra, Frau Brockert – (Bayrisch:) heid is ja
mei erster Auftritt im Radio?
Anja Brockert:
Ein Mausklick oben links, nehme ich an.
Sprachsteuerung:
Language selection – please choose
Anja Brockert:
Ach, ich klicke mal auf Griechisch, Englisch kann ja jeder ...
Sprachsteuerung:
Language selection: Greek – please confirm
Anja Brockert klickt zweimal
Sprachsteuerung:
Language selection: Greek – activated
MoRo spricht Griechisch mit breitem bayerischem Akzent
MoRo:
(mit breitem bayerischen Akzent) Efcharistó polí, agapití kyría Brockert! Que ime
étimos, na parousiáso tin ekpombí „SWR international“, ya dis ellinides akroátries
que éllines akroatés sti nótio Jermanía, ólli esís pou katágeste apo ti Thessaloniki to
Volo ti nótio pelopónnisso. Iste kalothechúmeni sto prógrammá mas.
Anja Brockert:
… und was heißt das, bitte, dieser Kauderwelsch?
MoRo:
Ya na to kataláwete, prépi na me epanaférete sto menou glossa sti Jermanikí.
Anja Brockert:
(klickt sich durch, murmelt)
Sprachstrg.:
Language selection: German – activated
10
MoRo:
(Bayerisch) I hob grod griechische Hörerinnen und Hörer willkommen ghoaßn –
meine Kollegn und i soin ja au immer wieder moi …
Anja Brockert:
Moment! (sie klickt und sucht)
Sprachstrg.:
dialect selection: Bavarian – deactivated
MoRo:
… die Sendung „SWR international“ moderieren, für Migrantinnen und Migranten im
Sendegebiet.
Anja Brockert:
Sie sind ja ein elektronischer Tausendsassa, lieber Kollege …
MoRo:
Zehntausendsassa wäre passender, liebe Frau Brockert, bei aller Bescheidenheit.
Mein Menü ist damit noch längst nicht erschöpft.
Anja Brockert:
Was haben Sie denn noch so auf der Platte?
MoRo:
Gender selection zum Beispiel – freie Geschlechterwahl.
Anja Brockert:
… wie soll ich das denn verstehen?
MoRo:
Ich kann wahlweise als Moderator oder Moderatorin auftreten, mein jeweils anderes
Geschlecht ist nur drei Mausklicks entfernt.
Anja Brockert murmelt und klickt
Sprachsteuerung:
Gender selection: please choose
Gender selection: female – please confirm
Anja Brockert:
Nur drei Mausklicks entfernt, hmm?
Anja Brockert klickt
Sprachsteuerung:
Gender selection: female – activated
11
MoRo:
Sie hören, Frau Brockert, dass mein weibliches Timbre dem männlichen in nichts
nachsteht. Diese Stimmfärbung wird von männlichen Hörern als durchaus erotisch
empfunden. Unsere Baureihe ist tatsächlich universell.
Anja Brockert:
Jetzt weiß ich gar nicht, wie Sie mir besser gefallen, als Mann oder als Frau.
Anja Brockert lässt MoRo mehrmals stimmlich hin- und herspringen.
MoRo:
Ich persönlich ziehe gender selection male vor, liebe Kollegin ...
Es treten vermehrt digitale Aussetzer bei MoRo auf.
MoRo:
… aus Gründen, die hier keine Rolle spielen – und ich schlage vor, dass wir das
auch so …
Anja Brockert:
Ach, ich lass Sie probehalber mal auf female stehen, liebe Kollegin …
MoRo:
Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass nur autorisierte SystemAdministratoren in Rücksprache mit dem Hörfunkdirektor …
Anja Brockert:
Also ich finde, Sie klingen hübsch so!
MoRo:
(haspelt hier unverständlich und digital gestört mit weiblicher Färbung vor sich hin)
Anja Brockert:
Na, so ganz rund läuft Ihr Sprachsystem aber noch nicht.
MoRo:
Digitale Aussetzer, für die ich mich in aller Form entschuldigen möchte –an der
Artikulationssoftware wird noch gearbeitet. Spätestens mit dem 1.1 Update ist das
Geschichte.
Anja Brockert:
Das wäre Ihnen zu wünschen! Ein wenig Sendezeit bleibt uns – was aus Ihrem
beeindruckenden Menü lohnt sich denn noch, den Hörerinnen und Hörern
vorzustellen?
12
MoRo:
Wir könnten Stunden damit füllen. Nur ein Beispiel: In meine Software flossen
brandaktuelle Strategie-Beschlüsse der SWR-Geschäftsleitung ein: Meine Anmutung
ist auf verschiedene Alters- und Gesellschaftsgruppen einstellbar.
Anja Brockert:
In welchem Modus funktionieren Sie denn gerade?
MoRo:
„Kulturradio“: seriös, kultiviert, distinguiert, was Humor angeht eher sparsam.
Anja Brockert:
Ah, ich sehe schon: rechter Mausklick
Anja Brockert klickt und murmelt
Sprachsteuerung:
presentation mode: please choose
… und klickt
Sprachsteuerung:
presentation mode: digital natives – activated
„Robota“ Bass-drum-Effekte
MoRo:
Ja und schon ist der abgefuckte Oldie-Ton von eben Geschichte. Das geht ja gar
nicht – labern wie Jesus oder Moses persönlich. Jezz haun wir mal richtig auf die
Kacke und blasen Euch die Eier mit n‘ paar übelz geilen Titeln aus den Altro-Charts
weg. Hammer-Tracks, Leute, jetzt geht‘s ab …
Anja Brockert:
(knapp, echt abgetörnt) Danke, wie krieg ich diese Funktion wieder raus?
MoRo:
No problem, Anja, ein cooler Klick auf den Undo-Button und …
Anja Brockert beginnt zu klicken und murmeln.
MoRo:
Na, checkst Du‘s jetzt Alte, oder was …
Anja Brockert klickt und murmelt.
Anja Brockert:
Glaube ja …
13
MoRo:
… und schon befinden wir uns wieder auf dem ehernen Boden des Kulturradios,
seriös, kultiviert, distinguiert. Was Humor angeht, eher sparsam.
Anja Brockert:
Das ist doch ein wunderbares Schlusswort, für diesen Parforceritt durch die Menüs
unseres brandneuen Moderationsroboters. Ich danke meinem Kollegen/meiner
Kollegin MoRo H-i-1 Punkt Null für diesen absolut ersten Auftritt im ARD-Hörfunk. Es
wird ja wohl nicht der letzte gewesen sein.
MoRo:
(Hochdeutsch, männlich:) Davon ist auszugehen. (Sächsisch, weiblich:) Es war mir
ein Vergnügen. Auf baldiges Wiederhören! (Bayrisch, männlich:) Servus, Ihr oidn
Wurschthäut! Macht‘zes guat! Pfiat eich!
Musik
Anja Brockert:
Ich begrüße jetzt Johannes Weiß im Studio, den scheidenden Programmchef von
SWR2. Herr Weiß, Sie gehörten am Anfang eher zu den Skeptikern, als die
Einführung von Moderationsrobotern diskutiert wurde. Haben Sie Ihre Haltung
geändert?
Johannes Weiß:
Ja, das habe ich, Frau Brockert, muss ich ganz ehrlich sagen, Ich hatte zunächst
wirklich große Zweifel ob der Moderationsroboter es schafft, an unsere wirklich
erfahrenen, vorzüglichen Moderatorinnen und Moderatoren heran zu reichen. Ich
habe mich dann doch eines Besseren belehren lassen und muss sagen, ich war
begeistert von dem technischen Fortschritt. Ich glaube, das wird wirklich sehr, sehr
gut!
Anja Brockert:
Jetzt, liebe Hörerinnen und Hörer, sind Sie gefragt: Was sind Ihre Eindrücke und
Kommentare zum Moderationsroboter? Rufen Sie uns an, auch wenn Sie Fragen an
unseren Programmchef haben: 07221/2000. 07221/2000. Herr Weiß, waren Sie
denn zufrieden mit MoRos erstem Auftritt eben?
Johannes Weiß:
Sehr viel zufriedener als damals im Werk. Ich hab‘ ihn ja zum ersten Mal im Werk
gehört, und da dachte ich – na, da muss aber noch ein bisschen nachgebessert
werden. Und wir sind auch ganz dankbar natürlich, dass der Hersteller uns einen
Software-Ingenieur zur Verfügung stellt, zumindest für die ersten Wochen, denn das
hat sich ja eben super angehört, aber ich glaube, dass wir da auch noch ein bisschen
justieren müssen, das bleibt gar nicht aus.
Anja Brockert:
Sie klingen jetzt ganz optimistisch und zuversichtlich. Haben Sie nicht ein bisschen
auch die Sorge, dass das Radio seelenlos wird, wenn wir diese Geräte einsetzen?
14
Johannes Weiß:
Nein, ich glaube, dass es gelingen wird, aufgrund des enormen technischen
Fortschritts, dass diese Originalität unserer Morgenmoderatorinnen beispielsweise:
Ulla Zierau, Katharina Eickhoff, Reinhard Hübsch, Doris Maull, dass diese Originalität
schon sehr bald von dem Moderationsroboter erreicht wird. Es hängt davon ab, auch
ob die Hörer das Ganze mitmachen. Das ist natürlich auch ein Test. Ich bin der
festen Überzeugung, dass die Hörer keinen Unterschied merken werden, dass sie
begeistert sein werden – aber jetzt lassen Sie uns erst mal diesen Test machen.
Anja Brockert:
Das Thema treibt die Hörer offensichtlich um – wir haben schon den ersten Anrufer in
der Leitung: Herrn Walter Pach aus Koblenz …
Walter Pach:
Das klingt ja alles gut, sozusagen geradezu erschreckend gut. Aber das finde ich ist
ja gerade der Haken. Wenn nämlich keine äähs und öhs mehr fallen und keine
Stotterer, dann ist der halbe Spaß doch weg! Diese Liste der Top Ten – der besten
Radioversprecher. Also mir bringt das keinen Spaß mehr zuzuhören, wenn es keine
Fehler mehr gibt und wenn es nichts Menschliches mehr gibt, bei den Moderatoren!
Johannes Weiß:
Äh, ich darf Ihnen sagen, als Programmchef krieg‘ ich massivste Beschwerden, wenn
denn wirklich mal Versprecher kommen. Und die Beschwerden sind wesentlich
häufiger als die Leute, die dann sagen, Mensch, das war jetzt aber schön, dass sich
der Kollege da mal versprochen hat – und statt „verbreitete Glätte“ „vorbereitete
Glätte“ gesagt – oder statt „Statistisches Bundesamt“ „buddhistisches Standesamt.“
Walter Pach:
Ich find‘ das total toll und es gibt viele Leute, die sich darüber unterhalten, es wird ins
Netz gestellt, und das Menschliche fehlt mir dabei!
Anja Brockert:
Vielen Dank, Herr Pach, das beruhigt natürlich auch mich, Ihr Statement, mich als
Moderatorin, als menschliche Moderatorin – und jetzt haben wir eine Hörerin, die
gerade angerufen hat. Sie heißt Elsbeth Schnepf aus Offenburg. Hallo, Frau
Schnepf!
Elsbeth Schnepf:
Hallo, Guten Tag!
Anja:
Was möchten Sie über den Moderationsroboter erfahren?
Elsbeth Schnepf:
Bin ich jetzt schon im Radio?
Anja Brockert:
Ja, Sie sind da!
15
Elsbeth Schnepf:
Und, und Sie sind jetzt echt, oder?
Anja Brockert:
(Schnepf brabbelt darunter weiter) Ja, ich bin echt – und der Programmchef ist auch
echt!
Elsbeth Schnepf:
Was?
Anja Brockert:
Der Programmchef ist auch echt!
Elsbeth Schnepf:
Ah ja, gut, gut. Also ich wollt‘ sagen, also ich bin jetzt ganz aufgeregt, weil also dass
es des bei uns in Deutschland gibt, finde ich richtig klasse! Ich war nämlich jetzt
grade in England, bin jetzt eben zurück gekommen, weil wir haben da Verwandte –
mein Mann ist Engländer und da hab‘ ich des nämlich schon mal gehört, so’n
Moderationsroboter, bei der BBC. Ich hab‘ des dann extra eingeschaltet, weil ich
davon gehört hatte, dass die des schon haben oder probieren oder so. Und also ich
fand’s toll, muss ich echt sagen, ich hab‘ nämlich gar keinen Unterschied hören
können …
Anja Brockert:
(verhalten) Aha …
Elsbeth Schnepf:
… zur menschlichen Stimme, des ist jetzt doof für Sie, gell? Aber, ja, so war des halt.
Johannes Weiß:
… darf ich, darf ich Ihnen was sagen? Sie haben uns jetzt natürlich ertappt. Ich gebe
ganz offen zu, wir haben das tatsächlich bei der BBC abgeguckt. Also …
Elsbeth Schnepf:
… ja, ja, ja …
Johannes Weiß:
… Ich bin nämlich auch in London gewesen und habe mir das angesehen …
Elsbeth Schnepf:
… ach ...
Johannes Weiß:
… und war genauso begeistert wie Sie …
Elsbeth Schnepf:
… ach, Sie haben des sogar gesehen?
16
Johannes Weiß:
… ja ja, ja ja …
Anja Brockert:
Ja, das ist also eine deutsch-britische Kooperation sozusagen …
Elsbeth Schnepf:
Aha!
Johannes Weiß:
… und wissen Sie, wir gehen nach dem Motto vor, warum soll man nicht etwas auch
nachmachen, was andere vorzüglich vormachen. Und die BBC ist eine fantastische,
äh, Rundfunk … äh, Anstalt, also...
Elsbeth Schnepf:
… und was ich jetzt au richtig gut finde, also wegen den Arbeitsplätzen halt von den
Leuten. Also wenn die nachts arbeiten müssen, bei Ihnen dort, also moderieren, des
ist ja ganz ungesund, eigentlich …
Johannes Weiß:
… isses, isses …
Elsbeth Schnepf:
… und des finde ich schon gut, wenn die nicht mehr nachts arbeiten müssen, dann
bleiben die wahrscheinlich auch ein bisschen fitter und gesünder …
Johannes Weiß:
… das hoffe ich sehr, ja …
Anja Brockert:
… hmm, aber es werden weniger werden, ne, das ist das Problem! Ja, gut! Vielen
Dank, Frau Schnepf aus Rastatt, für Ihren Anruf und für Ihr Statement, ein Plädoyer
für den Moderationsroboter. Wir haben noch eine Frage, und zwar von unserer
Hörerin Heide Busch aus Offenburg. Guten Tag Frau Busch, … schön, dass Sie
anrufen, Ihre Frage an unseren Chefredakteur Johannes Weiß:
Heide Busch:
Ich wollte mal nachfragen, ob es unbedingt sein muss, einen Mensch durch einen
Roboter zu ersetzen … Also ich finde, wir werden ja überrollt von der Technik. Und
jetzt auch noch im Radio!
Johannes Weiß:
Also ich hab‘ selbst viele Jahre lang moderiert und wusste genau, also es ist
wahnsinnig anstrengend, sich immer wieder zu fragen, was interessiert jetzt die
Hörer, was muss ich auswählen, wie kann ich’s so machen, dass die Hörer das
wirklich attraktiv finden. Und wenn ich jetzt weiß, der Computer macht das für mich,
dann entlastet mich das enorm!
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Ich weiß nicht, ob Sie mal bei Amazon ein Buch bestellt haben, Das ist ja auch das
Tolle, Sie müssen sich gar nicht mehr entscheiden, welches Buch Sie wollen – man
sagt Ihnen: Das ist das Buch, das musst Du kaufen. Und so ist es ja im Sender auch,
dass dieser Computer uns endlich davon entlastet, immer zu auswählen zu müssen:
was ist wichtig, was ist weniger wichtig. Also ich kann Ihnen versprechen, machen
Sie sich keine zu großen Sorgen – es entlastet unsere Kolleginnen und Kollegen
enorm!
Anja Brockert:
Frau Busch, sind Sie überzeugt?
Heide Busch:
Ähm, ja, noch nicht so! Weil ich denke, wo führt denn das hin. Wir können ja nicht
mal mehr eine Reise bestellen, ohne dass man mit dem Anrufbeantworter verbunden
wird – und jetzt auch noch im Radio!
Johannes Weiß:
Also da gebe ich Ihnen recht, denn diese Anrufbeantworter… Aber ich verspreche
Ihnen, Sie haben’s ja auch vielleicht schon gehört, Frau Busch: Unsere
Moderationsroboter sind wirklich Lichtjahre weiter als diese Anrufbeantworter, die
Sie, mit Recht – mich auch – total nerven.
Heide Busch:
Aber die Person fehlt. Mir fehlt dann das Persönliche!
Johannes Weiß:
Aber das werden Sie nicht merken – ich versprech‘s Ihnen!
Anja Brockert:
Vielen Dank, Frau Busch! Herr Weiß, es war ein positives Statement dabei, der Rest
ist ausgesprochen kritisch. Was machen Sie, wenn sich der Unmut über die
Moderationsroboter häuft, wenn es sogar vielleicht zu Hörerprotesten kommt. Wie
wird der SWR reagieren?
Johannes Weiß:
Das haben wir ja immer wieder gehabt, das wir enorme Hörerproteste hatten. Da gibt
es einfach zwei Möglichkeiten: entweder man macht das Ganze rückgängig, denn wir
machen ja Programm für die Menschen. Das ist ja nicht so, dass uns der SWR
gehört, sondern das ist eine Veranstaltung der Gesellschaft – Gebührenzaher zahlen
– und wenn so viel Unmut ist, dass die Leute das nicht wollen, dann werden wir das
wieder einstellen. Diese Größe besitzen wir. Ich bin allerdings der Überzeugung, das
wird nicht passieren. Ähm, ich habe auch schon Programmreformen erlebt, wo es
enorme Proteste gab – und heute sind die Menschen alle sehr glücklich damit!
Anja Brockert:
SWR2 wird also von heute an auch von elektronischen Sprachsystemen moderiert,
von sogenannten Moderationsrobotern. Aber Sie, Herr Weiß, Sie sind und bleiben
nach wie vor unser echter, menschlicher Programmchef?
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Johannes Weiß:
Frau Brockert, ich überhöre jetzt mal den ironischen Unterton dabei. Ich will Ihnen
zwei Dinge wirklich sehr ernsthaft sagen: Erstens: Wenn Sie sich mal einen Tag an
meinen Schreibtisch setzen, dann würden Sie merken, das kann wohl, zumindest
noch, ein Computer nicht machen. Aber etwas Zweites möchte ich noch hinzufügen.
Sagen wir mal so: das ist eine Demut, die uns Journalisten sehr gut tut, grade uns
Medienleuten. Und der Satz lautet: Jeder, Frau Brockert, ist ersetzbar!
Anja Brockert:
Vielen Dank, Johannes Weiß, auch für diese abschließenden Worte!
Sie selbst bleiben uns ja nur noch wenige Wochen erhalten – im März übernimmt
offiziell Wolfgang Gushurst die Programmleitung. Bleiben Sie unserem Programm
treu, auch weiterhin, als Hörer – unseren menschlichen und elektronisch erzeugten
Stimmen!
Ja, das war eine echte Sternstunde in SWR2 Wissen heute. Sie wurden Zeugen des
absolut ersten Auftritts eines Moderationsroboters in der deutschen
Rundfunkgeschichte. Am Mikrofon war Anja Brockert.
MoRo:
… und Ihr MoRo H-i-1 Punkt Null. Auf baldiges Wiederhören!
Musik
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