Foto: istock/llhedgehogll news 70% Schuften im Akkord: Damit in der Büroarbeit nicht ein neuer Taylorismus entsteht, dürfen Unternehmen nicht allein auf Digitalisierung, agile Techniken und Lean-Prinzipien setzen. Sie müssen ihre Mitarbeiter auch empowern. … der Unternehmen bemessen Veränderungsvorhaben oberste Priorität zu. So das Ergebnis einer Umfrage unter 191 Führungskräften und 50 Mitarbeitern aus zwölf Branchen. Laut der Studie des Change-Management-Spezialisten Mutaree wird vor allem Frauen sowie Angehörigen des mittleren Managements hohe Veränderungskompetenz zugesprochen. „Das ist erstaunlich, weil gerade das mittlere Management häufig als Lehmschicht beschimpft wurde“, kommentiert Mutaree Geschäftsführerin Claudia Schmidt. Möglicherweise hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass das mittlere Management den schwierigsten Teil der Veränderungen trägt. „Und Frauen wird vielleicht besonders viel Neuorganisation der Wissens- und Büroarbeit Agil und Lean können gefährlich sein Die digitale Revolution erfasst immer mehr Bereiche, in denen Kopf- und Verwaltungsarbeit geleistet wird. Viele Unternehmen richten sich neu aus und setzen dabei auf agile Methoden und Prinzipien aus dem Lean Management. Wie eine Studie zeigt, ist der Grad zwischen effektiver und gleichzeitig menschlicher Arbeitsorganisation und neuen Formen tayloristischer Kontrolle allerdings schmal. Change-Kompetenz zugetraut, weil sie als sehr empathisch und dialogfähig gelten“, vermutet Schmidt. Doch leicht wird es changekompetenten Führungskräften in den Unternehmen nicht gemacht. 38% … der Unternehmen – nicht mehr – finden Change-Projekte wichtiger als das Tagesgeschäft. Diese Zahl führt die 70 Prozent, die dem Change angeblich oberste Priorität einräumen, ad absurdum. Denn, so Schmidt: „Wer nicht bereit ist, zumindest für einen gewissen Zeitraum Einbußen im Tagesgeschäft hinzunehmen, wird mit seinen ChangeProjekten nicht erfolgreich sein.“ An anderer Stelle zeigt sich, dass vielen Firmen nicht bewusst ist, dass es nicht reicht, Veränderung einzufordern, ohne die Belegschaft darin zu unterstützen, den Wandel zu verkraften: Nur für 26 Prozent hat die Gesunderhaltung der Mitarbeiter eine sehr hohe Bedeutung. 10 jum Die Arbeitswelt ist derzeit am Scheideweg – so die Beobachtung eines Wissenschaftlerteams vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) aus München um den Arbeits- und Industriesoziologen Andreas Boes. Die Beobachtung stützt sich auf Untersuchungen, die die Forscher zwischen 2013 und 2016 in drei Unternehmen durchgeführt haben. Demnach zeichnet sich eine deutliche Tendenz der Unternehmen ab, Prozesse auch außerhalb der Softwareentwicklung akribisch aufzuschlüsseln, zu beschreiben, dann eng getaktet durchzustrukturieren und in digitale Informationsräume zu verlagern. Betroffen davon sind etwa Forschungs- und Entwicklungsbereiche sowie die Verwaltung. Für die Beschäftigten ergeben sich daraus – so stellen die Wissenschaftler in einem bei der Hans Böckler Stiftung publizierten Working Paper („Lean und agil im Büro“) fest – nicht nur Vorteile. Die neuen Arbeitsstrukturen sind oft mit erheblichen Belastungen verbunden. So kann die Zersplitterung der Entwicklungsarbeit in kleine, fest umrissene Aufgabenpakete, die in kurzen Zeiträumen abzuarbeiten sind, zu Dauerstress führen. Die Durchleuchtung des eigenen Tuns durch regelmäßige Ergebnispräsentationen kann das unangenehme Gefühl, unter Kontrolle zu stehen, hervorrufen. Besonders hoch sei der Rechtfertigungsdruck, wenn etwa im Zuge des Lean Managements über ein sogenanntes Shopfloor Board die eigene Arbeit ständig dokumentiert werden muss, schreiben die Forscher. Sie sprechen von einer neuen Gefahr tayloristischer Zustände. Verteufeln wollen sie agile und Lean-Methoden in der Wissens- und Verwaltungsarbeit keineswegs. Sie betonen jedoch, dass Firmen, die ausschließlich darauf setzen – ohne gleichzeitig die Beschäftigten zu empowern – ein riskantes Spiel spielen, das in ausgebrannten Arbeitswelten münden könnte. Vor allem in der Verwaltung zeichnen sich diese Tendenzen bereits heute ab: Dort wird zwar immer stärker lean gearbeitet, aber ohne dass die Mitarbeiter Einfluss auf die Arbeit nehmen könnten. Anders sieht es in der agil ausgerichteten Forschungs- und Entwicklungsarbeit aus: Hier finden sich eher Beispiele für empowerte Mitarbeiter, die nicht nur über das Wie, sondern auch das Was ihrer Projekte entscheiden dürfen. jum managerSeminare | Heft 228 | März 2017
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