2017-02-28_GA

GENERAL-ANZEIGER
KARNEVAL IM VORGEBIRGE
Dienstag, 28. Februar 2017
17
SO
O GESEHEN
Von GA-Redakteur
Mario Quadt
Auf Kölsch
integriert
W
enn jemand fremd ist,
muss er es nicht bleiben.
Diese Erkenntnis ist nicht neu,
wenn sie auch derzeit immer
wieder in Erinnerung gerufen
werden muss. Denn Integration
tut not in Zeiten, da manche
Menschen bekunden, Angst vor
dem Fremden zu haben. Fremd
war Leo Nederstigt der Karneval
nicht, als er als junger Mann nach
Rheinbach kam. Schließlich gibt
es auch in seinem Geburtsland,
den Niederlanden, Züge und
Verkleidungen.
1956 siedelte er als 19-Jähriger
ins Rheinland um. Seine Eltern
betrieben auf Gut Waldau 13
Jahre lang eine Gärtnerei, darum
ist der Name Nederstigt vielen
Rheinbachern alles andere als
fremd. Um nicht fremd zu bleiben, traten Leo und sein Bruder
Henk 1962 den Rheinbacher
Stadtsoldaten bei. In jungen Jahren war er Tanzoffizier, später
wurde er zum ehrenhaften Offi-
Alt und Jung karnevalistisch vereint: In Heimerzheim feiern zahlreiche Jecken beim Rosenmontagszug.
FOTOS: SEBASTIAN LAUBERT
Luther und die Unschuldslämmer
Beim Heimerzheimer Karnevalszug wird auch das Reformationsjubiläum gefeiert. 21 Gruppen sorgen für Stimmung
Großen Heimerzheimer Karnevalsgesellschaft.
Zugmoderator
Manfred Lütz begrüßte sämtliche
Swisttaler Tollitäten auf der Tribüne sowie den ehemaligen Bürgermeister Eckhard Maack, der seine
erkrankte Amtsnachfolgerin Petra
Kalkbrenner würdig vertrat. Unterstützung auf der Tribüne erhielt
Lütz von Günter Tappeser und seinem Vorgänger als Moderator,
Hans-Josef Bürvenich.
VON INGA THULFAUT
Das
Lutherjahr ist eingeläutet: De Jecke Protestante huldigten ihrem
Kirchenführer mit dessen großem
Konterfei auf ihrem Wagen beim
großen Heimerzheimer Rosenmontagszug. Ansonsten ging es allerdings recht weltlich und wenig
sittsam zu, obgleich vereinzelte
Engelchen mit Heiligenschein am
Straßenrand den Schein zu wahren suchten.
So fiel die Heimerzheimer Fantasy Gruppe als Hunnenhorde in
gewohnt martialischer Aufmachung über die Straßen her. Die
Schützen hüllten sich zwar als vermeintliche
SWISTTAL-HEIMERZHEIM.
Leo Nederstigt ist karnevalistisch voll integriert. FOTO: QUADT
zier befördert und schließlich
während der Session 2004/2005
zusammen mit seinem Bruder
zum Ehrenmitglied des Rheinbacher Stadtsoldatenkorps ernannt.
Dass der Mann aus dem Land
der großen Käseräder und Holzpantinen alljährlich als Stadtsoldat beim Rheinbacher Veilchendienstagszug mitgeht, versteht
sich von selbst. Im Sommer wird
Leo Nederstigt nun 80 Jahre alt.
Darum denkt er darüber nach,
dass der Zoch am heutigen größten Tag der Rheinbacher Karnevalisten sein letzter als aktiver
Zugteilnehmer sein wird – ein
Schritt, der ihm nicht leicht fällt.
„Dat is net leesch“, sagt der Wormersdorfer mit einer charmanten
Mischung aus kölschem und
niederländischem Zungenschlag
während des Gesprächs mit dem
General-Anzeiger.
55 Jahre Stadtsoldaten haben
Spuren bei Leo Nederstigt hinterlassen – nicht nur, was den Dialekt angeht. So schwärmt er von
der Zeit der karnevalistischen
Bälle in Rheinbach. Er holt alte
Jahreshefte des Jeckenkorps
hervor, in dem anno 1980 etwa
zum Zigeunerball, dem Ball der
Session, dem Masken- und Kostümball und dem Manöverball
eingeladen wird – allesamt im
Saale von Strengs-Stuben. Die
Urkunden an den Wänden seines
Wohnzimmers künden davon,
über welch integrative Kraft der
Karneval verfügt.
Was ihm wohl am Schluss seines letzten Zuges durch den Kopf
gehen wird, vermag der gebürtige Niederländer nicht zu sagen. An der Haustüre fällt ihm
dann ein: „Vielleicht überlege ich
es mir aber noch mal – mit dem
Aufhören“, sagt er und lacht wie
ein Schelm.
Das, was alle wollen: Kamelle dürfen beim Zug natürlich nicht fehlen.
Unschuldslämmer in weißen
Pelz, ließen allerdings mit schwarzem Unterfell direkt durchschimmern, dass in jedem weißen auch
ein schwarzes Schaf steckt. Das
Damenkomitee Goldene Herzen
war mit äußerster Vorsicht zu ge-
nießen, denn auch wenn sich die
Damen selbst als herzallerliebste
Marienkäfer tarnten, flanierten sie
doch auf giftigen Fliegenpilzen gefährlich nah an den Jecken vorbei.
Die ließen sich aber nicht einschüchtern, denn erstens hatten sie
mit Teufelchen, Soldaten oder Batmen viel Kampfkraft in den eigenen Reihen, und zweitens versprachen die Superhelden vom Judo
Club Swisttal nötigenfalls Einsatzbereitschaft zum Retten der Welt
gegen das Böse. Unter der neuen
Zugführung von Irmgard
Schmitz und Erika Schucht
und der Zugleitung von
Hans-Peter Hölz umfasste
der jecke Aufmarsch insgesamt 21
Formationen, darunter natürlich
auch die staatsen Gruppen der
„Ganz doll vom Rock'n'Roll“
22 Formationen bilden den Rosenmontagszug in Odendorf und Essig. 60 Liter Erbensuppe gehen weg wie nix
VON GERDA SAXLER-SCHMIDT
SWISTTAL-ODENDORF/ESSIG. Gut
gestärkt ließ es sich wunderbar in
den Rosenmontagszug starten. Für
die nötige Marschverpflegung
sorgte im Vorfeld des gemeinsamen Karnevalszuges der beiden
benachbarten Ortschaften EssigOdendorf traditionell der Bürgerverein bei seinem Biwak mit Erbsensuppe, Kuchen und Getränken
gegen eine Spende zugunsten des
Bürgervereins.
In diesem Jahr war aber die
Nachfrage so groß, dass die 60 Liter Erbsensuppe nicht ausreichten, wie die Vereinsmitglieder bedauerten. Aber letztlich waren
doch alle Zugteilnehmer gut versorgt. Schließlich gab es auch von
der KG Rot-Weiß Odendorf-Essig
noch Verpflegung für jede der 22
Gruppen in Form einer kiloschweren Fleischwurst. Die verteilte der
KG-Vorstand um den Präsidenten
Christoph Knappe.
Punkt 14.11 Uhr rief der stellvertretende KG-Präsident Jürgen
Bröhl den Start des Zuges in Essig
aus, dessen Spitze Ehrenpräsident
Heiner Schumacher als Zugleiter
bildete. Die Fußgruppe Bald mit ihrer „schönen Bräune“ Kölschglä-
Stimmung garantiert: Beim Zug in Odendorf und Essig funkeln die Jecken um die Wette (links). Als lebende Seifenblasenspender sorgt diese Gruppe
für einen tollen Anblick.
FOTOS: SEBASTIAN LAUBERT
ser erntete viel Applaus. Mit diesem Kostüm hatte die Gruppe im
Dorfsaal den zweiten Platz erzielt,
so Kommentator Bröhl. Die Öndörber Oldtimer waren „schon ganz
doll vom Rock'n'Roll“. Sie fuhren
gekleidet im Stil der 60er Jahre samt
Oldtimer auf einem Prunkwagen.
Mit einem gigantischen Piratenschiff imitierten die Orbach-Piraten den Schrecken der Meere.
Die vielköpfige Familiengruppe
Manns/Helzel bot als goldgelbe
Küken, die noch halb in ihren Ei-
erschalen steckten, einen herrlichen Anblick. Die Junggesellen gaben in diesem Jahr auf einem riesigen Prunkwagen die NFL-Footballer, während die KG auf einem
prächtigen Prunkwagen mit Engelchen und Teufelchen fuhr. Das
Damenkomitee präsentierte auf
den Zinnen seines Prunkwagens
sein Trifolium, mit dem die Wiever
und ihr männlicher Komitee-Aktiver Martin Steinhauer in einem
Sketch bei der Weibersitzung für
Begeisterung gesorgt hatten.