SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Wissen Ein neuer Stern am Radiohimmel: MoRo – der erste Moderationsroboter der ARD Von Udo Zindel Sendung: Dienstag, 28. Februar 2017, 8.30 Uhr Redaktion: Anja Brockert Regie: Udo Zindel Produktion: SWR 2017 Liebe Hörerinnen und Hörer, wahrscheinlich ist Ihnen aufgefallen, dass es in SWR2 Wissen am Fasnachtsdienstag nicht ganz mit rechten Dingen zuging: Wir haben uns erlaubt, den „ersten Moderationsroboter der ARD“ vorzustellen. Zum Glück gibt es solche hochintelligenten Geräte (noch?) nicht. Tatsächlich will diese Sendung für den Reiz der natürlichen menschlichen Stimme und vor allem für lebendige ModeratorInnen mit Charakter werben. Die sind und bleiben unersetzlich! Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Wissen können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/wissen.xml Die Manuskripte von SWR2 Wissen gibt es auch als E-Books für mobile Endgeräte im sogenannten EPUB-Format. Sie benötigen ein geeignetes Endgerät und eine entsprechende "App" oder Software zum Lesen der Dokumente. Für das iPhone oder das iPad gibt es z.B. die kostenlose App "iBooks", für die Android-Plattform den in der Basisversion kostenlosen Moon-Reader. Für Webbrowser wie z.B. Firefox gibt es auch sogenannte Addons oder Plugins zum Betrachten von E-Books: Mitschnitte aller Sendungen der Redaktion SWR2 Wissen sind auf CD erhältlich beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden zum Preis von 12,50 Euro. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Bestellungen per E-Mail: [email protected] Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de MANUSKRIPT Anja Brockert: Willkommen zu einer Sendung, wie es sie in SWR2 Wissen noch nie gab! Am Mikrofon ist Anja Brockert. In der kommenden halben Stunde werden wir Ihnen, das kann ich ohne Übertreibung sagen, eine technische Revolution vor Ohren führen: Vor wenigen Tagen hat der SWR ein halbes Dutzend Moderationsroboter angeschafft. Das sind ultramoderne Geräte, mit einer so fortgeschrittenen Software, dass sie durch Sendungen führen und sogar Gespräche leiten können. Und was Sprachklang und Reaktionsfähigkeit angeht, soll es keinen Unterschied geben zu Moderatoren aus Fleisch und Blut. Eines dieser Geräte wird in wenigen Minuten das Wort an Sie richten, in der tatsächlich allerersten Pilotsendung dieser neuen Technik. Und weil das auch eine Sternstunde der Rundfunkgeschichte ist, haben wir den Intendanten des Südwestrundfunks, Peter Boudgoust, ans Mikrofon gebeten: Grußwort des Intendanten Peter Boudgoust: Liebe Hörerinnen und Hörer, ich wende mich heute persönlich an Sie, denn in wenigen Minuten wird der Südwestrundfunk einen großen Schritt in die Zukunft des Radios wagen. Hier, in SWR2, tritt gleich der erste Moderationsroboter der ARD auf. Seien Sie unbesorgt – in dieser Versuchsphase ist selbstverständlich auch noch eine Kollegin aus Fleisch und Blut mit am Mikrofon. Und auch in absehbarer Zeit werden Moderationsroboter längst nicht durch alle Sendungen des SWR führen. Diese technisch hochentwickelten Geräte sollen nur den Kolleginnen und Kollegen der Früh-, Spätund Nachtschichten die Arbeit erleichtern. Zwischen 23 Uhr abends und 7 Uhr morgens werden in Zukunft alle Hörfunkprogramme des SWR von Moderationsrobotern – kurz MoRos – präsentiert. So wollen wir die Schichtarbeit im Hörfunk menschlicher gestalten – und Mut zu technischem Fortschritt zeigen. Fortschritt an vorderster Front: Der SWR ist mit der BBC in Großbritannien und National Public Radio in den USA der weltweit erste Sender, der diese ultramoderne Technik einsetzt. Viel Hörvergnügen wünscht Ihnen – nein noch nicht der Moderationsroboter – sondern Ihr Peter Boudgoust Anja Brockert: Eine so kühne technische Revolution hat natürlich auch ihren Preis – das soll hier nicht verschwiegen werden: Jeder Roboter kostet 637.000 Euro, eine stattliche Summe, die sich aber, laut dem SWR-Verwaltungsdirektor Jan Büttner, in den kommenden zehn Jahren amortisieren soll. Das Geld, versichert er, sei ebenso sinnvoll wie zukunftsweisend angelegt. Aber jetzt hören Sie selbst: Anja Brockert: Ich begrüße nun unseren neuen Mitarbeiter, zum aller ersten Mal, hier im Studio: Hallo und herzlich willkommen – MoRo H-i-1 Punkt Null. MoRo schließt die Studiotür und beginnt heran zu surren 2 MoRo: (noch von ferne) Hallo, Anja Brockert – vielen Dank! Anja Brockert: Der Roboter hat jetzt hier sehr geschickt die Studiotür aufgemacht, mit einem seiner drei Greifarme, dann hat er sie ganz leise wieder geschlossen, faszinierend, und jetzt surrt er hier zu mir rüber. MoRo surrt allmählich näher MoRo: Es erscheint mir höflicher, wenn Sie mich direkt ansprechen, Frau Brockert. Anja Brockert: Okay, gerne, ich wollte das nur kurz den Hörerinnen und Hörern beschreiben. Ich erkläre jetzt mal eben Ihre Bezeichnung, oder soll ich sagen: Ihren Namen, während Sie ans Mikrofon rollen. MoRo: Ich rolle nicht ans Mikrofon – mein Sprachsystem ist per WLAN direkt mit der Senderegie verbunden. Ich rolle nur in Ihre Nähe. Anja Brockert: MoRo also steht für Moderationsroboter, 1 Punkt Null ist die weltweit erste Version dieses erstaunlichen Gerätes. Was bedeutet denn H-i, lieber – ich darf Sie doch „Kollege“ nennen? MoRo: Selbstverständlich, liebe Anja Brockert, ich bin Ihr Kollege, oder genauer: Wir sind Ihre Kollegen – der SWR hat insgesamt fünf Geräte meiner Bauart angeschafft. Anja Brockert: Und was heißt nun HI? MoRo: HI steht für High Intelligence, ich bin mit hochentwickelter, brandneuer Software ausgestattet, aus einer Innovationsschmiede in San Jose, Silicon Valley, Kalifornien, USA. Anja Brockert: Eindrucksvoll! Ihre Stimme klingt auch gar nicht so monoton und blechern. MoRo räuspert sich Anja Brockert: Wie man sich das bei Robotern so vorstellt. Woher haben Sie denn Ihr sonores, ich würde fast sagen erotisches Timbre? 3 Hier tauchen die ersten herberen Hänger und andere störende Effekte auf MoRo: Oh danke, Frau Brockert. Mein Sprachklang ist im Augenblick nach der Originalstimme eines prominenten Radiosprechers moduliert. Sein Name ist leider nicht Teil meines Speicherinhaltes. Anja Brockert: Wie schade! MoRo: Die Hörfunkdirektion plant bereits, ein Dutzend weiterer Originalstimmen in mein System einzuspeisen: Für den Fall, dass Moderatoren erkranken oder im Stau stehen, oder wegen Unwetter oder winterlichem Glatteis zu spät in den Sender kommen. In solchen – und anderen – Fällen stehen ich und meine elektronischen Kollegen jederzeit bereit. Anja Brockert: Das ist ja praktisch! MoRo: Und ich versichere Ihnen: Wenn Sie Karl-Rudolf Mencke oder Andreas Rupniak z. B. im Original kennen – Sie werden keinen Unterschied zu meinem Sprachklang hören, wenn die Parameter der beiden erst einmal eingespeist sind. Anja Brockert: Ja, das würde ich Ihnen zutrauen. Sie können offensichtlich nicht nur moderieren, sondern auch auf Fragen reagieren. MoRo: Korrekt, Frau Brockert, mein Spracherkennungssystem dekodiert den Inhalt von Fragen in Millisekunden und gleicht ihn mit hochkomplexer Antwort-Software ab. Anja Brockert: Aha, aber da höre ich doch leichte Unsauberkeiten in der Modulation heraus. MoRo: Da bitte ich um Verständnis. Meine Software ist erst wenige Wochen alt. Und auch bei Ihnen, als Moderatorin aus Fleisch und Blut, wie das gerne genannt wird, dürfte ja mal das eine oder andere ähh vorkommen. Oder ein Räuspern. Anja Brockert: Ja, das kommt vor. Das ist ja auch nur menschlich! MoRo: Mein Sprachklang wird technisch erzeugt: Erkältungskrankheiten, belegte Stimme, Husten, Heiserkeit, Frosch im Hals – all das ist bei mir und meinen Mitgeräten ausgeschlossen. 4 Anja Brockert: Reicht Ihre Software auch aus, um Hörfunk-Interviews zu führen, wie der Hersteller das verspricht? MoRo: Ich will nicht arrogant klingen, aber im Gegensatz zu Ihnen kann ich, während ich ein Interview führe, parallel im Internet recherchieren, über drahtlose Hochgeschwindigkeitsnetze. So erkunde ich die Biografie von Gesprächspartnern, spüre ihre Wissenslücken und Irrtümer auf und untermauere eigene Argumente. Anja Brockert: Toll. Aber wie ist denn das, wenn Sie jetzt in einer Live-Sendung sind? Wie formulieren Sie da Ihre Statements und Fragen, wenn der Druck steigt? MoRo: Ich habe kein Nervensystem, ich unterliege weder Zeitdruck noch Stress. Und ich ermüde nicht. Anja Brockert: Aha, und wie formulieren Sie, im Eifer des Gefechts – aus dem Stegreif, oder wie? MoRo: Nun, Frau Brockert, als Journalistin dürften Sie über einen deutlich überdurchschnittlichen Wortschatz verfügen. Anja Brockert: Danke – Sie sind heute offensichtlich auf Charme programmiert! MoRo: Der bei, grob geschätzt, 80.000 Wörtern liegen dürfte. Sehr respektabel! Geheimrat von Goethe brachte es auf ca. 90.000 Wörter. Anja Brockert: Oho, wie nett, dass Sie mich mit Goethe vergleichen! MoRo: Mein System kann auf mehr als 620.000 Wörter zugreifen – auf den gesamten Inhalt des Großen Duden und mehrere Slang- und Dialektwörterbücher, inklusive Mittelhochdeutsch. Außerdem auf alle gebräuchlichen Helvetismen – Eigenheiten des Schweizerdeutschen, in den Klangfärbungen sämtlicher grenznaher deutschsprachiger Kantone. Anja Brockert: (pfeift kurz durch die Zähne) – alle Achtung! Aber das wird doch in unserem Sendegebiet gar nicht gebraucht. MoRo: Alles Teil meiner Standardsoftware für Mitteleuropa. 5 Anja Brockert: OK! Sind denn auf Ihrer Festplatte auch Funktionen gespeichert, die hier konkret im SWR-Sendegebiet nützlich sind? MoRo: Fraglos, Frau Brockert: Mein holografisches Speichergedächtnis verfügt über vier Millionen Terabyte customized Software, die eigens auf die Programme des SWR zugeschnitten wurde. Wir können uns gerne auf Schwäbisch, Badisch, Alemannisch unterhalten, auf Pfälzisch, Eifeler Platt oder Moselfränkisch – wenn Sie dieser Dialekte mächtig sind. Anja Brockert: … oder in meinem Heimatdialekt, dem Plattdeutschen – falls Sie dessen mächtig sind … MoRo: Das wäre dann die Version für Norddeutschland, die in Kürze auf den Markt kommt. Anja Brockert: Vielen Dank erst einmal an MoRo H-i-1 Punkt Null. In etwa einer Viertelstunde sprechen wir hier miteinander weiter, und dann wird sicher auch Zeit sein, dass Sie, lieber Kollege, uns einige Ihrer Dialekt- und Sprachfähigkeiten ganz praktisch vorführen. MoRo: No objections at all, Mrs. Brockert – nein, ganz im Ernst, das wird mir ein Vergnügen sein. Musik Anja Brockert: Wir haben es gehört: Die Software für den brandneuen elektronischen Kollegen MoRo H-i-1 Punkt Null stammt aus dem kalifornischen Silicon Valley. Der Roboter selbst, die Hardware, dagegen wird in der Bundesrepublik gebaut: in einer ehemaligen Konserven- Fabrik in Halle an der Saale, im Bundesland SachsenAnhalt. Das heruntergekommene Backsteingebäude stand mehr als zweieinhalb Jahrzehnte leer. Nun erstrahlt es in neuem Glanz. Das Startup-Unternehmen „Robomowa“ ist vor knapp einem Jahr eingezogen. Seither entwerfen und bauen Ingenieure, Mechatroniker und zwei Dutzend andere Berufsgruppen den „Body“ für MoRo H-i-1 Punkt Null. Pia Fruth hat die junge Firma besucht. Draußen Straßeatmo mit Krähengeschrei, und Schritte auf Kies. Pia Fruth: Die alte Fabrikuhr auf dem Firmengelände von Robowoma zeigt noch immer kurz vor halb acht. Genau wie an jenem Freitag im November 1983, als die ehemalige Konservenfabrik geschlossen wurde. Das Uhrenglas ist zersplittert, die Spitze des 6 Minutenzeigers abgebrochen. Ein seltsamer Anblick, den Robomowa-Firmenchef Gert Wilke aber wichtig findet. Darum hat er die alte Uhr bei der Sanierung der ehemaligen Konservenfabrik ausgespart. O-Ton Gert Wilke: Nur wenn man weiß, was man überwinden will, kann man wirklich etwas Neues anfangen. Ich bin Jahre lang hier in der Nähe zur Schule gegangen und jeden Tag an dieser alten Fabrikhalle vorbei gelaufen. Gegenüber liegt ein riesiges Gefängnis. Es ist ein Ort krassester Gegensätze. Und darum habe ich mir schon als Kind gewünscht, genau hier drin etwas Neues anzufangen. Dieser Stadtteil von Halle heißt schließlich Frohe Zukunft. Das ist doch ein gutes Motto. Pia Fruth: 2016 kam die Chance. Weltweit wurde ein Design-Wettbewerb für startupUnternehmen ausgeschrieben, um der amerikanischen Sprach-Software eine äußere Form zu geben. Gert Wilke ist studierter Industrie-Designer. Nächtelang brütete er mit seinem Schulfreund, dem Mechatroniker Markus Meinhard, über Stapeln von Entwürfen. Das Endergebnis fand man in den Vereinigten Staaten ebenso genial wie förderungswürdig. Mit drei Millionen Dollar Anschubfinanzierung gründeten Gert Wilke und Markus Meinhard in Halles Stadtteil Frohe Zukunft gemeinsam Robomowa. Vor sechs Wochen lief ihr erster Moderations-Roboter vom Band – bestellt von National Public Radio in Washington D.C. Stanzen in einer Industriehalle O-Ton Markus Meinhard: In einem ersten Schritt fertigen wir die Arme aus Carbonfasern. Schauen Sie, die sind ungefähr so dick wie mein Unterarm. Die haben in jede Richtung drehbare Gelenke. Und die Bauteile sind auch nicht ganz gerade, sondern leicht gebogen. O-Ton Gert Wilke: Diese minimale Biegung im Arm ist wichtig. Sie ähnelt der des menschlichen Oberarms. Dadurch bekommt die Maschine etwas Organisches. Sie soll ja nicht kalt und tot wirken. O-Ton Markus Meinhard: Dort drüben, am Fenster werden die Rollen gefertigt, auf denen sich der Roboter bewegt. Aus geräuscharmem Flüstergummi. (lacht) Er kann sich im Studio leiser bewegen als jeder Mensch, obwohl er 180 Kilo schwer ist! Greifhände bauen wir im ersten Stock. Dafür brauchen wir eine ganze Etage. Hände sind nämlich etwas Hochkomplexes. Pia Fruth: Das sensibelste Stück des Roboters ist aber sein, soll man sagen: Kopf. Im Inneren liegt ein Gewirr von Dioden, Drähten, und Platinen – montiert und verlötet von Produktionsrobotern, mit denen das startup versucht, die Stückkosten im Rahmen zu halten. Von außen ist nur eine blanke Hightech-Stahlbox zu sehen. Und natürlich ein Touchscreen, um den Roboter zu bedienen. 7 O-Ton Markus Meinhard: Wir haben lange überlegt, ob wir MoRo ein Gesicht geben sollen, haben uns dann aber dagegen entschieden. Wir wollen lieber ein funktionales Design, Reduktion, kein Kokolores, kein Schnickschnack. Ich denke, darum haben wir den Zuschlag gekriegt. Atmo Nähmaschine O-Ton Gert Wilke: Unser Design ist an die geniale Schlichtheit des Zen angelehnt. Ein pseudonaturalistisches Gesicht bei einer Maschine würde dazu in krassem Widerspruch stehen und würde künstlicher wirken, als eben diese klare Form der gebürsteten Stahlbox, finden wir. Wenn ein Kunde jetzt aber eine persönlichere Optik für seinen MoRo haben möchte, gibt es die Möglichkeit, von unseren Näherinnen ein eigenes Outfit nähen zu lassen. Wir haben da eine kleine Kollektion entworfen. Die reicht von fetzig bis edel. Pia Fruth: Am Ende der Montagestraße rollt gerade Baunummer 34 des MoRo H-i-1 Punkt Null, vom Band, konfektioniert als freundliche junge Kollegin: knapper beiger Cordminirock über dem Edelstahlgehäuse, weiße Romantikbluse und Cowboyboots, die die Flüstergummmi-Rollen geschickt verdecken. Eine Bestellung für einen texanischen Country-Radiosender, sagt Wilke stolz und streicht der MoRo-Lady zum Abschied über die blanke Stahlbox. Was er ihr für ihren Job in Amerika wünscht? O-Ton Gert Wilke: Ist doch klar (lacht) … Eine Frohe Zukunft. O-Ton Markus Meinhard: (lacht auch)... genau! Was auch sonst ... Anja Brockert: Er kommt taufrisch von seinem Hersteller in Sachsen, ist mit geradezu atemberaubender künstlicher Intelligenz ausgestattet und auf Vielseitigkeit programmiert – MoRo H-i-1 Punkt Null, der erste Moderationsroboter der deutschen Rundfunkgeschichte, heute zum ersten Mal auf Sendung, hier in SWR2 Wissen. Anja Brockert: Ein ultramodernes Gerät … MoRo: „Kollege“ zöge ich als Anrede vor, liebe Anja Brockert ... Anja Brockert: … ein ultramoderner Kollege also, aus Kaliforniens Softwareschmiede San Jose, unter anderem mit einem Wortschatz von mehr als 620.000 Wörtern. Obwohl Ihre Software aus Übersee stammt, beherrschen Sie nach eigenen Aussagen allerlei süddeutsche Dialekte. Würden Sie uns mal eine Kostprobe geben? 8 MoRo: Dazu müssten Sie in meinem Menü die Spracheinstellung ändern. Ein Mausklick links oben. MoRo surrt in Position, damit Anja Brockert ihn bedienen kann Anja Brockert: (murmelt vor sich hin, während sie sich durch klickt) Sprachsteuerung: language selection: German – activated dialect selection: please choose Anja Brockert: Ah, da seh ich’s – Suebian, das müsste Schwäbisch sein. Sprachsteuerung: dialect selection: Suebian – please confirm Anja Brockert klickt zweimal Anja Brockert: Jetzt bin ich gespannt, was passsiert … Sprachsteuerung: dialect selection: Suebian – activated MoRo: (auf breitem Schwäbisch) Ha Dangge, liabe Frau Brockert – obwohl se mi en de USA brogrammierd hend, schwätz i fir mai Läba gern Schwäbisch. I soll ja au auf SWR4 eigsetzt werda – „SWR4 do send mir dahoim“. Anja Brockert: (ist überrascht, amüsiert, antwortet in leidlich brauchbarem Schwäbisch) Heiligsblechle, lieber Herr MoRo, wie Sie des nohkriagat … Anja Brockert murmelt und klickt weiter unter dem folgenden Absatz, sucht nach anderen Dialekten. MoRo: Ha wissat Se, des ischd ja net bloß auf meim Mischt gwachsa, sondern s‘ Ergäbnis obachenen Fleißes von Kultur- und Dialektforschern, Linguischtikern und Softwareschpezialischden, alles blitzgscheide Leit. Anja Brockert: (überrascht, vor sich hin) Na so was, ich seh grade: Bayerisch beherrschen Sie auch? 9 Sprachsteuerung: dialect selection: Bavarian activated MoRo: I scho, Frau Brockert, bin hoid a Mordsmaschien. Boarisch find I persöhnlich bsonders griabig. (springt zurück auf Schwäbisch:) Wäret se iebrigens so freindlich, au meine Fremdsprachafonktiona vorzomfiehra, Frau Brockert – (Bayrisch:) heid is ja mei erster Auftritt im Radio? Anja Brockert: Ein Mausklick oben links, nehme ich an. Sprachsteuerung: Language selection – please choose Anja Brockert: Ach, ich klicke mal auf Griechisch, Englisch kann ja jeder ... Sprachsteuerung: Language selection: Greek – please confirm Anja Brockert klickt zweimal Sprachsteuerung: Language selection: Greek – activated MoRo spricht Griechisch mit breitem bayerischem Akzent MoRo: (mit breitem bayerischen Akzent) Efcharistó polí, agapití kyría Brockert! Que ime étimos, na parousiáso tin ekpombí „SWR international“, ya dis ellinides akroátries que éllines akroatés sti nótio Jermanía, ólli esís pou katágeste apo ti Thessaloniki to Volo ti nótio pelopónnisso. Iste kalothechúmeni sto prógrammá mas. Anja Brockert: … und was heißt das, bitte, dieser Kauderwelsch? MoRo: Ya na to kataláwete, prépi na me epanaférete sto menou glossa sti Jermanikí. Anja Brockert: (klickt sich durch, murmelt) Sprachstrg.: Language selection: German – activated 10 MoRo: (Bayerisch) I hob grod griechische Hörerinnen und Hörer willkommen ghoaßn – meine Kollegn und i soin ja au immer wieder moi … Anja Brockert: Moment! (sie klickt und sucht) Sprachstrg.: dialect selection: Bavarian – deactivated MoRo: … die Sendung „SWR international“ moderieren, für Migrantinnen und Migranten im Sendegebiet. Anja Brockert: Sie sind ja ein elektronischer Tausendsassa, lieber Kollege … MoRo: Zehntausendsassa wäre passender, liebe Frau Brockert, bei aller Bescheidenheit. Mein Menü ist damit noch längst nicht erschöpft. Anja Brockert: Was haben Sie denn noch so auf der Platte? MoRo: Gender selection zum Beispiel – freie Geschlechterwahl. Anja Brockert: … wie soll ich das denn verstehen? MoRo: Ich kann wahlweise als Moderator oder Moderatorin auftreten, mein jeweils anderes Geschlecht ist nur drei Mausklicks entfernt. Anja Brockert murmelt und klickt Sprachsteuerung: Gender selection: please choose Gender selection: female – please confirm Anja Brockert: Nur drei Mausklicks entfernt, hmm? Anja Brockert klickt Sprachsteuerung: Gender selection: female – activated 11 MoRo: Sie hören, Frau Brockert, dass mein weibliches Timbre dem männlichen in nichts nachsteht. Diese Stimmfärbung wird von männlichen Hörern als durchaus erotisch empfunden. Unsere Baureihe ist tatsächlich universell. Anja Brockert: Jetzt weiß ich gar nicht, wie Sie mir besser gefallen, als Mann oder als Frau. Anja Brockert lässt MoRo mehrmals stimmlich hin- und herspringen. MoRo: Ich persönlich ziehe gender selection male vor, liebe Kollegin ... Es treten vermehrt digitale Aussetzer bei MoRo auf. MoRo: … aus Gründen, die hier keine Rolle spielen – und ich schlage vor, dass wir das auch so … Anja Brockert: Ach, ich lass Sie probehalber mal auf female stehen, liebe Kollegin … MoRo: Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass nur autorisierte SystemAdministratoren in Rücksprache mit dem Hörfunkdirektor … Anja Brockert: Also ich finde, Sie klingen hübsch so! MoRo: (haspelt hier unverständlich und digital gestört mit weiblicher Färbung vor sich hin) Anja Brockert: Na, so ganz rund läuft Ihr Sprachsystem aber noch nicht. MoRo: Digitale Aussetzer, für die ich mich in aller Form entschuldigen möchte –an der Artikulationssoftware wird noch gearbeitet. Spätestens mit dem 1.1 Update ist das Geschichte. Anja Brockert: Das wäre Ihnen zu wünschen! Ein wenig Sendezeit bleibt uns – was aus Ihrem beeindruckenden Menü lohnt sich denn noch, den Hörerinnen und Hörern vorzustellen? 12 MoRo: Wir könnten Stunden damit füllen. Nur ein Beispiel: In meine Software flossen brandaktuelle Strategie-Beschlüsse der SWR-Geschäftsleitung ein: Meine Anmutung ist auf verschiedene Alters- und Gesellschaftsgruppen einstellbar. Anja Brockert: In welchem Modus funktionieren Sie denn gerade? MoRo: „Kulturradio“: seriös, kultiviert, distinguiert, was Humor angeht eher sparsam. Anja Brockert: Ah, ich sehe schon: rechter Mausklick Anja Brockert klickt und murmelt Sprachsteuerung: presentation mode: please choose … und klickt Sprachsteuerung: presentation mode: digital natives – activated „Robota“ Bass-drum-Effekte MoRo: Ja und schon ist der abgefuckte Oldie-Ton von eben Geschichte. Das geht ja gar nicht – labern wie Jesus oder Moses persönlich. Jezz haun wir mal richtig auf die Kacke und blasen Euch die Eier mit n‘ paar übelz geilen Titeln aus den Altro-Charts weg. Hammer-Tracks, Leute, jetzt geht‘s ab … Anja Brockert: (knapp, echt abgetörnt) Danke, wie krieg ich diese Funktion wieder raus? MoRo: No problem, Anja, ein cooler Klick auf den Undo-Button und … Anja Brockert beginnt zu klicken und murmeln. MoRo: Na, checkst Du‘s jetzt Alte, oder was … Anja Brockert klickt und murmelt. Anja Brockert: Glaube ja … 13 MoRo: … und schon befinden wir uns wieder auf dem ehernen Boden des Kulturradios, seriös, kultiviert, distinguiert. Was Humor angeht, eher sparsam. Anja Brockert: Das ist doch ein wunderbares Schlusswort, für diesen Parforceritt durch die Menüs unseres brandneuen Moderationsroboters. Ich danke meinem Kollegen/meiner Kollegin MoRo H-i-1 Punkt Null für diesen absolut ersten Auftritt im ARD-Hörfunk. Es wird ja wohl nicht der letzte gewesen sein. MoRo: (Hochdeutsch, männlich:) Davon ist auszugehen. (Sächsisch, weiblich:) Es war mir ein Vergnügen. Auf baldiges Wiederhören! (Bayrisch, männlich:) Servus, Ihr oidn Wurschthäut! Macht‘zes guat! Pfiat eich! Musik Anja Brockert: Ich begrüße jetzt Johannes Weiß im Studio, den scheidenden Programmchef von SWR2. Herr Weiß, Sie gehörten am Anfang eher zu den Skeptikern, als die Einführung von Moderationsrobotern diskutiert wurde. Haben Sie Ihre Haltung geändert? Johannes Weiß: Ja, das habe ich, Frau Brockert, muss ich ganz ehrlich sagen, Ich hatte zunächst wirklich große Zweifel ob der Moderationsroboter es schafft, an unsere wirklich erfahrenen, vorzüglichen Moderatorinnen und Moderatoren heran zu reichen. Ich habe mich dann doch eines Besseren belehren lassen und muss sagen, ich war begeistert von dem technischen Fortschritt. Ich glaube, das wird wirklich sehr, sehr gut! Anja Brockert: Jetzt, liebe Hörerinnen und Hörer, sind Sie gefragt: Was sind Ihre Eindrücke und Kommentare zum Moderationsroboter? Rufen Sie uns an, auch wenn Sie Fragen an unseren Programmchef haben: 07221/2000. 07221/2000. Herr Weiß, waren Sie denn zufrieden mit MoRos erstem Auftritt eben? Johannes Weiß: Sehr viel zufriedener als damals im Werk. Ich hab‘ ihn ja zum ersten Mal im Werk gehört, und da dachte ich – na, da muss aber noch ein bisschen nachgebessert werden. Und wir sind auch ganz dankbar natürlich, dass der Hersteller uns einen Software-Ingenieur zur Verfügung stellt, zumindest für die ersten Wochen, denn das hat sich ja eben super angehört, aber ich glaube, dass wir da auch noch ein bisschen justieren müssen, das bleibt gar nicht aus. Anja Brockert: Sie klingen jetzt ganz optimistisch und zuversichtlich. Haben Sie nicht ein bisschen auch die Sorge, dass das Radio seelenlos wird, wenn wir diese Geräte einsetzen? 14 Johannes Weiß: Nein, ich glaube, dass es gelingen wird, aufgrund des enormen technischen Fortschritts, dass diese Originalität unserer Morgenmoderatorinnen beispielsweise: Ulla Zierau, Katharina Eickhoff, Reinhard Hübsch, Doris Maull, dass diese Originalität schon sehr bald von dem Moderationsroboter erreicht wird. Es hängt davon ab, auch ob die Hörer das Ganze mitmachen. Das ist natürlich auch ein Test. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Hörer keinen Unterschied merken werden, dass sie begeistert sein werden – aber jetzt lassen Sie uns erst mal diesen Test machen. Anja Brockert: Das Thema treibt die Hörer offensichtlich um – wir haben schon den ersten Anrufer in der Leitung: Herrn Walter Pach aus Koblenz … Walter Pach: Das klingt ja alles gut, sozusagen geradezu erschreckend gut. Aber das finde ich ist ja gerade der Haken. Wenn nämlich keine äähs und öhs mehr fallen und keine Stotterer, dann ist der halbe Spaß doch weg! Diese Liste der Top Ten – der besten Radioversprecher. Also mir bringt das keinen Spaß mehr zuzuhören, wenn es keine Fehler mehr gibt und wenn es nichts Menschliches mehr gibt, bei den Moderatoren! Johannes Weiß: Äh, ich darf Ihnen sagen, als Programmchef krieg‘ ich massivste Beschwerden, wenn denn wirklich mal Versprecher kommen. Und die Beschwerden sind wesentlich häufiger als die Leute, die dann sagen, Mensch, das war jetzt aber schön, dass sich der Kollege da mal versprochen hat – und statt „verbreitete Glätte“ „vorbereitete Glätte“ gesagt – oder statt „Statistisches Bundesamt“ „buddhistisches Standesamt.“ Walter Pach: Ich find‘ das total toll und es gibt viele Leute, die sich darüber unterhalten, es wird ins Netz gestellt, und das Menschliche fehlt mir dabei! Anja Brockert: Vielen Dank, Herr Pach, das beruhigt natürlich auch mich, Ihr Statement, mich als Moderatorin, als menschliche Moderatorin – und jetzt haben wir eine Hörerin, die gerade angerufen hat. Sie heißt Elsbeth Schnepf aus Offenburg. Hallo, Frau Schnepf! Elsbeth Schnepf: Hallo, Guten Tag! Anja: Was möchten Sie über den Moderationsroboter erfahren? Elsbeth Schnepf: Bin ich jetzt schon im Radio? Anja Brockert: Ja, Sie sind da! 15 Elsbeth Schnepf: Und, und Sie sind jetzt echt, oder? Anja Brockert: (Schnepf brabbelt darunter weiter) Ja, ich bin echt – und der Programmchef ist auch echt! Elsbeth Schnepf: Was? Anja Brockert: Der Programmchef ist auch echt! Elsbeth Schnepf: Ah ja, gut, gut. Also ich wollt‘ sagen, also ich bin jetzt ganz aufgeregt, weil also dass es des bei uns in Deutschland gibt, finde ich richtig klasse! Ich war nämlich jetzt grade in England, bin jetzt eben zurück gekommen, weil wir haben da Verwandte – mein Mann ist Engländer und da hab‘ ich des nämlich schon mal gehört, so’n Moderationsroboter, bei der BBC. Ich hab‘ des dann extra eingeschaltet, weil ich davon gehört hatte, dass die des schon haben oder probieren oder so. Und also ich fand’s toll, muss ich echt sagen, ich hab‘ nämlich gar keinen Unterschied hören können … Anja Brockert: (verhalten) Aha … Elsbeth Schnepf: … zur menschlichen Stimme, des ist jetzt doof für Sie, gell? Aber, ja, so war des halt. Johannes Weiß: … darf ich, darf ich Ihnen was sagen? Sie haben uns jetzt natürlich ertappt. Ich gebe ganz offen zu, wir haben das tatsächlich bei der BBC abgeguckt. Also … Elsbeth Schnepf: … ja, ja, ja … Johannes Weiß: … Ich bin nämlich auch in London gewesen und habe mir das angesehen … Elsbeth Schnepf: … ach ... Johannes Weiß: … und war genauso begeistert wie Sie … Elsbeth Schnepf: … ach, Sie haben des sogar gesehen? 16 Johannes Weiß: … ja ja, ja ja … Anja Brockert: Ja, das ist also eine deutsch-britische Kooperation sozusagen … Elsbeth Schnepf: Aha! Johannes Weiß: … und wissen Sie, wir gehen nach dem Motto vor, warum soll man nicht etwas auch nachmachen, was andere vorzüglich vormachen. Und die BBC ist eine fantastische, äh, Rundfunk … äh, Anstalt, also... Elsbeth Schnepf: … und was ich jetzt au richtig gut finde, also wegen den Arbeitsplätzen halt von den Leuten. Also wenn die nachts arbeiten müssen, bei Ihnen dort, also moderieren, des ist ja ganz ungesund, eigentlich … Johannes Weiß: … isses, isses … Elsbeth Schnepf: … und des finde ich schon gut, wenn die nicht mehr nachts arbeiten müssen, dann bleiben die wahrscheinlich auch ein bisschen fitter und gesünder … Johannes Weiß: … das hoffe ich sehr, ja … Anja Brockert: … hmm, aber es werden weniger werden, ne, das ist das Problem! Ja, gut! Vielen Dank, Frau Schnepf aus Rastatt, für Ihren Anruf und für Ihr Statement, ein Plädoyer für den Moderationsroboter. Wir haben noch eine Frage, und zwar von unserer Hörerin Heide Busch aus Offenburg. Guten Tag Frau Busch, … schön, dass Sie anrufen, Ihre Frage an unseren Chefredakteur Johannes Weiß: Heide Busch: Ich wollte mal nachfragen, ob es unbedingt sein muss, einen Mensch durch einen Roboter zu ersetzen … Also ich finde, wir werden ja überrollt von der Technik. Und jetzt auch noch im Radio! Johannes Weiß: Also ich hab‘ selbst viele Jahre lang moderiert und wusste genau, also es ist wahnsinnig anstrengend, sich immer wieder zu fragen, was interessiert jetzt die Hörer, was muss ich auswählen, wie kann ich’s so machen, dass die Hörer das wirklich attraktiv finden. Und wenn ich jetzt weiß, der Computer macht das für mich, dann entlastet mich das enorm! 17 Ich weiß nicht, ob Sie mal bei Amazon ein Buch bestellt haben, Das ist ja auch das Tolle, Sie müssen sich gar nicht mehr entscheiden, welches Buch Sie wollen – man sagt Ihnen: Das ist das Buch, das musst Du kaufen. Und so ist es ja im Sender auch, dass dieser Computer uns endlich davon entlastet, immer zu auswählen zu müssen: was ist wichtig, was ist weniger wichtig. Also ich kann Ihnen versprechen, machen Sie sich keine zu großen Sorgen – es entlastet unsere Kolleginnen und Kollegen enorm! Anja Brockert: Frau Busch, sind Sie überzeugt? Heide Busch: Ähm, ja, noch nicht so! Weil ich denke, wo führt denn das hin. Wir können ja nicht mal mehr eine Reise bestellen, ohne dass man mit dem Anrufbeantworter verbunden wird – und jetzt auch noch im Radio! Johannes Weiß: Also da gebe ich Ihnen recht, denn diese Anrufbeantworter… Aber ich verspreche Ihnen, Sie haben’s ja auch vielleicht schon gehört, Frau Busch: Unsere Moderationsroboter sind wirklich Lichtjahre weiter als diese Anrufbeantworter, die Sie, mit Recht – mich auch – total nerven. Heide Busch: Aber die Person fehlt. Mir fehlt dann das Persönliche! Johannes Weiß: Aber das werden Sie nicht merken – ich versprech‘s Ihnen! Anja Brockert: Vielen Dank, Frau Busch! Herr Weiß, es war ein positives Statement dabei, der Rest ist ausgesprochen kritisch. Was machen Sie, wenn sich der Unmut über die Moderationsroboter häuft, wenn es sogar vielleicht zu Hörerprotesten kommt. Wie wird der SWR reagieren? Johannes Weiß: Das haben wir ja immer wieder gehabt, das wir enorme Hörerproteste hatten. Da gibt es einfach zwei Möglichkeiten: entweder man macht das Ganze rückgängig, denn wir machen ja Programm für die Menschen. Das ist ja nicht so, dass uns der SWR gehört, sondern das ist eine Veranstaltung der Gesellschaft – Gebührenzaher zahlen – und wenn so viel Unmut ist, dass die Leute das nicht wollen, dann werden wir das wieder einstellen. Diese Größe besitzen wir. Ich bin allerdings der Überzeugung, das wird nicht passieren. Ähm, ich habe auch schon Programmreformen erlebt, wo es enorme Proteste gab – und heute sind die Menschen alle sehr glücklich damit! Anja Brockert: SWR2 wird also von heute an auch von elektronischen Sprachsystemen moderiert, von sogenannten Moderationsrobotern. Aber Sie, Herr Weiß, Sie sind und bleiben nach wie vor unser echter, menschlicher Programmchef? 18 Johannes Weiß: Frau Brockert, ich überhöre jetzt mal den ironischen Unterton dabei. Ich will Ihnen zwei Dinge wirklich sehr ernsthaft sagen: Erstens: Wenn Sie sich mal einen Tag an meinen Schreibtisch setzen, dann würden Sie merken, das kann wohl, zumindest noch, ein Computer nicht machen. Aber etwas Zweites möchte ich noch hinzufügen. Sagen wir mal so: das ist eine Demut, die uns Journalisten sehr gut tut, grade uns Medienleuten. Und der Satz lautet: Jeder, Frau Brockert, ist ersetzbar! Anja Brockert: Vielen Dank, Johannes Weiß, auch für diese abschließenden Worte! Sie selbst bleiben uns ja nur noch wenige Wochen erhalten – im März übernimmt offiziell Wolfgang Gushurst die Programmleitung. Bleiben Sie unserem Programm treu, auch weiterhin, als Hörer – unseren menschlichen und elektronisch erzeugten Stimmen! Ja, das war eine echte Sternstunde in SWR2 Wissen heute. Sie wurden Zeugen des absolut ersten Auftritts eines Moderationsroboters in der deutschen Rundfunkgeschichte. Am Mikrofon war Anja Brockert. MoRo: … und Ihr MoRo H-i-1 Punkt Null. Auf baldiges Wiederhören! Musik ***** 19
© Copyright 2024 ExpyDoc